LSG der Länder Berlin und Brandenburg, Beschluss vom 19.03.2015 - L 31 AS 2974/14
Fundstelle
openJur 2015, 8466
  • Rkr:

Die Aufbewahrung von Kontoauszügen in den Leistungsakten des Jobcenters ist eine rechtmäßige Speicherung von Daten.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander in beiden Rechtszügen keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit einer Anfechtungsklage gegen einen die Entfernung seiner Kontoauszüge aus der Verwaltungsakte des Beklagten ablehnenden Bescheid.

Der Kläger steht im Bezug von Leistungen des Beklagten. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2013 beantragte er die Entfernung sämtlicher ihn betreffender Kontoauszüge aus seinen Verwaltungsakten.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2013 teilte der Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers mit, dass das Speichern von Daten nach § 67c Abs. 1 Satz 1 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) zulässig sei, wenn dies zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Jobcenters erforderlich sei und es für diejenigen Zwecke erfolge, für die die Daten erhoben worden seien. Alle Kontoauszüge, die nicht zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Jobcenters erforderlich seien, würden entfernt werden. Diejenigen Kontoauszüge, die zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Jobcenters notwendigerweise angefordert worden seien, würden gemäß § 67c Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtmäßig auch weiterhin in der Akte aufbewahrt werden.

Den hiergegen mit Schreiben vom 4. November 2013 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28. November 2013 zurück. Sofern in der Verwaltungsakte Kontoauszüge aufbewahrt würden, seien die gesetzlichen Voraussetzungen des § 67c Abs. 1 Satz 1 SGB X erfüllt. Der Kläger habe in seinem Antrag vom 11. Oktober 2013 bereits nicht substantiiert vorgetragen, auf welche Kontoauszüge sich sein Verlangen beziehe. Auch habe er seinerseits keine Unterscheidung der Kontoauszüge nach Maßgabe des § 67c Abs. 1 Satz 1 SGB X in erforderliche und nicht erforderliche Sozialdaten getroffen. Zudem habe er keine Tatsachen vorgetragen, die ein schutzwürdiges Interesse wegen seiner besonderen persönlichen Situation an der Entfernung gegenüber dem Interesse des Jobcenters an der Aufbewahrung der Kontoauszüge begründen würde. Der Kläger beziehe Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II), die aus Steuermitteln finanziert würden, für deren rechtmäßige Verwendung die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Interesse der Steuerzahler Sorge trügen. In diesem Allgemeininteresse obliege es den Mitwirkungspflichten des Klägers, alle Tatsachen anzugeben sowie Beweismittel vorzulegen. Die Aufbewahrung der Kontoauszüge sei, sofern sie für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich sei, von diesem Allgemeininteresse gedeckt.

Gegen den ihm am 3. Dezember 2013 zugegangenen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 2. Januar 2014 über seinen Bevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Cottbus. Das Speichern von Kontoauszügen in der Verwaltungsakte sei zur Erfüllung von Aufgaben des Beklagten grundsätzlich nicht erforderlich.

Mit Urteil vom 13. Oktober 2014 wies das Sozialgericht Cottbus die Klage ab und verurteilte den Beklagten, dem Kläger 30% seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entfernung sämtlicher Kontoauszüge aus der Verwaltungsakte. Bei der Aufbewahrung der Kontoauszüge im Original oder in Kopie in der Verwaltungsakte handele es sich um eine rechtmäßige Speicherung von Daten nach § 67 c SGB X. Dies habe auch das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 21. Mai 2014 - Az. L 7 AS 347/14 B ER - so ausgeführt. Danach sei die Aufbewahrung der Kontoauszüge zunächst erforderlich, um die Hilfebedürftigkeit des Klägers bzw. Antragstellers zu überprüfen. Die Kontoauszüge seien sorgfältig auf Einkommen, Vermögen und Bedarf zu prüfen. Eine kurze Einsichtnahme genüge dafür nicht. Die Kontoauszüge der letzten Monate könnten Anlass für eine Direktüberweisung der Unterkunftskosten an den Vermieter nach § 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II geben. Aus Kontoauszügen ablesbares unwirtschaftliches Verhalten könne zu einer Sanktion nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 SGB II führen. Kontoauszüge seien somit eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II und als solche zu der Verwaltungsakte zu nehmen. Die Kontoauszüge seien nicht nur für die aktuelle Verbescheidung des nächsten Bewilligungsabschnitts erforderlich, sondern auch für sich eventuell anschließende Widerspruchs- und Gerichtsverfahren. Hinzu komme die Möglichkeit einer Korrektur von Bescheiden im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Aktenordnungen mit ihren pauschalen Regelungen zu Aufbewahrungsfristen seien als verwaltungsinterne Richtlinien nicht geeignet, gesetzliche Vorgaben wie die Grenzen des § 67c SGB X zu beseitigen.

