LG Krefeld, Beschluss vom 05.06.2014 - 1 S 30/14
Fundstelle
openJur 2014, 22283
  • Rkr:
Tenor

Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers vom 28.04.2014 wird zurückgewiesen.

Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten findet gemäß § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht statt.

Gründe

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn H. W. (nachfolgend "Insolvenzschuldner") gegenüber der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1.921,20 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten geltend.

Der Insolvenzschuldner betrieb ab der zweiten Jahreshälfte 2010 eine Gaststätte am J. Platz 3 in L. Die Beklagte belieferte die Gaststätte des Insolvenzschuldners mit Strom und Wasser. Am 13.12.2010 mahnte die Beklagte ausstehendes Entgelt in Höhe von 78,80 € an und drohte eine Unterbrechung der Anschlussnutzung an. Mit Schreiben vom 24.01.2011 kündigte die Beklagte gegenüber dem Insolvenzschuldner eine kurzfristige Anschlussunterbrechung wegen einer Abschlagsforderung in Höhe von 1.059,00 € an. Ebenfalls im Januar 2011 leistete der Insolvenzschuldner einen Betrag in Höhe von 500,00 € an die Beklagte. Unter dem 09.02.2011 erfolgte eine weitere Mahnung der Beklagten in Höhe von 287,60 €, wobei die Beklagte erneut die Unterbrechung der Anschlussnutzung androhte. Am 16.02.2011 teilte die Beklagte dem Insolvenzschuldner mit, dass eine Einziehung eines Entgeltbetrages in Höhe von 32,60 € zweimalig wegen unzureichender Kontendeckung gescheitert sei. Am 04.03.2011 wurde der Insolvenzschuldner spätestens zahlungsunfähig. Mit Schreiben vom 27.04.2011 kündigte die Beklagte gegenüber dem Insolvenzschuldner eine Anschlussunterbrechung zum 02.05.2011 wegen einer Abschlagsforderung in Höhe von 1.610,00 € an. Der Insolvenzschuldner leistete am 02.05.2011 einen Betrag in Höhe von insgesamt 921,20 € sowie am 09.06.2011 einen Betrag in Höhe von 1.000,00 € bar an die Beklagte. Auf einen Antrag vom 29.07.2011 hin eröffnete das Amtsgericht L. am 09.02.2012 (00 IN 0/00) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dieser erklärte mit eigenem Schreiben vom 15.02.2012 und anwaltlichen Schreiben vom 30.07.2012 gegenüber der Beklagten die Anfechtung der Zahlungen des Insolvenzschuldners aus Mai bzw. Juni 2011 und forderte einen Betrag in Höhe von insgesamt 1.921,20 € zurück. Eine Zahlung der Beklagten erfolgte nicht.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe im Zeitpunkt des Erhalts der angefochtenen Barzahlungen aus Mai und Juni 2011 Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners gehabt.

Wegen der weiteren Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht Krefeld hat die Klage mit Urteil vom 27.03.2014 vollumfänglich abgewiesen. Mit Antrag vom 28.04.2014 begehrt der Kläger Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung. Insoweit möchte der Kläger unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrages seine Anträge aus erster Instanz weiterverfolgen.

II.

Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers vom 28.04.2014 ist zurückzuweisen, weil die in der zweiten Instanz beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO bietet. Die vom Kläger beabsichtigte Berufung wäre zwar zulässig, jedoch unbegründet.

1.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 1.921,20 € zu. Ein solcher Anspruch könnte sich allenfalls aus den §§ 143 Abs. 1, 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ergeben, allerdings fehlt es vorliegend an den Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung wegen kongruenter Deckung.

Für eine wirksame Anfechtung der Barzahlungen des Insolvenzschuldners an die Beklagte im Mai und Juni 2011 in Höhe von insgesamt 1.921,20 € fehlt es an einem Anfechtungsgrund, weil nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden kann, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Empfanges der streitgegenständlichen Leistungen von der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners Kenntnis hatte.

a)

Für die Annahme einer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners i.S.v. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO genügt gemäß § 130 Abs. 2 InsO die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners schließen lassen.

