Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 29.09.2014 - 14 LB 5/13
Fundstelle
openJur 2016, 7755
  • Rkr:

Die Gewährleistungen des Art. 11 EMRK sind auch im Bereich der Lehrer nicht geeignet, das in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Streikverbot für Beamte ohne ein Tätigwerden des Gesetzgebers außer Kraft zu setzen (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - BVerwG 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 ff.).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 17. Kammer - vom 8. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines wegen der Teilnahme an einem Streik verhängten Verweises.

Der Kläger steht als Beamter auf Lebenszeit im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. Er ist Oberstudienrat an der Domschule ..., Besoldungsstufe A 14. Disziplinarisch ist der Kläger vor diesem Verfahren nicht in Erscheinung getreten. Gegen ihn wurde im Nachhinein mit Verfügung vom 7. Juli 2013 wegen einer anderen, späteren Verfehlung eine Geldbuße in Höhe von 300,-- Euro verhängt.

Am 3. Juni 2010 nahm der Kläger während der vierten und der sechste Stunde, an einem Streik teil, zu dem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft aufgerufen hatte; die Schüler ließ er während dieser Zeit in Arbeitsgruppen arbeiten. Zielrichtung des Streiks war, gegen die „drastische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu protestieren und Druck auf die Landesregierung auszuüben“. Ferner sollte deutlich gemacht werden, dass sich durch die schrittweise Arbeitszeitverlängerung die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte und die Qualität der Schulen „drastisch“ verschlechterten.

Der Beklagte nahm die Teilnahme am Streik zum Anlass, gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Nach Anhörung sowie „letztlich zustimmender“ Beteiligung der Mitbestimmungsorgane verhängte der Beklagte den streitgegenständlichen Verweis.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Klage gewandt, zu deren Begründung er im Wesentlichen ausgeführt hat, dass die Teilnahme an einem Warnstreik keinen beamtenrechtlichen Pflichtenverstoß darstelle. Sein Streikrecht ergebe sich aus Art. 9 Abs. 3 GG und insbesondere aus Art. 11 EMRK, zu dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach klargestellt habe, dass sich hierauf auch Mitglieder der Staatsverwaltung berufen könnten, die - wie Lehrer - keine hoheitlichen Befugnisse im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG ausübten. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG stünden einem Streikrecht der Lehrer daher nicht entgegen.

Der Kläger hat beantragt,

die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 24. Oktober 2011 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Streikteilnahme stelle ein Dienstvergehen dar, das auch nicht durch unterschiedliche rechtliche Aussagen zum Streikverbot entschuldigt werde. Er - der Beklagte - habe die Lehrer durch Erlass vom 26. Mai 2010 über die maßgebliche rechtliche Einschätzung und mögliche disziplinarrechtliche Folgen einer Streikteilnahme in Kenntnis gesetzt. Er habe in diesem Erlass ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Teilnahme von Beamten an Streikmaßnahmen rechtswidrig sei.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 8. August 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, in der ungenehmigten Teilnahme an dem Warnstreik während der Dienstzeit liege ein innerdienstliches Dienstvergehen. Die ungenehmigte Streikteilnahme verstoße gegen die Pflicht, dem Dienstherrn die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten sowie gegen die Pflicht, dem Dienst nicht ohne Genehmigung des Dienstvorgesetzten fernzubleiben. Ob auch ein Verstoß gegen die Gehorsamspflicht vorliege, könne offenbleiben. Das Dienstvergehen sei vorsätzlich begangen worden. Es sei unter keinem rechtlichen Aspekt gerechtfertigt, da das Streikverbot für Beamte verfassungsrechtlich zwingend sei. Die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG werde durch die ebenfalls mit Verfassungsrang in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten beamtenrechtlichen Strukturprinzipien, zu denen das Streikverbot für Beamte gehöre, eingeschränkt. Diese Einschränkung sei auch verhältnismäßig. Zwar bestehe auf funktionaler Ebene kein Unterschied zwischen verbeamteten und angestellten Lehrern, doch sei das jeweils zugrundeliegende Rechtsverhältnis (Beamtenverhältnis/ Angestelltenverhältnis) von im System angelegten gravierenden Unterschieden geprägt. Ein Streikrecht für Beamte lasse sich auch nicht aus dem Völker- oder Europarecht herleiten. Ob das generelle Streikverbot für beamtete Lehrer unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR nicht mehr mit Art. 11 EMRK vereinbar sei, könne dahingestellt bleiben. Selbst wenn man nämlich unterstellte, dass ein generelles Streikverbot mit der genannten Bestimmung der EMRK unvereinbar sei, seien einer grundsätzlich gebotenen völkerrechtsfreundlichen Auslegung durch den verfassungsrechtlich geschützten Kernbestand des Art. 33 Abs. 5 GG Grenzen gesetzt. Die Behebung eines mit Art. 11 EMRK nicht vereinbaren Rechtszustandes bedürfe einer Verfassungsänderung durch den Verfassungsgesetzgeber. Die verhängte Disziplinarmaßnahme in Gestalt eines Verweises sei im Hinblick auf das begangene innerdienstliche Dienstvergehen auch verhältnismäßig und entspreche den Vorgaben des § 13 Abs. 1 LDG.

Die vom Senat zugelassene Berufung begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt:

Aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums sei ein allgemeines und statusbezogenes Streikverbot nicht herzuleiten. Ein absolutes Streikverbot sei zudem mit der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshöfe nicht vereinbar und stelle einen Verstoß gegen völkerrechtliche Vorschriften dar. Der Gesetzgeber selbst habe das Bild des Berufsbeamten zwischenzeitlich so verändert, dass die früher gegebene Begründung des Streikverbots nicht mehr überzeuge. In den Bereichen, in denen der Gesetzgeber Aufgaben privatisiert habe, wie bei Post und Bahn, könne die besondere Funktion des Berufsbeamtentums, die ein Streikverbot erforderlich machen solle, nicht mehr erfüllt werden und daher ein Streikverbot auch nicht mehr rechtfertigen. Dies gelte letztlich auch für den Schulbereich. Ansonsten wäre die Beschäftigung von Lehrkräften im Angestelltenverhältnis nicht rechtmäßig. Bei einer anzustellenden Güterabwägung müsse das aus Art. 9 GG herzuleitende Streikrecht keineswegs zurücktreten. Anderenfalls würde auch das Streikrecht der angestellten Lehrkräfte ausgehöhlt, da deren Streikmaßnahmen durch einen Einsatz der verbeamteten Lehrkräfte unterlaufen würden. Nach der Rechtsprechung des EuGH müssten Beamte letztlich genauso behandelt werden wie andere Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst. Ein allgemeines, ausschließlich statusbezogenes, funktional nicht differenziertes Streikverbot für alle Beamte verstoße nicht nur gegen Art. 11 EMRK, sondern auch gegen weitere für die Bundesrepublik Deutschland verpflichtende völkerrechtlichen Normen, unter anderem das ILO Übereinkommen Nr. 87, den UN-Zivilpakt und den UN-Sozialpakt sowie die europäische Sozialcharta. Nach der neueren Rechtsprechung des EGMR müsse das Streikrecht als allgemeines Menschenrecht verstanden werden. Ein generelles Verbot des Beamtenstreiks stehe - wie der EGMR entschieden habe - im Widerspruch zu Art. 11 EMRK, da es kein in einer demokratischen Gesellschaft notwendiges und legitimes Ziel verfolge. Der Widerspruch zwischen Völkerrecht und der zum Beamtenstreikverbot in Deutschland vertretenen herrschenden Meinung lasse sich ohne Verfassungsänderung bereits durch eine veränderte Auslegung, insbesondere des Art. 33 Abs. 5 GG im Verhältnis zu Art. 9 Abs. 3 GG auflösen, indem zwischen hoheitlich und nichthoheitlich tätigen Beamten differenziert werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts -17. Kammer - vom 8. August 2012 zu ändern und den Verweis vom 24. Oktober 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben dem Senat bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vortrag der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der aufgrund der Streikteilnahme des Klägers ausgesprochene Verweis ist rechtmäßig.