Im konkreten Einzelfall habe der Kläger weder vorgetragen, dass einzelne Kontoauszüge zu Unrecht zur Verwaltungsakte genommen worden seien, noch sei dies erkennbar. Damit sei insgesamt von einer rechtmäßigen Datenspeicherung auszugehen.

Im Rahmen der Kostenentscheidung sei vorliegend zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass das Schreiben des Beklagten vom 11. Oktober 2013 (gemeint ist das Schreiben vom 24. Oktober 2013) keinen Verwaltungsakt darstelle, sondern eine Zwischenmitteilung. Der Beklagte habe die Klage daher veranlasst, da er in der Sache den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid beschieden habe. Es sei daher gerechtfertigt, dem Beklagten 30% der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.

Gegen das ihm am 30. Oktober 2014 zugestellte Urteil legte der Kläger mit am 14. November 2014 beim Sozialgericht Cottbus eingegangenen Schreiben Berufung ein, die am 20. November 2014 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einging. Zur Begründung seiner Berufung übersandte er „Hinweise zur datenschutzgerechten Ausgestaltung der Anforderung von Kontoauszügen bei der Beantragung von Sozialleistungen“.

Der Kläger beantragt nach seinem erkennbaren Interesse,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Oktober 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, zu der auch die maßgeblichen Verwaltungsvorgänge genommen worden waren, Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der Entscheidung.

Gründe

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise mit Schreiben vom 18. Februar 2015 gehört worden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Oktober 2014 sowie der Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Sozialgericht Cottbus hat es zu Recht abgelehnt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Die grundsätzliche Weigerung des Beklagten, Kontoauszüge aus den Verwaltungsakten zu entfernen, ist rechtens.

Es bestehen für den Senat bereits Zweifel daran, ob der Kläger durch die von ihm erstinstanzlich beantragte bloße Aufhebung des Versagungsbescheides sein eigentliches Ziel - die Entfernung der Kontoauszüge aus den Verwaltungsakten - erreichen kann. Denn die bloße Aufhebung der die Entfernung versagenden Entscheidung würde ohne hinzutretenden Verpflichtungsantrag noch nicht zu einem dem Ziel korrespondierenden Anspruch führen.

Ein solcher Anspruch des Klägers auf Entfernung der Kontoauszüge besteht jedenfalls in der Sache nicht. Dies war im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides implizit auch Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils.

Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt nach eigener Prüfung Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Cottbus, die sich wiederum anlehnen an die Ausführungen in dem oben näher bezeichneten Beschluss des Bayerischen LSG vom 21. Mai 2014. Die wesentlichen Passagen beider Entscheidungen sind im obigen Tatbestand wiedergegeben.

Auf Folgendes weist der Senat ergänzend hin:

Im Rahmen eines etwaigen Anspruchs auf Entfernung von Kontoauszügen tritt im Falle des Bevollmächtigten des Klägers die Besonderheit hinzu, dass er in unterschiedlichen Medien sowie auf seiner eigenen Internetpräsenz damit wirbt, grundsätzlich jeden Bescheid der Jobcenter anzufechten. Es ist gerichtsbekannt, dass der Bevollmächtigte diese Ankündigung konsequent in die Tat umsetzt und insbesondere auch durch die Erhebung von Untätigkeitsklagen gemäß § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sein besonderes Augenmerk auf auch nur ganz geringfügige Fristüberschreitungen in der Bearbeitung von Verfahren durch die Verwaltungen der Jobcenter unter Beweis stellt. Regelmäßig stößt der Bevollmächtigte bei jedem der von ihm vertretenen Leistungsbezieher eine Vielzahl von Widerspruchs-, Klage- und auch Berufungsverfahren an. Dass der Beklagte sich bei dieser Sachlage nicht der immer wieder relevant werdenden Grundlagen seiner Entscheidungsfindung - namentlich der Kontoauszüge - begeben kann, liegt für den Senat auf der Hand. Anderenfalls wäre es dem Beklagten faktisch verwehrt, mit der durch den Bevollmächtigten des Klägers vorgegebenen Schlagzahl Schritt zu halten und den Ansprüchen an Genauigkeit und Schnelligkeit in der Entscheidung zu genügen, die der Bevollmächtigte des Klägers ihm abverlangt - freilich ohne die an die Jobcenter angelegten Maßstäbe auch (wie von ihm in anderen Verfahren selbst eingeräumt) zum Maßstab seiner eigenen anwaltlichen Sorgfaltspflichten zu machen.

Schließlich stellen die von dem Kläger in Bezug genommenen Hinweise der Landesbeauftragten für den Datenschutz zur datenschutzgerechten Ausgestaltung der Anforderung von Kontoauszügen bei der Beantragung von Sozialleistungen nicht justiziable Handlungsempfehlungen im Sinne des § 23 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten im Land Brandenburg dar. Die fehlende Verbindlichkeit ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Hinweise selbst („sollten die folgenden Hinweise für eine datenschutzgerechte Verfahrensweise bei der Anforderung von Kontoauszügen beachtet werden“). Der fehlenden Verbindlichkeit korrespondiert die nicht bestehende rechtliche Handhabe zur Durchsetzung der Handlungsempfehlungen. Die Behörde, an die sich die Handlungsempfehlung richtet, muss die Empfehlungen des Datenschutzbeauftragten auch nicht befolgen. Der Senat sieht sich veranlasst darauf hinzuweisen, dass aus seiner Sicht die Empfehlungen der Datenschutzbeauftragten einer Überprüfung am Maßstab der Lebenswirklichkeit jedenfalls im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht standhalten können. Der Verbleib der Kontoauszüge in den Verwaltungsakten ist wegen ihrer Relevanz für Folgeverfahren jedenfalls in all denjenigen Fällen, in denen der Bevollmächtigte des Klägers in Erscheinung tritt, nicht nur hinzunehmen, sondern geradezu geboten.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung, ohne dass hier Gesichtspunkte der Veranlassung eine teilweise Kostenbelastung des Beklagten gebieten würden. Zwar kann das Gericht im Rahmen seiner Kostenentscheidung auch den Anlass für die Klageerhebung berücksichtigen, zum Beispiel wenn die Behörde durch unrichtige Beratung oder falsche Rechtsmittelbelehrung oder sonstige falsche Sachbehandlung Anlass für eine unzulässige oder unbegründete Klage gegeben oder durch missverständliche Ausführungen zu Irritationen beigetragen hat (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 11. Aufl. 2014, Rdnr. 12 b m. w. N.). Anlass für die Klage war hier jedoch der formal - und wie oben dargelegt auch materiell - rechtmäßige Widerspruchsbescheid vom 28. November 2013. Dass diesem Widerspruchsbescheid mit dem Schreiben vom 24. Oktober 2013 eine Mitteilung vorausgegangen war, die jedenfalls - ungeachtet eines etwaigen Regelungsgehaltes - ihrer Form nach zunächst nicht auf einen Verwaltungsakt hindeutet, hat bei dem Bevollmächtigten des Klägers keine die Klage provozierenden Irritationen ausgelöst.

Obgleich der Kläger Rechtsmittelführer ist, ist der Senat an einer Änderung der Kostenentscheidung zu seinen Lasten nicht gehindert, denn das Verbot, den Rechtsmittelführer im Berufungsverfahren zu belasten, gilt nicht bei der Kostenentscheidung (Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, a. a. O. § 193 Rdnr. 16).

Die Änderung der Kostenentscheidung auf die Berufung des Klägers hin ändert auch nichts an der Anwendbarkeit des § 153 Abs. 4 SGG. Nimmt die Änderung der Kostenentscheidung zum Nachteil des Berufungsführers nicht an dem Verbot der reformatio in peius teil und ist nicht als eigentlicher Kern der Berufung anzusehen, so steht sie auch einer Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege nicht entgegen. Dafür spricht schließlich auch der Umstand, dass die Kostenentscheidung gar nicht isoliert im Wege der Berufung angefochten werden könnte (vgl. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 193 Rdnr. 16).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG vorliegt.