OLG Köln, Urteil vom 17.03.2015 - 9 U 75/14
Fundstelle
openJur 2015, 17095
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 09.04.2014 - 20 O 469/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden dem Kläger auferlegt.

Das angefochtene und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger hatte bei der Beklagten für sein Wohn- und Geschäftsgebäude mit Anbau in der L-Straße XX, XXXXX T, eine Wohngebäudeversicherung unter Einschluss des Risikos Feuer abgeschlossen. Vertragsbestandteil waren die AFB 02. Wegen der Einzelheiten des Versicherungsvertrages wird auf den Versicherungsschein Bezug genommen (Bl. 1 ff. AH).

Der Vertrag kam durch den Antrag der Versicherungsmaklerin U GmbH in O zustande. Diese ist als Streithelferin der Beklagten beigetreten.

Die Versicherungssumme inklusive Vorsorge betrug 51.500 M (1914). Das versicherte Gebäude besteht aus einem Haupthaus, einem hinteren und einem seitlichen Anbau. Das Hauptgebäude wurde etwa 1900 errichtet. Die Geschosshöhen betragen in der Mehrzahl über 4 Meter.

Am 11.2.2008 ereignete sich ein Großbrand in dem Gebäude. Die Beklagte erkannte dem Grunde nach ihre Eintrittspflicht an. Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Braune erstellte unter dem 07.03.2009 ein Schadensgutachten ( Bl. 30 ff. AH ). Die Wiederherstellungskosten bezifferte er darin gemäß einer Aufstellung mit 27 Schadenspositionen zum Neuwert brutto mit 118.665,00 €, zum Zeitwert brutto mit rund 91.300,00 €.

Mit Schreiben vom 25.03.2009 ( Bl. 8 f. AH) rechnete die Beklagte den Schaden ab, und zwar auf der Grundlage Neuwert/Wiederherstellungskosten 118.665,00 € sowie Aufräumungs- und Abbruchkosten 6.119,13 €. Die Überprüfung der Versicherungssumme habe ergeben, dass diese den Wert des versicherten Gebäudes nicht voll abdecke. Der tatsächlich entstandene Schaden werde deshalb im Verhältnis der Versicherungssumme zum Versicherungswert ersetzt. Bei der Berechnung der Entschädigung sei dies entsprechend berücksichtigt. Bei einem Schaden von 118.665,00 € und einer Versicherungssumme von 51.500 M (inkl. Vorsorge) und einem Versicherungswert von 72.700 M ergebe sich eine Summe von 84.061,17 €. Diesen Betrag zahlte die Beklagte auf die Position Gesamtschaden im Rahmen der Gesamtentschädigung an den Kläger. Mit Schreiben vom 15.9.2009 seines Prozessbevollmächtigten machte der Kläger demgegenüber geltend, es sei von einem Versicherungswert 1914 von 40.000 M auszugehen. Damit liege eine Unterversicherung nicht vor.

Der Kläger hat vorgetragen, die Wiederherstellungskosten von 118.665,00 € seien tatsächlich angefallen und das Gebäude sei wiederhergestellt. Der Versicherungswert 1914 habe lediglich bei 51.500 M und nicht bei 72.700 M (63.208 M zzgl. 15 %) gelegen. Unter Berücksichtigung der Zahlungen von 84.061,17 € ergebe sich der noch zu leistende Differenzbetrag von 34.603,83 €. Das Gebäude in dem Zustand bei dem Ortstermin sei nicht mit dem Zustand beim Schadenseintritt vergleichbar, da Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen stattgefunden hätten. Zum Zeitpunkt des Schadensfalles sei die Ausstattung des Hauptgebäudes einfach gewesen. Die Fenster hätten Einfachverglasung gehabt und die Sanitäranlagen hätten einfachsten Ausführungen entsprochen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 34.603,83 € nebst

Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

seit dem 30.03.2009 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche

Anwaltskosten in Höhe von 1.307,81 € nebst Zinsen in Höhe

von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit

Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Nebenintervenientin hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte, die Unterversicherung eingewendet hat, hat vorgebracht, die Zahlen zum Gebäude seien zwischen dem Gutachter Braune und dem für den Kläger tätigen Büro X & Partner abgestimmt gewesen. Für das Haupthaus habe der Sachverständige C 20.000 M angesetzt und für das rechte Nebengebäude 24.000 M. Entsprechend dem umbauten Raum, Haupthaus 2.514 cbm, Anbau hinten 256 cbm und rechtes Nebengebäude 304 cbm gelange man zu einem Wert von 63.208 M. Zuzüglich der üblichen Baunebenkosten ergebe sich als Mindestwert 72.700 M.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von mehreren Sachverständigengutachten, und zwar des Dipl. Ing I vom 28.3.2011, Bl. 162 ff. GA, mit schriftlicher Ergänzung vom 19.8.2011, Bl. 210 ff. GA, und mündlicher Erläuterung 15.2.2012, Bl. 248 f. GA, sowie Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. X2 vom 22.7.2013, Bl. 388 ff. GA, und dessen Anhörung vom 19.2.2014, B. 480 ff. GA.

Einen Antrag des Klägers, den Sachvesrtändigen X2 wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat das Landgericht durch Beschluss vom 04.10.2012 zurückgewiesen, Bl. 318 f. GA.

Sodann hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, unter Berücksichtigung der erhaltenen Zahlung von 84.061,17 € stehe dem Kläger kein weiterer Zahlungsanspruch zu. Die Beklagte könne sich erfolgreich auf Unterversicherung berufen, §§ 11 Nr. 3 AFB 02, 56 VVG (a.F.). Die vereinbarte Versicherungssumme von 51.500 M (1914) sei erheblich geringer gewesen als der Versicherungswert zum Zeitpunkt des Schadenseintritts, welche mindestens 72.700 M (1914) betragen habe. Dies habe die Beklagte aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen X2 nachgewiesen, welches von einem Wert von 81.842 M (1914) ausgegangen sei. Nach allen Berechnungsweisen liege Unterversicherung vor. Der Sachverständige C sei zu 72.700 M Versicherungswert 1914 gekommen. Der zunächst vom Gericht bestellte Gutachter I habe den Wert mit 54.000 M angesetzt. Dieses Gutachten sei jedoch nicht nachvollziehbar gewesen. Das Gericht stütze sich auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen X2, welches zu einem Wert von 81.842 M komme. Bei dem Gutachter I, der den Wert 1914 mit 72.700 M zum Schadenszeitpunkt berechnet habe, seien die Grundlagen der Wertermittlung nicht nachzuvollziehen gewesen. Er habe sich entgegen dem ausdrücklichen gerichtlichen Auftrag nicht mit den Berechnungen Braune auseinandergesetzt. Er habe kritisiert, dass Braune ältere Literatur verwendet habe. Im Rahmen des Ergänzungsgutachtens habe der Sachverständige I erstmals erläutert, dass er den Versicherungswert über die Normalherstellungskosten 1995 bzw. 2000 ermittelt habe. Dabei sei er nicht von Quadratmetern, sondern von Kubikmetern ausgegangen. Die Einordnungskriterien habe er nicht dargelegt. Dann habe er die Normalherstellungskosten durch die Kubikmeter des Haupthauses geteilt und mit 1,95583 (Wechselkurs €/DM) multipliziert und dann durch 20,806 geteilt. Er sei auf einen Wert 1914 von 12,52 M pro cbm gekommen. Die weitere Darstellung, dass mit 15,00 M pro cbm, also 2,48 M/cbm gerechnet werden müsse, sei nicht erklärt worden. Das gelte erst recht für die Kosten 17 M pro cbm für Gebäude 2 und 3. In der mündlichen Verhandlung vom 15.2.2012 habe er nur einen Teil der offenen Fragen beantwortet. Er habe die Normalherstellungskosten 2000 nach den Wertrichtlinien 2006 verwendet, was sich aus seinen schriftlichen Ausführungen nicht ergeben habe.