Der Beklagte hat zu Recht angenommen, dass der Kläger durch die Teilnahme am Streik ein Dienstvergehen begangen hat. Er blieb am 3. Juni 2010 während der vierten und der sechste Stunde, an denen er aus diesem Grund den Unterricht versäumte, vorsätzlich dem Dienst unerlaubt fern (§ 67 Abs. 1 Satz 1 LBG).

Der Tatbestand des unerlaubten Fernbleibens nach § 67 Abs. 1 Satz 1 LBG knüpft an die formale Dienstleistungspflicht an. Diese beamtenrechtliche Grundpflicht fordert von Beamten vor allem, sich während der vorgeschriebenen Zeit an dem vorgeschriebenen Ort aufzuhalten und dort die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen (stRspr; vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - BVerwG 1 D 10.05 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 30 Rn. 34). Wer dem Dienst vorsätzlich unerlaubt fernbleibt, missachtet damit zwangsläufig die Dienstpflichten zum vollen beruflichen Einsatz und zur Befolgung dienstlicher Anordnungen. Die Teilnahme des Klägers an dem Streik war unerlaubt, weil er nicht nach Art. 9 Abs. 3 GG oder nach Art. 11 EMRK von seinen Unterrichtspflichten befreit war (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - BVerwG 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 ff. Rn. 22)

Beamte sind nicht berechtigt, sich an kollektiven Kampfmaßnahmen zu beteiligen oder diese zu unterstützen. Insoweit enthält Art. 33 Abs. 5 GG ein umfassendes Verbot für alle Beamten, das deren Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG beschränkt und auch ohne gesetzliche Verbotsregelungen beachtet werden muss. Zwar nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) demgegenüber in zwei Entscheidungen aus den Jahren 2008 (EGMR (GK), Urteil vom 12. November 2008 - Nr. 34503/97, Demir und Baykara - NZA 2010, 1425) und 2009 (EGMR, Urteil vom 21. April 2009 - Nr. 68959/01, Enerji Yapi-Yol Sen - NZA 2010, 1423) an, dass die Gewährleistungen der Koalitionsfreiheit nach Art. 11 EMRK denjenigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes ein Recht auf Tarifverhandlungen und kollektive Kampfmaßnahmen einräumen, die nach ihrem Aufgabenbereich nicht an der Ausübung genuin hoheitlicher Befugnisse beteiligt sind. Es ist jedoch Aufgabe des Bundesgesetzgebers, einen Ausgleich zwischen den inhaltlich unvereinbaren Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG und des Art. 11 EMRK herzustellen. Solange dies nicht geschehen ist, beansprucht das Verbot nach Art. 33 Abs. 5 GG Geltung. Insoweit schließt sich der Senat der Begründung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27. Februar 2014 (a.a.O. Rn. 23 ff.) an, gegen die der Kläger keine durchgreifenden Argumente vorgebracht hat:

a) Nach Art. 33 Abs. 5 GG ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Damit stellt das Grundgesetz die von ihm vorgefundene Institution des Berufsbeamtentums unter verfassungsrechtlichen Schutz. Unter dem Begriff der hergebrachten Grundsätze ist ein prägender Kernbestand an rechtlichen Strukturprinzipien zu verstehen, die sich in der Tradition entwickelt und bewährt haben. Sie müssen während eines längeren Zeitraums, vor allem während der Geltung der Weimarer Reichsverfassung, als verbindlich anerkannt gewesen sein und das Bild des Berufsbeamtentums maßgeblich geprägt haben. Dies ist anzunehmen, wenn ihre Beseitigung dessen Charakter als Institution grundlegend verändern würde (stRspr; BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <260 f.> und vom 28. Mai 2008 - 2 BvL 11/07 - BVerfGE 121, 205 <219 f.>).

Das Grundgesetz gewährleistet die hergebrachten Grundsätze als die funktionswesentlichen tradierten Grundstrukturen einer Institution, die auf Sachwissen, fachlicher Leistung und loyaler Pflichterfüllung beruht. Das Berufsbeamtentum soll erhalten werden, weil es aufgrund seiner rechtlichen Strukturen als befähigt angesehen wird, eine stabile Verwaltung zu sichern und die rechtsstaatlichen Bindungen jedes staatlichen Handelns auch gegenüber den politischen Kräften zur Geltung zu bringen (stRspr; BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 2007 a.a.O. und vom 28. Mai 2008 a.a.O.).

Die rechtliche Bedeutung der hergebrachten Grundsätze hängt von ihrem Inhalt ab: Geben sie einen ausfüllungsbedürftigen Rahmen vor, ist der Gesetzgeber zur inhaltlichen Konkretisierung berechtigt und verpflichtet, wobei er die verfassungsrechtlichen Grenzen beachten muss (stRspr; vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 20). Hat ein hergebrachter Grundsatz dagegen einen hinreichend bestimmten Inhalt, folgen daraus unmittelbar Rechte und Pflichten für das Beamtenverhältnis; einer gesetzlichen Regelung bedarf es nicht.

Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums stehen in einem inhaltlichen Zusammenhang; sie ergeben in ihrer Gesamtheit das besondere, für das Beamtenverhältnis charakteristische Regelungsgefüge aus Rechten und Pflichten. So folgt aus hergebrachten Grundsätzen des Lebenszeitprinzips, des Leistungsprinzips und der Hauptberuflichkeit, dass der Beamte grundsätzlich verpflichtet ist, dem Dienstherrn lebenslang seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, die übertragenen dienstlichen Aufgaben mit vollem beruflichen Einsatz sowie uneigennützig zu erfüllen, sich dabei ausschließlich an Gesetz und Recht zu orientieren und sich gegenüber dem Dienstherrn loyal zu verhalten. Im Gegenzug verpflichtet der Alimentationsgrundsatz den Dienstherrn, dem Beamten und seiner Familie lebenslang denjenigen Unterhalt zu gewähren, der nach den wirtschaftlichen Verhältnissen für eine dem Statusamt entsprechende Lebensführung erforderlich ist. Dadurch wird die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Beamten sichergestellt, die ihn in die Lage versetzt, sein Amt uneigennützig nach den Erfordernissen des Rechts zu führen (BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 2007 a.a.O. S. 263 f. und vom 28. Mai 2008 a.a.O. S. 221; Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <292 f.>).

