LG Aachen, Urteil vom 18.07.2017 - 10 O 158/17
Fundstelle
openJur 2017, 261
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten abgeschlossene Bausparvertrag mit der Vertragsnummer X1 mit Vertragsbeginn zum 16.12.1996 durch die mit Schreiben vom 10.10.2016 erklärte Kündigung der Beklagten nicht beendet worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an die S3 Rechtsschutz-Versicherungs-AG zur Schaden-Nr. XX1 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe 85,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für die Beklage jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien schlossen ursprünglich den Bausparvertrag mit der Nummer X2 über eine Bausparsumme von 25.564,60 €. Dieser Vertrag wurde danach in zwei Bausparverträge aufgeteilt. Der hier streitgegenständliche Bausparvertrag erhielt zum Vertragsbeginn am 16.12.1996 die Nummer X1. Die Bausparsumme betrug 15.338,76 € bei einer Verzinsung von 2,5 % p.a.. Der Darlehenszins für ein Bauspardarlehen wurde auf 4,0 % festgelegt. Ferner wurden die Allgemeinen Bausparbindungen Tarif N (im Folgenden: ABB) als Vertragsbestandteil vereinbart. Als Regelsparbeitrag waren gem. § 5 Abs. 1 ABB 3,5 Promille der Bausparsumme, also 53,59 €, vereinbart. Nach § 5 Abs. 3 ABB kann die Bausparkasse den Bausparvertrag kündigen, wenn der Bausparer unter Anrechnung von Sonderzahlungen mit mehr als 6 Regelsparbeiträgen rückständig ist und er der schriftlichen Aufforderung der Bausparkasse zur Entrichtung der Beiträge länger als 2 Monate nach Zugang der Aufforderung nicht entsprochen hat. Gem. § 5 Abs. 4 ABB tritt nach Zuteilung des Bausparvertrages an die Stelle des Kündigungsrechts, das Recht der Bausparkasse das Bauspardarlehen um die Rückständigen Beiträge zu kürzen. Gem. § 29 ABB unterliegt das Bausparkonto einer Kontokorrentabrede, wonach dem Bausparer zu berechnende Beträge dem Bausparkonto zu belasten sind. Wegen der weiteren Einzelheiten der ABB wird auf die Anlage K 2 (Bl. 18 ff. d.A.) Bezug genommen.

Seit Juli 2000 zahlte der Kläger keine Regelsparbeiträge. Eine Aufforderung zur Zahlung der Beiträge seitens der Beklagten erfolgte zunächst nicht. Jeweils zum 31.12. übersandte die Beklagte Kontoauszüge zum Bausparkonto. Unter der Rubrik "Zahlungsrückstand" war jeweils kein Betrag ausgewiesen.

Das Bausparguthaben betrug aufgrund früherer Zahlungen zum 31.12.2015 1.613,70 €. Am 02.06.2016 zahlte der Kläger 300,00 €. Unter dem 04.07.2016 zahlte der Kläger erneut 300,00 €. Diese Zahlung lehnte die Beklagte als unzulässige Sonderleistung ab und zahlte sie zurück. Ab August 2016 bis März 2017 zahlte der Kläger monatlich 53,00 €.

Mit Schreiben vom 10.10.2016 erklärte die Beklagte die Kündigung des streitgegenständlichen Bausparvertrags zum 31.01.2017. Diese Kündigung wies der Kläger mit Schreiben vom 12.10.2016 und 29.10.2016 zurück. Auch auf das Schreiben des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 05.12.2016 hielt die Beklagte an ihrer Kündigung fest.

Mit Schreiben vom 15.02.2017 forderte die Beklagte den Kläger auf, einen Betrag von 13.044,19 € an rückständigen Regelsparbeiträgen zu zahlen und drohte die Kündigung an für den Fall, dass der Kläger der Aufforderung nicht nachkomme. Mit Schriftsatz vom 28.02.2017, dem Kläger am 13.03.2017 zugestellt, forderte die Beklagte diesen auf, rückständige Regelsparbeiträge in Höhe von 10.645,30 € binnen zwei Monaten nach Zugang zu zahlen. Mit Schreiben vom 08.03.2017 forderte die Beklagten den Kläger zur Zahlung von rückständigen Regelsparbeiträgen in Höhe von 11.014,17 € binnen 2 Monaten ab Zugang des Schreibens auf. Am 06.04.2017 zahlte der Kläger unter Vorbehalt einen Betrag von 1.369,03 €, den die Beklagte an ihn zurück überwies.

