VG Schwerin, Urteil vom 18.05.2015 - 6 A 75/14
Fundstelle
openJur 2015, 12479
  • Rkr:
Tenor

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die mit der E-Mail vom 31. Dezember 2013 begehrte Presseauskunft zu dem Auftragnehmer, der Vergabesumme und der Zahl der Bieter der Ausschreibung 15/10/13, Projekt Bereitstellung eines leistungsfähigen onlinegestützten Abrechnungsverfahrens, zu erteilen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten einen medien- bzw. presserechtlichen Auskunftsanspruch geltend.

Sie ist ein privates Unternehmen, das in verschiedenen Internetportalen, die in der Klage- und Antragsschrift (S. 2) aufgeführt sind (u.a. Bau…), - „in reduzierter Form frei zugängliche“ - Informationen über das Beschaffungswesen der öffentlichen Hand bereit hält, im Übrigen als kostenpflichtige Abonnentenmedien. Dazu lässt sie von einer - wie sie ausführt - „Redaktion“ fortwährend aktuelle Informationen über Vergabeverfahren der öffentlichen Hand (von der Ausschreibung an) recherchieren und in der Weise aufbereiten, dass diese auf ihren Websites anhand einer gegliederten Nomenklatur von interessierten Nutzern mittels verschiedener Suchbegriffe nach individuellen Bedürfnissen abgerufen werden können.

Exemplarisch beschreibt sie selbst das von ihr betriebene Bauportal als Onlinemedium, welches das öffentliche Beschaffungswesen in Form öffentlicher Ausschreibungen nach VOB/VOL und VOF durch tägliches Monitoring dutzender Quellen dokumentiert und redaktionell für die individuellen Bedürfnisse potentieller Auftragnehmer nach diversen Kriterien aufbereitet. Nach Vergabe der Aufträge würden die Auftragnehmer durch Recherche bei den Vergabestellen publiziert, um die Transparenz der Verwendung öffentlicher Mittel im Bereich der nationalen Vergabeverfahren (sog. unterschwellige Vergabeverfahren) zu verbessern und das öffentliche Interesse an der Frage, wer welchen Auftrag von wem erhalten hat, zu befriedigen. Da - anders als bei den sog. oberschwelligen Vergabeverfahren - insoweit größtenteils keine Publizitätspflicht besteht, erfragt die Klägerin dazu bei den öffentlichen Vergabestellen die Angaben, die bei oberschwelligen Vergabeverfahren der Publikationspflicht unterliegen (Auftragnehmer, Auftragssumme, Zahl der Bieter und Datum der Vergabe).

Zugleich veröffentlicht die Klägerin auf den betreffenden Websites „News aus den Beschaffungsmärkten“ und betreibt zudem als frei zugängliche Onlinemedien:

- „www.auftragsvergabe...de“ mit ausgewählten Auftragsvergaben öffentlicher Auftraggeber;- „www….markt-Vergabe….eu“ mit ausgewählten Auftragsvergaben der … Branche.

In Anlehnung an das entsprechende Onlinemedium gibt sie ferner quartalsweise das Printmedium „Auftragsvergabe…“ im Abonnement heraus, das ausgewählte Auftragsvergaben öffentlicher Auftraggeber enthält.

Mit E-Mail vom 31. Dezember 2013 begehrte die Klägerin vom Beklagten Auskunft zu dem Auftragnehmer, der Vergabesumme und der Zahl der Bieter der Ausschreibung 15/10/13, Projekt Bereitstellung eines leistungsfähigen onlinegestützten Abrechnungsverfahrens.

Dies lehnte der Beklagte unter Hinweis darauf ab, dass sich eine entsprechende Auskunftspflicht allein aus vergaberechtlichen Vorschriften ergeben könne, was hier jedoch nicht der Fall sei.

Mit der am 14. Januar 2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Auskunftsbegehren weiter. Daneben hat sie zunächst die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr jeweils auf Antrag und entsprechendes Auskunftsersuchen nach Ablauf der Bindungsfrist und insoweit Beendigung des Vergabeverfahrens Auskunft über Auftragnehmer, Vergabesumme und Zahl der Bieter zu erteilen. Insoweit und bezogen auf die mit Schriftsatz vom 12. Januar 2015 vorgenommene Klageerweiterung um weitere konkrete Auskunftsbegehren hat sie die Klage zwischenzeitlich zurückgenommen.

