LG Krefeld, Beschluss vom 10.11.2010 - 2 S 34/10
Fundstelle
openJur 2016, 4654
  • Rkr:
Tenor

I.

Die mündliche Verhandlung wird wiedereröffnet.

II.

Die Parteien werden auf folgendes hingewiesen:

Gründe

In der Berufungsinstanz sind nur noch Betriebskosten aus den Jahren 2007 und 2008 Streitgegenstand. Wie das Amtsgericht zu Recht entschieden hat, können Betriebskostenvorauszahlungen nach Ablauf der Abrechnungsfrist nicht mehr geltend gemacht werden. Dem entsprechend begehrt die Klägerin nunmehr unter erstmaliger Vorlage der Betriebskostenabrechnungen für 2007 und 2008 die Salden aus diesen von ihr erstellten Abrechnungen. Gem. § 6.2 des notariellen Kaufvertrages (Bl. 108) war sie jedenfalls ermächtigt, die Abrechnungen für den früheren Eigentümer C. zu erstellen, der bis zur Eigentumsumschreibung am. 4.08.2009 Vermieter geblieben ist. Allerdings hat die Klägerin die Abrechnungen in der Berufungsbegründungsschrift hinsichtlich der von den Beklagten geleisteten Vorauszahlungen korrigiert. Danach haben die Beklagten, von diesen unbestritten gelassen, im Jahre 2007 520,-- EUR an Betriebskostenvorauszahlungen geleistet und im Jahre 2008 keinerlei Vorauszahlungen. In die Abrechnungen waren offenbar - ohne dies ausdrücklich auszuweisen - jeweils die Sollvorauszahlungen eingestellt worden, wobei das Gericht davon ausgeht, dass es sich bei dem Betrag von 1.042,31 EUR in der Abrechnung für 2007 um die Sollvorauszahlungen für die Monate Mai bis Dezember handelt sowie die wenigen Tage im April 2007, für die die Abtretung durch den Voreigentümer schon wirksam war. Da die Vorauszahlung für April 2007 allerdings schon Anfang des Monats fällig war, steht sie nicht der Klägerin sondern dem Voreigentümer zu, so dass gegenüber der Klägerin für 2007 Vorauszahlungen in Höhe von 8 x 130,-- EUR, insgesamt 1.040,-- EUR geschuldet waren. Für 2008 waren 1.560,-- EUR geschuldet.

Gem. § 556 Abs. 3 S. 3 BGB hat der Vermieter nur dann einen Anspruch auf Nachforderung von Betriebskosten gegen den Mieter, wenn er innerhalb der einjährigen Abrechnungsfrist eine Betriebskostenabrechnung vorlegt. Legt er eine Abrechnung schuldhaft nicht rechtzeitig vor, ist er nach der Rechtsprechung des BGH (BGH NZM 2005, 373 unter II.5.c. - Rdn. 27 bei Juris) mit Nachforderungen ausgeschlossen, er kann aber - soweit vom Mieter noch nicht gezahlt - Betriebskosten bis zur Höhe der vereinbarten Vorauszahlungen verlangen, maximal aber den Betrag der auf den Mieter entfallenden Betriebskosten für dieses Jahr.

Die Abrechnung für 2007 weist für die Beklagte Betriebskosten in Höhe von 999,84 EUR aus. Das haben die Beklagten nicht angegriffen. Dieser Betrag unterschreitet die geschuldeten Vorauszahlungen von 1.170,-- EUR. Da die Klägerin für das gesamte Jahr 2007 abgerechnet hat, sind auch sämtliche geschuldeten Vorauszahlungen zu berücksichtigen, also auch diejenigen, die auf die Zeit vor der Abtretung der Ansprüche an die Klägerin anfielen. Damit übersteigt der Vorauszahlungsbetrag den Betrag der nach der Abrechnung geschuldeten Betriebskosten. Der Nachforderungsausschluss des § 556 Abs. 3 BGB greift nicht.

Es kommt vielmehr auf die Frage an, ob die Abrechnung - wie von der Klägerin behauptet - den Beklagten rechtzeitig innerhalb der Abrechnungsfrist zugegangen ist oder ob sie den Beklagten - wie diese behaupten - erstmals im Berufungsrechtszug bekannt gegeben wurde. Sollte ersteres der Fall sein, so wäre die Klägerin nach Auffassung der Kammer an den aus der Abrechnung sich ergebenden Saldo gebunden, könnte also auch nicht bezahlte Vorauszahlungen nicht mehr geltend machen.

