LG Köln, Urteil vom 12.01.2016 - 22 O 334/15
Fundstelle
openJur 2016, 3097
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Freigabe der Grundschuld in Höhe von € 111.461,62 lastend auf dem Grundstück L-Straße, G, eingetragen im Grundbuch von G, Bl. ... und ..., in Abt. III, lfd. Nr. 3, Zug um Zug gegen die Rückzahlung des aktuellen Darlehensbetrages aus dem Darlehen mit der Nr. "Y#/"Y - Pt insgesamt in Höhe von € 73.216,00 zu erteilen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Verzug befindet.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Hilfswiderklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 130.000 €.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Rückabwicklung eines mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages. Unter dem 25. 11. 2005 schlossen die Kläger mit der Beklagten den Darlehensvertrag mit der Nr. "Y#/"Y- Pt über einen Darlehensbetrag in Höhe von € 17.371,30. Zur Sicherung dieses Darlehens diente eine Grundschuld und die Abtretung von Rechten aus einer Lebensversicherung bei der Z AG vereinbart. Als Verwendungszweck des Darlehens ist Ablösungsdarlehen Nr. "Y#/"Y der 01.01.2006 genannt. Dem Darlehensvertrag beigefügt war eine Widerrufsbelehrung, die von den Klägern unterzeichnet wurde. Diese lautet wie folgt:

"Widerrufsbelehrung für Verbraucherdarlehensverträge

Vertrags-Nummer vom

"Y#/"Y 25.11.2005

Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Sofern Sie nicht taggleich mit dem Vertragsabschluss über Ihr Widerspruchsrecht belehrt worden sind, beträgt die Frist einen Monat. Der Lauf der Frist beginnt mit Aushändigung der Ausfertigung der Vertragsurkunde und dieser Information über das Recht zum Widerruf an den Darlehensnehmer. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

Der Widerruf ist zu richten an:

Name und Anschrift der Bank

C-Bank EG

I-Straße 2-10

"Y#P

Faxnummer E-Mail-Adresse

"Y#/"Y "Y@...

Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie diese Leistung uns ganz oder teilweise nicht zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit gegebenenfalls Wertersatz leisten.

Finanzierte Geschäfte

Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem sie ihre Verpflichtung aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen vertraglich gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen. Können Sie auch den anderen Vertrag widerrufen, so müssen Sie den Widerruf gegenüber Ihrem diesbezüglichen Vertragspartner klären. Beim finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir Ihr Vertragspartner in beiden Verträgen sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgehen und ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen.

Wird mit diesem Darlehensvertrag die Überlassung einer Sache finanziert, gilt folgendes: Wenn Sie diese Sache im Fall des Widerrufs ganz oder teilweise nicht zurückgeben können, haben Sie dafür gegebenenfalls Wertersatz zu leisten. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung der Ware ausschließlich auf deren Prüfung - wie sie ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre - zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. Paketversandfähige Sachen sind auf Kosten und Gefahr Ihres Vertragspartners zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Ware wird bei ihnen abgeholt. Wenn Ihr Vertragspartner das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zurück zugeflossen ist, können Sie sich wegen der Rückabwicklung nicht nur diesen, sondern auch an uns halten.

Datum Unterschrift des Darlehensnehmers

"Y"

Für die Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anl. 1 zur Klageschrift verwiesen.

Am 16.2.2015 haben die Kläger bei der Beklagten vorgesprochen und auf die Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung hingewiesen. Die Beklagte wies den Widerruf am 23.02.2015 schriftlich zurück. Durch ihre Prozessbevollmächtigten haben die Kläger mit Schreiben vom 28.4.2015 erneut auf die Widerrufbarkeit des Darlehensvertrages hingewiesen und Vergleichsverhandlungen über eine Darlehensablösung angeboten. Nachdem dies von der Beklagten abgelehnt wurde, haben die Kläger mit Rechtsanwaltsschreiben vom 23.6.2015 den Darlehensvertrag widerrufen lassen.

Bereits im Jahr 1997 hatten die Kläger mit der Beklagten einen Darlehensvertrag geschlossen über einen Betrag von 210.000 €. Auch für dieses Darlehen diente eine Grundschuld auf dem gleichen Grundstück zur Sicherung.

Für die weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrages wird auf die Anl. B1 (Bl. 33-36) der Akten verwiesen.

Bezüglich der Zweckerklärung für die Grundschuld wird auf die Vereinbarung vom 17.11.1997 (Anl. B3, Bl. 39-40) verwiesen.

