VG Freiburg, Urteil vom 21.10.2015 - 1 K 2020/13
Fundstelle
openJur 2015, 21321
  • Rkr:

1. Neben und unabhängig von verfahrensrechtlichen Akteneinsichtsansprüchen (§§ 29 VwVfG, 100 VwGO) kann ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Akteneinsicht bestehen, der als Annexanspruch seine Grundlage im jeweiligen materiellen Recht bzw. in den Grundrechten hat (im Anschuss an BVerwG, Beschl. v. 27.06.2013 - 3 C 20/12 -).

2. Einen zwingenden Anspruch auf Überlassung der Akten in die Kanzlei eines Rechtsanwalts gibt es nicht; dass diesbezügliche Ermessen der aktenführenden Behörde kann aber im Einzelfall auf Null reduziert sein (hier bejaht).

Tenor

Das beklagte Land - Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst - wird verurteilt, der Klägerin Akteneinsicht über sämtliche beim Beklagten vorgehaltene Akten seit dem Vorfeld der staatlichen Anerkennung vom 17.10.1988 bis zum heutigen Tage durch Übersendung derselben an die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten für einen Einsichtszeitraum von zumindest 2 Monaten zu gewähren.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Einsicht in beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg geführte Akten.

Die Klägerin ist privater Träger einer wissenschaftlichen Hochschule, der X, die mit Bescheid des damaligen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg vom 17.10.1988 staatlich anerkannt wurde. Mit Schreiben des Ministeriums vom 12.04.2012 wurde dem Rektor der Hochschule mitgeteilt, dass das Ministerium beabsichtige, die staatliche Anerkennung zu widerrufen, da es der Auffassung sei, dass die X die gesetzlich definierten Voraussetzungen einer staatlichen Anerkennung nicht (mehr) erfülle. In der Folgezeit zeigte der nunmehrige Prozessbevollmächtigte der Klägerin deren Vertretung gegenüber dem Ministerium an und beantragte Einsichtnahme in die vorliegenden Verfahrensgänge durch deren Überlassung auf seine Kanzlei. Nachdem ihm zunächst ein Aktenauszug in Kopie übersandt worden war, wiederholte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 22.11.2012 sein Akteneinsichtsgesuch. Anlässlich einer Erörterung der Angelegenheit bei der Hochschule habe sich gezeigt, dass die Akademie von Anfang an als ein Sonderfall behandelt worden sei und insbesondere zu Zeiten der Gründung verschiedene Schriftwechsel veranlasst worden seien, die wegen mehrerer Einbrüche, von denen auch das Archiv der Akademie betroffen gewesen sei, bei dieser nicht mehr vorlägen. Mit weiterem Schreiben vom 04.12.2012 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass sich im Grunde seit Einrichtung der Akademie nichts geändert habe und sich deshalb die Frage stelle, warum eine über Jahrzehnte bewährte Praxis geändert werden solle. Er nahm am 18.01.2013 im Ministerium Einsicht in die Verwaltungsvorgänge und ließ dabei 297 Kopien fertigen. Mit Schreiben des Ministeriums vom 05.02.2013 wurde ihm mitgeteilt, dass er nach rechtzeitiger Terminabsprache nochmals Einsicht in die Akten im Ministerium nehmen könne. Hiervon machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin keinen Gebrauch, sondern begehrte weiterhin eine Übersendung der Akten an seine Kanzlei.