Mit Schreiben vom 11.05.2017 erklärte die Beklagte die nochmalige Kündigung des streitgegenständlichen Bausparvertrages unter Bezugnahme auf ein Kündigungsrecht nach § 5 Abs. 3 ABB. Der Kläger widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 29.05.2017.

Der Kläger behauptet, seine Rechtsschutzversicherung habe 746,73 € an seinen Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit gezahlt. Die Versicherung ermächtigte den Kläger - insoweit unstreitig - diese Kosten für sie im Prozess geltend zu machen.

Der Kläger ist der Ansicht, die erklärten Kündigungen seien unwirksam, sodass der Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens fortbestehe. Die Voraussetzungen einer Kündigung nach § 488 Abs. 3 BGB lägen nicht vor, da die Bausparsumme noch nicht voll angespart gewesen sei. Solange keine Vollbesparung vorliege, bestehe der Vertrag sogar noch nach Zuteilungsreife fort. Es bestehe auch keine Vollbesparung aufgrund des Kürzungsrechts nach § 5 Abs. 4 ABB. Voraussetzung für eine Kürzung sei die Zuteilung und die Aufforderung zur Nachentrichtung der Regelsparbeiträge. Hier fehle es jedoch an beidem. Zuteilungsreife trete erst mit einem Sparguthaben von 50 % der Bausparsumme ein. Dadurch entstehe auch keine Lücke im Vertrag. Vor Zuteilung bestehe nur das Kündigungsrecht. Nach Zuteilung bestehe anstelle des Kündigungsrechts das Kürzungsrecht. Dieses System dürfe nicht durch eine Anwendung des § 5 Abs. 4 ABB i.V.m. § 488 Abs. 3 BGB ausgehebelt werden. Es ergebe sich auch kein Kündigungsrecht aus § 314 BGB. Zum einen verdrängten die Regelungen des BausparkassenG den § 314 BGB als vorrangige speziellere Regelungen. Zum anderen liege auch kein wichtiger Grund vor. Insbesondere die derzeitige Niedrigzinsphase stelle keinen wichtigen Grund dar. Auch ein Recht auf Vertragsanpassung gem. § 313 BGB stehe der Beklagten nicht zu, da speziellere - hier aber nicht einschlägige - Regelungen in den ABB enthalten seien. Ein Anspruch auf Nachzahlung für vergangene Regelsparperioden bestehe nicht. Die Beklagte habe durch Übersendung der Kontoauszüge die im Kontokorrent stehenden Ansprüche anerkannt ohne die Regelbesparung einzufordern. Sie habe sogar auf die Beiträge verzichtet, weil sie keine Zahlungsrückstände in den Kontoauszügen ausgewiesen habe. Nachzahlungsansprüche bis Ende 2016 seien daher untergegangen. Es bestehe daher nur ein Anspruch auf Nachzahlung für Januar 2017 in Höhe von 53,69 €. Außerdem setze sich die Beklagte mit der Nachforderung in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten, da sie den Bausparvertrag seit dem 31.01.2017 als gekündigt ansehe.

Der Kläger erhebt die Einrede der Verjährung. Die Verjährungsfrist beginne für die Sparbeiträge jeweils zum Ende eines jeden Jahres für die in diesem Jahr entstanden Ansprüche auf Sparbeiträge. Ansprüche auf Sparbeiträge seien somit für die Jahre bis 2013 verjährt. Schließlich habe die Beklagte ihr Kündigungsrecht verwirkt, da sie jahrelang die Nichtzahlung der Regelsparbeiträge ohne Beanstandungen hingenommen habe.