Die Kläger sind der Ansicht, die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag vom 25.11.2005 entspreche nicht dem Deutlichkeit des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB, noch stimme sie mit der Musterwiderrufsbelehrung überein, so dass sie zum Widerruf und zur Rückabwicklung berechtigt seien. Die Kläger sind der Auffassung, ihnen stehe nach Widerruf einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 9.343,17 EUR zu sowie eine Vorfälligkeitsentschädigung von Euro 415,83 für die Tilgung durch die Lebensversicherung. Für die Berechnung der Nutzungsentschädigung legen die Kläger den in dem Darlehensvertrag vereinbarten Nominalzinssatz zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 31. Mai 2015 und eine jährliche Zahlung der Kläger auf das Darlehen i.H.v. 5300 EUR zu Grunde. Die Kläger sind der Ansicht, nach der von ihnen im Schriftsatz vom 30.7.2015 erklärten Aufrechnung gegen die Forderung der Beklagten auf einen Sollsaldo von 82.975 EUR im Zeitpunkt der Widerrufserklärung, stehe der Beklagten nur noch eine Forderung i.H.v. 73.216,00 EUR gegen die Kläger zu.

Die Kläger beantragen,

1.

a) die Beklagte zu verurteilen, die Freigabe der Grundschuld in Höhe von € 111.46 1,62 lastend auf dem Grundstück L-Straße, G, eingetragen im Grundbuch von G, Bl. ... und ..., in Abt. III, lfd. Nr. 3, Zug um Zug gegen die Rückzahlung des aktuellen Darlehensbetrages aus dem Darlehen mit der Nr. "Y#/"Y - Pt insgesamt in Höhe von € 73.216,00 zu erteilen;

b) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägern außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 1.361,84 zu zahlen;

2.

festzustellen, dass sich die Beklagte im Verzug befindet.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen,

sowie hilfswiderklagend,

die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte 83.18 3,07 EUR nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus jährlich seit dem 15.03.2015 zu zahlen.

Die Beklagte ist der Auffassung, den Klägern stehe bereits deshalb kein Widerrufsrecht zu, weil es sich bei der Vereinbarung aus dem Jahr 2005 um eine unechte Abschnittsfinanzierung des ursprünglich aufgenommenen Darlehens aus dem Jahr 1997 handele. Des Weiteren vertritt sie die Auffassung, dass die Widerrufsbelehrung wirksam sei, weil sie zu Gunsten des Verbrauchers sogar eine Verlängerung der Widerrufsfrist vorsehe. Schließlich ergebe sich auch aus der Zweckerklärung der Grundschuld, dass die Kläger auch bei erfolgreichem Widerspruch vorleistungspflichtig seien und die Herausgabe der Sicherheit nicht Zug um Zug verlangen könnten. Den mit der Hilfswiderklage geltend gemachten Zahlungsanspruch errechnet die Beklagte wie folgt: Darlehensbetrag (107.371,30 €) abzüglich Tilgungsleistungen durch die Kläger per 30.9.2015 (24.188,23 €), eine Nutzungsentschädigung steht den Klägern nicht zu.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist bis auf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten begründet.

1.

Die Kläger können die Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen die Rückzahlung eines Betrages von 73.216,00 EUR verlangen.

Die Kläger haben den Darlehensvertrag vom 25.11.2005 durch Anwaltsschreiben vom 23.6.2015 wirksam widerrufen.

Die Widerrufserklärung der Kläger ist fristgemäß, da den Klägern gemäß §§ 495, 355 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 02.12.2004 ein Widerrufsrecht zustand, das zum Zeitpunkt der Erklärung noch nicht erloschen war.

(a)

Das Widerrufsrecht war nicht dadurch entbehrlich, unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei dem Darlehensvertrag vom 25.11.2005 nur um eine unechte Abschnittsfinanzierung des bereits im Jahre 1997 gewährten Vertrages handelte. Die §§ 491, 495 BGB a.F., wonach für Verbraucher Darlehensverträge eine Widerrufsmöglichkeit einzuräumen ist, finden jedenfalls dann Anwendung, wenn dem Verbraucher infolge der Vertragsänderung zugleich ein neues, im ursprünglichen Darlehensvertrag wieder geregeltes noch angelegtes Kapitalnutzungsrecht eingeräumt wird (OLG Köln Urteil vom 5.3.2014, 13 U 129/13, vgl. BGH Urteil vom 28.05.2013 XI ZR 6/12). Hier wurde dem Verbraucher ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt, da sich aus dem alten Vertrag (dort Seite 2 Z. 4.1) ergibt, dass das ursprüngliche, Darlehen jedenfalls in voller Höhe am 10.11.2007 fällig war. Durch die neue Vereinbarung vom 25.11.2005 wurde das alte Darlehen in der Weise abgelöst, dass der Zinssatz gemäß 3.1 der neuen Konditionen jedenfalls bis zum 1.1.2016 festgeschrieben wurde, woraus sich zugleich eine Verlängerung des Kapitalnutzungsrechts mindestens bis zum 1.1.2016 ergibt.

