VG Augsburg, Urteil vom 07.10.2014 - Au 3 K 14.1030
Fundstelle
openJur 2014, 24916
  • Rkr:
Tenor

I. Die Bescheide der Beklagten vom 17. Juni 2014 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, über die Anträge der Kläger jeweils vom 16. Juni 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

II. Die Kosten der Verfahren hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Ausstellung von Berechtigungsscheinen für den Erwerb sog. Sozialtickets.

1. Die Beklagte bietet seit Juli 2014 bestimmten einkommensschwachen Personen, die im Stadtgebiet wohnen, als freiwillige Leistung die Ausgabe von Berechtigungsscheinen zum Erwerb verbilligter Monatsfahrkarten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in zwei Tarifzonen (Sozialtickets) an. Die Berechtigungsscheine müssen bei der Beklagten beantragt werden. Ergibt die Prüfung durch die Beklagte, dass die Bezugsvoraussetzungen vorliegen, werden den Antragstellern jeweils sechs Berechtigungsscheine (für sechs Monate) zugesandt; diese berechtigen zum Erwerb von Monatskarten der betreffenden Ticketart (Monatskarte Senioren, Ausbildungsverkehr oder Jedermann) zum einheitlichen Preis von 25,-- € an einer der Fahrkartenverkaufsstellen.

Nach einem Informationsblatt und dem Internetauftritt der Beklagten (http://www.armutspraevention.augsburg.de) sind folgende Personenkreise berechtigt:

„... Leistungsempfänger/innen von Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), die nicht in Einrichtungen (z.B. Alters- bzw. Pflegeheimen) leben sowie die zu deren Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen

... Empfänger/innen von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG), die nicht in Einrichtungen (z.B. Alters- bzw. Pflegeheimen) leben, sowie die zu deren Haushalt gehörenden, wohngeldrechtlich zu berücksichtigenden Lebenspartner/innen und minderjährigen Kinder.

... Leistungsempfänger/innen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und die zu deren Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen.“

Die betreffende Internetseite der Beklagten weist außerdem folgenden Hinweis auf:

„Wichtig: Empfänger von Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld - Jobcenter ...) gehören derzeit nicht zum berechtigten Personenkreis.“

2. Die Kläger, die allesamt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) – Arbeitslosengeld II und Sozialgeld – (sog. „Hartz IV-Leistungen“) beziehen, haben jeweils bei der Beklagten die Ausstellung von Berechtigungsscheinen beantragt. Diese Anträge lehnte die Beklagte jeweils mit der Begründung ab, dass Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) nicht bezugsberechtigt seien.

3. Gegen die Ablehnung ihrer Anträge auf Erteilung von Berechtigungsscheinen richten sich die Klagen. Die Kläger beantragen,

die Bescheide der Beklagten vom 17. Juni 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über ihre Anträge auf Gewährung eines Sozialtickets unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Zur Begründung führen sie im Wesentlich aus, dass der Ausschluss von Empfängern von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch („Hartz IV“) eine Diskriminierung darstelle.

4. Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Ziel der Einführung des Sozialtickets durch Beschluss des Stadtrats der Beklagten vom 30. Januar 2014 sei es, besonders bedürftigen Bevölkerungsschichten die Teilhabe an einem durch Mobilität bestimmten Leben zu erleichtern. Der Stadtrat habe sich damals aus verschiedenen sachlichen Erwägungen heraus bewusst für die nunmehr bezugsberechtigten Personenkreise entschieden.

Ein Kriterium sei sicherlich gewesen, dass im kommunalaufsichtlich genehmigten Haushalt für das Jahr 2014 Mittel in Höhe von 500.000,- € für das Sozialticket zur Verfügung gestellt worden seien. Nach damaligen Schätzungen sei man davon ausgegangen, dass bei einer Ausweitung der Bezugsberechtigung auch auf Leistungsempfänger nach dem SGB II und einer Nutzung durch lediglich 20 v.H. der Berechtigten Mehrkosten von 900.000,- € zzgl. Verwaltungskosten zu erwarten gewesen wären. Dies sei zwar nicht der ausschlaggebende sachliche Grund für die Differenzierung zwischen den verschiedenen Transferleistungsempfängern, doch sei die Begrenzung des Haushaltsansatzes der Beklagten für die freiwillige soziale Leistung des Sozialtickets grundsätzlich anzuerkennen. Insoweit werde auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Januar 2004, Az. AN 4 K 03.00002, verwiesen

Berechtigt zum Erwerb eines Sozialtickets seien u.a. Empfänger von Grundsicherung nach Kap. 3 und 4 des SGB XII, d.h. Personen, die aufgrund ihres Alters oder aufgrund dauerhafter voller Erwerbsminderung nicht (mehr) in der Lage sind, ihren notwendigen Lebensunterhalt aus Einkommen und Vermögen selbst zu beschaffen. Für diese Personen sei eine Rückkehr in das Berufsleben in aller Regel nicht möglich. Zudem seien sie in den meisten Fällen aufgrund ihres Alters bzw. aufgrund ihrer Gesundheit nicht mobil und oftmals auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen.

lm Gegensatz dazu seien Empfänger von SGB Il-Transferleistungen erwerbsfähig und damit im Regelfall deutlich mobiler als SGB XII-Leistungsempfänger. Auf die regelmäßige Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs seien diese oftmals nicht angewiesen, zumal ihnen die Benutzung kostengünstigerer Verkehrsmittel, wie z.B. Fahrräder zumutbar sei. Die Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen bekämen SGB II-Leistungsempfänger üblicherweise auf Antrag ersetzt.