Demgegenüber habe der Gutachter X2 nachvollziehbar anhand eigener Feststellungen und der Durchsicht alter und neuer Bauzeichnungen die grundlegenden Maße und die Ausstattung des streitgegenständlichen Gebäudes zum Schadenszeitpunkt ermittelt. Der Veränderung der Baukosten werde durch Verwendung des vom Statistischen Bundesamt angegebenen Umrechnungsfaktors für die Ermittlung der Wiederherstellungswerte 1914 Rechnung getragen. Der Sachverständige X2 habe seine Methodik, Ermittlung der Neubaukosten für das 1. Quartal 2012 anhand der Bauelementemethode unter Zuhilfenahme der Veröffentlichungen des Baukosteninformationszentrums T2 erklärt und differenzierend beurteilt. Er habe nachvollziehbar ausgeführt, warum seine Ermittlung gegenüber der Herangehensweise der Gutachter C und I vorzugswürdig sei. Der Gutachter X2 habe in der Anlage 1 im Einzelnen dargestellt, aufgrund welcher Maße und Ausstattung er zu welchen Neubaukosten komme. So habe er bei Bewertung des seitlichen Anbaus Abschläge auf den unteren Wert im Hinblick auf den "einfachsten" Standard gemacht, während sich bei dem Hauptgebäude teilweise Zuschläge wegen erforderlicher Einzelanfertigung und bzw. oder Denkmalschutz fänden. Auch seien Besonderheiten berücksichtigt, wie die hochwertige Holztreppe und die in Anlage 1 erwähnte Tragstruktur des rückseitigen Anbaus.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil mit seinen Feststellungen Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er macht geltend, das Gutachten X2 sei nicht überzeugend. Der Sachverständige meine, es sei hier vorrangig sachgerecht, den Versicherungswert aktuell zu ermitteln und anschließend mit dem durchschnittlichen Baupreisindex auf den fiktiven Wert 1914 zurückzurechnen. Die Kostenermittlung gemäß den "Bauelementen" sei nur von geringer Genauigkeit. Lediglich die Berechnung nach Flächen- oder Raumelementen habe noch eine geringere Genauigkeit. Der Sachverständige teile auch nicht mit, welche Vergleichsobjekte er berücksichtige. Er nehme lediglich pauschal Bezug auf Veröffentlichungen des Baukosteninformationszentrums in T2. Die Kostenspannen seien nicht nachvollziehbar. Er setze einen bestimmten Betrag bezüglich der Einzelpositionen fest und errechne auf der Grundlage der jeweils berücksichtigten Flächen die jeweiligen Kosten der Positionen. Zu Position 330 "Außenwände" werde nicht dargelegt, von welchem Gebäudetyp er ausgegangen sei. Bei Position 350 werde ein anderer Ansatz zugrunde gelegt. Auch zu Position 340 werde als Ansatz zum Teil Wohnhäuser mit mehr als 15 % Mischnutzung, zum Teil "Ein- und Zweifamilienhäuser, Holzbauweise, unterkellert" zugrunde gelegt (z.B. Position 360), zum Teil als Ansatz "Ein- und Zweifamilienhäuser, Holzbauweise, unterkellert" und "Wohnhäuser mit mehr als 15 % Mischnutzung" (z. B. Position 450). Es sei nicht nachvollziehbar, warum zur Position 350 "Decken" 300 €/qm angesetzt würden. Das gelte für alle Positionen der Anlage 1. Wenn der Sachverständige die aktuellen Daten des Baukosteninformationszentrums zugrunde gelegt habe, habe er offenbar nicht die Neubaukosten zum ersten Quartal 2012 zugrunde gelegt. Dann sei der Umrechnungsfaktor nicht zu verwenden.

Das Landgericht habe zwar den Ablehnungsantrag gegen X2 zurückgewiesen, der Ablehnungsgrund der geschäftlichen Kontakte zur Beklagten könne jedoch gegen die Überzeugungskraft des Gutachtens vorgebracht werden.

Das Landgericht hätte auch den früheren Sachverständigen I laden müssen. Dieser hätte erläutert, dass er den Versicherungswert über den Rückgriff auf die Normalherstellungskosten 1995 bzw. 2000 ermittelt habe.