Die Klägerin stützt ihr Auskunftsbegehren nunmehr nicht mehr allein auf § 9a des Rundfunkstaatsvertrages, sondern auch auf § 4 des Landespressegesetzes. Sie ist der Auffassung, dass ihre Internetauftritte vollständig als Telemedien im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrages und das von ihr herausgegebene Printmedium als Presseerzeugnis einzuordnen seien. Bereits bei der ausschließlich auf gewerbliche Nutzer abzielenden Aufbereitung und Präsentation der von ihr zusammengetragenen Informationen und Daten handele es sich um journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihr die mit der E-Mail vom 31. Dezember 2013 begehrte Presseauskunft zu dem Auftragnehmer, der Vergabesumme und der Zahl der Bieter der Ausschreibung 15/10/13, Projekt Bereitstellung eines leistungsfähigen onlinegestützten Abrechnungsverfahrens, zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Angebote der Klägerseite könnten nicht als journalistisch-redaktionell gestaltet angesehen werden, zumal das wirtschaftliche Interesse der Klägerin im Vordergrund stehe. Auch sei fraglich, ob die abgefragten Daten überhaupt eine entsprechende journalistische Tätigkeit ermöglichten. Im Übrigen lägen wegen § 14 Abs. 3 VOL/A Auskunftsverweigerungsgründe vor.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 14. März 2014 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten, und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Verwiesen wird ferner auf die im parallelen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erst- und zweitinstanzlich ergangenen Entscheidungen (VG Schwerin, Beschl. v. 25.03.2014 – 6 B 31/14 –, juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 02.09.14 - 2 M 35/14 -) und die diesbezügliche Gerichtsakte.

Gründe

A.

Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt.

B.

Soweit das Klageverfahren noch anhängig ist, ist die zulässige allgemeine Leistungsklage begründet.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Klägerin Anspruch auf die von ihr verlangte Leistung hat, ist der Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 8a).

I.

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 55 Abs. 3 in Verbindung mit § 9a des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) in der Fassung des 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrages, dem der Landtag Mecklenburg-Vorpommern durch Art. 1 des Gesetzes vom 19. Februar 2007 (GVOBl. M-V S. 67) zugestimmt und der damit Gesetzeskraft erlangt hat. Gemäß § 55 Abs. 3 RStV gilt für Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text und Bild wiedergegeben werden, § 9a RStV entsprechend. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 haben die Anbieter solcher Telemedien gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft, wobei Auskünfte nach Maßgabe des § 9a Abs. 1 Satz 2 RStV verweigert werden können.

1. Jedenfalls bei der allgemein zugänglichen Website „www.auftragsvergabe...de“ handelt es sich um ein Telemedium mit einem journalistisch-redaktionell gestalteten Angebot im Sinne von § 55 Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV, womit die Klägerin den geltend gemachten Auskunftsanspruch auf § 9a Abs. 1 Satz 1 RStV stützen kann.

a) Welche Angebote als „journalistisch-redaktionell“ gestaltet im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV anzusehen sind, ist im Rundfunkstaatsvertrag nicht definiert. Kennzeichnende Merkmale solcher Angebote sind eine gewisse Selektivität und Strukturierung, das Treffen einer Auswahl nach ihrer angenommenen gesellschaftlichen Relevanz mit dem Ziel des Anbieters, zur öffentlichen Kommunikation beizutragen, die Ausrichtung an Tatsachen (sog. Faktizität), ein hohes Maß an Aktualität, ein hoher Grad an Professionalisierung der Arbeitsweise und ein Grad an organisierter Verfestigung, der eine gewisse Kontinuität gewährleistet (vgl. Held in Hahn/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 54 RStV Rn. 49 ff. m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.08.2014 – OVG 11 S 15.14 –, juris Rn. 24; VGH Mannheim, Beschl. v. 25.03.2014 – 1 S 169/14 -, juris Rn. 22; OLG Bremen, Urt. v. 14.01.2011 – 2 U 115/10 –, juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 08.03.2013 – 2 M 2/13 –, juris; VG Stuttgart, Urt. v. 22.04.2010 – 1 K 943/09 –, juris; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., § 55 RStV Rn. 14 a; Held in Paschke/Berlit/Meyer, Gesamtes Medienrecht, 2. Aufl., 8. Teil, 1. Kap., 71. Abschnitt Rn. 61 zu § 55 Abs. 2 RStV).