Mit Bescheid vom 17.05.2013 widerrief das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg die staatliche Anerkennung der X als wissenschaftliche Hochschule in privater Trägerschaft. Die Klägerin erhob hiergegen am 17.06.2013 Klage, die bei der Kammer anhängig ist (1 K 1098/13). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte im Klageverfahren Akteneinsicht. Auf die Aktenanforderung des Gerichts übersandte das Ministerium mit Schreiben vom 05.07.2013 vier Bände Behördenakten, die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Einsichtnahme übersandt wurden. Dieser monierte mit Schreiben vom 31.07.2013, dass die vier Bände Akten nicht dem Umfang der Akten entsprächen, die seitens des Ministeriums in der Angelegenheit geführt würden. Bei seiner Akteneinsicht im Ministerium am 18.01.2013 habe er etwa 14 - 16 Aktenbände vorgefunden. Nachdem eine der Argumentationslinien dahin gehe, dass sich seit staatlicher Anerkennung am 17.10.1988 in der Sache selbst nichts weiter geändert habe, sei der Gesamtbestand der Akten von hoher Bedeutung. Auf die Bitte des Gerichts, die zur Einsichtnahme erbetenen restlichen Akten vorzulegen, erklärte das Ministerium mit Schreiben vom 13.08.2013, es seien sämtliche für den Streitgegenstand relevanten Akten vorgelegt worden. Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin erwähnten Aktenbände enthielten darüber hinaus eine Vielzahl von Einzelvorgängen (zum Teil auch Personalangelegenheiten), die jenseits des Streitgegenstandes dieses Verfahrens lägen. Daher ginge dessen Schreiben ins Leere, da die vollständigen Akten bereits vorgelegt worden seien. Mit Schreiben vom 30.08.2013 teilte das Gericht dem Ministerium mit, dass ihm das Verlangen des Vertreters der Klägerin, in die gesamten Akten des Ministeriums seit der staatlichen Anerkennung im Jahr 1988 Einblick nehmen zu können, nachvollziehbar und legitim erscheine. Es werde daher gebeten, diese Akten vollständig vorzulegen. In einem Telefongespräch mit dem Gericht erklärte der Vertreter des Ministeriums am 12.09.2013, dass das Ministerium keine weiteren Akten vorlegen werde.

Die Klägerin hat am 07.10.2013 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf umfassende Akteneinsicht weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie vor, das bisherige Verfahren habe gezeigt, dass die dem Gericht zur Verfügung gestellten Akten zur Einsichtnahme übersandt worden seien. Es handele sich aber nicht um die vollständigen Akten in der Angelegenheit der Klägerin. Da gerichtsseitig alle Akten zur Verfügung gestellt worden seien, sei ein Verfahren gem. § 100 VwGO untunlich. Die Klägerin habe einen materiell-rechtlichen Akteneinsichtnahmeanspruch in vollständige Verfahrensakten, den sie auch materiell-rechtlich umsetzen könne. Dieser Akteneinsichtnahmeanspruch bilde den Anspruch auf rechtliches Gehör ab, welcher Verfassungsrang habe. Da der Bescheid vom 17.05.2013 den entgegengesetzten Rechtsakt zur staatlichen Anerkennung darstelle, umfasse das Akteneinsichtnahmebegehren nicht nur die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Erlass des Bescheids vom 17.05.2013 angefallenen Akten, sondern auch die Akten seit Gründung der Hochschule. In Anbetracht des hohen Aktenumfangs müsse auch entsprechende Zeit zur Akteneinsichtnahme gegeben sein, zumal die Aufarbeitung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin sowie Rücksprache mit der Verwaltungsspitze und eine Befassung der Hochschulgremien mit der Thematik erforderlich sei.