Der Gutachter X2 habe die Anwendung des Normalherstellungsverfahrens nicht ausgeschlossen. Das Landgericht hätte nicht den Streit der Sachverständigen dadurch entscheiden dürfen, dass es weitere Aufklärung nicht wahrnehme. Vorsorglich werde geltend gemacht, dass die Beklagte ihre Hinweis- und Beratungspflicht bei Abschluss des Versicherungsvertrages verletzt habe. Die Beklagte habe nicht beraten. Eine ungewöhnlich schwierige Beweisfrage habe vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 34.603,83 € nebst

Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

seit dem 30.03.2009 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche

Anwaltskosten in Höhe von 1.307,81 € nebst Zinsen in Höhe

von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit

Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht insbesondere geltend, die Regulierung sei zutreffend aufgrund eines Versicherungswertes von 72.700 M (Wert 1914) erfolgt. Von der Möglichkeit, ein Sachverständigenverfahren durchzuführen, habe der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Nach dem Gutachten X2 sei die Unterversicherung noch höher gewesen. Nach seiner Berechnung liege der Versicherungswert bei 81.842 (Wert 1914)

Im Hinblick auf die nunmehr geltend gemachte Pflichtverletzung liege neues Vorbringen vor, dass in der Berufungsinstanz nicht zu berücksichtigen sei. Zudem sei der Kläger durch einen Versicherungsmakler vertreten gewesen. Dieser stehe im Lager des Versicherungsnehmers, so dass eine Beratungspflicht nicht bestehe. Die Berufungsangriffe seien nicht hinreichend spezifiziert und setzten sich nicht mit dem Gutachten X2 auseinander. Der Gutachter X2 habe die Vorgehensweise der Rückrechnung näher erläutert. Es sei die zutreffende Vorgehensweise, von den aktuellen Baupreisen auf den Versicherungswert zurückzurechnen. Das Landgericht habe den Befangenheitsantrag gegen den Gutachter zurückgewiesen. Eine Beschwerde sei nicht eingelegt worden. Der frühere Gutachter I sei nicht zu laden gewesen, weil sein Gutachten nicht brauchbar im Sinne von § 412 ZPO gewesen sei.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein weiterer Entschädigungsanspruch nach § 11 Nr. 1, 5 AFB 02 wegen des Schadensereignisses vom 11.02.2008 zu.

a) Die Beklagte kann mit Erfolg den Einwand der Unterversicherung nach § 11 Nr. 3 AFB 02, § 56 VVG a. F. geltend machen.

Nach dieser Bestimmung ist, wenn die Versicherungssumme erheblich niedriger ist als der Versicherungswert zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls, der Versicherer nur verpflichtet, die Leistung nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zu diesem Wert zu erbringen. Danach steht dem Kläger unter Berücksichtigung der Zahlung von 84.061,17 € auf den Gesamtschaden kein weitergehender Entschädigungsanspruch zu.

Die Voraussetzungen der Unterversicherung sind gegeben. Die vereinbarte Versicherungssumme (einschließlich Vorsorge) von 51.500 M war erheblich geringer als der Versicherungswert 1914 zum Zeitpunkt des Schadensfalles, der mindestens 72.700 M betragen hat. Diesen Wert legte die Beklagte ihrer Abrechnung zugrunde, sodass sich auf der Grundlage der Schadensberechnung des Parteigutachters C von 118.665 € nach der Proportionalitätsregel der von der Beklagten gezahlte Entschädigungsbetrag von 84.061,17 € ergeben hat ( 118.665 x 51.550 )

72.700

(vgl. zur Berechnungsformel Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 75 Rn. 7; Halbach in MünchKomm/VVG, § 75 Rn. 6 f).