24Davon ausgehend wird es sich bei den von der Klägerin in dem beschriebenen Bereich betriebenen kostenpflichtigen Internetportalen, die sowohl bezogen auf ihren Inhalt als auch im Hinblick auf dessen Aufbereitung und Präsentation auf die Geschäftsinteressen gewerblicher Nutzer aus den betroffenen Branchen ausgerichtet sind, mangels journalistisch-redaktioneller Gestaltung nicht um Angebote im Sinne von § 55 Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV handeln (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.08.2014 – OVG 11 S 15.14 –, juris Rn. 25; VGH Mannheim, Beschl. v. 25.03.2014 – 1 S 169/14 - juris Rn. 23; VG Dresden, Beschl. v. 07.01.2015 – 5 L 1329/14 –, juris Rn. 30; offen gelassen vom erkennenden Gericht im Beschl. v. 25.03.2014 – 6 B 31/14 –, juris). Insoweit kann nicht angenommen werden, dass die Angebote einen Beitrag zur Meinungsbildung oder Berichterstattung darstellen sollen, dass die Teilnahme an der öffentlichen Kommunikation und auch der öffentlichen Meinungsbildung gewollt ist. Die Klägerin bezeichnet sich als ein Unternehmen, dessen Geschäftszweck die Sammlung und Aufbereitung von Auftragsinformationen für Unternehmen aller Wirtschaftsbereiche ist. Sie sei ein „Informationsbroker im modernen B2B Geschäft“. Der Vorteil für die Nutzer liege in einem weitgehenden Überblick über das Wettbewerbsgeschehen ohne Zeitaufwand bei nur geringen monatlichen Kosten.

Die diesbezüglichen Angebote sind nach ihrer Zwecksetzung nicht auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinungsbildung, sondern lediglich auf die Geschäftsinteressen gewerblicher Nutzer und auf die eigenen Geschäftsinteressen der Klägerin ausgerichtet. Insoweit erscheint die Argumentation lediglich vorgeschoben, dass die Angebote auch der Erhöhung der Transparenz des öffentlichen Beschaffungs- und Vergabewesens und damit der Befriedigung eines öffentlichen Interesses dienten, und Zielgruppe auch interessierte Bürger seien, die sich etwa über die Wettbewerbssituation informieren wollten. Die Aufbereitung und Präsentation der von der Antragstellerin zusammengetragenen Informationen und Daten scheint ausschließlich auf gewerbliche Nutzer abzuzielen. Auch im Hinblick auf die Entgeltlichkeit dürfte eine Nutzung nur für Unternehmen interessant sein, die damit eigene gewerbliche Zwecke verfolgen.

Als Telemedium mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten einzuordnen ist jedoch die von der Klägerin betriebene (frei zugängliche) Website „www.auftragsvergabe...de“, auf der regelmäßig aktualisiert ausgewählte Auftragsvergaben öffentlicher Auftraggeber vorgestellt und zumeist auch bewertet werden (so auch VG Dresden, Beschl. v. 07.01.2015 – 5 L 1329/14 – und v. 03.03.2015 – 5 L 31/15 –, jeweils juris, ebenso für die Website „www….markt-vergabe….eu“; vgl. zur seinerzeit neu geschaffenen Rubrik „News aus den Beschaffungsmärkten“ auf den jeweiligen Websites der Klägerin VG Schwerin, Beschl. v. 25.03.2014 – 6 B 31/14 –, juris Rn. 20). Insoweit bietet die Klägerin von ihr bearbeitete Neuigkeiten an, und zwar ausgewählt oder zusammengestellt aufgrund von Recherchen über neue Referenzen bzw. Projekte, neue Firmen und Unternehmenseinträge, neue Produkte und Dienstleistungen, neue Projekte in Planung, neue Ausschreibungen, neue Submissionsergebnisse, neue Auftragsvergaben und aktuelle Projekte. Verbunden mit der Selektion relevanter Themen in der Absicht der Berichterstattung geht es um aktuelle Meldungen, die für den Bereich der „Beschaffungsmärkte“ relevant sein können. Vereinzelt werden auch Artikel publiziert, in denen Erkenntnisse aus einer umfassenderen Auswertung recherchierter Informationen dargestellt werden.

Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, werden die Berichte, auf die andere Internetseiten der Klägerin (z.B. „www…. .eu“ und „www. … .de“) mit einem Hinweis auf „neue Infos“ Bezug nehmen, nicht nur kontinuierlich ergänzt, sondern können auch zur öffentlichen Kommunikation im Sinne von kritischer Begleitung beitragen. Die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit ist prägender Bestandteil dieses Internetauftritts und nicht nur schmückendes Beiwerk. Auf eine umfassende Bewertung von Informationen muss das Angebot dagegen nicht zwingend abzielen. Die Nennung einer natürlichen Person als „verantwortlichen Redakteur“ (§ 55 Abs. 2 RStV) ist als weiteres Indiz dafür zu werten, dass insoweit ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot vorliegt. Zumindest in diesem Bereich tritt die Klägerin daher wie ein journalistisch-redaktionell arbeitendes Medium auf, das über eine Individualkommunikation hinausgehend der Information der Allgemeinheit und Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung zu dienen bestimmt ist.

Selbst wenn die Website „www.auftragsvergabe...de“ auch zur Anbahnung von Geschäftskontakten dienen soll, kann ihr die journalistisch-redaktionelle Gestaltung deshalb nicht abgesprochen werden. Ein Publikationsmedium kann sogar dann jedenfalls teilweise ein Presseorgan im medienrechtlichen Sinne sein, wenn es lediglich zu einem untergeordneten Teil aus journalistischer Berichterstattung besteht und überwiegend Werbung enthält (vgl. auch Burkhardt in Löffler, Presserecht, 5. Aufl., § 4 LPG, Rn. 133).

Unentschieden bleiben kann, ob journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote auch eine (zumindest gewisse) Periodizität aufweisen müssen (vgl. hierzu Rathsack, jurisPR-ITR 9/2011 Anm. 6), weil diese Voraussetzung hier jedenfalls erfüllt ist.

b) Da es sich bei der von der Klägerin begehrten Auskunft um eine solche handelt, die zumindest zu Recherchezwecken für die als Telemedium mit einem journalistisch-redaktionell gestalteten Angebot einzustufende Website relevant ist, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 3 RStV in Verbindung mit § 9a Abs. 1 Satz 1 RStV erfüllt. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann auch nicht angenommen werden, dass der Gegenstand des betroffenen Vergabeverfahrens, in dem es um ein onlinegestütztes Abrechnungsverfahren für hilfebedürftige Kinder ging, derart speziell ist, dass eine Einbeziehung in die journalistisch-redaktionelle Arbeit der Klägerin von vornherein ausscheidet. Dies gilt im Hinblick auf die Website „www.auftragsvergabe...de“ schon wegen des in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin geltend gemachten grundsätzlichen Interesses an Vergabeverfahren in Querschnittsbereichen wie EDV-Angelegenheiten. Zwar scheint das Printmedium „Auftragsvergabe… - Ausgewählte Vergabeverfahren aus den öffentlichen Beschaffungsmärkten“ - ebenso wie die entsprechende Website – im Wesentlichen auf die Branchen ausgerichtet zu sein, für welche die Klägerin ihre kostenpflichtigen Abonnentenmedien bereithält (Bau, Bahnmarkt, Straßenbau, Energiemarkt etc.). Ungeachtet dessen finden sich im Heft 1. Quartal 2015 unter „Bau…“ (ebenso auf der Website) Berichte über die Vergabe von Aufträgen über die Ausstattung mit Druck- und Kopiersystemen (einer Berufsgenossenschaft sowie der Bundesanstalt für Arbeit). Auch dies belegt, dass das Spektrum des journalistisch-redaktionell gestalteten Telemediums (ebenso wie des entsprechenden Printmediums) nicht strikt auf die von der Klägerin ausdrücklich einbezogenen Branchen festgelegt ist und schon bisherige Berichte darüber hinausgehen.

Dem Auskunftsanspruch aus § 9a RStV liegt - ebenso wie den entsprechenden Auskunftsansprüchen aus den Landespressegesetzen - das durch Art. 5 Abs. 1 GG garantierte Recht der Medienfreiheit zu Grunde, das nicht zuletzt das Recht beinhaltet, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Ausgehend davon ist hier jedenfalls derzeit nicht ersichtlich, dass dem Auskunftsanspruch entgegen gehalten werden könnte, die konkreten Informationen würden nicht für den Internetauftritt unter „www.auftragsvergabe...de“, sondern allein für den Geschäftszweck „Sammlung und Aufbereitung von Auftragsinformationen für Unternehmen“ benötigt. Dies gilt umso mehr, als die Bewertung des Informationsanliegens grundsätzlich den Anbietern von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten selbst obliegt. Diese müssen nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 28.08.2000 - 1 BvR 1307/91 -, NJW 2001, 503).