Nach § 1 SGB XII sei Aufgabe der Sozialhilfe, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Dazu gehöre sicherlich die Erleichterung von Mobilität. Nach § 1 SGB II sei Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu stärken. Allein diese Unterscheidung in den Aufgaben dieser beiden Transferleistungen zeige, dass eine Differenzierung zwischen den beiden Gruppen von Leistungsempfängern möglich und auch gewollt sei. Während bei der Gruppe der SGB XII-Leistungsempfänger eine Rückkehr in die Erwerbsfähigkeit bzw. das Leben ohne Sozialhilfe im Regelfall nicht möglich sei, solle die Gruppe der SGB II-Leistungsempfänger unterstützt werden, ein Leben unabhängig von der Grundsicherung führen zu können.

Auch eine Differenzierung zwischen SGB II-Leistungsempfängern und Wohngeldempfängern sei sachlich gerechtfertigt. Wohngeldempfänger seien meist berufstätig, aber aufgrund nicht ausreichenden Einkommens nicht in der Lage, die Miete für angemessenen Wohnraum für sich und ihre Familien zu zahlen. Aufgrund der Berufstätigkeit müssten Wohngeldempfänger jedoch täglich unterwegs sein und seien deshalb auf die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs oftmals besonders angewiesen.

Auch die Einbeziehung von Leistungsempfängern nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sei sachlich gerechtfertigt. Viele dieser Leistungsempfänger erhielten lediglich ein sog. Taschengeld, das deutlich niedriger ist als der übliche Regelsatz. Von diesen Leistungen sei eine regelmäßige Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs nicht finanzierbar. Auch auf andere kostengünstige Verkehrsmittel wie Fahrräder oder auch auf ein Netzwerk von Verwandten oder Bekannten, die Besorgungen miterledigen könnten, könnten diese Personen nicht zurückgreifen. Zudem lebten Asylbewerber häufig in nicht zentral gelegenen Gemeinschaftsunterkünften. lm Hinblick auf eine Integration in ihrer neuen Heimat dürften Asylbewerber aber nicht von einer Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden.

Da bei der Auswahl der zum Erwerb des Sozialtickets berechtigten Personengruppen sachliche Differenzierungsgründe vorgelegen hätten, sei ein Verstoß gegen das Willkürverbot nicht ersichtlich.

Auf gerichtliche Anfrage teilte die Beklagte weiter mit, dass grundsätzlich eine Ausweitung des anspruchsberechtigten Personenkreises auf Empfänger von Leistungen nach dem SGB II für die Zukunft beabsichtigt sei. Vorher sei jedoch eine Evaluierung der bisherigen Nutzung des Sozialtickets erforderlich. Diese solle bis Juni 2015 erfolgen. Erst nach dieser Auswertung könne von der Verwaltung beurteilt werden, welche Mittel für eine Ausweitung des berechtigten Personenkreises zur Verfügung gestellt werden müssten.

Aus diesem Grund sei im Haushaltsplan für das Jahr 2015 zunächst weiterhin eine Summe von 500.000,- € für das Sozialticket eingeplant. Nach der Evaluierung der bisherigen Inanspruchnahme des Sozialtickets solle im Stadtrat über die Erweiterung des Sozialtickets neu beraten und abgestimmt werden. Möglicherweise sei eine Änderung des Personenkreises schon im Laufe des Jahres 2015 denkbar. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass die Mittel aus den Jahren 2014 und 2015 nicht vollständig vom derzeit nutzungsberechtigten Personenkreis aufgebraucht würden. Bei Betrachtung der bisher ausgewerteten Zahlen sei dies nicht unrealistisch.

Bevor das Sozialticket in seiner jetzigen Form beschlossen worden sei, habe die Beklagte zusammen mit dem ... (...) die Einführung eines neuen Sozialtarifs durch den ... geplant und vorbereitet. Die Einführung eines Sozialtarifs bedürfe einer langen Vorbereitung und Abstimmung mit den im ...-Verbund befindlichen Landkreisen ..., ... und ... Da die politischen Gremien der Beklagten die Einführung des Sozialtickets jedoch schon vor Abschluss dieser Abstimmung auf den Weg hatten bringen wollen, habe man sich für die derzeitige Form des Sozialtickets als freiwilligen Zuschuss entschieden. Parallel dazu werde von der Beklagten sowie dem ..., wie ursprünglich geplant, die Neueinführung eines Sozialtarifs durch den ... vorbereitet.