Weil Kenntnis i.S.v. § 130 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 InsO ein für sicher gehaltenes Wissen erfordert, genügt die Kenntnis von Tatsachen, die lediglich eine ungewisse Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit befürchten lassen, nicht. Der zwingende Schluss aus einzelnen Indiztatsachen auf die Zahlungsunfähigkeit kann vielmehr nur gezogen werden, wenn sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken auf den eigenen Vorteil nicht beeinflusst ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, sein Schuldner sei zahlungsunfähig (BGH, Urteil vom 18.07.2013, IX ZR 143/12; BGH, Urteil vom 19.02.2009, IX ZR 62/08).

Da ein einzelner Gläubiger regelmäßig keinen Einblick in die fälligen Gesamtverbindlichkeiten seines Schuldners hat, muss im Hinblick auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit darauf abgestellt werden, ob sich die schleppende oder ganz ausbleibende Tilgung seiner Forderung bei einer Gesamtbetrachtung der für ihn ersichtlichen Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der Art der Forderung, der Person des Schuldners und dem Zuschnitt dessen Geschäftsbetriebes, als ausreichendes Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit darstellt. Dabei muss berücksichtigt werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die einer Gesamtwürdigung und Bewertung nach § 286 Abs. 1 ZPO bedürfen (BGH, Urteil vom 18.07.2013, IX ZR 143/12; BGH, Urteil vom 01.07.2010, IX ZR 70/08; BGH, Urteil vom 13.08.2009, IX ZR 159/06; BGH, Urteil vom 12.10.2006, IX ZR 228/03; LG Krefeld, Urteil vom 07.02.2014, 1 S 78/13; LG Krefeld, Urteil vom 20.12.2013, 1 S 82/13).

Belastbare Indizien für eine Zahlungsunfähigkeit liegen beispielsweise dann vor, wenn der Schuldner offen gegenüber dem Gläubiger erklärt, fällige Forderungen nicht alsbald tilgen zu können (BGH NJW 2003, 3560), wenn der Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung nur teilweise oder nur schleppend erfüllt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.03.2013, 12 U 52/12), wenn der Gläubiger von Strafverfolgungsmaßnahmen gegen den Schuldner wegen Vermögensdelikten erfährt (BGH WM 1991, 150) oder wenn der Gläubiger davon Kenntnis erlangt, dass die Hausbank des Schuldners sämtliche Kredite sofort fällig gestellt hat (BGH NJW 2001, 1650).

b)

Bei einer Gesamtwürdigung sämtlicher der Beklagten vorliegend bekannten Umstände, kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen des Insolvenzschuldners vom 02.05.2011 sowie vom 09.06.2011 in Höhe von insgesamt 1.921,20 € hinreichende Gewissheit der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners hatte.

Die Kammer verkennt nicht, dass der Insolvenzschuldner wiederholt selbst auf Sperrandrohungen und Sperrankündigungen der Beklagten die jeweils ausstehenden Entgeltforderungen nicht vollständig erfüllt hat und wegen eines geringen Betrages Rücklastschriften erfolgten. Dies war insoweit bemerkenswert, als dass der Insolvenzschuldner zum Betrieb seiner Gaststätte zwingend auf die Strom- und Wasserlieferungen der Beklagten angewiesen war. Allerdings muss dabei einschränkend berücksichtigt werden, dass Rücklastschriften und Zahlungen nach Sperrandrohungen, Sperrankündigungen oder erfolgten Sperrmaßnahmen für Energieversorgungsunternehmen nicht unüblich sind und keinesfalls nur bei zahlungsunfähigen Kunden auftreten (vgl. insoweit LG Frankfurt/Oder, Urteil vom 10.07.2006, 14 O 426/05). Daher musste die Beklagte nicht allein wegen des Zahlungsverhaltens des Insolvenzschuldners nach Versand der Sperrankündigungen vom 24.01.2011 und vom 27.04.2011 zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners schließen.

Zwar bediente der Insolvenzschuldner nahezu seit Beginn des Strom- und Wasserbezuges für seine Gaststätte die Entgeltforderungen der Beklagten nur unvollständig, gleichwohl war der Zeitraum von der ersten Mahnung im Dezember 2010 bis zu den angefochtenen Zahlungen im Mai und Juni 2011 nicht unverhältnismäßig lang. Überdies war der vom Insolvenzschuldner in Mai und Juni 2011 gezahlte Betrag in Höhe von insgesamt 1.921,20 € im Vergleich zu den in Rede stehenden offenen Forderungen nicht unwesentlich. Die am 27.04.2011 angekündigte Anschlussunterbrechung zum 02.05.2011 bezog sich auf einen Betrag in Höhe von 1.610,00 €. Überdies hatte der Insolvenzschuldner bereits im Januar 2011 eine Zahlung in Höhe von 500,00 € an die Beklagte geleistet. Dass sich die Zahlungsrückstände des Insolvenzschuldners gegenüber der Beklagten kontinuierlich erhöht hätten, vermag der Kläger nicht darzulegen. Auch ist nicht erkennbar, dass die Gesamtverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen derart hoch gewesen wären, dass die Beklagte nicht mehr ernsthaft auf eine Rückführung im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners hätte vertrauen können.