Die Klägerin beantragt,

ihr Akteneinsicht über sämtliche beim Beklagten vorgehaltene Akten seit dem Vorfeld der staatlichen Anerkennung vom 17.10.1988 bis zum heutigen Tag durch Übersendung derselben an die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten für einen Einsichtszeitraum von zumindest zwei Monaten zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Es sei zu differenzieren zwischen der bereits vorprozessual im Widerrufsverfahren erfolgten Akteneinsicht einerseits und der im Prozess erfolgten Aktenvorlage andererseits. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren über ihren Rechtsvertreter am 18.01.2013 Einsicht in die Akten im Rahmen des von § 29 LVwVfG Gebotenen erhalten. Mit Erlass des Widerrufsbescheids vom 17.05.2013 sei das Verwaltungsverfahren beendet worden, so dass aus dieser Norm keine Rechte mehr geltend gemacht werden könnten. Akteneinsicht in die dem Gericht seitens des beklagten Landes vorgelegten Akten habe die Klägerin im Rahmen der Aktenübersendung durch das Gericht an den Klägervertreter gem. § 100 VwGO erhalten. Der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da die Akteneinsicht vollumfänglich erfolgt sei. Im Kern gehe es der Klägerin darum, ihr jetzt Einsicht in den auch nicht streitgegenständlichen Akteninhalt (16 Bände) zu geben. Diese Möglichkeit stehe ihr über ihren Prozessbevollmächtigten auch weiterhin offen. Diesem sei angeboten worden, nochmals Einsicht in den auch nicht streitgegenständlichen Akteninhalt im Ministerium nach vorheriger Terminabsprache zu nehmen. Mit der Klageerhebung sei die Verfahrensherrschaft auf das Gericht übergegangen. Die Aktenvorlage folge den in § 99 VwGO normierten Regeln. Darüber hinaus bestünden keine davon losgelösten Rechtsbehelfe, die es den Verfahrensbeteiligten möglich machten, diese Fragen zum Gegenstand eigenständiger Verfahren zu machen. Für das mit der vorliegenden Klage zum Gegenstand eines weiteren Prozesses gegen das beklagte Land gemachte Begehren fehle jede Anspruchsgrundlage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die dem Gericht vorliegenden Akten des beklagten Landes (4 Bände) sowie auf die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und im Verfahren gegen den Widerruf der staatlichen Anerkennung (1 K 1098/13) ergänzend Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Der Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.10.2015 gibt der Kammer keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gem. § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wiederzueröffnen. Als dieser Schriftsatz bei Gericht einging, war die von den an der Beschlussfassung mitwirkenden Richtern unterzeichnete Entscheidungsformel der Geschäftsstelle bereits übermittelt. Die Kammer kann offen lassen, ob dies im hier gegebenen Fall der Zustellung des Urteils nach § 116 Abs. 2 VwGO bereits zum Eintritt der Bindungswirkung gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO führt, mit der Folge, dass eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung schon deswegen ausgeschlossen wäre (vgl. hierzu einerseits Eyermann/Schmidt, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 116 Rn 14 m. w. N., andererseits Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 116 Rn 3 m. w. N.). Denn jedenfalls besteht in der Sache keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen und dem Beklagten ein Schriftsatzrecht einzuräumen. Entgegen der beim Vertreter des Beklagten wohl bestehenden Auffassung ist der Klageantrag und damit die Klage im Termin nicht im Sinne von § 91 VwGO geändert worden. Vielmehr ist das Klagebegehren schon in der Klageschrift ausdrücklich auf einen materiell-rechtlichen Akteneinsichtnahmeanspruch gestützt worden. Die auf Anregung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Präzisierung des in der Klageschrift angekündigten Klageantrags diente lediglich dazu, dieses Begehren adäquat zum Ausdruck zu bringen. Die Vorsitzende bewegte sich dabei im Rahmen ihrer Aufgabe nach § 86 Abs. 3 VwGO, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Nachdem ein materiell-rechtlicher Akteneinsichtnahmeanspruch seitens der Klägerin schon bei Erhebung der vorliegenden Klage thematisiert worden ist, vermag der hierauf bezogene Hinweis des Gerichts anlässlich der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung, es gebe höchstrichterliche Rechtsprechung, die einen solchen Anspruch anerkenne, die Einräumung eines Schriftsatzrechts für die Beklagtenseite nicht zu rechtfertigen.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht in sämtliche beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg über sie geführten Akten durch Übersendung an ihren Prozessbevollmächtigten.

Allerdings können die im Verfahrensrecht geregelten Akteneinsichtsansprüche dem Begehren der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen.

Dies gilt zunächst für das Akteneinsichtsrecht nach § 29 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG, wonach die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten hat, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Geregelt ist hier das Recht auf Akteneinsicht während eines Verwaltungsverfahrens. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens ist in § 9 LVwVfG gesetzlich definiert. Es handelt sich dabei um die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages ein. Das vorliegende Verwaltungsverfahren endete daher mit Erlass des Bescheids vom 17.05.2013, mit dem das Ministerium die staatliche Anerkennung der X widerrufen hat. Soweit in der Literatur vertreten wird, das Verwaltungsverfahren ende erst mit Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes, weshalb das Akteneinsichtsrecht mit dessen Erlass noch nicht ende (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 29 Rn. 4) wird ausdrücklich daran festgehalten, dass die Vorschrift nicht für das anschließende gerichtliche Verfahren gilt, für das nach den jeweiligen Prozessordnungen spezielle Vorschriften bestehen.

Das Akteneinsichtsrecht nach § 100 Abs. 1 VwGO führt im vorliegenden Fall ebenfalls nicht weiter. Danach können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Die vier Aktenbände, die dem Gericht im Verfahren 1 K 1098/13 vom Ministerium vorgelegt worden sind, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zur Einsichtnahme erhalten. Im Hinblick auf die darüber hinausgehenden Aktenbände, die unstreitig beim Ministerium geführt werden, hat dieses - trotz zweimaliger Aufforderung durch das Gericht - eine Vorlage abgelehnt, weil der Inhalt dieser Akten nicht zum Streitgegenstand der Klage gegen den Widerruf der staatlichen Anerkennung gehöre. Bei dieser Sachlage hätte es der Klägerin offengestanden, gemäß § 99 Abs. 2 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Feststellung zu beantragen, ob die Verweigerung der Vorlage der Akten rechtmäßig ist. Von diesem Rechtsbehelf hat sie keinen Gebrauch gemacht.