(b)

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. mangels ordnungsgemäßer Belehrung gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. nicht zu laufen begonnen.

Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist daher gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil v. 17.10.2012, Az. 4 U 194/11). An einer solchen hinreichenden Belehrung fehlt es im vorliegenden Fall, weshalb auch das Widerrufsrecht nicht gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. sechs Monate nach Vertragsschluss erloschen ist. Die in der vorliegenden Vertragsurkunde enthaltende Widerrufsbelehrung ist hinsichtlich des Beginns der Frist unzureichend.

Gem. § 355 BGB beginnt die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Absatzes 1 Satz 2 enthält. 2Wird die Belehrung nach Vertragsschluss mitgeteilt, beträgt die Frist abweichend von Absatz 1 Satz 2 einen Monat. 3Ist der Vertrag schriftlich abzuschließen, so beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden.

Die Belehrung der Beklagten zum Fristbeginn lautet:

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Sofern Sie nicht taggleich mit dem Vertragsabschluss über Ihr Widerspruchsrecht belehrt worden sind, beträgt die Frist einen Monat. Der Lauf der Frist beginnt mit Aushändigung der Ausfertigung der Vertragsurkunde und dieser Information über das Recht zum Widerruf an den Darlehensnehmer.

Diese Belehrung lässt nicht erkennen, ob der Hinweis, "der Lauf der Frist beginnt mit der Aushändigung der Ausfertigung der Vertragsurkunde und dieser Information über das Recht zum Widerruf an den Darlehensnehmer" für alle Belehrungen gilt, also auch für solche, die taggleich mit dem Vertragsabschluss erfolgen oder nur für solche Belehrungen, in denen der Verbraucher gerade nicht taggleich mit dem Vertragsabschluss belehrt worden ist und in denen die Frist einen Monat beträgt. Der Satzzusammenhang zwischen dem Satzende des 2.Satzes "beträgt die Frist einen Monat" und dem Beginn des folgenden Satzes " Die Frist beginnt mit..." legt für einen unvoreingenommenen Leser die Möglichkeit nahe, dass sich dieser Anschlusssatz über den Fristbeginn nur auf die nicht taggleiche Belehrungen bezieht. Für den Fall der taggleichen Belehrung wird für den rechtsunkundigen Verbraucher die Möglichkeit nahegelegt, dass in diesen Fällen der Lauf der zweiwöchigen Frist - entgegen dem Gesetz- bereits mit dem Vertragsschluss selbst beginnt.

Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf die beiden Entscheidungen des BGH, Urteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 47/08 -, und Urteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08 berufen, da in diesen beiden Fällen zwar eine abweichende aber hinsichtlich des Fristbeginns gerade eindeutige Belehrung erfolgte.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Widerrufsfrist gleichwohl zu laufen begonnen habe, weil die Belehrung dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung entsprochen habe, und daher auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV gelte. Denn die Beklagte hat gegenüber den Klägern kein Formular für die Widerrufsbelehrung verwendet, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung in jeder Hinsicht entspricht. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass sich ein Unternehmer auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen kann, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH, Urteil v. 01.12.2010, Az. VIII ZR 82/10; BGH, Urteil v. 01.03.2012, Az. III ZR 83/11; BGH, Urteil v. 18.03.2014, Az. II ZR 109/13). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Beklagte sowohl zum Widerrufsrecht als auch zu den Widerrufsfolgen einen in Wortlaut und Inhalt abweichenden Text gewählt hat.

(c)

Die Kläger haben ihr Recht zur Ausübung des Widerrufs nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH, Urt. vom 23.1.2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte und auch nicht von der Möglichkeit einer Nachbelehrung Gebrauch machte (vgl. BGH, Urt. v. 7.5.2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101; OLG Hamm, Beschluss v. 25.8.2014 - 31 U 74/14, juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 242 BGB Rn. 107).