Auf Bitte des Verwaltungsgerichts übermittelte die Beklagte auch die einschlägigen Niederschriften über Sitzungen der städtischen Gremien – soweit diese bereits erstellt waren.

5. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Gründe

Die Kammer konnte über sämtliche nach § 93 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Streitsachen auch in Abwesenheit von zwei Klägern verhandeln und entscheiden, weil die Ladungen den Hinweis nach § 102 Abs. 1 VwGO enthielten.

Die Bescheidungsklagen sind statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere bestehen keine Zweifel daran, dass der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO und nicht der Sozialrechtsweg (§ 51 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eröffnet ist. Denn Streitgegenstand sind keine Forderungen nach den in § 51 Abs. 1 SGG genannten Gesetzen, sondern freiwillige, gesetzlich nicht geregelte Leistungen der Beklagten zur Verbesserung der Mobilität einkommensschwacher Menschen.

Die Klagen sind auch begründet. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 17. Juni 2014 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihrem Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und Art. 118 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung (BV); sie sind deshalb aufzuheben. Nachdem auf die Gewährung des Sozialtickets kein Rechtsanspruch (im engeren Sinn), sondern insoweit lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung besteht, kann die Beklagte nur – wie klägerseits auch beantragt – zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts verpflichtet werden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Eine unmittelbare gesetzliche Anspruchsgrundlage für die Ausstellung von Berechtigungsscheinen zum Erwerb verbilligter Monatskarten, wie sie von den Klägern begehrt werden, gibt es nicht. Rechtliche Grundlage der Gewährung von Sozialtickets sind daher (nur) die mit Beschluss des Stadtrats der Beklagten vom 30. Januar 2014beschlossenen „Richtlinien“ zur Einführung eines Sozialtickets, wie sie auf der Internetseite der Beklagten veröffentlicht sind, in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV.

1.1 Die Beklagte ist nicht normativ verpflichtet, ein System zur Förderung der Mobilität bedürftiger Bürger im Rahmen des Personennahverkehrs einzuführen, sie ist aber dazu berechtigt. Nach Art. 57 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) gehört auch die öffentliche Wohlfahrtspflege zu den Aufgabe der Gemeinden im eigenen Wirkungskreis. Das eingeführte Sozialticket dient der Förderung der Teilhabe einkommensschwacher Menschen und damit der Wohlfahrtspflege. Die Beklagte macht deshalb grundsätzlich von ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) Gebrauch, wenn sie Sozialtickets einführt.

1.2 Die Gewährung von Sozialtickets ist, da hierdurch nicht in Rechtspositionen eingegriffen wird, ausschließlich Teil der leistenden Verwaltung (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.1992 – 7 C 21/90BVerwGE 90, 112). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass als rechtliche Grundlage für den Erlass von (begünstigenden) Verwaltungsakten im Bereich der leistenden Verwaltung (Subventionswesen) keine differenzierten normativen Regelungen erforderlich sind; vielmehr sind insoweit im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) untergesetzliche Richtlinien (Verwaltungsvorschriften), die die näheren Einzelheiten (z.B. tatbestandliche Voraussetzungen der Leistung, Verfahren) bestimmen und denen keine unmittelbare Außenwirkung zukommt, ausreichend. Entscheidungen aufgrund solcher Richtlinien stehen regelmäßig unter Haushaltsvorbehalt, d. h. setzen die Verfügbarkeit bereitgestellter Haushaltsmittel voraus, und sind dem Grunde nach Ermessensentscheidungen. Das Ermessen der Bewilligungsbehörde ist jedoch entsprechend dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG durch die gleichmäßige Anwendung der Richtlinien in der Praxis gebunden (Selbstbindung der Verwaltung).

Die verwaltungsgerichtliche Prüfung von Verwaltungsakten, die auf der Grundlage derartiger Förderrichtlinien erlassen werden, beschränkt sich daher auf eine Ermessenskontrolle i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO, bei der die Richtlinie selbst keiner eigenständigen richterlichen Auslegung, wie dies etwa bei Rechtsnormen der Fall ist, unterliegt. Allerdings ist ein Verwaltungsakt auch dann als ermessensfehlerhaft zu qualifizieren, wenn er zwar richtlinienkonform ist, d.h. dem durch die Richtlinie vorgegebenen Verteilungsprogramm entspricht, das Verteilungsprogramm seinerseits aber mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren und damit nicht frei von Willkür ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79BVerwGE 58, 45).

1.3 Die Beklagte hat bei der Ausgestaltung der Voraussetzungen für die freiwillige Leistung „Sozialticket“ einen weiten Ermessensspielraum, muss aber – ebenso wie der Gesetzgeber beim Erlass von (Leistungs-)Gesetzen – den Gleichheitssatz beachten (vgl. z. B. BVerfGE, B.v. 2.2.1999 – 1 BvL 8/97BVerfGE 100, 195). Der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von potentiell Leistungsberechtigten im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. z. B. BVerfG, B.v. 7.12.2012 – 1 BvL 14/07BVerfGE 130, 240 und B.v. 8.6.2004 – 2 BvL 5/00BVerfGE 110, 412 m.w.N.). Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG, B.v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07BVerfGE 129, 49).