b) Nach dem Ergebnis des gerichtlichen Gutachtens des Sachverständigen X2 ergibt sich sogar ein Versicherungswert von 81.842 M (1914), der zutreffend zugrunde zu legen ist. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Sachverständigen X2, die das Landgericht mit Recht zugrunde gelegt hat, bestehen nicht (§ 529 Abs.1 Nr. 1 ZPO). Der Senat hält das Gutachten des Sachverständigen X2 in jeder Hinsicht für überzeugend. Demgegenüber war das Gutachten des Sachverständigen I nicht nachvollziehbar und zur Ermittlung des Wertes 1914 im vorliegende Fall ungeeignet.

c) In seinem schriftlichen Gutachten vom 22.07.2013 (Bl. 388 ff.) hat der Sachverständige X2 die unterschiedlichen methodischen Ansätze zur Ermittlung des Wertes 1914 unter Berücksichtigung des Parteigutachtens C und des Gutachtens I dargelegt.

Danach ist die Hochrechnung eines fiktiven Wertes 1914 auf aktuelle Verhältnisse mit einer Vielzahl von teilweise sehr deutlichen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verbunden. Systembedingt handele es sich um einen Durchschnittswert, in dem keine Rücksicht auf besondere Ausführungsarten und - methoden genommen werden könne. Abweichende Preisentwicklungen unterschiedlicher Materialien fänden ebenso wenig Berücksichtigung wie beispielhaft die deutlich überdurchschnittliche Steigerung bei Leistungen mit hohem Lohnkostenanteil. Es erscheine erheblich zweifelhaft, ob ein industriell vorgefertigter Skelettbau hinreichend genau zum Wert bestimmbar sei.

Bereits der Denkmalschutz des Hauptgebäudes und die aufwändige Konstruktion des rückseitigen Anbaus im ersten Obergeschoss ließen diese Vorgehensweise als nur unter Berücksichtigung deutlicher Anpassungsfaktoren als geeignet erscheinen.

Bei solchen Besonderheiten habe sich insofern in den letzen Jahren eine umgekehrte Vorgehensweise als sachlich richtig herausgestellt. Infolgedessen werde der Versicherungswert 1914 in zwei Schritten errechnet. Im ersten Schritt werde der ortsübliche Neubauwert abgestellt auf einen zeitnahen Bewertungszeitpunkt ermittelt. Im zweiten Schritt werde dieser Wert mit Hilfe des zu diesem Zeitpunkt geltenden Baukostenindex für Wohngebäude auf die Preisbasis 1914 umgerechnet.

Eine praxisbezogene Kostenermittlung anhand von weitgehend exakt festgelegten Ausführungsqualitäten sei vorliegend im Nachhinein und mit vertretbarem Aufwand kaum noch möglich. Bei der sog, "Bauelementemethode" übernehme man für die wesentlichen Bauteile des Gebäudes aus geeigneten Vergleichsobjekten Werte und füge diese zu einer Gesamtberechnung zusammen. Somit könnten bauteilbezogen die speziellen Ausführungsqualitäten des jeweiligen Objekts weitgehend berücksichtigt werden. Außerdem ermögliche die Aufteilung unter anderem nach Gründungsflächen, Außenwänden, Innenwänden, Decken und Dachflächen die Berücksichtigung der jeweiligen speziellen Baukörperformen. Die Kostenermittlung nach Bauelementen sei deshalb die vorrangig geeignete Bewertungsmethode. Eine Vielzahl von Vergleichsobjekten fänden sich in den Veröffentlichungen des Baukosteninformationszentrums T2. Dabei werde nach unterschiedlichen Gebäudetypen und Ausstattungsqualitäten unterschieden und die jeweilige Kostenspanne angegeben.

Nach diesen Grundsätzen hat der Sachverständige X2 anhand sorgfältiger eigener Feststellungen unter Berücksichtigung alter und neuer Bauzeichnungen eine angemessene Ermittlung der Neubaukosten nach Bauelementen für die Schadensberechnung vorgenommen. Dabei hat er nicht nur zwischen den drei Bauteilen, sondern auch nach Nutzung, Gestaltung und Ausführung zwischen den einzelnen Geschossen unterschieden.