Art. 33 Abs. 5 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, das Beamtenrecht zu regeln und fortzuentwickeln. Daher hat er die Befugnis, die hergebrachten Grundsätze "in die Zeit zu stellen", indem er den vorgegebenen Rahmen ausfüllt oder ihren Geltungsbereich einschränkt. Umfang und Reichweite des dem Gesetzgeber hierbei eröffneten Gestaltungsspielraums hängen davon ab, welche Bedeutung dem jeweiligen hergebrachten Grundsatz für die dem Berufsbeamtentum zugedachte Aufgabe zukommt, eine rechtsstaatliche Verwaltung zu sichern. Art. 33 Abs. 5 GG verbietet tiefgreifende strukturelle Eingriffe, die das Wesen der Institutionsgarantie Berufsbeamtentum verändern (BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 2007 a.a.O. S. 262 f. und vom 28. Mai 2008 a.a.O. S. 220 f.). Die Aufnahme des Fortentwicklungsgebots in den Wortlaut des Art. 33 Abs. 5 GG durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl S. 2034) hat den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht erweitert (BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 2007 a.a.O. S. 273 und vom 28. Mai 2008 a.a.O. S. 232).

Es stellt ein durch Art. 33 Abs. 5 GG vorgegebenes prägendes Strukturprinzip der Institution des Berufsbeamtentums dar, dass das Gefüge aufeinander bezogener und sich ergänzender Rechte und Pflichten einseitig von den Dienstherrn inhaltlich konkretisiert wird. Der Grundsatz der hoheitlichen Gestaltung des Beamtenverhältnisses hat in zahlreichen Vorschriften der Beamtengesetze Ausdruck gefunden. So ist die Beamtenbesoldung durch Gesetz zu regeln (§ 2 Abs. 1 und 2 BBesG). Grundlegende Arbeitsbedingungen der Beamten wie Arbeitszeit und Urlaub sind unmittelbar durch Gesetz oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung durch Rechtsverordnung geregelt (vgl. § 87 ff. BBG, § 44 BeamtStG). Gesetz- und Verordnungsgeber sind bei der Festlegung der Besoldung und der weiteren Arbeitsbedingungen an die Vorgaben insbesondere des Art. 33 Abs. 5 GG gebunden; dieser Bindung entsprechen subjektive Rechte der Beamten. Es liegt in der Verantwortung von Gesetz- und Verordnungsgeber, insbesondere die verfassungsrechtlichen Grenzen ihres Regelungsauftrags zu beachten und auf diese Weise das beamtenrechtliche Regelungsgefüge in einem austarierten Zustand zu halten (BVerfG, Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 1/52, 46/52 - BVerfGE 8, 1 <17 f.>; vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039, 1045/75 - BVerfGE 44, 249 <264> und vom 19. September 2007 a.a.O. S. 263 f.).

Mit der Rechtsnatur des Beamtenverhältnisses als eines hoheitlich ausgestalteten Dienst- und Treueverhältnisses lässt sich nicht vereinbaren, dass die Konkretisierung des beamtenrechtlichen Regelungsgefüges zur Disposition der Tarifparteien gestellt, d.h. zwischen den Dienstherrn und den Gewerkschaften der Beamten ausgehandelt und vereinbart wird. Die Institution des Berufsbeamtentums würde tiefgreifend verändert, wenn die Fragen der Besoldung, der Arbeitszeiten oder der Altersgrenzen für die Einstellung und den Eintritt in den Ruhestand durch Tarifverträge geregelt würden und die Gewerkschaften der Beamten ihren Forderungen während der Tarifverhandlungen durch kollektive Kampfmaßnahmen Nachdruck verleihen könnten. Denn die tarifliche Gestaltung des Beamtenrechts setzt Tarifautonomie und damit einen Verzicht der Dienstherrn auf ihre hoheitlichen Regelungsbefugnisse voraus. An deren Stelle träte die Rechtsverbindlichkeit der ausgehandelten Tarifabschlüsse. Die Ausgewogenheit des beamtenrechtlichen Regelungsgefüges, insbesondere die Beachtung der Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG, hinge in erster Linie davon ab, dass zwischen den Tarifparteien Kampfparität besteht.

Das Verbot für Beamte, zur Durchsetzung von Arbeitsbedingungen kollektive Kampfmaßnahmen zu ergreifen, ist als hergebrachter Grundsatz im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG anerkannt. Bis zum Ende der Monarchie im November 1918 wurde Beamten selbst die Teilnahme an Veranstaltungen der wenigen Berufsverbände verboten. Erst gegen Ende der Monarchie wurden Vertreter der organisierten Beamtenschaft von der preußischen Regierung angehört. Art. 130 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) sicherte den Beamten das Recht auf politische Gesinnungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit zu. Art. 130 Abs. 3 WRV gewährte ihnen das Recht auf Berufsvertretungen nach näherer gesetzlicher Bestimmung. Ein Gesetzesentwurf des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes aus dem Jahr 1926 sah vor, dass Beamtenvertretungen berechtigt sein sollten, statt hoheitlicher Regelungen der Arbeitsbedingungen kollektive Vereinbarungen zu verlangen. Diese Vorstellungen trafen auf grundsätzliche Kritik und wurden nicht verwirklicht. Die in der Anfangszeit der Weimarer Republik umstrittene Frage der Zulässigkeit von Beamtenstreiks wurde während des Eisenbahnerstreiks im Jahr 1922 geklärt: Durch die auf Art. 48 Abs. 2 WRV gestützte Notverordnung vom 1. Februar 1922 (RGBl I S. 187) verbot der Reichspräsident den Beamten der Reichsbahn ebenso wie allen übrigen Beamten, die Arbeit einzustellen oder zu verweigern. Die Notverordnung wurde am 9. Februar 1922 aufgehoben. In der Folgezeit bestätigten Reichsgericht und Reichsdisziplinarhof das Verbot, weil Beamte zum Staat in einem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis stünden. Daher seien sie in besonderer Weise zu Treue, Gehorsam und gewissenhafter Aufgabenerfüllung verpflichtet (zum Ganzen: Krause, Rechtshistorische Reihe - 357 -, Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, 2008, S. 36 ff.).

Dementsprechend ist das Verbot kollektiver Kampfmaßnahmen als notwendige Ergänzung sowohl in den grundlegenden, durch Art. 33 Abs. 5 GG vorgegebenen Beamtenpflichten zum vollen beruflichen Einsatz, zur Befolgung dienstlicher Anordnungen und zur Loyalität als auch in dem Strukturprinzip der hoheitlichen Gestaltung des Beamtenverhältnisses verankert. Es gilt aufgrund seiner inhaltlichen Bestimmtheit unmittelbar und geht dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG vor, soweit sein Anwendungsbereich reicht (BVerfG, Beschlüsse vom 11. Juni 1958 a.a.O. S. 17; vom 30. März 1977 a.a.O. S. 264 und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <S. 264>).