Auch entscheidet die Presse in den Grenzen des Rechts grundsätzlich selbst, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das "Ob" und "Wie" der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.09.2014 – 1 BvR 23/14 –, juris). Dies gilt ebenso für den Auskunftsanspruch aus § 9a RStV. Medien- bzw. presserechtliche Auskunftsansprüche sind auch nicht in dem Sinne eingeschränkt, dass ein (aktuelles) Berichterstattungsinteresse an aktuellen Vorkommnissen oder Ereignissen vorliegen müsste. Vielmehr ist es die legitime Aufgabe der Presse, auch bislang nicht in der öffentlichen Diskussion stehende Vorgänge aufzugreifen und dadurch erst die Meinungsbildung sowie die öffentliche Diskussion anzuregen, ohne dass objektive Kriterien für Relevanz oder Irrelevanz von Themen vorgegeben werden könnten. Dementsprechend können die Medien ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken, auch dadurch wahrnehmen, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar halten (vgl. auch BGH, Urt. v. 22.02.2011 – VI ZR 114/09 –, juris Rn. 21). Eine Beschränkung auf "inhaltlich seriöse", für die Meinungsbildung in einer offenen Demokratie "wertvolle" journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote ist dabei unzulässig (vgl. Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl., 19. Kap. Rn. 7 f.; Burkhardt in Löffler, a.a.O., § 4 LPG, Rn. 39).

Voraussetzung ist allerdings stets ein Publikationsinteresse. Ein Auskunftsanspruch besteht nur für Informationen, die der publizistischen Auswertung zu dienen bestimmt sind, nicht dagegen für solche, mit denen ausschließlich die Chancen des Anbieters von Telemedien im wirtschaftlichen Wettbewerb verbessert werden sollen (vgl. auch VGH München, Urt. v. 07.10.2008 – 5 BV 07.2162 –, juris Rn. 53; OVG Münster, Urt. v. 30.04.1996 – 5 A 1618/92 –, juris Rn. 2). Mit dem Abstellen auf journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote wird den Anbietern von Telemedien der Anspruch nach § 9a RStV um ihrer Aufgabe willen und nur im Rahmen dieser Aufgabe eingeräumt. Das erforderliche Publikationsinteresse entfällt zwar nicht dadurch, dass Medien insoweit naturgemäß auch eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen. Rein private Geschäftsinteressen können einen Auskunftsanspruch jedoch nicht begründen. Soweit die Aufbereitung und Präsentation der von der Klägerin zusammengetragenen Informationen und Daten ausschließlich auf eine kommerzielle Kommunikation mit gewerblichen Nutzern abzielen, kann auch kein medien- bzw. presserechtlicher Auskunftsanspruch bestehen. Davon ausgehend muss sich die Klägerin stets vor Augen führen, inwieweit sich ihr Informationsinteresse lediglich auf die Geschäftsinteressen gewerblicher Nutzer oder tatsächlich auf ein Publikationsinteresse bezieht. Dies gilt nicht erst bei der Frage, in welchem Bereich sie erhaltene Auskünfte verwertet, sondern bereits dann, wenn es um die Informationsbeschaffung und die Frage geht, ob sie sich insoweit auf den medien- bzw. presserechtlichen Auskunftsanspruch stützen kann.

Allerdings kann im Interesse der Presse- und Informationsfreiheit in der Regel zunächst einmal davon ausgegangen werden, dass hinter einem - einen öffentlichen Bezug aufweisenden - Auskunftsverlangen ein öffentliches Interesse steht (vgl. auch Burkhardt in Löffler, a.a.O., § 4 LPG, Rn. 86). Dies gilt vor allem dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden und damit ein berechtigtes Interesse besteht, von deren konkreter Verwendung Kenntnis zu erlangen (vgl. auch VG Hamburg, Urt. v. 25.02.2009 – 7 K 2428/08 –, juris Rn. 37). Soweit sich dies nicht ohne weiteres bereits aus der Fragestellung selbst ergibt, hat es die Presse schlüssig darzulegen. Auf Grund der Zweckbindung des Auskunftsbegehrens kann dieses zurückgewiesen werden, wenn es nur einen Vorwand darstellt, um eigene oder die privaten Interessen Dritter zu befriedigen. Dann ist das Auskunftsverlangen rechtsmissbräuchlich und muss nicht erfüllt werden. Dabei obliegt es allerdings dem Anspruchsverpflichteten, die Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich das Fehlen eines solchen Interesses im Einzelfall und damit der Missbrauch des Auskunftsbegehrens ergibt (vgl. auch VG Saarlouis, Urt. v. 12.10.2006, 1 K 64/05, juris Rn. 63).