Der Klägerin steht aber der von ihr geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch auf Einsichtnahme in die beim Beklagten über sie geführten Akten zu.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 27.06.2013 - 3 C 20/12 -, juris) folgen nicht eigens geregelte Auskunftsansprüche nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen als Voraussetzung effektiver Rechtswahrung aus dem streitigen materiellen Recht, zu dem sie Annexe oder Nebenansprüche darstellen. Derartige Ansprüche können außerhalb eines konkreten Verwaltungsverfahrens geltend gemacht werden. Auch zuvor schon hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 02.07.2003 - 3 C 46/02 -, juris, m. w. N.) unmittelbar aus den Grundrechten die Zuerkennung eines Auskunfts- und Informationsanspruchs auch für den Zeitraum eines Vor-Verwaltungsverfahrens abgeleitet. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin, die sich als Träger einer privaten Hochschule auf die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG sowie auf das Prozessgrundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 19 Abs. 4 GG berufen kann, aus dem durch die staatliche Anerkennung bestehenden Verhältnis zum Ministerium materiell-rechtliche Ansprüche geltend bzw. will den Fortbestand dieses Status verteidigen. Ihr steht deshalb dem Grunde nach ein solcher materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch durch Einsichtnahme in die vom Ministerium über sie geführten Akten zu. Gerade wenn man sich den grundrechtlichen Ursprung dieses Anspruchs vergegenwärtigt, wird deutlich, dass er neben und unabhängig von den genannten verfahrensrechtlichen Akteneinsichtsansprüchen besteht.

Art und Umfang der Unterlagen, auf die sich dieser Auskunftsanspruch im Einzelnen erstreckt, hängen nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung maßgeblich davon ab, welche Daten zur effektiven Überprüfung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen erforderlich sind. Hier hat die Klägerin substantiiert geltend gemacht, es gebe aus der Gründungsphase der X einen Schriftwechsel mit dem Ministerium, der auf die Besonderheiten dieser Hochschule eingehe und aus dem sich möglicherweise Anhaltspunkte ergeben könnten, die einem Widerruf der staatlichen Anerkennung entgegengehalten werden könnten. Außerdem argumentiert sie, die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich seit der staatlichen Anerkennung im Jahre 1988 nicht wesentlich geändert, so dass die in § 71 Abs. 2 Satz 1 LHG normierte Voraussetzung für einen Widerruf der staatlichen Anerkennung, dass nämlich die Anerkennungsvoraussetzungen später weggefallen seien, nicht gegeben sei. Es erscheint in vollem Umfang nachvollziehbar, dass die Klägerin zur Verfolgung dieser Rechtsposition umfassenden Einblick in alle über sie geführten Akten erhalten muss, zumal sie hier geltend macht, die von ihr selbst geführten Akten seien wegen verschiedener Einbrüche unvollständig.

Die Klägerin hat auch Anspruch darauf, dass die Akten zur Einsichtnahme an die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten übersandt werden. Die Art und Weise der Akteneinsicht ergibt sich aus einer Interessenabwägung, die dem berechtigten Informationsbedürfnis ebenso Rechnung trägt wie dem Interesse der aktenführenden Stelle, nicht mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand belastet zu werden. Diese Abwägung richtet sich nach den Grundsätzen, die zu § 29 Abs. 3 VwVfG entwickelt worden sind. Danach kann Akteneinsicht regelmäßig - sofern dies nicht zu unbilligen Ergebnissen führt - nur bei der aktenführenden Stelle verlangt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.06.2013, a. a. O.). Hier hat das Ministerium dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeboten, er könne nach telefonischer Vereinbarung erneut Einblick in sämtliche Aktenbände im Ministerium nehmen.