Das Verbot gilt für alle Beamten gleichermaßen. Es knüpft wie das beamtenrechtliche Regelwerk in seiner Gesamtheit nicht an den Einsatz- und Aufgabenbereich der Beamten, sondern an den Beamtenstatus an. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die Dienstherrn außerhalb der Bereiche der genuin hoheitlichen Verwaltung, die nach Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Beamten vorbehalten sind, von Verfassungs wegen nicht gehindert sind, nach politischen und fiskalischen Gesichtspunkten zu entscheiden, ob sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Beamte oder Tarifbeschäftigte einsetzen (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 a.a.O. S. 267; Urteil vom 14. Februar 2012-2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <297 f.>).

33b) Nach Art. 11 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht, sich friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz ihrer Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. Diese Rechte können nach Maßgabe des Art. 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 EMRK eingeschränkt werden.

Nach der Rechtsprechung des EGMR umfasst Art. 11 Abs. 1 EMRK auch das Recht des Einzelnen, Gewerkschaften zu bilden und deren Aktivitäten zur Förderung der Arbeitsbedingungen zu unterstützen, sowie das Recht dieser Gewerkschaften, im Namen ihrer Mitglieder Kollektivverhandlungen mit dem Arbeitgeber über die Arbeitsbedingungen zu führen. Dies gilt auch für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Die Gewährleistungen des Art. 11 EMRK verpflichten den Staat als Arbeitgeber, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beziehungen zu den Staatsbediensteten dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen sind. Die Europäische Menschenrechtskonvention macht keinen Unterschied zwischen der Tätigkeit der Konventionsstaaten als Träger hoheitlicher Gewalt einerseits und ihren Pflichten als Arbeitgeber andererseits. Einschränkungen der Koalitionsfreiheit sind nur zulässig, wenn sie von den Schranken des Art. 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 EMRK gedeckt sind (EGMR (GK), Urteil vom 12. November 2008 - Nr. 34503/97, Demir und Baykara - NZA 2010, 1425).

Art. 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 EMRK enthält Einschränkungen für die Ausübung der Rechte nach Absatz 1: Nach Satz 1 setzen Einschränkungen voraus, dass sie gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind unter anderem für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Nach Satz 2 steht Art. 11 rechtmäßigen Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung nicht entgegen. Während die erstgenannten Gruppen eindeutig abgrenzbar sind, ist der Begriff "Angehörige der Staatsverwaltung" nicht aus sich heraus verständlich.

Der EGMR bestimmt diesen Schutzbereich der individuellen und kollektiven Koalitionsfreiheit nach Art. 11 Abs. 1 EMRK ausdrücklich in Übereinstimmung mit völkerrechtlichen Vereinbarungen wie der Konvention Nr. 98 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und Teil II Art. 6 Nr. 1 der Europäischen Sozialcharta sowie mit Art. 28 der Europäischen Grundrechtecharta und der Praxis der großen Mehrheit der europäischen Staaten. Damit hat er die Spruchpraxis des Sachverständigenausschusses der ILO und des Europäischen Ausschusses für Soziale Rechte übernommen (zum Ganzen: Seifert, KritV 2009, 357 <363 f.>).

Im Anschluss an das Urteil vom 12. November 2008 (a.a.O.) hat der EGMR das durch Art. 11 Abs. 1 EMRK geschützte Recht auf Kollektivverhandlungen der Angehörigen des öffentlichen Dienstes und ihrer Gewerkschaften um das Streikrecht ergänzt. Dabei bezieht er sich wiederum auf die Europäische Sozialcharta, die das Streikrecht als ein Mittel zur wirksamen Ausübung des Rechts auf Kollektivverhandlungen gewährleiste. Das Streikrecht sei von den Kontrollorganen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) als untrennbarer Teil der Vereinigungsfreiheit anerkannt (EGMR, Urteil vom 21. April 2009 - Nr. 68959/01, Enerji Yapi-Yol Sen - NZA 2010, 1423).

In den angeführten Entscheidungen nimmt der EGMR auch zu den Einschränkungen der Koalitionsfreiheit Stellung. In dem Urteil vom 21. April 2009 (a.a.O.) heißt es zu Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK, es könne mit der Koalitionsfreiheit vereinbar sein, Streiks von Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu verbieten, die im Namen des Staates Hoheitsgewalt ausübten. Ein Streikverbot könne zwar für bestimmte Gruppen von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, nicht aber für den öffentlichen Dienst insgesamt oder für Angestellte staatlicher Wirtschafts- und Industrieunternehmen ausgesprochen werden. Vorschriften über das Streikrecht müssten die erfassten Gruppen so eindeutig und begrenzt wie möglich bestimmen.

Demnach versteht der EGMR den Begriff "Angehörige der Staatsverwaltung" im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK nicht statusbezogen, sondern funktional (aufgabenbezogen): Das Streikrecht kann generell für diejenigen Staatsbediensteten ausgeschlossen werden, die an der Ausübung von Hoheitsgewalt im Namen des Staates beteiligt sind.

Mit dieser Auslegung des Begriffs der Staatsverwaltung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK führt der EGMR seine Rechtsprechung fort, wonach es für die Zuerkennung und Einschränkung von Konventionsrechten der Angehörigen des öffentlichen Dienstes entscheidend auf deren Aufgabenbereich ankommt. Dieses funktionale Kriterium hat die Große Kammer des EGMR in dem Urteil vom 8. Dezember 1999 (- Nr. 28541/95, Pellegrin - NVwZ 2000, 661 <663>) zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Art. 6 Abs. 1 EMRK entwickelt. Der EGMR wendet es seitdem an; auch in dem Urteil vom 21. April 2009 (a.a.O.) nimmt er darauf Bezug (vgl. z.B. EGMR, Entscheidung vom 22. November 2001 - Nr. 39799/98, Volkmer- NJW2002, 3087 <3089>).

Diese Rechtsprechung beruht auf dem Verständnis des EGMR von der Bedeutung der Konventionsrechte. Der Gerichtshof will sicherstellen, dass Personen, die sich in einer im Wesentlichen gleichen Situation befinden, in Bezug auf die Ausübung der Konventionsrechte in allen Konventionsstaaten gleich behandelt werden. Staatsbedienstete mit gleichen Aufgaben sollen in allen Konventionsstaaten gleich behandelt werden, d.h. gleiche Rechte nach der Europäischen Menschenrechtskonvention haben (Urteil vom 8. Dezember 1999 a.a.O.).