Für eine missbräuchliche Verwendung der im vorliegenden Fall erbetenen Einzelauskunft außerhalb des journalistisch-redaktionellen Angebots, das die Klägerin auf der Website „www.auftragsvergabe...de“ unterhält, hat der Beklagte jedoch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte vorgebracht; solche sind für das Gericht auch nicht ersichtlich. Der Beklagte als die im konkreten Einzelfall in Anspruch genommene Behörde hat insbesondere nicht substantiiert dargelegt, dass die Klägerin bezogen auf einen aussagekräftigen Zeitraum Informationen, die von ihm auf eine Vielzahl von Auskunftsverlangen mitgeteilt worden seien, gar nicht oder nur in einem solch geringen Maße in erkennbarer Weise in journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote einbezogen habe, dass das öffentliche Informationsinteresse nur als vorgeschoben angesehen werden kann. Damit unterliegt es auch hier maßgeblich der Einschätzung der Klägerin, dass sie die hier betroffenen Informationen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe benötigt (vgl. auch VG Hamburg, Urt. v. 25.02.2009 – 7 K 2428/08 –, juris Rn. 38).

2. Dem damit gegebenen Anspruch auf die geltend gemachte Auskunft kann hier nach Beendigung des Vergabeverfahrens auch kein Auskunftsverweigerungsrecht, insbesondere keines nach § 9a Abs. 1 Satz 2 RStV entgegen gehalten werden.

Eine der Auskunft entgegen stehende Vorschrift über die Geheimhaltung ist auch § 14 Abs. 3 VOL/A nicht, der bestimmt, dass die Angebote und ihre Anlagen auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens sorgfältig zu verwahren und vertraulich zu behandeln sind. Die Klägerin verlangt nämlich nur Auskunft über Angaben, die (auch) in oberschwelligen Vergabeverfahren bekanntgemacht werden (müssen). Weshalb diese Angaben (Name und Anschrift des Auftragnehmers, die Auftragssumme, die Zahl der Bieter und das Datum der Auftragsvergabe) bei unterschwelligen Vergabeverfahren gegen Vorschriften der zwingenden Geheimhaltung und schutzwürdige Interessen der Auftragnehmer, die den Zuschlag erhalten haben, verstoßen sollten, obwohl sie bei oberschwelligen Vergabeverfahren gerade gefordert werden, ist nicht ersichtlich. Auch im Übrigen lässt sich aus der Entscheidung des Gesetzgebers, nur für einen bestimmten Kreis von Vergabeverfahren eine Veröffentlichungspflicht zu normieren, nichts für den vorliegenden Fall herleiten. Hier geht es gerade nicht um eine Veröffentlichungspflicht des Beklagten, sondern um einen Auskunftsanspruch eines Telemedienanbieters, der eine andere gesetzliche Grundlage und Zielrichtung hat (vgl. VG Dresden, Beschl. v. 03.03.2015 – 5 L 31/15 –, juris Rn. 42).

Der Beklagte kann ein Auskunftsverweigerungsrecht auch nicht aus § 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 RStV herleiten. Die Vorschrift greift ein, wenn der Umfang der Auskünfte das zumutbare Maß überschreitet, etwa im Falle eines übertriebenen und schikanösen Auskunftsverlangens (vgl. Flechsig in Hahn/Vesting, a.a.O., § 9a RStV Rn. 29). Davon kann hier selbst unter Berücksichtigung des mit der Klageerweiterung vorübergehend einbezogenen weiteren Auskunftsbegehrens nicht ausgegangen werden.

II.

Ob die Klägerin ihr Auskunftsbegehren im Hinblick auf das Printmedium „Auftragsvergabe…“ auch auf § 4 Abs. 2 des Landespressegesetzes stützen kann, bedarf keiner Entscheidung mehr.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Das Urteil war nur hinsichtlich des Ausspruchs über die Verfahrenskosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Nach § 167 Abs. 2 VwGO können Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Diese Vorschrift ist entsprechend anzuwenden, wenn eine allgemeine Leistungsklage erfolgreich ist, es sei denn, der Beklagte - was hier nicht der Fall ist - wird zu einer Geldzahlung verurteilt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 167 Rn. 11).