OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 06.03.2015 - 3 L 201/11
Fundstelle
openJur 2015, 11005
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 31. Mai 2011 wird abgelehnt.

2. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 96,25 Euro festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 31. Mai 2011 ist unbegründet.

Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Geboten ist eine summarische Prüfung des Zulassungsvorbringens auf die schlüssige Infragestellung der Auffassung des Verwaltungsgerichts. Ernstliche Zweifel sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG 3. Kammer des Ersten Senats, B. v. 21.01.2009 - 1 BvR 2524/06). Dabei hat das Zulassungsverfahren nicht die Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen (vgl. BVerfG 2. Kammer des Ersten Senats, B. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163).

Der Kläger macht geltend, die dem Kostenbescheid zugrunde liegende Ersatzvornahme – das Abschleppen seines Kraftfahrzeugs – sei nicht gerechtfertigt gewesen. Unstreitig habe er zwar sein Fahrzeug in einem Fußgängerbereich (§ 41 Abs. 2 Nr. 5, Zeichen 242 StVO a. F.) verbotswidrig abgestellt, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts habe jedoch keine Funktionsbeeinträchtigung der Fußgängerzone vorgelegen, weder abstrakt noch konkret. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, allein der Umstand, dass eine Sondernutzung ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeübt werde, rechtfertige grundsätzlich eine derartige Anordnung, stimme nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Funktionsbeeinträchtigung der Fußgängerzone überein. Der Bereich, in dem er, der Kläger, sein Fahrzeug geparkt habe, sei zwar als Fußgängerbereich gekennzeichnet, habe in tatsächlicher Hinsicht jedoch wenig mit einem solchen gemein. Es handele sich um einen Nebenweg, der eher den „Charme eines Hinterhofes“ habe. Zum Zeitpunkt des Parkens um 14.20 Uhr innerhalb der Hauptgeschäftszeit habe dort überhaupt kein Verkehr stattgefunden. Das zeige auch das zur Tatzeit angefertigte Lichtbild.

Danach liegen im Ergebnis ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht vor. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass das Vorliegen eines bloßen Verkehrsverstoßes ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht ohne Weiteres das Vorgehen im Verwaltungszwang rechtfertigt. Das Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Fahrzeuges ist jedoch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar, ohne dass es auf das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbehinderung ankommt, wenn mit dem verkehrswidrigen Parken eine Funktionsbeeinträchtigung der Verkehrsfläche verbunden ist. Dies ist beim Abstellen eines Fahrzeuges im Bereich eines absoluten Haltverbots regelmäßig der Fall (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2013 – 14 K 6792/13; VG Aachen, Urteil v. 23.02.2011 – 6 K 1/10; VG Potsdam, Urt. v. 14.03.2012 – 10 K 59/08; VG Bremen, Urt. v. 9.12.2010 - 5 K 982/10 -; alle juris; ebenso bereits: VGH Ba-Wü, Urt. v. 15.01.1990 - 1 S 3673/88 -, NZV 1990, 286; HessVGH, Urt. v. 22.05.1990 - 11 UE 2056/89 -, NZV 1990, 408; BayVGH, Urt. v. 17.09.1991 - 21 B 91.289 -, NZV 1992, 207). Entsprechendes gilt auch für das Parken in einem Fußgängerbereich, in dem die Fahrzeugnutzung insgesamt – einschließlich des Haltens und Parkens – grundsätzlich untersagt ist (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO Lfd. Nr. 21 Nr. 1 zu Zeichen 242.1).

Der Senat hat bereits in dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss vom 15. September 2010 – 3 L 191/07 – anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B. v. 18.02.2002 - 3 B 149/01 - NJW 2002, 2122; vgl. auch Senat, U. v. 23.02.2005 - 3 L 114/03 - NordÖR 2005, 328) zum Vorliegen einer Funktionsbeeinträchtigung eines Fußgängerbereichs Folgendes entschieden:

„Eine Funktionsbeeinträchtigung der Fußgängerzone lag vor. Die mit der Einrichtung von Fußgängerzonen verbundene Zielsetzung rechtfertigt Maßnahmen zur Freihaltung und Beseitigung von Störfaktoren um zu gewährleisten, dass der Bereich entsprechend seiner Funktion von den Bürgern angenommen und genutzt wird. Insoweit kommt es weder auf das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbehinderung noch darauf an, ob im Einzelfall Belästigungen feststellbar sind und Personen daran Anstoß nehmen.“

Daran hält der Senat fest. Darauf, ob Fußgänger die Fußgängerzone im Tatzeitpunkt im Bereich des Nebenwegs, in dem der Kläger sein Fahrzeug geparkt hatte, tatsächlich gegenwärtig genutzt haben, kommt es deshalb nicht an (vgl. nur VGH Ba-Wü, Urt. v. 15.01.1990 – 1 S 3664/88, VBlBW 1990, 257).

Soweit der Kläger behauptet, auf diesem Nebenweg finde überhaupt kein typischer Fußgängerverkehr statt, der Bereich sei lediglich rechtlich als Fußgängerzone ausgeschildert und damit die Ansicht verknüpft, auch eine abstrakte Funktionsbeeinträchtigung sei ausgeschlossen, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen.