Mit der am 02.02.2017 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst angekündigt zu beantragen,

1. festzustellen, dass der zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossene Bausparvertrag mit der Vertragsnummer X1 mit Vertragsbeginn zum 16.12.1996 durch die mit Schreiben vom 10.10.2016 erklärte Kündigung der Beklagten nicht beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die S3 Rechtsschutz-Versicherung-AG zur Schaden-Nr. XX1 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 747,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

Mit Schriftsatz vom 06.03.2017 hat der Kläger seine Klage erweitert und hat ferner angekündigt zu beantragen,

festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, einen Betrag in Höhe von 13.044,19 € als rückständige Regelsparbeiträge für den Zeitraum seit Juli 2000 bis zum 15.02.2017 auf den Bausparvertrag mit der Vertragsnummer X1 zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 06.06.2017 hat der Kläger seinen ursprünglichen Antrag aus der Klageschrift zu Ziffer 1) erweitert und beantragt nunmehr,

1. festzustellen, dass der zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossene Bausparvertrag mit der Vertragsnummer X1 mit Vertragsbeginn zum 16.12.1996 durch die mit Schreiben vom 10.10.2016 und mit Schreiben vom 11.05.2017 erklärten Kündigungen der Beklagten nicht beendet worden sind.

2. festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, einen Betrag in Höhe von 13.044,19 € als rückständige Regelsparbeiträge für den Zeitraum seit Juli 2000 bis zum 15.02.2017 auf den Bausparvertrag mit der Vertragsnummer X1 zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an die S3 Rechtsschutz-Versicherung-AG zur Schaden-Nr. XX1 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 747,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, zum Zeitpunkt der Kündigung im Oktober seien Regelsparbeiträge in Höhe von insgesamt 10.645,30 € offen gewesen. Der Darlehensanspruch habe aber nur 7.669,38 € betragen. In diesem Fall ergebe sich das Kündigungsrecht aufgrund einer möglichen Kürzung des Bauspardarlehens. Ein Bauspardarlehen könne nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn die Bausparkasse berechtigt sei, das ggf. bereitzustellende Darlehen auf 0,00 € - wie hier - zu kürzen. § 5 Abs. 4 ABB differenziere ausdrücklich zwischen einem bereitgestellten und einem bereitzustellenden Darlehen, sodass eine tatsächliche Bereitstellung des Darlehens gerade nicht erforderlich sei. Ein ggf. bereitzustellendes Darlehen sei auch vor Zuteilungsannahme bestimmbar. Wäre die Zuteilung Voraussetzung für ein Kürzungsrecht entstünde eine Schutzlücke zulasten der Bausparkasse.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist teilweise unzulässig und bleibt auch in der Sache überwiegend ohne Erfolg.

Es handelt sich bei den Gegenständen der Feststellungsanträge um Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 ZPO. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gem. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes Schuldverhältnis zwischen den Parteien (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 256 Rn. 4). Die Frage, ob der streitgegenständliche Bausparvertrag durch die Kündigungen beendet worden ist, ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, denn es handelt sich bei dem Bausparvertrag um ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne. Ebenso stellt die Frage, ob der Kläger verpflichtet ist, rückständige Regelsparbeiträge an die Beklagte zu zahlen, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar, denn bei einem Anspruch, den die Beklagte bejahendenfalls gegen den Kläger hätte, handelt es sich um ein Schuldverhältnis im engeren Sinne (vgl. Palandt/Grüneberg, 76. Aufl. 2017, Einl. v. § 241 Rn. 3).

Das erforderliche Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO liegt jedoch nur für den Klageantrag zu 1) vor. Da sich der Kläger vorbehalten will, das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, hat er auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Vertrag nicht durch Kündigung beendet wurde. Der Klageantrag zu 2) ist mangels Feststellungsinteresse unzulässig. Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse daran, dass festgestellt wird, dass er keine Nachzahlung der von der Beklagten geltend gemachten rückständigen Sparbeiträge schuldet. Denn die Beklagte hat sich eines solchen Anspruches bereits nicht berühmt. Hierfür ist zwar ausreichend aber auch erforderlich, dass ein Beklagter geltend macht, aus einem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen, deren Eintritt noch ungewiss ist, ein Anspruch gegen einen Kläger ergeben (BeckOK ZPO/Bacher, ZPO § 256 Rn. 20-23, beckonline). Eines solchen Anspruches berühmt sich die Beklagte aber gerade nicht, wenn sie zur Zahlung rückständiger Regelsparbeiträge auffordert. Denn die Aufforderung dient allein der Schaffung der Voraussetzungen für eine Kündigung des Vertrages nach § 5 Abs. 3 ABB. Dies ist auch den jeweiligen Aufforderungsschreiben hinreichend deutlich zu entnehmen. Folge der Nichtzahlung sollte danach nicht etwa Durchsetzung von rückständigen Beiträge sein, sondern ausdrücklich die Kündigung des Bausparvertrages. Die Aufforderungsschreiben können auch vor dem Hintergrund der Konstruktion des Bausparvertrages, wonach die Bausparkasse ohnehin keinen einklagbaren Anspruch auf Zahlung der Regelsparbeiträge hat, nur so verstanden werden. Es geht der Beklagten nicht darum, Geld vom Kläger zu erhalten, sondern darum, den durch fehlende Regelbesparung und niedriges Zinsniveau unrentabel gewordenen Bausparvertrag zu kündigen.

Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, nur teilweise begründet.

Der streitgegenständliche Bausparvertrag ist erst durch die zweite Kündigung vom 11.05.2017 beendet worden. Die Kündigung vom 10.10.2016 ist nicht wirksam. Denn es fehlt an einem Kündigungsgrund.

In zeitlicher Hinsicht ist auf den 1996 abgeschlossenen Bausparvertrag, bei dem es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB seit dem 1. Januar 2003 das Bürgerliche Gesetzbuch in der dann geltenden Fassung anzuwenden. Ferner sind gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB für den vorliegenden Bausparvertrag die §§ 488 ff. BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) maßgeblich (BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, juris Rn. 18).

Zunächst scheidet eine Kündigung nach § 95 Abs. 3 ABB aus. Denn eine Kündigung nach § 5 Abs. 3 ABB setzt voraus, dass der Bausparer unter Anrechnung von Sonderzahlungen mit mehr als sechs Regelsparbeiträgen rückständig ist und der Aufforderung zur Nachzahlung nicht innerhalb von zwei Monaten nachkommt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beklagte hat den Kläger vor der Kündigung vom 10.10.2016 unstreitig nicht zur Zahlung rückständiger Beiträge aufgefordert.

Die Kündigung war auch nicht von § 488 Abs. 3 BGB a.F. gedeckt. Zwar ist eine Kündigung eines Bausparvertrages nach § 488 Abs. 3 BGB a.F. grundsätzlich möglich. Dies setzt jedoch voraus, dass die Bausparsumme voll angespart ist (BGH, Urt. v. 21.02. 2017 - XI ZR 185/16, juris Rn. 26). Auch dies ist hier nicht der Fall. Ein Kündigungsrecht nach dieser Vorschrift ergibt sich auch nicht - entgegen der Ansicht der Beklagten - aufgrund einer gedachten Kürzung des Bauspardarlehens auf 0,00 € für den Fall der Zuteilungsreife gem. § 5 Abs. 4 ABB i.V.m. § 488 Abs. 3 BGB a.F. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ABB - insbesondere die Aufforderung zur Erbringung der rückständigen Regelsparbeiträge - dürfen nicht durch die Anwendung des § 488 Abs. 3 BGB unterlaufen werden. Deren Einhaltung stellt keine überflüssige Förmelei dar (BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, juris Rn. 27). Im Übrigen entsteht auch keine Schutzlücke, da eine Bausparkasse schließlich auch vor Zuteilungsreife kündigen kann; sie muss eben nur das Verfahren einhalten.

Ein Kündigungsrecht gem. § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. kommt ebenfalls nicht in Betracht. Voraussetzung für eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. ist, dass der Bausparvertrag zuteilungsreif ist. Denn die erstmalige Zuteilungsreife stellt für die Bausparkasse den vollständigen Empfang des Darlehens im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. dar (BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, juris Rn. 76ff, LG Aachen, Urt. v. 02.02.2016 - 10 O 219/15, juris Rn. 27). Hier bestand jedoch keine Zuteilungsreife.

Eine Kündigung der Beklagten gem. § 490 Abs. 2 BGB a.F. kommt ebenfalls nicht in Betracht. In der Ansparphase ist die Bausparkasse als Darlehensnehmerin anzusehen, weshalb sich das Kündigungsrecht nach § 490 Abs. 2 BGB richtet. Allerdings verweist § 490 Abs. 2 BGB a.F. u.a. auf die sechsmonatige Kündigungsfrist des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F., die hier nicht eingehalten ist.