1.4 Allerdings schließt der Gleichheitssatz nicht jede Differenzierung aus. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der „Andersbehandlung“ angemessen sind (vgl. BVerfG, B.v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07BVerfGE 124, 199 und B.v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07BVerfGE 129, 49). Dies bedeutet, dass die Anforderungen an die Rechtfertigung einer anderen Behandlung umso strenger sein müssen, je intensiver sich die Ungleichbehandlung auswirkt.

Von einer größeren Intensität ist auszugehen, wenn nicht verhaltens-, sondern personenbezogene Merkmale oder die Zugehörigkeit der Betroffenen zu einer Personengruppe zur Differenzierung herangezogen werden (vgl. BVerfG, B.v. 26.1.1993 – 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 – BVerfGE 88, 93). In diesen Fällen ist ein strenger Maßstab an die Rechtfertigung der Andersbehandlung anzulegen.

Verfahrensökonomische Gründe können als Rechtfertigung einer differenzierten Behandlung verschiedener Personengruppen nur dann in Betracht kommen, wenn „Massenerscheinungen“ geregelt werden und bei einer Gleichbehandlung „erhebliche verwaltungstechnische Schwierigkeiten entstehen würden, die nicht durch einfachere, die Betroffenen weniger belastende Regelungen behoben werden könnten“ (BVerfGE, B.v. 2.2.1999 – 1 BvL 8/97BVerfGE 100,195 m.w.N.).

Rein fiskalische Erwägungen können allerdings nicht als zureichende Differenzierungsgründe angesehen werden. Der Leistungsgeber kann zwar (im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit) frei bestimmen, in welchem Umfang er finanzielle Mittel zur Erbringung freiwilliger Leistungen ein- und im Haushaltsplan ansetzen möchte. Bei der Entscheidung über die Verteilung dieser Mittel kann eine Personengruppe jedoch nicht mit dem Hinweis auf die Begrenztheit der Mittel außen vor gelassen werden, wenn keine anderen tragfähigen Sachgründe für die Differenzierung gegeben sind. Ausgaben zu vermeiden, ist zwar ein legitimer Zweck; dieser vermag jedoch eine Ungleichbehandlung von Personengruppen nicht zu rechtfertigen. Ist ein darüber hinausgehender sachlicher Differenzierungsgrund nicht vorhanden, muss der Leistungsgeber finanzpolitischen Belangen ggf. durch eine Beschränkung der Leistungshöhe oder der Bezugsdauer für alle Berechtigten Rechnung tragen (vgl. BVerfG, B.v. 7.12.2012 – 1 BvL 14/07BVerfGE 130, 240).

2. Von vorstehenden Erwägungen ausgehend, kann die Versagung des Sozialtickets gegenüber den Klägern nicht gerechtfertigt werden. Der Ausschluss der Gruppe der Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach § 19 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II) aus dem Katalog der Leistungsberechtigten ist mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV nicht vereinbar.

2.1 Nach dem Vortrag der Beklagten dient die Einführung des Sozialtickets der Förderung der Teilhabe „besonders bedürftiger Bevölkerungsschichten“ an einem durch Mobilität bestimmten Leben. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der besonderen Bedürftigkeit derjenige, die in den Genuss der freiwilligen Leistung kommen sollen, ist nach dem zugrundeliegenden Beschluss des Stadtrats der Beklagten vom 30. Januar 2014 der Bezug bestimmter öffentlicher (Sozial-)Leistungen.

Betrachtet man die einzelnen Personengruppen, deren „Mitglieder“ die Beklagte als Bezugsberechtigte bestimmt hat, ergibt sich in Bezug auf deren wirtschaftliche Situation (Einkommen und Vermögen) folgendes Bild:

• Leistungsempfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (§§ 41 ff. SGB XII) sind Personen, die die Regelarbeitszeitgrenze (derzeit 65 Jahre + 2 Monate) erreicht oder die das 18. Lebensjahr vollendet haben und – unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage – aus medizinischen Gründen dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, wenn sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht selbst aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten können (§ 41 Abs. 1 und 3 SGB XII.

Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können und weder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld) noch Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) erhalten (z.B. Personen, die die Regelarbeitszeitgrenze noch nicht erreicht haben und nur vorübergehend erwerbsgemindert sind).

Der notwendige Lebensunterhalt (mit Ausnahme der erforderlichen Aufwendungen für die Unterkunft und die Heizung – diese werden zusätzlich in tatsächlicher Höhe berücksichtigt (§ 35 SGB XII) – sowie weiterer Sonderbedarfe) bemisst sich bei der Grundsicherung im Alter wie auch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt im Übrigen nach pauschalen abgestuften Regelbedarfssätzen, die nach dem Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfsermittlungsgesetz) ermittelt und fortgeschrieben werden. Derzeit beträgt der Regelbedarf für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die alleinstehend oder alleinerziehend ist und einen eigenen Haushalt führt (Regelbedarfsstufe 1), 391,00 €.