Allerdings kann die Behörde, die die Akten führt, nach § 29 Abs. 3 Satz 2, 2. Hs. LVwVfG auch eine Ausnahme gestatten. Eine solche Ausnahme kann etwa in der Übersendung von Akten in die Kanzleiräume eines Rechtsanwalts bestehen, wobei die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Zulassung der Ausnahme zu entscheiden hat (vgl. OVG Nordrhein-Westf., Urt. v. 03.09.1979 - VI A 2223/78 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 05.01.2012 - 8 R 14/11 -, juris; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 29 Rn 40 a). Eine diesbezügliche Ermessensausübung durch das beklagte Land vermag das Gericht schon nicht festzustellen. Darüber hinausgehend wiegen die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgetragenen Belange aber so schwer, dass nach Auffassung der Kammer die Verweigerung einer Übersendung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu unbilligen Ergebnissen führen würde. So wird in der Kommentarliteratur darauf verwiesen, dass ein zwingender Anspruch auf Überlassung der Akten in die Kanzlei eines Rechtsanwalts zwar nicht bestehe, diese in der Praxis jedoch die Regel darstelle (vgl. Herrmann in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 29 Rn 33; Engel in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 29 Rn 67). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat außerdem zutreffend auf die beträchtliche Entfernung seines Kanzleisitzes in L. vom aktenführenden Ministerium in Stuttgart sowie auf den erheblichen Umfang der Akten hingewiesen. Vollkommen nachvollziehbar erscheint dem Gericht auch die sich aus dem Aktenstudium möglicherweise ergebende Notwendigkeit einer Rückkoppelung mit den Organen der X, die bei einer Einsichtnahme in behördlichen Räumen schwerlich zu leisten sein wird. Berechtigte Interessen des beklagten Landes, die einer Aktenübersendung entgegenstehen könnten, sind demgegenüber nicht ersichtlich. Der für § 29 Abs. 3 Satz 1 VwVfG bei direkter Anwendung meist maßgebliche Gesichtspunkt, dass die Akten ständig bei der Behörde benötigt werden, greift im vorliegenden Fall nicht ein. Denn nach Einschätzung des beklagten Landes sollen die im Ministerium weiter vorgehaltenen Aktenbände mit dem derzeit aktuellen Widerruf der staatlichen Anerkennung, der auch nach erfolgter Entscheidung allenfalls noch Anlass für behördliches Tätigwerden geben könnte, gerade nichts zu tun haben. Ein erhöhtes Verlust- oder Missbrauchsrisiko kann dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mangels einschlägiger negativer Erfahrungen nicht unterstellt werden. Soweit geltend gemacht wird, die weiteren Aktenbände enthielten teilweise auch Personalangelegenheiten - etwa im Zusammenhang mit Personen aus dem Bereich der Hochschule, die als Honorarprofessoren vorgeschlagen worden seien, was das beklagte Land abgelehnt habe - dürften diese Vorgänge der Klägerin zum einen ohnehin bereits bekannt sein. Zum anderen handelt es sich auch nach Auffassung des Ministeriums offensichtlich nicht um derart sensible Daten, dass sie das Akteneinsichtsrecht der Klägerin einschränken könnten, denn sonst hätte konsequenterweise auch eine Einsichtnahme durch den Prozessbevollmächtigten in den Räumen des Ministeriums abgelehnt werden müssen. Soweit der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erstmals davon gesprochen hat, das Ministerium habe Emails erhalten, in denen unter Berufung auf ein wissenschaftliches Interesse Akteneinsicht begehrt worden sei, vermag das Gericht die Relevanz derartiger Vorkommnisse auf den hier streitgegenständlichen Akteneinsichtnahmeanspruch der Klägerin und die Art und Weise seiner Erfüllung nicht zu erkennen. Angesichts der nicht zu vergleichenden Interessenlage bleibt es dem Ministerium unbenommen, derartige Begehren auf Akteneinsicht abzulehnen, auch wenn der Klägerin Akteneinsicht durch Übersendung sämtlicher Akten an die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten gewährt wird. Soweit die Erfüllung der Aufgaben der Behörde nicht beeinträchtigt wird und auch sonstige Gesichtspunkte nicht entgegenstehen, ist die Verweigerung einer Ausnahme nach § 29 Abs. 3 Satz 2 VwVfG ermessensfehlerhaft (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 29 Rn 40 a m. w. N.). Davon geht die Kammer im vorliegenden Fall aus; sie sieht das der Behörde insoweit grundsätzlich zukommende Ermessen hier als auf Null reduziert an.

Das Gleiche gilt für die Frage der Dauer der Akteneinsicht. Im Hinblick auf den großen Umfang des vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu sichtenden Akteninhalts erscheint eine Frist von mindestens 2 Monaten angemessen. Auch insoweit sieht die Kammer die Voraussetzungen für eine Reduzierung des der Behörde zukommenden Ermessens auf Null als gegeben an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.