Ob und gegebenenfalls unter welchem Umständen die beidseitige Erfüllung aller Vertragspflichten ein Vertrauen begründen kann, dass die Gegenseite nicht mehr von einem Widerrufsrecht Gebrauch machen werde (so OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 - 13 U 30/11, WM 2012, 1532; KG, Urt. v. 16.8.2012 - 8 U 101/12, GuT 2013, 213; OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 - 13 U 30/11, WM 2012, 1532) kann dahinstehen, denn zum Zeitpunkt des Widerrufs durch den Kläger waren die Pflichten der Parteien aus dem Darlehensvertrag nicht erfüllt.

Der Widerruf verstößt auch nicht deshalb gegen Treu und Glauben, weil der Kläger die Fortsetzung des Darlehens zu günstigeren Konditionen wünscht. Die Verbraucherwiderrufsrechte bestehen ungeachtet der Motive des Verbrauchers, sich von der eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu lösen. Deshalb kann es keinen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen, wenn ein Verbraucher, in der Absicht nunmehr einen wirtschaftlich günstigeren Vertrag abschließen zu können, einen früheren Vertrag widerruft. Bei Ausübung seines Widerrufsrechts innerhalb der Widerrufsfrist hat der Darlehensnehmer weder ein schutzwürdiges Interesse nachzuweisen, noch darzulegen, aus welchen Gründen er sein Widerrufsrecht ausübt, § 355 Abs.1 S. 4 BGB. Dieses Recht muss ihm auch dann zustehen, wenn er sein Widerrufsrecht mangels eines Fristablaufs zu einem späteren Zeitpunkt ausübt. Würde sich die Beklagte auf eine Treuwidrigkeit der Ausübung des durch ihr Verhalten ausgelösten unbefristeten Widerrufsrechts berufen können, würde die Klägerin im Ergebnis so gestellt werden, als sei die Widerrufsbelehrung wirksam gewesen und ein Widerrufsrecht nicht (mehr) gegeben. So würde die Belehrung gerade jene Wirkung ausüben, die ihr von Rechts wegen versagt ist und der bezweckte Verbraucherschutz hierdurch unterlaufen werden (vgl. hierzu: BGH Urteil v. 15.05.2014, Az. III ZR 368/13).

(d)

Im Zuge der Rückabwicklung können die Kläger auch die Ablösung der für das Darlehen hingegebenen Grundschuld verlangen.

Hierzu enthält der Vertrag unter Z. 8 folgenden Wortlaut:

Sicherheiten: Alle der Bank zustehenden Sicherheiten sichern alle bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung mit dem Darlehnsnehmer, soweit nicht im Einzelfall außerhalb dieses Vertrages etwas anderes vereinbart ist; dies gilt auch für bereits bestellte, hier nicht aufgeführt und aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen haftende Sicherheiten. Zusätzlich stellt der Darlehensnehmer der Bank mit gesonderten Vereinbarungen noch folgende Sicherheiten:

Vollstreckbare Buchgrundschuld in Höhe von EUR 111.461,63, eingetragen an dem Objekt in G, L-Straße, im Grundbuch von G, Kerpen, Blatt-Heft-Nr. ...3 ..., verzinslich mit 15,000 % unter Übernahme der persönlichen Haftung des Eigentümers/der Eigentümer in Grundschuldhöhe."

Die Kammer legt diese Sicherungserklärung im Vertrag vom 25.11.2005 dahingehend aus, dass zusätzlich zur den übrigen der Bank zustehenden Sicherheiten, die alle Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung absichern sollen, durch die mit gesonderter Vereinbarung im Darlehensvertrag durch die noch zusätzlich gewährte Sicherheit der vollstreckbaren Buchgrundschuld nur das Darlehen vom 25.11.2005 abgesichert werden sollte und dass diese Vereinbarung die alte Sicherungsvereinbarung vom 17.11.1997, welche zeitgleich mit der nunmehr abzulösenden Kreditgewährung für den Kredit vom 17.11.1997 geschlossen wurde, ersetzen sollte.

Damit ist nach wirksamem Widerruf des Darlehens im Rahmen der Rückabwicklung vom Darlehensgeber auch die Buchgrundschuld zurückzugeben.