In dem Urteil vom 12. November 2008 (a.a.O.) verlangt der EGMR für die Notwendigkeit einer Einschränkung der Koalitionsfreiheit nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Koalitionsfreiheit dürfe nicht in ihrem Wesensgehalt angetastet werden; ihre Einschränkung müsse durch ein dringendes gesellschaftliches Bedürfnis gerechtfertigt sein. Hierfür obliege den Konventionsstaaten die Darlegungspflicht. Diese Ausführungen lassen den Schluss zu, dass der EGMR den Konventionsstaaten nur einen geringen Spielraum für die Annahme eines dringenden Bedürfnisses im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK einräumt (Nußberger, RdA 2012, 270 <272>).

Nach alledem interpretiert der Senat die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 11 Abs. 2 EMRK dahingehend, dass Einschränkungen der Koalitionsfreiheit von Staatsbediensteten nur zulässig sind, wenn dies aus Gründen der Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen dringend geboten ist. Diese Voraussetzung kann generell, d.h. unabhängig von einem konkreten Anlass, nur für die Bediensteten angenommen werden, die in Streitkräften, Polizei und Staatsverwaltung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK, d.h. in der Hoheitsgewalt ausübenden Verwaltung, eingesetzt sind.

Die dargestellten Aussagen des EGMR zum Bedeutungsgehalt von Art. 11 Abs. 1 und 2 EMRK sind für das Verständnis dieser Regelungen maßgeblich, weil der EGMR die Stellung eines authentischen Interpreten der Europäischen Menschenrechtskonvention innehat. Seiner Rechtsprechung kommt über den entschiedenen Fall hinaus eine Leit- und Orientierungsfunktion zu (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <368 f.> = NJW2011, 1931 Rn. 89). Der EGMR legt die Konvention autonom aus, wobei er deren Systematik und Zielsetzung, völkerrechtliche Grundsätze und Vereinbarungen sowie die Staatenpraxis in den Blick nimmt. Die Konventionsstaaten haben in der Erklärung von Brighton bekräftigt, dass ein wichtiger Beitrag zur Erleichterung der Arbeit des EGMR darin bestehe, dessen Rechtsgrundsätze zur Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention zu befolgen und nicht erst eine Verurteilung abzuwarten (Nußberger, a.a.O. S. 273).

Lehrer an deutschen öffentlichen Schulen sind keine Angehörigen der Staatsverwaltung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK, weil sie keine genuin hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen (vgl. zu Art. 6 Abs. 1 EMRK: EGMR, Entscheidung vom 22. November 2001 a.a.O.). Dies gilt für beamtete und tarifbeschäftigte Lehrer gleichermaßen, weil beide Beschäftigtengruppen gleiche Aufgaben haben. Dem entspricht, dass Lehrer keine Aufgaben wahrnehmen, die wegen ihrer hoheitlichen Prägung nach Art. 33 Abs. 4 GG in der Regel Beamten vorbehalten sind. Die öffentlichen Schulen gehören nicht zu denjenigen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, in denen schwerpunktmäßig hoheitsrechtliche Befugnisse ausgeübt werden (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <267>). Daher haben die Dienstherrn die Wahl, ob sie die Lehrer als Beamte oder als Tarifbeschäftigte beschäftigen. Dementsprechend verfolgen die Bundesländer als personelle Schulträger eine sehr unterschiedliche, mitunter wechselnde Personalpolitik (zum Ganzen: Battis, Streikverbot für Beamte, 2013, S. 19).

c) Das umfassende Verbot kollektiver Kampfmaßnahmen nach Art. 33 Abs. 5 GG und die nach Art. 11 Abs. 2 EMRK zulässigen Einschränkungen der konventionsrechtlichen Koalitionsfreiheit sind inhaltlich unvereinbar:

Das verfassungsrechtliche Verbot ist statusbezogen; es gilt für alle Beamten unabhängig von ihrem Aufgabenbereich. Die Arbeitsbedingungen für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes werden je nach ihrem Personalstatus auf unterschiedliche Weise festgelegt, auch wenn sie die gleichen Aufgaben wahrnehmen. Dies wird am Beispiel der Lehrer an öffentlichen Schulen besonders deutlich: Die Arbeitsbedingungen beamteter Lehrer werden normativ festgelegt, sodass für Kollektivverhandlungen zwischen Dienstherrn und Gewerkschaften mit dem Ziel der tarifvertraglichen Vereinbarung der Arbeitsbedingungen kein Raum ist. Kollektive Kampfmaßnahmen zur Veränderung der Arbeitsbedingungen sind generell unzulässig. Dagegen werden die Arbeitsbedingungen der tarifbeschäftigten Kollegen zwischen den Tarifparteien ausgehandelt und vereinbart; kollektive Kampfmaßnahmen sind als Druckmittel während der Verhandlungen nach Maßgabe des deutschen Arbeitskampfrechts zulässig.

Demgegenüber lässt Art. 11 Abs. 2 EMRK ein generelles Verbot von Kollektivverhandlungen und darauf bezogenen Kampfmaßnahmen, das an den Personalstatus anknüpft, in der öffentlichen Verwaltung gerade nicht zu. Ein derartiges Verbot kann nur funktional, d.h. durch den Aufgabenbereich, gerechtfertigt werden. Den Angehörigen des öffentlichen Dienstes und ihren Gewerkschaften kann das Recht auf Kollektivverhandlungen und darauf bezogene Kampfmaßnahmen generell nur verwehrt werden, wenn sie an der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen zumindest beteiligt sind. Dies gilt für alle Angehörigen der Hoheitsverwaltung unabhängig davon, ob sie Beamte oder Tarifbeschäftigte sind. In den anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung können diese Gewährleistungen der konventionsrechtlichen Koalitionsfreiheit auch für die dort beschäftigten Beamten - anders als es Art. 33 Abs. 5 GG vorsieht - nicht umfassend ausgeschlossen werden.

Dies gilt ungeachtet dessen, dass aufgrund der hoheitlichen Regelung der Arbeitsbedingungen in der deutschen Rechtsordnung keine tariffähige Situation für Beamte besteht. Die Europäische Menschenrechtskonvention stellt ein autonomes völkerrechtliches Regelwerk dar, dessen Bedeutung für die Rechtsordnung der Konventionsstaaten nicht in Abrede gestellt werden kann, wenn das nationale Recht Besonderheiten aufweist, die in Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention stehen (zum Ganzen: Seifert, KritV 2009, 357 f.; Schubert, AöR 2012, 92 f.; Traulsen, JZ 2013, 65 ff.).

