OLG Hamm, Urteil vom 24.09.2001 - 6 U 86/01
Fundstelle
openJur 2011, 16780
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 O 123/00
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. März 2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer der Klägerin (zugleich Streitwert der Berufungsinstanz): 3.003,27 DM.

Gründe

I.

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch über die Abrechnung eines Haushaltsführungsschadens der Klägerin nach einem Verkehrsunfall vom 15.04.1999, für den die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist.

Die Klägerin hat zum Unfallzeitpunkt Arbeitslosengeld in Höhe von 1.246,12 DM monatlich bezogen und daneben eine geringfügige Aushilfstätigkeit für einen Partyservice mit einer Vergütung von 240,00 DM monatlich ausgeübt. Außerdem hat sie einen Zwei-Personen-Haushalt geführt.

Die Beklagte zu 3) hat auf den Haushaltsführungsschaden 8.500,00 DM gezahlt. Weitere Leistungen hat sie unter Hinweis darauf abgelehnt, daß die Klägerin unstreitig für den Zeitraum vom 27.05.1999 bis 28.02.2000 Krankengeldzahlungen der E in Höhe von insgesamt 11.121,16 DM erhalten hat.

Die Klägerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, daß die Krankengeldzahlungen unberücksichtigt zu lassen seien, weil sie nur als Ersatz für unfallbedingte Lohnausfälle erbracht worden seien.

Das Landgericht hat weitere Ansprüche der Klägerin hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens verneint. Das erhaltene Krankengeld sei zur Hälfte auf die zugunsten des Ehemanns erbrachte Hälfte der Haushaltsführung, die als Erwerbstätigkeit anzusehen sei, anzurechnen. Danach sei der verbleibende Schaden der Klägerin durch die Zahlung der Beklagten zu 3) mehr als ausgeglichen.

Mit der Berufung begehrt die Klägerin weitere 3.003,27 DM nebst Zinsen als Haushaltsführungsschaden. Dieser Betrag ergibt sich auf der Basis der vom Landgericht zugrunde gelegten Eckdaten der Haushaltsführung, wenn die Krankengeldzahlungen unberücksichtigt bleiben. Die Klägerin vertritt insoweit weiterhin die Meinung, daß das Krankengeld allein für den außerhäuslichen Erwerbsschaden gezahlt worden sei und kein Äquivalent für die Erwerbstätigkeit im Rahmen der Haushaltsführung darstelle.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Unterlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Landgericht hat mit Recht die Krankengeldzahlungen bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens der Klägerin berücksichtigt. Diese Konsequenz ergibt sich aus der Regelung des § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X.

Nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X gehen Ansprüche gegen Schadensersatzpflichtige auf den Sozialversicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen erbringt, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend im Hinblick auf das Krankengeld erfüllt.

Das Krankengeld ist wegen der unfallbedingten Verletzungen der Klägerin gezahlt worden. Es handelt sich um eine Sozialleistung aufgrund des Unfalls vom 15.04.1999, die sich auf denselben Zeitraum bezieht wie der hier noch verlangte Haushaltsführungsschaden. Die zeitliche Kongruenz der Leistungen ist deshalb auch nicht im Streit.

Das Krankengeld dient auch der Behebung eines Schadens der gleichen Art im Sinne von § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X. Die damit verlangte sachliche Kongruenz ist grundsätzlich gegeben, wenn die Sozialleistung einerseits und der Schadensersatzanspruch andererseits derselben Schadensart zuzuordnen sind. Auch das ist hier der Fall. Das Krankengeld dient dem Ausgleich des Erwerbsschadens. Die Haushaltstätigkeit stellt ebenfalls, soweit sie nicht der eigenen Bedarfsdeckung dient, sondern für andere Haushaltsangehörige wie hier den Ehemann - im Zwei-Personenhaushalt - erbracht wird, eine Erwerbstätigkeit im Sinne der §§ 842, 843 BGB dar (vgl. BGH, VersR 1996, 1565).