Eine Kündigung gem. §§ 490 Abs. 3, 314 BGB scheidet ebenfalls aus. Zwar hat der Kläger seit Juli 2000 keine Regelsparbeiträge gezahlt und insofern gegen § 5 Abs.1 ABB verstoßen. Allerdings setzt auch § 314 Abs. 2 BGB eine vorherige Abmahnung voraus, die hier jedoch zum 10.10.2016 nicht vorlag. Unter bestimmten Voraussetzungen kann zwar auch die Abmahnung entbehrlich sein. Allerdings würde auf diese Weise wieder § 5 Abs. 3 ABB unterlaufen (s.o.), der eben eine Aufforderung zur Zahlung und eine zweimonatige Zahlungsfrist vor der Kündigung vorsieht. Insofern kann die Abmahnung nicht entbehrlich sein. Es liegt auch sonst kein wichtiger Grund vor. Das Risiko von Änderungen des allgemeinen Zinsniveaus übernimmt bei Darlehensverträgen mit einer Festzinsvereinbarung jeweils der Vertragspartner, zu dessen Lasten die Zinsänderung geht. Dies ist vorliegend die Bausparkasse (BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, juris Rn. 92).

Ein Recht zur Kündigung des Bausparvertrages folgt auch nicht aus § 490 Abs. 3 BGB a.F., § 313 Abs. 1, 3 BGB. Denn vor einer Kündigung wäre gemäß § 313 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BGB vorrangig eine Anpassung des Vertrages durch eine Herabsetzung des Guthabenzinssatzes vorzunehmen (BGH, Urt. v. 21.02.2017 - XI ZR 185/16, juris Rn. 94). Dass eine solche Anpassung des Guthabenzinses nicht möglich oder der Beklagten nicht zumutbar wäre, ist nicht ersichtlich.

Jedoch ist der streitgegenständliche Bausparvertrag ist durch die weitere Kündigung vom 11.05.2017 wirksam beendet worden. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ABB liegen vor.

Der Kläger war zum 11.05.2017 unstreitig mit mehr als 6 Regelsparbeiträgen (6 x 53,69 €) im Rückstand. Der vom Kläger hiergegen erhobene Einwand der Verjährung greift nicht durch. Der Verjährung unterliegen gem. § 194 Abs. 1 BGB nur Ansprüche. Die Beklagte hat aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen beim Bausparvertrag jedoch keinen einklagbaren Anspruch auf Zahlung der Regelsparbeiträge. Die Zahlung der Regelsparbeiträge ist nicht einklagbar, es handelt sich um freiwillige Leistungen. Das Mittel, um den Bausparer zur Zahlung der Beiträge zu veranlassen, ist die Kündigung bzw. die Androhung der Kündigung wegen rückständiger Regelsparbeiträge. Überdies kann die Verjährung ohnehin nur den Schuldnerverzug ausschließen. Mit "rückständig" ist jedoch nicht "Verzug" im Sinne des BGB gemeint. Der Begriff "Verzug" wird in § 21 lit. a) ABB verwendet. Danach kann die Bausparkasse das Bauspardarlehen kündigen, wenn der Bausparer mit der Rückzahlung des Darlehens in Verzug kommt. Daher muss mit "rückständig" etwas anderes gemeint sein muss als mit "Verzug". Denn sonst hätte die Regelung in § 5 Abs. 3 ABB auch auf den "Verzug" mit 6 Regelsparbeiträgen abstellen können bzw. die Regelung in § 21 auf "rückständige Monatsraten" abstellen können. Das hat zur Folge, dass für die Kündigung nach § 5 Abs. 3 ABB nicht der Verzug mit der Leistung von Regelsparbeiträgen erforderlich ist, sondern schlicht nicht gezahlte Regelsparbeiträge. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Kläger der Kündigung eine etwaige "Verjährung" der Regelsparbeiträge nicht entgegenhalten kann. Denn die Verjährung hindert nur den Verzug (Palandt/Grüneberg, 76. Aufl. 2017 § 286 Rn. 10). Wenn es aber ausreicht, dass Regelsparbeiträge nicht gezahlt wurden, spielt die Verjährung zumindest insoweit keine Rolle.