Daher verstieß die Teilnahme der Klägerin an den Warnstreiks gegen das Verbot nach Art. 33 Abs. 5 GG, war aber durch Art. 11 EMRK gedeckt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO binden, steht fest, dass die Warnstreiks nach deutschem Arbeitskampfrecht rechtmäßig waren. Die Gewerkschaft GEW befand sich in Tarifverhandlungen über die Vergütung der tarifbeschäftigten Lehrer und strebte die Übernahme der Tarifabschlüsse in die gesetzliche Beamtenbesoldung an. Zwischen den Tarifabschlüssen für den öffentlichen Dienst und der Beamtenbesoldung besteht ein rechtlicher Zusammenhang aufgrund der Bindungen, denen die Besoldungsgesetzgeber aufgrund des Alimentationsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 5 GG unterliegen. Allerdings war die Berechtigung der Klägerin nach Art. 11 EMRK nicht geeignet, ihre beamtenrechtliche Pflichtenstellung zu verändern. Angesichts des entgegen stehenden verfassungsrechtlichen Verbots bedürfen die Gewährleistungen des Art. 11 EMRK einer Umsetzung durch den Gesetzgeber, um Rechtswirkungen für den einzelnen Beamten zu entfalten.

d) Die Europäische Menschenrechtskonvention ist Bestandteil der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (Gesetz vom 7. August 1952, BGBl II S. 685 in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2002, BGBl II S. 1054). Dies bedeutet nicht, dass sich inhaltlich entgegen stehendes Verfassungsrecht im Kollisionsfall bereits aufgrund des höheren Rangs durchsetzt. Zum einen ist die Bundesrepublik Deutschland völkervertragsrechtlich verpflichtet, der Konvention (in ihrer Auslegung durch den EGMR) innerstaatliche Geltung zu verschaffen, d.h. das deutsche Recht grundsätzlich konventionskonform zu gestalten (vgl. Art. 1 EMRK). Zum anderen folgt diese Verpflichtung aus dem Verfassungsgrundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 <322 f.> = NJW 2004, 3407 <3408 f.>; Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <371 f.> = NJW 2011, 1931 Rn. 93 f.).

Daher muss die Bundesrepublik Deutschland sicherstellen, dass ihre Rechtsordnung in der Gesamtheit nach Möglichkeit mit der Konvention übereinstimmt. Diese dient als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte und der rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes, sofern dies nicht zu einer Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt. Die Verwaltung und insbesondere die Gerichte sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Befugnisse das gesamte innerstaatliche Recht in Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention auszulegen (Gebot der konventionskonformen Auslegung). Allerdings setzt eine derartige Auslegung voraus, dass sie nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation vertretbar erscheint. Auch ist zu berücksichtigen, welche Folgen die Geltung eines konventionsrechtlichen Rechtsgrundsatzes für das Regelungsgefüge eines nationalen Teilrechtssystems hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 a.a.O. S. 327 und 329 bzw. 3410; Urteil vom 4. Mai 2011 a.a.O. S. 371 bzw. Rn. 93).

Es liegt nahe, dass für die konventionskonforme Auslegung diejenigen Regeln Anwendung finden, die für die verfassungskonforme Auslegung entwickelt worden sind. Demnach findet auch diese Auslegung ihre Grenze in dem eindeutigen Wortlaut der Norm sowie in dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers; sie darf Wortlaut und gesetzgeberischem Willen nicht widersprechen (Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 49).

Die völker- und verfassungsrechtliche Pflicht, der Europäischen Menschenrechtskonvention innerstaatlich Geltung zu verschaffen, erledigt sich nicht, wenn eine vollständige Anpassung des nationalen Rechts an einen konventionsrechtlichen Rechtsgrundsatz im Wege der konventionskonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts nicht möglich ist. Vielmehr tritt der Rechtsgrundsatz nur zurück, wenn nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Verfassungsgrundsätze abzuwenden ist (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 a.a.O. S. 329).

e) Nach diesen Maßstäben ist das statusbezogene beamtenrechtliche Streikverbot nach wie vor geltendes Recht bis zu einer Auflösung der dargestellten Kollisionslage durch den dazu allein berufenen Gesetzgeber.

Die verfassungs- und völkerrechtliche Verpflichtung, die Vorgaben des Art. 11 EMRK zur Koalitionsfreiheit der Angehörigen des öffentlichen Dienstes in die deutsche Rechtsordnung zu integrieren, kann nicht durch eine konventionskonforme Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG erfüllt werden (a.A. VG Kassel, Urteil vom 27. Juli 2011 - 28 K 574/10.KS.D - ZBR 2011, 386; Polakiewicz/Kessler, NVwZ 2012, 841 <844>). Wie unter 4. dargestellt gelten die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums mit demjenigen Inhalt, der sich im traditionsbildenden Zeitraum herausgebildet hat. Dieser Traditionsbestand darf nicht im Wege der Auslegung geändert werden. Vielmehr kann allein der Gesetzgeber den Geltungsanspruch eines hergebrachten Grundsatzes in Wahrnehmung seines Auftrags zur Regelung und Fortentwicklung des Beamtenrechts in Grenzen einschränken.

Aufgrund dessen ist eine Auflösung der Kollisionslage im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nicht möglich. Insoweit unterscheidet sich der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits von dem Streit über Geltung und Reichweite der Koalitionsfreiheit in kirchlichen Einrichtungen, für den das Bundesarbeitsgericht in der Tradition dieses durch Richterrecht geprägten Rechtsgebiets, ohne durch einen entsprechenden Gesetzesvorbehalt eingeschränkt zu sein, eine Lösung in Gestalt des sog. "Dritten Wegs" entwickelt hat (BAG, Urteil vom 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - BAGE 143, 354 Rn. 118 ff.).

Aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das Statusrecht der Beamten nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG ist es Sache des Bundesgesetzgebers, darüber zu entscheiden, ob und inwieweit die verfassungsunmittelbare Geltung des statusbezogenen Verbots kollektiver Kampfmaßnahmen für Beamte im Hinblick auf die Gewährleistungen des Art. 11 EMRK eingeschränkt werden soll.

Das Verbot kollektiver Kampfmaßnahmen muss für diejenigen Beamten von vornherein nicht relativiert werden, die in den von Art. 33 Abs. 4 GG erfassten Bereichen der öffentlichen Verwaltung tätig sind. Nach dieser Vorschrift ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Demnach muss der Dienstherr zur Erfüllung der Aufgaben der genuin hoheitlichen Verwaltung regelmäßig Beamte einsetzen; eine Wahl zwischen dem Einsatz von Beamten und Tarifbeschäftigten besteht insoweit nicht. Dieser Beamtenvorbehalt findet seine Rechtfertigung darin, dass der Beamtenstatus aufgrund der besonderen Rechte- und Pflichtenstellung besondere Gewähr für eine qualifizierte, loyale und gesetzestreue Aufgabenerfüllung bietet (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <261>; Urteil vom 18. Januar 2012-2 BvR 133/10 - BVerfGE 130, 76 <111 f.>). Damit verweist Art. 33 Abs. 4 GG auf die besonderen Verlässlichkeits- und Rechtsstaatlichkeitsgarantien des Berufsbeamtentums, die durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich abgesichert sind.