Zur Deckung ihres notwendigen Bedarfs haben die Leistungsberechtigten vorrangig ihr Einkommen nach näheren Bestimmungen in §§ 82 ff. SGB XII sowie grundsätzlich ihr gesamtes verwertbares Vermögen – soweit es sich nicht um sog. Schonvermögen i.S.d. § 90 Abs. 2 SGB XII handelt – einzusetzen.

• Wohngeld wird entweder als Mietzuschuss oder Lastenzuschuss gewährt und dient der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens (§ 1 des Wohngeldgesetzes – WoGG). Die Höhe des Wohngeldes ist nach § 4 WoGG abhängig von der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder (§§ 5 bis 8 WoGG), den (angemessenen) Kosten der Unterkunft (Miete oder Belastung nach §§ 9 bis 12 WoGG) und dem Gesamteinkommen. Da bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (und auch beim Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch) die (angemessenen) Unterkunftskosten in vollem Umfang berücksichtigt werden, sind Empfänger der genannten Transferleistungen vom Wohngeldbezug ausgeschlossen (§ 7 Abs. 1 Nrn. 1, 5 und 6 WoGG). Wohngeldbezug wird deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn ein (regelmäßig wohl geringfügig) über dem jeweils maßgeblichen Bedarf nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (und dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch) liegendes Einkommen vorhanden ist. Im Unterschied zu den genannten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch und denen nach dem Zweiten Buch setzt die Gewährung von Wohngeld grundsätzlich nicht den vorherigen Vermögenseinsatz voraus – ausgenommen bei missbräuchlicher Inanspruchnahme nach § 21 Nr. 3 WoGG (vgl. z.B. BVerwG, U.v.18.4.2013 – 5 C 21/12NVwZ-RR 2013, 719 und juris).

• Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten die in § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 des genannten Gesetzes bezeichneten Ausländer, denen allesamt gemein ist, dass sie entweder (noch) kein gesichertes Bleiberecht im Bundesgebiet haben oder (vollziehbar) ausreisepflichtig sind. Je nach Ort der Unterbringung können die Leistungen als Sach- und/oder Geldleistungen gewährt werden. Die Höhe der (Geld-)Leistungen entspricht nicht dem Niveau der Leistungen nach dem Zweiten und dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs, sondern ist geringer. Einkommen und Vermögen sind einzusetzen.

Demgegenüber stellt sich die wirtschaftliche Situation der von der Inanspruchnahme des Sozialtickets ausgeschlossenen Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch wie folgt dar:

• Arbeitslosengeld II erhält, wer das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig ist und seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht selbst aus seinem Einkommen und Vermögen decken kann (§ 7 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB II). Nach § 7 Abs. 2 Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II erhalten nichterwerbsfähige Personen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches (Hilfe zum Lebensunterhalt) haben.

Der notwendige Lebensunterhalt (mit Ausnahme der erforderlichen Aufwendungen für die Unterkunft und die Heizung – diese werden nach § 22 SGB II zusätzlich in tatsächlicher Höhe berücksichtigt, soweit diese angemessen ist – sowie weiterer Sonderbedarfe nach §§ 21 und 28 SBG II) bemisst sich wie bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch gemäß § 20 SGB II nach pauschalen abgestuften Regelbedarfssätzen, die nach dem Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfsermittlungsgesetz) ermittelt und fortgeschrieben werden. Derzeit beträgt der Regelbedarf für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die alleinstehend oder alleinerziehend ist und einen eigenen Haushalt führt (Regelbedarfsstufe 1) 391,00 €. Der Leistungsumfang beim Arbeitslosengeld II und beim Sozialgeld entspricht damit dem Niveau der Sozialhilfe (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch).

Zur Deckung ihres notwendigen Bedarfs haben die Leistungsberechtigten vorrangig ihr Einkommen nach näheren Bestimmungen in §§ 11 bis 13 SGB II sowie grundsätzlich ihr gesamtes verwertbares Vermögen – soweit es sich nicht um sog. Schonvermögen i.S.d. § 12 SGB II handelt – einzusetzen. Es bestehen geringfügige Unterschiede zum Einkommens- und Vermögenseinsatz nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch insoweit, als ein anderer Freibetrag bei Erwerbstätigkeit (§ 11b Abs. 2 und 3 SGB II) sowie eine höhere Freigrenze in Bezug auf das verwertbare Vermögen gilt.

2.2 Ein Vergleich zwischen der wirtschaftlichen Situation von Leistungsempfängern nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Hilfe zum Lebensunterhalt) mit der von Leistungsempfängern nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld) ergibt, dass insoweit keine, allenfalls marginale Unterschiede bestehen. Beide Personengruppen sind im Wesentlichen gleichermaßen bedürftig bzw. einkommensschwach. Um die Ungleichbehandlung der genannten Personengruppen im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz rechtfertigen zu können, bedürfte es daher weiterer tragfähiger Sachgründe.