In diesem Fall widerstreiten nämlich zwei gegenläufige Prinzipien: Einmal das Nachforderungsverbot, das nach der Rechtsprechung des BGH (BGH NZM 2008, 204; BGH NZM 2005, 13) bedeutet, dass eine Betriebskostenabrechnung nach Ablauf der Abrechnungsfrist weder hinsichtlich der Einzelpositionen noch hinsichtlich des Gesamtsaldos zum Nachteil des Mieters geändert werden darf, weil der Mieter sich nach Ablauf der Abrechnungsfrist darauf einrichten können soll, welches Guthaben ihm zusteht bzw. welche Nachzahlung er maximal zu leisten hat. Auf der anderen Seite kann der Vermieter trotz des Nachforderungsausschlusses die Betriebskosten bis maximal zur Höhe der vereinbarten Vorauszahlungen auch noch nach Ablauf der Abrechnungsfrist verlangen (BGH NZM 2005, 373 unter II.5.c. - Rdn. 27 bei Juris). Wenn ein Vermieter in einer Betriebskostenabrechnung falsche Vorauszahlungen, nämlich wie hier die Sollvorauszahlungen, angibt, dann muss er sich nach Ablauf der Abrechnungsfrist so behandeln lassen, als hätte der Mieter die zu seinen Gunsten fälschlicherweise berücksichtigten Vorauszahlungen tatsächlich geleistet. Andernfalls würde ein wesentliches Element einer jeden Betriebskostenrechnung, nämlich die Verrechnung der auf den Mieter entfallenden Kosten mit den Vorauszahlungen (vgl. dazu BGH NJW 1982, 573), fehlen und es würde ausreichen, wenn dem Mieter mitgeteilt würde, welchen Anteil der Gesamtbetriebskosten des Hauses er zu tragen hat, ohne einen Saldo mit den geleisteten Vorauszahlungen zu bilden. Dies aber widerspricht dem Wesen einer Abrechnung, deren formaler Ansatz und Ausgangspunkt ist, dem Mieter deutlich zu machen, welchen Teil der Vorauszahlungen der Vermieter wegen entsprechender Betriebskosten behalten darf und welchen Anteil er gegebenenfalls zurückerstatten muss. Im Übrigen ist zu bedenken, dass dem Mieter wohl ohne weiteres als Einwendung gem. § 556 Abs. 3 S. 5 BGB gegen die Betriebskostenabrechnung auferlegt würde, wenn der Vermieter zu seinen Ungunsten zu wenig an Vorauszahlung berücksichtigt hätte. Nach Ablauf der Einwendungsfrist wäre der Mieter gem. § 556 Abs. 3 S. 6 BGB mit der Geltendmachung ausgeschlossen. Wertungsmäßig müssen beide Fälle aber gleich behandelt werden.

Für die Betriebskostenabrechnung 2008 gelten die vorstehenden Erwägungen nicht. Diese Abrechnung ist nicht einmal nach Vortrag des Klägers innerhalb der Abrechnungsfrist vorgelegt worden, so dass die Beklagten als Mieter auch kein Vertrauen in die Richtigkeit eines bestimmten Abrechnungssaldos entwickeln konnten. Deshalb kann die Klägerin die geschuldeten Vorauszahlungen in Höhe von 1.560,-- EUR von den Beklagten verlangen, da der Saldo der Abrechnung über diesen Betrag hinaus geht. Der überschießende Betrag steht der Klägerin wegen des Nachforderungsausschlusses gem. § 556 Abs. 3 S. 3 BGB jedoch nicht zu.

III.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen nach Zugang des Beschlusses.

Das Gericht regt an, dass die Klägerin die Berufung bis auf einen Betrag von 1.560,-- EUR nebst Zinsen ab Zustellung der Berufungsbegründung (25.06.2010) zurücknimmt und die Beklagten diese Forderung dann anerkennen. Hierzu mögen die Parteien sich gegebenenfalls innerhalb der Stellungnahmefrist erklären.