Die Annahme liegt nahe, dass die Verwaltung, in der hoheitsrechtliche Befugnisse im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG ausgeübt werden, der Staatsverwaltung im Sinne des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK entspricht, für deren Angehörige die durch Art. 11 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Rechte auf Kollektivverhandlungen und diese begleitenden kollektiven Kampfmaßnahmen eingeschränkt werden können. Zur genuin hoheitlichen Verwaltung in diesem Sinne dürften neben den Streitkräften und der Polizei sonstige Ordnungskräfte, Rechtspflege, Steuerverwaltung, Diplomatie sowie Verwaltungsstellen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene gehören, die mit der Ausarbeitung von Rechtsakten, deren Durchführung und mit hoheitlichen Aufsichtsfunktionen betraut sind. Nicht erfasst sein dürften etwa die staatlichen Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen und sonstige Einrichtungen der Daseinsvorsorge unabhängig von ihrer Rechtsform (vgl. Traulsen, JZ 2013, 65 <69 f.>). Die praktikable Abgrenzung der Bereiche obliegt dem Gesetzgeber.

Für diejenigen Bereiche der öffentlichen Verwaltung, die nicht zur genuin hoheitlichen Verwaltung im Sinne von Art. 33 Abs. 4 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK gehören, obliegt es der verfassungsrechtlich nicht gebundenen Entscheidung der Dienstherrn, ob sie zur Aufgabenerfüllung Beamte oder Tarifbeschäftigte einsetzen (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 a.a.O. S. 267; Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <297 f.>). Daher können die Dienstherrn die Kollisionslage zwischen dem Verbot des Art. 33 Abs. 5 GG und den Gewährleistungen des Art. 11 EMRK, die für die hier beschäftigten Beamten besteht, auf Dauer dadurch auflösen, dass sie für diese Verwaltungsbereiche, etwa im öffentlichen Schulwesen, künftig nur noch Tarifbeschäftigte einstellen (vgl. jetzt schon § 5 BBG, § 3 Abs. 2 BeamtStG). Außerdem ist außerhalb des Bereichs des Art. 33 Abs. 4 GG an ein Wahlrecht der Bewerber zu denken, als Beamte oder als Tarifbeschäftigte eingesetzt zu werden, ggf. auch an ein Wahlrecht für bereits ernannte Beamte, in diesem Status zu bleiben oder in ein Tarifbeschäftigtenverhältnis zu wechseln (vgl. Schubert, AöR 2012, 92 <116>).

Die vorhandenen Beamten können die von Art. 11 EMRK vermittelten Rechte auf Tarifverhandlungen und kollektive Kampfmaßnahmen derzeit nicht durchsetzen: Zum einen besteht aufgrund der einseitig hoheitlichen Festlegung der Arbeitsbedingungen keine tariffähige Situation, sodass kollektive Kampfmaßnahmen nach deutschem Arbeitskampfrecht schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommen. Zum anderen erstreckt sich das statusbezogene Verbot kollektiver Kampfmaßnahmen nach Art. 33 Abs. 5 GG auch auf die Unterstützung derartiger Maßnahmen der Tarifbeschäftigten.

Davon ausgehend muss der Gesetzgeber für die Beamten außerhalb der genuin hoheitlichen Verwaltung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der sich gegenseitig ausschließenden Rechtspositionen aus Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 11 EMRK herbeiführen. Zur Auflösung dieser Kollisionslage stehen ihm insoweit verschiedene Möglichkeiten offen, die bereits jetzt in der Literatur diskutiert werden: Erforderlich erscheint jedenfalls eine erhebliche Erweiterung der Beteiligungsrechte der Gewerkschaften in Richtung eines Verhandlungsmodells. Die derzeit eingeräumten Beteiligungsrechte nach § 118 BBG, § 53 BeamtStG genügen nicht (Schubert, a.a.O. S. 109 f.). In Betracht kommt ferner ein Verhand- lungs- und Schlichtungsmodell unter paritätischer Beteiligung der Gewerkschaften in der Art des "Dritten Wegs", wie es das Bundesarbeitsgericht für die Einrichtungen der Kirchen entwickelt hat (Greiner, DÖV 2013, 623 <625 f.>; BAG, Urteil vom 20. November 2012 a.a.O.).

Erweiterte Beteiligungsrechte ändern nichts daran, dass kollektive Kampfmaßnahmen von Beamten als Druckmittel zur Durchsetzung konkreter Arbeitsbedingungen "echte" Tarifverhandlungen über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen der Beamten und damit eine Abkehr von der hoheitlichen Regelung des Beamtenverhältnisses voraussetzen. Eine Öffnung des Beamtenrechts für eine tarifautonome Gestaltung kommt für den Bereich der innerdienstlichen, sozialen und personellen Angelegenheiten der Beamten in Betracht, wenn und soweit diese auf der Dienstellenebene durch Dienstvereinbarungen mit dem Personalrat geregelt werden können (Seifert, KritV 2009, 357 <373>).

Eine darüber hinausgehende Tarifautonomie stellt den durch Art. 33 Abs. 4 und Abs. 5 GG vorgegebenen Charakter des Beamtenverhältnisses als öffentlichrechtliches Dienst- und Treueverhältnis in Frage. Es ist zu besorgen, dass der prägende, durch Art. 33 Abs. 5 GG vorgegebene Inhalt grundlegender Beamtenpflichten wie der Pflichten zum vollen beruflichen Einsatz oder zur Loyalität angetastet würde, wenn diese Pflichten tarifvertraglich konkretisiert werden könnten. Beispielhaft ist an die Pflicht zur unentgeltlichen und gering vergüteten Mehrarbeit zu denken. Bei einem Wegfall oder einer Abschwächung derartiger Pflichten entfällt die Rechtfertigung für die lebenslange Alimentation. Entsprechendes gilt für Altersgrenzen für die Einstellung und den Eintritt in den Ruhestand, die eine angemessene, die lebenslange Altersversorgung der Beamten rechtfertigende Dauer der Dienstleistungsverpflichtung sicherstellen (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54, jeweils Rn. 18 f.).

Eine Sonderstellung nimmt allerdings die Beamtenbesoldung ein. Deren Entwicklung steht seit jeher in einem engen, durch den Alimentationsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 5 GG vermittelten Zusammenhang mit der Entwicklung der Gehälter der Tarifbeschäftigten, d.h. mit den Tarifabschlüssen für den öffentlichen Dienst. Die nach Art. 33 Abs. 5 GG gebotene Amtsangemessenheit der Alimentation bemisst sich vor allem aufgrund eines Vergleichs mit den Nettoeinkommen der Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes. Vorrangig anhand dieses Maßstabs ist zu beurteilen, ob die Beamtenbesoldung verfassungswidrig von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt wird. Dies dürfte der Fall sein, wenn der Gesetzgeber die Besoldungsentwicklung an Parameter knüpft, die die Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst nicht mehr in den Blick nehmen (BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 <293 f.>; Beschlüsse vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <388>; BVerwG, Urteile vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 26 und vom 23. Juli 2009 - BVerwG 2 C 76.08 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 108 Rn. 7 und 13).