Der Kläger ist auch wirksam zur Entrichtung der rückständigen Regelsparbeiträge aufgefordert worden. Zwar forderte die Beklagte mit drei Schreiben und jeweils drei verschiedenen Beträgen zur Zahlung auf; zunächst mit Schreiben vom 15.02.2017 in Höhe von 13.044,19 €, mit Schriftsatz vom 28.02.2017, bei Gericht eingegangen am 06.03.2017, in Höhe von 10.645,30 € und mit Schreiben vom 08.03.2017 in Höhe von von 11.014,17 €. Im Kündigungsschreiben bezog sich die Beklagte schließlich auf den Schriftsatz vom 28.02.2017. Dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Aufforderung auch eine genaue Bezifferung der rückständigen Darlehen enthalten muss. Zweck des § 5 Abs. 3 ABB ist es, dem Bausparer noch eine Möglichkeit einzuräumen, die Kündigung abzuwenden. Insofern kommt der Aufforderung auch eine Warnfunktion zu. Dazu ist es ausreichend, den Bausparer abstrakt zur Zahlung aufzufordern. Denn er kann selbst errechnen, mit wie vielen Beiträgen er in Rückstand geraten ist. Zudem können, da die Grundsätze des Verzuges hier ohnehin nicht anwendbar sind (s.o.), die Voraussetzungen einer Mahnung auch nicht auf die Aufforderung übertragen werden. Selbst eine Mahnung ist jedoch wirksam, wenn der Schuldner den geschuldeten Betrag zuverlässig selbst ermitteln kann (Palandt/Grüneberg, aaO. Rn. 20). Dann ist es jedoch auch unschädlich, wenn die angeforderten Beträge eventuell nicht korrekt sind (aaO). Nach der dreimaligen Aufforderung zur Entrichtung rückständiger Regelsparbeiträge musste der Kläger mit einer Kündigung rechnen. Damit war er ausreichend gewarnt. Insofern war das Verhalten der Beklagten - entgegen der Ansicht des Klägers - aufgrund Forderung verschiedener Beträge auch nicht widersprüchlich. Die Beklagte hat eindeutig zum Ausdruck gebracht den Bausparvertrag zu kündigen, wenn die rückständigen Regelbesparbeiträge nicht eingezahlt werden sollten.

Die Beklagte ist auch nicht aufgrund eines etwaigen Anerkenntnisses der Jahresabschlusssalden gehindert, rückständige Regelsparbeiträge geltend zu machen. Es liegt schon kein irgendwie geartetes Anerkenntnis vor. Die Regelung in § 29 ABB über die Kontoführung des Bausparkontos als Kontokorrentkonto, wonach der Kontostand als anerkannt gilt, wenn der Bausparer nicht innerhalb von 2 Wochen widerspricht, ist allein auf Einwendungen des Bausparers bezogen und ist nicht darauf gerichtet, Nachforderungen der Bausparkasse auszuschließen. Es wird eben nur der Saldostand anerkannt, das heißt, allenfalls Forderungen aus dem Kontokorrent könnten nicht mehr gemacht werden. Es ist nicht ersichtlich, warum dies Nachforderungen von Regelsparbeiträgen durch die Bausparkasse ausschließen soll. Die Beklagte macht eben keine Forderung aus dem Kontokorrent geltend, sondern hat zur Zahlung rückständiger Regelsparbeiträge aufgefordert.

Die Beklagte hat - entgegen der Ansicht des Klägers - auch nicht auf die Nachforderung der Sparbeiträge verzichtet. Ein Verzicht kann sich nur auf eine Forderung (Palandt/Grüneberg, § 397 Rn. 2), also einen Anspruch richten. Insofern kann die Beklagte schon nicht auf Regelsparbeiträge verzichten, weil sie keine Forderungen darstellen (s.o.). Ein Verzicht lässt sich überdies nicht einseitig erklären sondern bedarf eines Vertrages, § 397 Abs. 1 BGB. Ein solcher ist jedoch nicht zustande gekommen. Die Übersendung des Kontoauszuges stellt - unter Berücksichtigung der Regelung des § 29 ABB (s.o.) - schon kein Angebot auf Abschluss eines Verzichtvertrages dar. Selbst wenn dem so wäre, hätte der Kläger ein solches Angebot nicht angenommen. Allein das Schweigen auf die Übersendung der Kontoauszüge stellt keine schlüssige Annahme dar. Das Schweigen bewirkt nur, dass der Kläger eventuelle Einwendungen gegenüber der Bausparkasse nicht mehr geltend machen kann bzw. dass eine Beweislastumkehr eintritt (s.o.).

Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte ihr Kündigungsrecht auch nicht verwirkt. Jedenfalls das Umstandsmoment ist vorliegend nicht erfüllt. Denn der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte die fehlende Regelbesparung weiterhin dulden würde. Zur bloßen Untätigkeit des Rechtsinhabers müssen weitere Umstände hinzutreten, die dem Schuldner nahe legen, dass das Recht nicht ausgeübt werden wird. Diese Umstände müssen den Schuldner darin bestärken, dass er weiterhin nicht mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger zu rechnen hat. Die spätere Geltendmachung des Rechts muss sich als mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Illoyalität des Berechtigten darstellen oder die verspätete Inanspruchnahme des Schuldners muss für diesen unzumutbar sein (Staudinger/Dirk Olzen/Dirk Looschelders (2015) BGB § 242, Rn. 304ff). Dies ist hier nicht der Fall, da sich der Kläger selbst jahrelang vertragszweckwidrig verhalten hat, indem er die Regelsparbeiträge nicht gezahlt hat. Der Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, sie verhalte sich widersprüchlich, indem sie den Bausparvertrag aufgrund der Kündigung vom 10.10.2016 als gekündigt betrachtet und dennoch die rückständigen Sparbeiträge fordert. Letztlich macht die Beklagte durch die erneuten Aufforderungsschreiben hinreichend deutlich, dass sie selbst nicht mehr von der Wirksamkeit der ersten Kündigung ausgeht. Würde man dies - wie der Kläger - als widersprüchliches Verhalten ansehen, würde der Beklagten die Möglichkeit genommen, die Voraussetzungen für eine weitere Kündigung zu schaffen, falls die erste Kündigung unwirksam gewesen sein sollte bzw. Unsicherheit darüber besteht, ob die vorige Kündigung wirksam war.

Dass der Kläger am 06.04.2017 1.369,03 € an die Beklagte überwies, ändert an der Wirksamkeit der Kündigung nichts. Denn dieser Betrag war weder ausreichend um die rückständigen Sparbeiträge zu begleichen noch um die rückständigen Beiträge soweit zu reduzieren, dass sie in Summe weniger als 6 rückständigen Beiträgen entsprechen. Da der Kläger bereits angekündigt hatte nicht mehr als diese 1.369,03 € zu schulden, konnte die Beklagte die Zahlung auch zurückweisen und davon ausgehen, dass weitere Zahlungen nicht erfolgen würden. Im Übrigen gilt § 266 BGB, wonach der Schuldner zu Teilleistungen nicht berechtigt ist, weshalb die Beklagte auch deshalb die Zahlung zurückweisen konnte.

Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt aus §§ 488 Abs. 1, 280 Abs. 1, 249 BGB besteht jedoch nur in Höhe von 83,54 €. Zwar war die erste Kündigung unwirksam, sodass bezogen auf diese vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend gemacht werden können. Allerdings war der Gegenstandswert zu diesem Zeitpunkt lediglich mit bis zu 175,00 € zu bewerten. Der Wert der Feststellung des Fortbestehens des Bausparvertrages richtet sich nach dem Wert der Leistungen, welche der Kläger sich damit erhalten will. Dies ist die Verzinsung seines Bausparguthabens. Gem. § 9 ZPO ist der Streitwert bei dieser jährlichen Verzinsung mit dem dreineinhalbfachen des einjährigen Bezugs zu berechnen. Dies ergibt hier einen Betrag von bis zu 175,00 €. Überdies kann der Kläger nur Ersatz für eine 1,3 und nicht für eine 1,5 Geschäftsgebühr geltend machen. Der Kläger hat keine Umstände vorgetragen, die eine besondere Schwierigkeit der Sache begründen. Danach kam es auf die Frage, ob die S3 Rechtsschutz-Versicherungs-AG einen darüber hinausgehenden Betrag in Höhe von 746,73 € an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gezahlt hat, nicht mehr an. Der Zinsausspruch ergibt sich aus § 291, 28 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs.2 Nr.1, 708 Nr. II, 711, 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird bis zum 08.03.2017 auf 175,00 €, danach auf bis zu 16.000,00 € festgesetzt.

Dr. S4