Es ist bereits höchstrichterlich entschieden, daß eine Erwerbsunfähigkeitsrente (vgl. dazu BGH, NJW 1974, 41 = VersR 1974, 162) sowie eine Verletztenrente (vgl. dazu BGH, NJW 1985, 735 = VersR 1985, 356) anzurechnen sind, soweit Ersatzansprüche wegen der Haushaltsführung für Dritte betroffen sind. Es besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Auch für das Kankengeld wird ganz überwiegend die Kongruenz zum Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens bejaht (vgl. Greger, StVG, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., § 11 StVG, Rdn. 191; Geigel-Plagemann, Der Haftpflichtprozeß, 23. Aufl., Kapitel 30 Rdn. 25; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 7. Aufl., Rdn. 460; Becker/Böhme, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 21. Aufl., Rdn. F 15; anderer Ansicht OLG Koblenz, StVE, § 843 BGB Nr. 17).

Die Argumentation der Berufungsbegründung ist nicht geeignet, für das Krankengeld eine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Zwar knüpft das Krankengeld regelmäßig in der Höhe an eine zuvor konkret geleistete außerhäusliche Erwerbstätigkeit an. Das ist aber bei der Erwerbsunfähigkeitsrente und der Verletztenrente letztlich nicht anders. Alle genannten Sozialleistungen dienen generell dem Ausgleich des Erwerbsschadens, ohne daß zwischen einem Verdienstausfall für außerhäusliche Berufstätigkeit und dem Ausfall bei der unterhaltsrechtlich erbrachten Haushaltsführung unterschieden wird.

Das Krankengeld hat Lohnersatzfunktion (vgl. BGH, NJW 1984, 1811 = VersR 1984, 639). Es soll den Erwerbsausfall ausgleichen, den der Versicherte durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit erlitten hat. Dabei kommt es aber nicht wesentlich darauf an, ob das Krankengeld in einem konkreten Berechnungsverhältnis zu einem bestimmten Verdienstausfall steht oder nur eine abstrakte Lohnersatzfunktion in dem Sinn hat, daß es in gleicher Weise der Deckung des allgemeinen Lebensunterhalts dient (vgl. BGH, VersR 1977, 768, 770). Ob sich die Sozialleistung konkret oder abstrakt bemißt, ist für den sozialversicherungsrechtlichen Forderungsübergang ohne Bedeutung (vgl. BGH, VersR 1976, 756, 757; VersR 81, 477). Der Sozialversicherungsträger muß die Deckung eines konkreten Schadenspostens durch seine Leistung nicht nachweisen (vgl. BGH, NJW 1976, 2349). Entscheidend ist, daß das Krankengeld genau wie der Arbeitslohn, eine Verletztenrente oder eine Erwerbsunfähigkeitsrente dem Ausgleich des - abstrakt berechneten - Erwerbsschadens dient. Ebenso wie im Fall der Verletztenrente ausdrücklich entschieden, ist auch das Krankengeld nicht nur als Ausgleich für eine außerhäusliche Berufstätigkeit anzusehen. Es dient vielmehr dem gesamten Ausgleich der unfallbedingten Behinderung, die Arbeitskraft als Erwerbsquelle nutzen zu können. Damit ist auch der Bereich einer eingeschränkten Haushaltsführung für die Familie abgedeckt.

Der weitere Gesichtspunkt, daß das Krankengeld letztlich durch eigene Beitragsleistungen "erkauft" worden ist, hat kein entscheidendes Gewicht. Dieser Umstand liegt auch im Fall der Erwerbsunfähigkeitsrente vor, die letztlich an die erbrachten Pflichtbeiträge anknüpft. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch bei freiwilliger Weiterversicherung die sachliche Kongruenz von Krankengeldzahlungen mit einem Erwerbsschaden bejaht (vgl. BGH, VersR 1976, 756; VersR 67, 1068; VersR 85, 356).

Nach alledem hat das Landgericht zutreffend das an die Klägerin gezahlte Krankengeld zur Hälfte auf den Haushaltsführungsschaden angerechnet. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin in Bezug auf diese Schadensposition besteht nicht.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 713 ZPO.