Aufgrund dieser Besonderheiten kann die Beamtenbesoldung in die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst einbezogen werden, ohne die Balance des beamtenrechtlichen Regelungsgefüges zu gefährden. Dies hätte zur Folge, dass die Gewerkschaften der Beamten an den Tarifverhandlungen teilnehmen und sich die Beamten außerhalb der von Art. 33 Abs. 4 GG erfassten Bereiche der öffentlichen Verwaltung insoweit an kollektiven Kampfmaßnahmen beteiligen könnten.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die engen Grenzen einer tarifvertraglichen Gestaltung des Beamtenrechts für die Beamten außerhalb der genuin hoheitlichen Verwaltung auf Dauer auch dann aufrechterhalten werden können, wenn sich die Dienstherrn weiterhin für den Einsatz von Beamten an Stelle oder zusammen mit Tarifbeschäftigten entscheiden. Aufgrund der neueren Rechtsprechung des EGMR zu Art. 11 EMRK besteht jedenfalls gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

f) Art. 28 der Europäischen Grundrechtecharta (EuGrCh), der ein Recht auf Kollektivverhandlungen und kollektive Arbeitskampfmaßnahmen einschließlich Streiks gewährleistet, ist nicht anwendbar.

Die Charta gilt nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EuGrCh für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach Art. 51 Abs. 2 EuGrCh dehnt sie den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union aus; sie begründet weder neue Zuständigkeiten noch neue Aufgaben der Union (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - Rs. C-617/10 - Aerberg Fransson, NJW 2013, 1415 Rn. 19 ff.). Daher ist das Recht der Mitgliedstaaten nur dann an den Grundrechten der Charta zu messen, wenn es in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 a.a.O. Rn. 19; BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - NJW 2013, 1499 Rn. 90). Dies ist insbesondere der Fall, wenn nationales Recht erlassen wird, um eine unionsrechtliche Umsetzungspflicht zu erfüllen.

Aufgrund dessen besteht bei Regelungen des kollektiven Arbeitsrechts - gleich welchen Inhalts - keine Bindung an Art. 28 EuGrCh, weil dieses Rechtsgebiet nicht nach inhaltlichen Vorgaben des Unionsrechts zu gestalten ist. Auch nimmt Art. 28 EuGrCh ausdrücklich auf die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Bezug. Es kommt nicht darauf an, ob und inwieweit es eine Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Union ermöglicht, auch Regelungen des kollektiven Arbeitsrechts zu erlassen (Niedobitek, ZBR 2010, 361 <364>).

Der Senat hat die angemessene Disziplinarmaßnahme unter Beachtung des Verschlechterungsverbots aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung nach § 13 Abs. 1 LDG festzusetzen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4/04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 23, vom 27. Juni 2013 - BVerwG 2 A 2.12 - IÖD 2013, 257 Rn. 9, vom 25. Juli 2013 - BVerwG 2 C 63.11 - NVwZ-RR 2014, 105 Rn. 9 und vom 27. Februar 2014 a.a.O. Rn. 73 ). Nach dieser Vorschrift ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 LDG). Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen (Satz 2). Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen (Satz 3). Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat (Satz 4).

In Anbetracht der Sach- und Rechtslage und unter Abwägung der danach zu berücksichtigenden Kriterien sieht der Senat den ausgesprochenen Verweis als angemessene Maßnahme an. Der Verweis nach § 6 Satz 1 LDG stellt die niedrigste Disziplinarmaßnahme dar (vgl. §§ 5 und 6 LDG).

Die einmalige Verletzung der Dienstleistungspflicht durch die Streikteilnahme löste ein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis aus. Die Gewährleistungen des Art. 11 EMRK sind nicht geeignet, das verfassungsrechtliche Streikverbot für Beamte ohne ein Tätigwerden des Gesetzgebers außer Kraft zu setzen. Es liegt nicht lediglich objektiv eine Dienstpflichtverletzung vor, der Kläger hat vielmehr auch vorsätzlich und damit schuldhaft gehandelt. Der Kläger kann sich nicht auf einen Verbotsirrtum berufen.

Erkennt der Beamte zutreffend den von ihm verursachten Geschehensablauf, der objektiv einen Dienstvergehenstatbestand erfüllt, glaubt er aber gleichwohl, nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben, so beruft er sich auf einen Verbotsirrtum. Ein solcher Rechtsirrtum schließt die Schuld nur dann aus, wenn er unvermeidbar war (vgl. § 17 Satz 1 StGB, BVerwG, Urteile vom 25. März 1980 - BVerwG 1 D 14.79 - BVerwGE 63, 353 <364 f.> und vom 11. Dezember 1991 - BVerwG 1 D 75.90 - BVerwGE 93, 202 <210 f.>). Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums bestimmt sich nach der von dem Beamten nach seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 - BVerwG 2 C 11.05 - ZBR 2006, - 385 <387>, BVerwG, Beschlüsse vom 21. Februar 2008 - BVerwG 2 B 1.08 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr 5 Rn. 6 und vom 20. Januar 2009 - 2 B 4/08 -, juris Rn.39). Im Zweifel wird von einem Beamten - im eigenen Interesse - erwartet, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt. So kann er verhindern, dass ihm gegebenenfalls entgegengehalten wird, er habe zwar in einem Verbotsirrtum gehandelt, der jedoch vermeidbar gewesen sei; ein solcher vermeidbarer Irrtum, der die Vorsatzschuld nicht ausschließt, "kann" bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden (vgl. § 17 Satz 2 StGB; zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 C 11/05 -, juris Rn. 30).

Danach befand sich der Kläger nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum. Dies gilt selbst wenn er durch die beiden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus den Jahren 2008 (aaO) und 2009 (aaO) zu der Erkenntnis gelangt sein sollte, dass auch beamtete Lehrer streiken dürften. Bereits in einer (undatierten) Informationsschrift der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wurde auf mögliche disziplinarische Konsequenzen („Missbilligung, Verweis oder Geldbuße“) hingewiesen. Zudem hat ihn der Beklagte durch Erlass vom 26. Mai 2010 über die maßgebliche rechtliche Einschätzung und mögliche disziplinarrechtliche Folgen einer Streikteilnahme in Kenntnis gesetzt.

Zwar kann ein vermeidbarerer Verbotsirrtum einen Entschuldigungsgrund und damit einen entlastenden Milderungsgrund darstellen, jedoch führt dies hier nicht zu einem Entfallen eines jeglichen Sanktionsbedürfnisses. Die Sanktionierung dient dem Zweck, dem Kläger vor Augen zu führen, dass der Dienstherr sein Verhalten nicht hinnimmt. Dadurch soll er von Wiederholungen abgehalten werden. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger disziplinarisch nicht vorbelastet war. Weitere entlastende Umstände sind nicht ersichtlich. Der Kläger ließ zwar seine Schüler während seiner Streikteilnahme in Arbeitsgruppen arbeiten, die Schulleitung musste aber eine Vertretungsregelung treffen, weil die Schüler sonst ohne Aufsicht geblieben wären.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, der Anspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 4 LDG, § 167 VwGO, §708 Nr. 11, §711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 41 Abs. 1 LDG i.V.m. § 69 BDG und § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.