Dies gilt umso mehr, als die Leistungen für die Betroffenen durchaus ins Gewicht fallen – für viele Empfänger von Arbeitslosengeld II (bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres) sogar in stärkerem Maße als für Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Ein Empfänger von „Hartz IV-Leistungen“ unter 63 Jahren würde sich durch das Sozialticket einen Betrag von 34,40 € monatlich (Preis für Jedermannsmonatskarte 59,40 € abzüglich 25,00 €) und damit 8,8 % des Regelsatzes eines Alleinstehenden ersparen. Dagegen hat ein Bezieher von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (nach Erreichen der Altersgrenze) lediglich einen Preisvorteil von 12,70 € gegenüber der regulären Seniorenmonatskarte, die 37,70 € kostet (und die Vollendung des 63. Lebensjahres voraussetzt), und spart damit nur 3,25 % des Regelsatzes ein.

Es ist allerdings nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, von sich aus nach geeigneten Rechtfertigungsgründen zu suchen. Denn streitgegenständlich sind Ermessensentscheidungen der Beklagten, die nur einer eingeschränkten Kontrolle unterliegen. Insbesondere darf das Verwaltungsgericht nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Beklagten als „Richtlinien- und Leistungsgeberin“ setzen. Es kann daher nur überprüfen, ob die Gründe, die die Beklagte erwogen hat, geeignet sind, die Andersbehandlung von „Hartz IV-Empfängern“ gegenüber Sozialhilfeempfängern zu rechtfertigen. Dabei ist zuvörderst zu ermitteln, welche Motive den Stadtrat der Beklagten als dem maßgeblichen Entscheidungsgremium (Art. 29 und 30 Abs. 1 und Abs. 1 GO) dazu veranlasst haben, die Gruppe der Empfänger von Transferleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch aus dem Kreis der Begünstigten, d.h. derjenigen, die ein Sozialticket erhalten können, auszuschließen. Darüber hinaus ist auch das sonstige Vorbringen der Beklagten in der Begründung der angefochtenen Bescheide und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in den Blick zu nehmen.

2.3 Hinsichtlich der Erforschung des (politischen) Willens des Stadtrats kann im Wesentlichen nur auf die Niederschrift über die Stadtratssitzung vom 30. Januar 2014 zurückgegriffen werden, die dem Gericht auszugsweise in Ablichtung vorgelegt wurde. Die vorgelegten Niederschriften über die Sitzungen des Jugend-, Sozial- und Wohnungsausschusses vom 24. April 2013 und vom 16. Oktober 2013 sind hinsichtlich der Frage des berechtigten Personenkreises unergiebig. Eine (insoweit möglicherweise ergiebigere) Niederschrift über die Sitzung des Jugend-, Sozial- und Wohnungsausschusses vom 15. Januar 2014 wurde nach Angabe der Beklagten noch nicht erstellt und kann deshalb auch nicht berücksichtigt werden.

2.3.1 Betrachtet man die Redebeiträge der Stadtratsmitglieder, die sich gegen die Einbeziehung der „Hartz IV-Empfänger“ in den Kreis der Leistungsberechtigten ausgesprochen haben, so spricht vieles dafür, dass insoweit im Wesentlichen fiskalische Erwägungen maßgeblich waren. Nachdem einerseits, wie wiederholt hervorgehoben wurde, der im Haushalt 2014 angesetzte Betrag von 500.000,00 € nicht überschritten werden sollte, andererseits aber nach einer Schätzung der Verwaltung der Beklagten bei einer umfassenden Leistungsberechtigung („Alternative 3: Sozial-Ticket für SGB XII + Wohngeld + Asyl + SGB II (ca. 20.000 Personen)“) und einer Inanspruchnahmequote von 20 % aller Berechtigten (Sach-)Kosten von jährlich etwa 1.000.000,00 € und Personalkosten von 210.000,00 € zu erwarten waren, sah sich das Gremium vor die Entscheidung gestellt, entweder den Preisvorteil des Sozialtickets gegenüber den regulären Monatskarten zu marginalisieren oder den Berechtigtenkreis zu reduzieren. Für letzteres hat sich der Stadtrat der Beklagten dann – allein zu Lasten der Gruppe „SGB II“ – entschieden. Wie oben unter 1.4 bereits dargelegt, können jedoch fiskalische Interessen den Ausschluss einer Personengruppe von einer Begünstigung nicht rechtfertigen, wenn die ausgeschlossene Gruppe im Wesentlichen mit einer anderen (begünstigten) Personengruppe vergleichbar ist. Letzteres trifft vorliegend zu.

Andere tragfähige Sachgründe für eine differenzierte Behandlung der genannten Transferleistungsempfänger lassen sich in den Redebeiträgen, so wie sie in der Niederschrift wiedergegeben sind, allenfalls ansatzweise finden:

- Soweit ein Differenzierungsgrund darin gesehen wird, dass die „Hartz IV-Berechtigten … bereits in der Hartz IV-Zahlung einen 25 €-Mobilitätszuschuss“ bekämen (Seite 32 der Sitzungsniederschrift), ist dies nur die „halbe Wahrheit“, denn dies trifft gleichermaßen auf die Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu. Die Regelbedarfe enthalten in allen Fällen einen Anteil „Verkehr“ als regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgabe (§ 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz).