Auf Grundlage dieser Erläuterungen errechnet der Sachverständige Neubaukosten zum ersten Quartal 2012 unter Berücksichtigung des Preisniveaus für den Stadtkreis Solingen von 1.027.684 €. Der vom Statistischen Bundesamt angegebene Umrechnungsfaktor für die Ermittlung der Wiederherstellungswerte 1914 betrage zum ersten Quartal 2012 12,557. Hieraus berechnet der Gutachter X2 Neubaukosten, die mit hinreichender Genauigkeit dem Versicherungswert gleichgesetzt werden könnten, inklusive Umsatzsteuer von 1.027.684 € / 12, 557 = 81.842 M (1914).

In seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht am 19.02.2014 hat der Sachverständige X2 zum Bewertungszeitpunkt erläutert, dass es unerheblich sei, ob er bei der Ermittlung des Wertes M 1914 die Baukosten des Jahres 2000 oder 2012 zugrunde lege. Der Wert M 1914 sei geschaffen worden, um eine gleichmäßige Berechnungsbasis zu haben. Je nachdem, welches Jahr er zugrunde lege, habe er andere Baukosten zu berücksichtigen, aber auch einen anderen Umrechnungsfaktor. Das Jahr 2012 habe er genommen, weil er insoweit die aktuellsten Baupreisdaten vorliegen gehabt habe.

Die dahingehenden Beanstandungen des Klägers zu den zeitlich zugrunde gelegten Baupreisen sind demnach nicht gerechtfertigt.

In Bezug auf den Denkmalschutz hat der Gutachter X2 erläutert, dass zwei Aspekte zu berücksichtigen seien. Ein Aspekt sei, dass damals die Ausführungsmethoden preiswerter gewesen seien. Seinerzeit sei der Lohn preiswert gewesen und das Material teuer. Jetzt sei es eher umgekehrt. Die denkmalgeschützten Bauteile seien heute sehr teuer in der Wiederherstellung. Der zweite Aspekt sei, dass man in der Wiederherstellung nicht frei sei. Es gehe nicht an, dass der Bauherr einfach eine seinen Ansprüchen genügende preiswertere Methode wähle. Beispielsweise seien in dem Haus abgerundete Einbauschränke im Bereich der Treppe vorhanden. Diese heute wiederherzustellen, sei sehr kostenintensiv. Richtig sei, dass er beim Wert der Kellerdecke an den oberen Preisrand gegangen sei. Das sei zutreffend, weil es sich um eine gemauerte Kappendecke handele. Diese könne nicht einfach in Beton gegossen werden, sondern müsse per Hand im Bogen gemauert werden, was sehr kostenintensiv sei. Er sei aber auch bei diversen Kosten am unteren Rand geblieben, z. B. im Dachgeschoss reiche die Spanne von 166 € bis 268 €, da habe er 170 € angesetzt. In Bezug auf die Haustechnik sei er jeweils von der einfachsten Ausführung ausgegangen und sei dort sogar unter dem unteren Wert geblieben (vgl. Anlage 1 zum Gutachten).

Ohne Erfolg macht der Kläger nunmehr geltend, der Sachverständige X2 habe in einzelnen Positionen den Preisansatz bei der Ermittlung der Neubaukosten nicht ausreichend dargelegt. In der Anlage 1 zum schriftlichen Gutachten vom 22.07.2013 finden sich umfangreiche, differenzierte und verständliche Erläuterungen zu den Grundlagen der Preisansätze (Positionen 340, 360, 450 Hauptgebäude). Zudem hat der Gutachter in seiner mündlichen Stellungnahme vor dem Landgericht die Zulage für den Denkmalschutz (Position 330 Hauptgebäude), den Ansatz für die Besonderheiten der Decken (Kappendecke) ergänzend und nachvollziehbar begründet (Position 350 Hauptgebäude).