Auch wenn die vom Insolvenzschuldner geleisteten Teilzahlungen gegen eine reine Zahlungsunwilligkeit sprachen und der Insolvenzschuldner gegenüber der Beklagten - soweit ersichtlich - keine Einwendungen zu Grund oder Höhe der Rechnungen geltend machte, bedeutete dies nicht zwingend im Umkehrschluss, dass die Beklagte von einer Zahlungsunfähigkeit ausgehen musste. Es sind vielfältige Gründe denkbar, warum im Geschäftsverkehr einzelne Rechnungen nicht fristgerecht bezahlt werden. Neben Liquiditätsschwierigkeiten des Schuldners können insbesondere auch eine Unzufriedenheit des Schuldners mit der Gegenleistung des Gläubigers, eine Unzufriedenheit des Schuldners mit den wirtschaftlichen Ergebnissen des Rechtsgeschäftes oder organisatorische bzw. technische Defizite in der Buchhaltung des Schuldners zu Zahlungsverzögerungen oder Zahlungsausfällen führen. Dass die Beklagte durchaus auch eine Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners für möglich erachten musste, genügt für eine Kenntnis i.S.v. § 130 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 InsO nicht.

Die Beklagte verfügte über keine Informationen zur wirtschaftlichen Situation des Insolvenzschuldners, die über das Zahlungsverhalten ihr gegenüber hinausgegangen wären, und die - in Zusammenschau mit dem Zahlungsverhalten des Insolvenzschuldners - eine Zahlungsunfähigkeit als gewiss hätten erscheinen lassen. Dies liegt letztlich auch daran, dass es sich bei der Beklagten - entgegen der Auffassung der Berufung - nicht um eine institutionelle Gläubigerin im insolvenzrechtlichen Sinne handelt. Institutionelle Gläubiger i.S.d. §§ 129 ff. InsO sind nach der Rechtsprechung Organisationen, die im Allgemeininteresse, im eigenen Interesse oder im Interesse ihrer Mitglieder die Entwicklung eines krisenbehafteten Unternehmens zu verfolgen haben und regelmäßig über gesicherte Erkenntnisse über die Liquiditätsgesamtlage dieses Unternehmens verfügen. Dies sind beispielsweise Finanzämter, Sozialkassen oder Banken (BGH NZI 2011, 684; BGH, Urteil vom 19.02.2009, IX ZR 62/08; LG Frankfurt, Urteil vom 04.04.2012, 24 O 208/11). Als privates Energieversorgungsunternehmen verfügt die Beklagte über keine besonderen Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich der Liquiditätsgesamtlage einzelner Kunden.

Etwas Anderes ergibt sich schließlich auch nicht unter Berücksichtigung des von der Berufung in Bezug genommenen § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO. Die Zahlungseinstellung i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO meint eine Einstellung sämtlicher Zahlungen gegenüber allen Gläubiger und nicht nur die Einstellung bestimmter Zahlungen gegenüber einzelnen Gläubigern (Eilenberger in: Münchener Kommentar zur InsO, 3. Auflage 2013, § 17 Rn. 34 ff.). Dies hat der Bundesgerichtshof beispielsweise im Hinblick auf den Fiskus eines Bundeslandes angenommen, der wusste, dass die Steuerschuldnerin sämtliche Zahlungen gegenüber allen Gläubigern eingestellt hatte (BGH, Urteil vom 15.03.2012, IX ZR 239/09). Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig, dass die Beklagte keinen Einblick in die wirtschaftliche Gesamtsituation des Insolvenzschuldners und dessen Zahlungsverhaltens gegenüber anderen Gläubigern hatte.

2.

Mangels Hauptforderung kann der Kläger von der Beklagten weder Verzugszinsen noch Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verlangen.

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