Dem steht die Entscheidung des BGH vom 28.10.2003, XI ZR 263/02 nicht entgegen. Die danach grundsätzliche und auch im vorliegenden Fall geltende Auslegung der Sicherungsbestellung für ein Darlehen dahingehend, dass damit nicht durch die Rückzahlungsansprüche des wirksamen Darlehensvertrages, sondern auch die Rückabwicklungsansprüche der Bank im Rahmen des Widerrufs des Darlehens abgesichert werden sollen, führt nur dazu, dass der Darlehensnehmer die gestellte Sicherheit erst zurückerhalten kann, wenn er seinerseits vollständig die Rückabwicklungsforderungen der Bank befriedigt hat. Auch wenn der Darlehensnehmer hinsichtlich der Zahlung im Hinblick auf die hierfür gewährte Sicherheit somit als vorleistungspflichtig anzusehen ist, kann er im Rahmen der beiderseitigen Rückabwicklung nach §§ 348, 322 Abs. 2 BGB auf Leistung "nach Empfang der Gegenleistung" klagen, wenn er seine Rückabwicklungsleistung -wie hier- bereits vergeblich angeboten hat und die Bank die Rückabwicklung endgültig abgelehnt hat. Ein schutzwürdiges Interesse der Bank die Rückgabe der Sicherheit auch zu verweigern, wenn deren Rückgabe nach Empfang der noch offenstehenden Forderungen erfolgen soll, ist nicht ersichtlich. Der Anspruch der Kläger kann als Zug um Zug Anspruch tituliert werden. Die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil auf "Leistung nach Empfang der Gegenleistung" wird ebenso bewirkt wie die aus einem Zug- um Zug- Urteil, da sich § 322 Abs. 3 BGB mit seinem Verweis auf § 274 Abs. 2 BGB auch auf § 322 Abs. 2 BGB bezieht (vgl. Palandt- Grüneberg, BGB, 75. Aufl. § 322 Rn. 5).

(e)

Die Kläger haben den Gegenanspruch der Bank jedenfalls nicht zu niedrig berechnet. Entgegen der Ansicht der Beklagten schuldet der Darlehnsgeber dem Darlehensnehmer nicht nur gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen, sondern auch gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (vgl. dazu BGH Beschluss vom 22. 9.2015 - XI ZR 116/15). Soweit Darlehensgeber oder Darlehensnehmer gegenüber den gemäß § 348 Satz 1 BGB jeweils Zug- um Zug zu erfüllenden Leistungen die Aufrechnung erklären, hat dies nicht zur Folge, dass der Anspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB auf Herausgabe von Nutzungsersatz als nicht entstanden zu behandeln wäre (so ausdrücklich BGH Beschluss vom 22. 9.2015 - XI ZR 116/15). Desweiteren haben die Kläger auch zu Recht im Rahmen der Rückabwicklung nach § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB die an die Beklagte gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung von Euro 415,83 für die Tilgung durch die Lebensversicherung berücksichtigt und diese von der Forderung der Beklagten im Wege der Aufrechnung abgezogen.

2.

Der Feststellungsantrag, dass sich die Beklagte in Verzug befindet ist zulässig. Das Rechtschutzinteresse der Klägerseite gem. § 256 ZPO ergibt sich im Hinblick auf mögliche Schadenersatzansprüche.

Die Beklagte befindet sich spätestens seit der mündlichen Verhandlung in Verzug gem. § 286 BGB, weil sie durch ihren Klageabweisungsantrag die Rückabwicklung in der geforderten Zug- um - Zug- Form endgültig verweigert.

3.

Keinen Erfolg haben die Kläger allerdings mit ihrer Forderung außergerichtlicher Anwaltskosten. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 286 BGB. Die Beklagte befand sich noch nicht in Verzug mit der Rückgabe der Sicherheit im Rahmen der Rückabwicklung, als die Kläger ihre Prozessbevollmächtigten beauftragt haben. Denn der Widerruf wurde erst durch die Prozessbevollmächtigten erklärt.

Ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich auch nicht aus § 280 BGB. Eine schuldhafte Vertragsverletzung der Beklagten vor Einschaltung der Prozessbevollmächtigten ist nicht ersichtlich.

II.

Keinen Erfolg hat die Hilfswiderklage. Sie ist bereits unzulässig, da nicht erkennbar ist, unter welche prozessuale Bedingung sie gestellt sein soll. Ein Hinweis hierauf durch das Gericht war nicht erforderlich, da dies bereits von Klägerseite schriftsätzlich vorgebracht wurde. Wenn man davon ausgeht, dass die Hilfswiderklage unter der Bedingung gestellt ist, dass der Hauptantrag der Gegenseite Erfolg hat, so macht sie keinen Sinn. Die Kammer hat die Hilfswiderklage daher nur unter dem Gesichtspunkt gewürdigt, dass sie eine andere Berechnungsweise der Rückabwicklungsforderung der Beklagten aufzeigt, die aber im Hinblick auf den Beschluss des BGH vom 22.9.2015 - XI ZR 116/15 von der Kammer nicht geteilt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Streitwert: 111.461,62 Euro (§ 3 ZPO ausgehend vom Wert der Grundschuld)