d) Demgegenüber hält der Senat das Gutachten des Sachverständigen I nicht für überzeugend. Dieser erstellte in seinem Gutachten vom 28.03.2011 eine Wertermittlung (Bl. 163 ff. GA). Dabei berechnete er aus dem von ihm ermittelten umbauten Raum und den Herstellungskosten 1914 einen Versicherungswert von 54.000 M (Bl. 171 GA). Weder die Herstellungskosten noch der Prozentsatz für die Baunebenkosten wurden erläutert. Berechnungsgrundlagen zum umbauten Raum fehlten. Auch enthielt das Gutachten keine Angaben zur Quelle bzw. Ableitung der angesetzten Herstellungskosten. In seinem Ergänzungsgutachten vom 19.08.2011 (Bl. 210 ff GA) nahm er auf Normalherstellungskosten 2000 Bezug mit dem Hinweis, er habe daraus den Versicherungswert im Hauptgutachten abgeleitet. Daraus lassen sich diese Grundlagen nicht erkennen. In seinem Ergänzungsgutachten ermittelte er für die Herstellungskosten einen Faktor von 12,52 M/cbm (1914). Daraufhin berechnete er den Versicherungswert unter Berücksichtigung der Geschosshöhen und der "sonstigen Kosten" im Schadensfall den Versicherungswert (ohne Baunebenkosten) mit 15,00 M/cbm (1914), ohne den Zuschlag näher zu erläutern. Entsprechendes gilt für den Faktor 17,00 M/cbm für Gebäude 2 und 3.

Bei seiner mündlichen Erläuterung vom 15.02.2012 (Bl.248 ff. GA) führte er aus, dass die Zahl 20,86 im Nenner der Berechnung den Index darstelle, und zwar umgerechnet vom Jahr 2000 auf das Jahr 1914. Die Zahl habe er den Aufstellungen des statistischen Landesamtes entnommen, was er jedoch nicht belegen konnte. Er sei ausgegangen von den Normalherstellungskosten 2000 nach den Wertrichtlinen 2006. Diese Berechnung war nicht nachzuvollziehen, so dass das Landgericht zutreffend eine neue Begutachtung ( § 412 ZPO) angeordnet hat (vgl. BGH NJW 2011, 852; Zöller/Greger, ZPO, 30 Aufl., § 412 Rn. 1).

Eine Gegenüberstellung des Sachverständigen I mit dem Sachverständigen X2 war danach nicht erforderlich. Der Sachverständige I ist vor dem Landgericht angehört worden. Sein Gutachten war in wesentlichen Teilen, insbesondere methodisch, nicht nachvollziehbar und letztlich nicht überzeugend. Der Sachverständige X2 hat sich sowohl mit dem Parteigutachten C und ausführlich mit dem Gutachten des Sachverständigen I auseinandergesetzt und die Bedenken, insbesondere zum methodischen Ansatz, nachvollziehbar dargelegt.

e) Soweit der Kläger nochmals die Begründung des vom Landgericht beschiedenen Befangenheitsantrag gegenüber dem Sachverständigen X2 heranzieht, ist dies nicht gerechtfertigt. Eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 04.10.2012 wurde nicht eingelegt. Ein Ablehnungsgrund kann in diesem Fall mit Erfolg nicht mehr geltend gemacht werden (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 406 Rn. 14a). Im übrigen hat der Gutachter offengelegt, dass es ein oder zwei Aufträge der Beklagten in der Vergangenheit gegeben habe.

f) Eine Verletzung von Beratungspflichten durch die Beklagte ist nicht erkennbar. Der Versicherungsvertrag ist mit Hilfe der Streithelferin als Versicherungsmaklerin zustande gekommen. Diese steht aber "im Lager des Versicherungsnehmers" (vgl. BGH VersR 2008, 242; VersR 1999, 1481; VersR 1987, 663, VersR 1985, 930). Eine etwaige unterlassene oder falsche Beratung in diesem Zusammenhang (vgl. BGH VersR 2011, 622) ist der Beklagten nicht zuzurechnen. Schließlich handelt es sich insoweit um neues Vorbringen, welches der Novensperre nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unterliegt.

2. Die Voraussetzungen der Erstattung von Anwaltskosten waren nicht gegeben, da ein Hauptanspruch nicht bestanden hat. Im übrigen hat bereits kein Verzug vorgelegen.

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 34.603,83 €