Soweit vorgebracht wurde, dass eine Begünstigung der Gruppe der Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch deshalb gerechtfertigt sei, weil diese Personen „stabil keine Chance mehr hätten, ins System zurückzukommen“ (Seite 33 der Sitzungsniederschrift), kann dies nicht überzeugen. Wenn damit die „Rückkehr“ in eine (den Lebensunterhalt sicherstellende) Erwerbstätigkeit (im ersten Arbeitsmarkt) gemeint gewesen sein sollte, dann trifft die Aussage, dass dieser Weg für Bezieher von Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung abgeschnitten sei, zu. Bei Personen, die die Alterszeitgrenze erreicht haben, liegt dies jedoch in der Natur der Sache. Andererseits sinken die Chancen von Langzeitarbeitslosen, die „Hartz IV-Leistungen“ beziehen, im ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen zu können, mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit rapid ab. Insoweit erscheint eine Differenzierung der beiden Personengruppen nicht sachgerecht, zumal auf die aktuelle Bedürftigkeit und nicht auf eine (oftmals allenfalls vage) Chance, der Arbeitslosigkeit entkommen zu können, abzustellen sein wird. Für den Langzeitarbeitslosen ändert der Hinweis auf die Möglichkeit, irgendwann wieder in „Lohn und Brot“ gelangen zu können, nichts an seiner aktuellen wirtschaftlichen Misere, die sich nicht von der eines Empfängers von Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung unterscheidet.

- Soweit zur Begründung der Andersbehandlung ausgeführt wurde, dass bei Empfängern von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld im Falle der Erwerbstätigkeit (sog. Aufstocker) ein Freibetrag von 100,00 € berücksichtigt werde (Seite 33 der Sitzungsniederschrift), wird übersehen, dass nach § 82 Abs. 3 SGB XII auch bei Empfängern von Sozialhilfe ein Erwerbseinkommen teilweise nicht auf die Hilfe angerechnet wird. Zwar mögen die in § 82 SGB XII sowie in § 11b SGB II enthaltenen „Hinzuverdienstregelungen“ in Bezug auf das freizulassende Erwerbseinkommen zu unterschiedlichen Freibeträgen führen, doch ist nicht ersichtlich und von der Beklagten im Einzelnen auch nicht dargelegt, dass diese Unterschiede so gewichtig wären, dass sie eine Ungleichbehandlung der beiden Personenkreise in Bezug auf die Berechtigung zur Nutzung des Sozialtickets rechtfertigen könnten. Dies gilt umso mehr, als eine eventuelle „Hinzuverdienstprivilegierung“ nicht bei allen „Hartz IV-Empfängern“ zu Buche schlägt, sondern lediglich für die „Untergruppe“ der Aufstocker relevant ist.

- Weiter erscheinen auch eventuelle verwaltungspraktische Problem, zu denen die Einbeziehung der Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in die Sozialticket-Förderung führen könnte, nicht durchgreifend. Zwar wurde in der genannten Stadtratssitzung ausgeführt, dass im Bereich der „SGB II-Leistungen“ häufiger Veränderungen in Bezug auf die Hilfeempfänger („Zu- und Abgang“) einträten; auch sei im Sozialamt eine „cleverere EDV“ vorhanden die eine „einfachere Abwicklung“ des Förderprogramms (nur hinsichtlich von Sozialhilfeempfängern) ermögliche (Seite 33 der Sitzungsniederschrift). Dies kann nach Überzeugung der Kammer eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen. Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld könnten ihre Bezugsberechtigung durch Vorlage des betreffenden aktuellen Leistungsbescheids des Jobcenters nachweisen (vgl. dazu VG Aachen, U.v. 28.11.2007 – 8 K 2082/05 – juris zur Befreiung von Sozialleistungsempfängern von der Rundfunkgebührenpflicht); dies wird von der Beklagten bei Anträgen auf „Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II (Arbeitslosengeld II), § 34 SGB XII (Sozialhilfe), bzw. § 6b BKGG i.V.m. § 28 SGB II (Wohngeld, Kinderzuschlag)“ auch so praktiziert, wie sich aus dem betreffenden Antragsformular ergibt (herunterzuladen unter http://www.armutspraevention...de). Dass es Veränderungen im Personenkreis der „Hartz IV-Empfänger“ geben kann und wird, ist jedenfalls kein Grund, diese Personengruppe von der Berechtigung zum Bezug des Sozialtickets auszunehmen, da Veränderungen auch bei den Mitgliedern anderer (begünstigter) Personengruppen eintreten können. Im Übrigen zeigt die Verwaltungspraxis der Landeshauptstadt München sowie die der Stadt Nürnberg, wo auch Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch Sozialtickets erhalten, dass solche verwaltungspraktische Probleme lösbar sind.

