OLG Köln, Beschluss vom 19.12.2001 - 17 W 420/01
Fundstelle
openJur 2011, 15457
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 13 O 223/99
Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte. Gegenstandswert für die Beschwerde: 1.513,80 DM.

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig; in der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg. Die Rechtspflegerin hat im Ergebnis mit Recht diejenigen Mehrkosten bei der Kostenfestsetzung berücksichtigt, die auf Seiten des Klägers durch die Einschaltung eines Verkehrsanwalts entstanden sind.

Nachdem die Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte vor den Amts- und Landgerichten mit Wirkung ab dem 01.01.2000 erheblich erweitert worden ist (vgl. § 78 Abs. 1 ZPO n.F.), entspricht es allerdings der neueren Rechtsprechung des Senats, dass nunmehr auch die Reisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten, der zum Prozessort reist, erstattungsfähig sind (vgl. im einzelnen Beschluss des Senats vom 26.11.2001 - 17 W 107/01 -). Aus der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit solcher Reisekosten ergibt sich weiter, dass diejenigen Kosten, die durch die Beauftragung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts entstanden sind, grundsätzlich nur noch bis zur Höhe der ersparten fiktiven Reisekosten erstattungsfähig sind, die dem Verkehrsanwalt entstanden wären, wenn er als Prozessanwalt Reiseaufwand zum Prozessgericht getätigt hätte (vgl. Senat a.a.O.). Diese Überlegungen erweisen sich im gegebenen Fall aber nicht als einschlägig, denn die Klage wurde noch im Jahre 1999 rechtshängig gemacht, als die erweiterte Postulationsfähigkeit noch nicht in Kraft getreten war.

Innerhalb des Geltungsbereichs alten Rechts sind die Kosten eines Verkehrsanwalts vom Senat grundsätzlich nur dann erstattungsfähig angesehen worden, soweit die Entfernung zwischen dem Ort, an dem sich der Wohn- und Geschäftssitz der Partei befindet, und dem Ort des Prozessgerichts sowie dem Kanzleiort des Prozessbevollmächtigten mehr als 40 km beträgt (vgl. Beschluss des Senats vom 03.11.1999 - 17 W 201/99 - OLG R 2000, 33). Auch die Voraussetzung einer Ortsentfernung zwischen Wohnsitz und Prozessort von mehr als 40 km wäre vorliegend (für die Entfernung K./B.) nicht erfüllt.

Über die vorstehend behandelten Voraussetzungen hinaus ist jedoch anerkannt, dass die durch die Beauftragung eines Verkehrsanwalts angefallenen Mehrkosten - ausnahmsweise - auch dann erstattungsfähig sein können, wenn die Einschaltung eines Verkehrsanwalts am Wohnsitz der Partei aus besonderen Gründen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war (§ 91 Abs. 1 ZPO). Die Einschaltung eines Verkehrsanwalts kann dann erforderlich werden, wenn für die Partei die unmittelbare Information eines Rechtsanwalts am Ort des Prozessgerichts entweder nicht möglich, nicht zumutbar oder nicht hinreichend sicher gewesen wäre, wobei insbesondere auch das Alter und der Gesundheitszustand einer Prozesspartei triftige Gründe dafür beinhalten können, die Erstattungsfähigkeit ausnahmsweise zu bejahen (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 52 Rz. 28 ff. -m.w.N.-).

Vorliegend war dem Kläger die Beauftragung und Unterrichtung eines am Prozessort residierenden Rechtsanwalts nicht zumutbar. Der Kläger ist 77 Jahre alt und aufgrund einer Kriegsverletzung beinamputiert. Er bediente sich deshalb eines in unmittelbarer Nachbarschaft ansässigen Rechtsanwalts, zu dem er lediglich eine Entfernung von ca. 50 m zu überwinden hatte. Die Beklagte, die Schwägerin des Klägers, hat das Vorliegen der körperlichen Behinderung, die bei einer Beinamputation und angesichts des hohen Alters des Klägers indiziert ist, nicht substantiiert bestritten. Mit Rücksicht auf die gravierenden alters- und behinderungsbedingten Beeinträchtigungen entspricht es noch dem Gebot kostensparender Prozessführung, soweit der Kläger einen Verkehrsanwalt beauftragte.

Der Erstattungsfähigkeit der Verkehrsanwaltskosten steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger auf gerichtliche Anordnung zum Verhandlungstermin vor dem Landgericht Bonn vom 08.09.1999 erschienen ist. Das einmalige Aufsuchen des Landgerichts rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Kläger in der Lage gewesen wäre, auch einen Prozessanwalt am Ort des Prozessgerichts zu beauftragen und zu informieren. Der Kläger hatte insbesondere keine Veranlassung, von einem lediglich geringen Informationsbedarf auszugehen, der gegebenenfalls nur im Rahmen eines einzelnen Informationsgesprächs zu befriedigen gewesen wäre. Im gegebenen Fall ist eine Stufenklage eingeleitet worden, bei der von vornherein mit der Erforderlichkeit mehrerer Gerichtstermine zu rechnen war. Dem Rechtsstreit, einer Erbschaftsstreitigkeit, lag auch bereits ein komplex gelagerter Sachverhalt mit erheblichem Streitpotential zugrunde, was - wie der Umfang der Gerichtsakten belegt - einen umfänglichen Informationsbedarf mit mehreren Informationsgesprächen indizierte. So ist denn auch unstreitig geblieben, dass der Kläger den Verkehrsanwalt mehrfach aufsuchte, um mit diesem Informationsgespräche zu führen. Schließlich ist unstreitig, dass der Kläger die Reise zum Gerichtsort mit Hilfe des Verkehrsanwalts unternahm.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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