Schon die vom Kläger angeführten tatsächlichen Voraussetzungen treffen nicht zu. Bereits anhand des genannten Lichtbildes ist offensichtlich, dass es sich bei dem Nebenweg nicht um einen Hinterhof handelt. Vielmehr ist dieser Weg eine Querverbindung zur Kröpeliner Straße, der „Hauptstraße“ der Fußgängerzone (vgl. Lageplan, Anlage B1, Bl. 41 d. GA.). Dass über diese Zuwegung Fußgängerverkehr möglich ist, liegt auf der Hand und wird auch dadurch bestätigt, dass sich hier auch Geschäfte befinden, wie das vom Beklagten benannte Fahrradgeschäft, das auch auf dem in der Akte befindlichen Lichtbild ersichtlich ist.

Eine erforderliche Funktionsbeeinträchtigung eines Fußgängerbereichs nach § 41 Abs. 2 Nr. 5, Zeichen 242 StVO a. F. (nunmehr § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2 Lfd. Nr. 21 Zeichen 242.1) liegt im Übrigen regelmäßig schon in der verbotswidrigen (Park)Nutzung des Bereichs mit einem Kraftfahrzeug. Denn die Funktion eines Fußgängerbereichs ist nicht erst dann beeinträchtigt, wenn Fußgänger nicht mehr oder nur mit Mühe an dem Hindernis (parkendes Fahrzeug) vorbei kommen können oder ein Fußgängergegenverkehr erschwert wird, sondern bereits dann, wenn die Fläche für die Fußgängernutzung erheblich eingeschränkt wird. Das ist jedenfalls bei einem parkenden Pkw der Fall, der wie hier einschließlich des Abstands zum Gebäude eine Fläche von ca. (2 m x 4 m =) 8 qm für sich beansprucht. Damit fällt auf der Höhe des Fahrzeugs etwa ein Drittel des Weges für die Fußgängernutzung weg. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein parkendes Fahrzeug auch weiteren Parkverkehr „anlockt“. Würden dann mehrere Fahrzeuge hintereinander parken, würde es zu An- und Abfahrtsverkehr kommen, der zwangsläufig ein Vorbeifahren an den anderen parkenden Fahrzeugen erfordern und damit einen entsprechend weiteren Verkehrsraum für diese Fahrten einnehmen würde. Hinsichtlich dieser abstrakten Gefahr muss die Behörde nicht zuwarten bis tatsächlich mehrere Fahrzeuge parken, vielmehr besteht ein generalpräventiv begründetes öffentliches Interesse daran, dass andere Kraftfahrer vom verbotswidrigen Parken im Fußgängerbereich abgehalten werden (vgl. nur VGH Ba-Wü, Urt. v. 15.01.1990 – 1 S 3664/88, VBlBW 1990, 257).

Hinzu kommt, dass der grundsätzliche Ausschluss der anderen Verkehrsteilnehmer aus dem Fußgängerbereich auch dazu dient, dass sich Fußgänger stärker auf den Zweck ihres Besuchs der Fußgängerzone (z. B. Einkauf) konzentrieren können dürfen, als auf die Beachtung des Straßenverkehrs wie auf anderen Straßen (§ 25 StVO), auf denen der Fahrverkehr zu beachten ist. Ausnahmsweise zugelassene Fahrzeuge müssen Schrittgeschwindigkeit einhalten und auf Fußgänger Rücksicht nehmen (§ 41 Abs. 1 StVO i. V. m. Anlage 2 Lfd. Nr. 21 Nr. 2 zu Zeichen 242.1 i. V. m. Nr. 2 zu Zeichen 239). Fußgänger können sich in einer Fußgängerzone daher freier und ungezwungener bewegen, das gilt insbesondere auch für Kinder. Widmungszweck eines Fußgängerbereichs ist es, einen weitgehend ungestörten Fußgängerverkehr zu ermöglichen (VGH Ba-Wü, Urt. v. 15.01.1990 – 1 S 3664/88, VBlBW 1990, 257). Besondere Verhaltensvorschriften für Fußgänger würden dem Wesen eines Gehbereichs widersprechen (König in: Hentschel/ König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., 2013, § 2 StvO, Rn. 30). Darauf dürfen Fußgänger in einem Fußgängerbereich vertrauen. Das Befahren eines Fußgängerbereichs mit Kraftfahrzeugen – auch nur zum Parken – birgt deshalb abstrakt die Gefahr einer Kollision mit Fußgängern und beeinträchtigt schon deshalb die Funktion des Fußgängerbereichs. Eine solche abstrakte Gefahr mag im Einzelfall ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände ausgeschlossen sein können, beispielsweise, wenn die Zuwegung aufgrund einer Baustelle vollständig gesperrt ist und deshalb die Geschäfte der Fußgängerzone nicht erreichbar sind. Anhaltspunkte für eine solche ausnahmsweise Nichtbeeinträchtigung sind jedoch im Streitfall nicht ersichtlich.

Darauf, dass das Verwaltungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Senats darauf abgestellt hat, dass das Befahren einer solchen Zone straßenrechtlich zugleich die Ausübung einer unerlaubten Sondernutzung darstellt, kommt es deshalb nicht mehr an.

Der vom Kläger angeführte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage, die grundsätzlich geklärt werden soll, formuliert der Kläger schon nicht ausdrücklich. Soweit er hierzu vorträgt, die Rechtsprechung sei dort nicht anzuwenden, wo die Fußgängerzone zwar rechtlich als solche ausgeschildert sei, tatsächlich aber eine solche spezifische Funktion nicht erfülle, geht er wie oben gezeigt von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

Hinweis:

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.