- Schließlich ist auch der wiederholt von einzelnen Stadtratsmitgliedern geäußerte Hinweis auf eine beabsichtigte „Evaluierung“ im Zusammenhang mit den Beratungen zum Haushalt 2015 nur vor dem Hintergrund der im Jahr 2014 zur Verfügung stehenden auf 500.000,00 € begrenzten Haushaltsmittel zu erklären. Ein solches „Vertrösten“ der Personengruppe der Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld auf mögliche „bessere Zeiten“, das seinen Grund ausschließlich im aktuellen Haushaltsansatz hat, rechtfertigt, wie oben jedoch unter Verweis auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung bereits dargelegt wurde, die Ungleichbehandlung der genannten Personengruppe jedenfalls nicht.

2.3.2 Ein tragfähiger Differenzierungsgesichtspunkt kann weder der Begründung der streitgegenständlichen Bescheide – diese verweisen nur auf die „Förderrichtlinien“ – noch dem Vortrag der Beklagten im Klageverfahren entnommen werden.

- Soweit geltend gemacht wird, dass „Hartz IV-Empfänger“ wegen ihrer Erwerbsfähigkeit im Vergleich zu Empfängern von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung „im Regelfall deutlich mobiler“ seien, mag dies zwar oftmals im Hinblick auf das Zufußgehen zutreffen; Mobilität als Grundlage der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – deren Förderung ist nach dem Vorbringen der Beklagten auch der Grund für die Einführung des Sozialtickets – ist jedoch nicht allein durch die Fähigkeit, sich einigermaßen flüssig zu Fuß fortbewegen zu können, gewährleistet. Vielmehr kommt es maßgeblich auch darauf an, dass dem Betroffenen die Möglichkeit offensteht, auch größere Entfernungen innerhalb des Stadtgebiets der Beklagten in angemessener Zeit zurücklegen zu können, was regelmäßig den Einsatz eines Fahrzeugs bedingt. Nachdem „Hartz IV-Empfänger“ kaum über eigene Kraftfahrzeuge verfügen dürften, verbleibt ihnen nur die Möglichkeit der Nutzung von Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs. Auch der Hinweis der Beklagten, dass den Empfängern von Arbeitslosengeld II oftmals die Benutzung von Fahrrädern vorrangig vor anderen Verkehrsmitteln als zumutbar anzusinnen sei, verfängt in dieser Pauschalität nicht. Beispielsweise dürfte es Alleinerziehenden im „ALG II-Bezug“ mit einem oder mehreren Kindern unter drei Jahren kaum zuzumuten sein, gemeinsam mit einem Kind zu jeder Jahreszeit mit dem Fahrrad etwa zum Kinderarzt oder zum Erledigen von Besorgungen des täglichen Lebens zu fahren. Dass diese Personengruppe keineswegs eine zahlenmäßig nur unbedeutende Rolle spielt, kann dem Sozialbericht der Beklagten für das Jahr 2012 (siehe dort Seite 21) entnommen werden. Danach waren 2012 23,5 % der Haushalte mit Kindern Alleinerziehendenhaushalte; von den Alleinerziehenden waren wiederum 44 % von staatlichen Transferleistungen abhängig. Dass sich zwischenzeitlich signifikante Veränderungen ergeben hätten, ist nicht anzunehmen. Andererseits gibt es auch bei den über 65-Jährigen einen nicht unerheblichen Anteil von körperlich leistungsfähigen Personen, denen die Benutzung eines Fahrrads eher zugemutet werden könnte, als manchen jüngeren Langzeitarbeitslosen.

- Weiter ist auch das Argument, dass Empfänger von Arbeitslosengeld II Kosten, die ihnen für Fahrten zu Bewerbungsgesprächen entstehen, üblicherweise auf Antrag erstattet bekämen, für die getroffene Andersbehandlung nicht tragfähig. Denn die Bedeutung der Mobilität, die durch das Sozialticket gefördert werden soll, erschöpft sich nicht darin, zu Bewerbungsgesprächen fahren zu können.

- Soweit in der Klageerwiderung anklingt, dass die Versagung der Begünstigung für die Personengruppe der Empfänger von Arbeitslosengeld II als Maßnahme zur Stärkung deren Eigenverantwortung und damit gleichsam als „Hilfe“ zur Überwindung ihrer aktuellen Situation anzusehen sei, kann das Gericht dies nicht nachvollziehen.

2.4 Nachdem die Andersbehandlung der Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld im Vergleich zu Empfängern von Sozialhilfe nicht zu rechtfertigen ist, sind die angefochtenen Entscheidungen rechtswidrig und bereits deshalb aufzuheben. Auf die Frage, ob der Ausschluss der Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch auch im Vergleich zu Empfängern von Wohngeld sowie Empfängern von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gegen den Gleichheitssatz verstößt, kommt es daher nicht mehr entscheidend an.

Wie oben bereits dargelegt, kann das Verwaltungsgericht die Beklagte (nur) zur Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichten.

3. Nach alledem sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zur erneuten Entscheidung über die klägerischen Anträge auf Ausstellung von Sozialtickets unter Beachtung der vorstehend dargelegten Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO.