Hessisches LAG, Urteil vom 09.04.2014 - 18 Sa 1120/13
Fundstelle
openJur 2014, 21944
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Fulda vom 14. August 2013 – 3 Ca 169/13 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrages.

Die Beklagte mit Sitz in A ist ein Unternehmen, welches für andere Unternehmen der B Dienstleistungen erbringt. Ein Betriebsrat ist gebildet.

Die am XX.XX.19XX geborene, verheiratete Klägerin war aufgrund mehrerer befristeter Verträge seit 2010 bei der Beklagten beschäftigt. Zur Wiedergabe der Laufzeit der einzelnen Verträge wird auf die Akte verwiesen.

Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigung bei der Beklagten durch ein Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen vereinbarten die Parteien am 10. August 2012 einen Vertrag, wonach die Klägerin von 13. August 2012 befristet bis 31. Januar 2013 bei der Beklagten als Aushilfe eingestellt wurde (vgl. Anlage zur Klageschrift, Bl. 17-22 d.A.). Am 31. Dezember 2012 schlossen die Parteien eine „Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag“, durch welche geregelt wurde: „Der befristete Arbeitsvertrag bis 31.12.2012 wird verlängert bis 31.03.2013 und endet automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Alle anderen Vertragsbedingungen bleiben durch diese Zusatzvereinbarung unberührt.“ (Kopie s. Anlage zur Klageschrift, Bl. 23 d.A.). Die Klägerin verdiente nach diesem Vertrag bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden eine Monatsvergütung von zuletzt 1.573,24 € brutto. Sie wurde im Betrieb C in der Wareneinlagerung eingesetzt.

Nachdem die Beklagte die Klägerin nach dem 31. März 2013 nicht mehr beschäftigen wollte und sich auf die Befristung des Vertrages berief, legte die Klägerin, eingehend am 17. April 2013 bei dem Arbeitsgericht Fulda, Entfristungsklage ein und verlangte ihre vorläufige Weiterbeschäftigung.

Sie hat bestritten, dass ein vorübergehender Bedarf iSd. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG für ihre am 31. Dezember 2012 vereinbarte Beschäftigung bestanden habe.

Der Klägerin hat beantragt,

1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 31. Dezember 2012 vereinbarten Befristung am 31. März 2013 beendet worden ist;2.für den Fall ihres Obsiegens mit dem Antrag zu 1.) die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Versandmitarbeiterin weiter zu beschäftigen.Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Befristung des letzten Vertrages sei wegen eines nur übergehenden Bedarfs gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG gerechtfertigt. Sie hat dazu behauptet, der durch das Weihnachtsgeschäfts vorübergehend erhöhte Arbeitsbedarf baue sich nicht schnell, sondern langsam bis zum Ostergeschäft, d.h. Ende März, ab. Dies sei darauf zurückzuführen, dass Waren retourniert und Gutscheine eingelöst würden. Sie habe Ende Dezember 2013 prognostiziert, dass deswegen weiter ein vorübergehender Bedarf an der Arbeitskraft der Klägerin, wie für viele andere Mitarbeiter auch, bestehen werde. Es sei hinreichend sicher gewesen, dass danach kein zusätzlicher Bedarf mehr abzudecken sein werde.

Das Arbeitsgericht Fulda hat der Klage durch Urteil vom 14. August 2013 stattgegeben und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung der Klägerin als Versandmitarbeiterin verurteilt. Die Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, wonach die Prognose gerechtfertigt gewesen sei, dass nach Ablauf der Befristung das zu erwartende Arbeitspensum wieder ohne erneute Einstellungen vom verbleibenden Stammpersonal erledigt werden könne. Der Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung folge den zur vorläufigen Weiterbeschäftigung nach einer nicht gerechtfertigten Kündigung durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen.

Zur Wiedergabe der vollständigen Gründe der angegriffenen Entscheidung sowie des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 142-149 d. A.).

Die Beklagte hat gegen das ihr am 20. August 2013 zugestellte Urteil mit einem Schriftsatz, welcher am 23. September 2013, einem Montag, bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht einging, Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 21. November 2013 an diesem Tag bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Beklagte wiederholt und ergänzt ihren Vortrag aus erster Instanz. Sie rügt mit der Berufung, dass die Prognoseentscheidung sich nur auf den vorübergehenden Arbeitskräftebedarf beziehen müsse. Es sei nicht notwendig, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Vertrags ausschließen könne, dass er nach Fristablauf außer den Stammkräften keine weiteren Arbeitnehmer mehr benötige.

Die Beklage behauptet, sie stelle wöchentlich Prognosen zu ihrem Personalbedarf auf, die ständig angepasst würden. Für den Betrieb C, in welchem die Klägerin arbeitete, könne generell ausgesagt werden, dass sich der erhöhte Arbeitskraftbedarf durch das spätestens im September eines Jahres beginnende Weihnachtsgeschäft erst mit dem Ostergeschäft reduziere, da dort im ersten Quartal eines Jahres zusätzlich Frühjahrs- und Sommerbekleidung eingelagert werde. Sie benötige durchschnittlich ein Stammpersonal von ca.1.300 Vollzeitarbeitskräften, jedoch mit steigender Tendenz, da ihr Unternehmen noch wachse. Der Arbeitskraftbedarf sei für Dezember 2003 mit 2.320 Vollzeitarbeitskräften, für März 2013 mit 1.685 Vollzeitarbeitskräften und für April 2013 mit 1.527 Vollzeitarbeitskräften prognostiziert worden. Tatsächlich habe sie weniger Arbeitskräfte benötigt, nämlich 1.442 Vollzeitmitarbeiter im März 2013 und 1.484 Vollzeitmitarbeiter im April 2013. Der gegenüber März höhere Arbeitskräftebedarf im April 2013 beruhe auf Sondereffekten und habe sich erst Ende März 2013 herausgestellt. Er sei Ende Dezember 2012 noch nicht erkennbar gewesen, insgesamt habe sie zu Ende März 2013 wegen des gegenüber den Vormonaten verringerten Bedarfs 83 Arbeitsverhältnisse nicht mehr verlängert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Fulda vom 14. Aug. 2013 - 3 Ca 169/13 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Sie bestreitet, die von der Beklagten angegebenen Werte ihrer Prognose und den tatsächlichen Bedarf von Arbeitnehmern und macht geltend, dass die Zahlen unterschiedliche Relationen von Wareneinheiten, Arbeitsstunden und Vollzeitarbeitsplätzen erkennen ließen, was ihre Richtigkeit in Frage stelle. Sie behauptet, die Beklagte habe im April 2013 insgesamt 148 Arbeitnehmer neu befristet eingestellt.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 09. April 2014 (Bl. 257 d. A.) verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. August 2013 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Fulda ist zulässig. Das Rechtsmittel ist in einem Rechtsstreit über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses eingelegt und damit ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstands statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Die Beklagte hat die Berufung auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Entfristungsklage stattgegeben und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt.

I.

Für die Befristung des am 31. Dezember 2012 geschlossenen Arbeitsvertrages bis zum 31. März 2013 bestand kein sachlicher Grund iSd. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG.

1.

Die Klägerin hat mit ihrer am 17. April 2013 bei dem Arbeitsgericht Fulda eingegangenen Klage die Frist gem. § 17 S. 1 TzBfG gewahrt, so dass die Wirksamkeit der Befristung zu überprüfen war.

2.

Der Vertrag der Parteien bedurfte eines sachlichen Grundes gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG. Eine sachgrundlose Befristung war unzulässig nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG, da die Klägerin schon vor dem vermeintlich verlängerten Vertrag vom 10. August 2012 in befristeten Arbeitsverhältnissen zu der Beklagten gestanden hatte.

Es ist lediglich die Befristung des Vertrages vom 31. Dezember 2012 zu überprüfen, da die Klägerin frühere befristete Verträge nicht jeweils innerhalb der Frist nach § 17 S. 1 TzBfG angegriffen hat. Die Beklagte hat sich auch nicht darauf berufen, dass dieser Vertrag als „Annexvertrag“ zu dem Vertrag vom 10. August 2012 anzusehen sei, insbesondere weil der für diesen Vertrag bereits bestehende Sachgrund eine - relativ kurze - weitere Befristung rechtfertigte (vgl. BAG Urteil vom März 2009 - 7 AZR 34/08 - NZA 2010, 34). Sie hat sich vielmehr ausschließlich auf ihre Ende Dezember 2012 aufgestellte Prognose über den Arbeitskräftebedarf bis Ende März 2013 berufen. Es ist daher ohne Relevanz, dass die Parteien offensichtlich fehlerhaft von einem Ende des Vertrags vom 10. August 2012 zum 31. Dezember 2012 statt - wie vereinbart - zum 31. Januar 2013 ausgegangen sind.

3.

Die von der Klägerin bestrittenen Zahlenangaben für die Prognose der Beklagten, welche diese Ende Dezember über ihren Personalbedarf für das 1. Quartal 2013 und darüber hinaus angestellt hat, dürfen als richtig unterstellt werden. Sie genügen nicht, um eine Befristung wegen eines nur vorübergehenden Bedarfs nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG zu rechtfertigen.

a)

Die Darlegungslast für einen prognostisch nur vorübergehenden Bedarf liegt bei dem Arbeitgeber. Fällt der Bedarf im Bereich der Daueraufgaben an, hat der Arbeitgeber darzutun, aufgrund welcher Umstände bei Abschluss des befristeten Vertrags davon auszugehen war, dass künftig nach Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit das zu erwartende Arbeitspensum mit dem vorhandenen Stammpersonal würde erledigt werden können (BAG Urteil vom 17. März 2010 - 7 AZR 46/08 - NZA 2010, 633, Rz. 13).

Ob diese Prognose so „sicher“ sein muss, dass der Arbeitgeber einen Restbedarf an zusätzlichen Arbeitskräften ausschließen kann oder ob dies zu hohe Anforderungen stellt, wie die Beklagte mit der Berufung rügt, kann dahinstehen.

b)

Die Arbeitsaufgaben, auf welche sich die Beklagte zur Begründung ihrer Befristung beruft, gehören zu den Daueraufgaben. Diese Daueraufgaben sind jedoch saisonalen Schwankungen unterworfen. Die Kammer hält für plausibel, dass zumindest von September bis zum März eines Folgejahres deshalb mehr Arbeitnehmer als in den übrigen Monaten benötigt werden, um den Wareneingang, die Warenlagerung und den Warenausgang zu bearbeiten. Der Vortrag der Beklagten lässt aber keinen Rückschluss darauf zu, wieviel Vollzeitarbeitskräfte sie für den von ihr angeführten „Normalzustand“ benötigt, gegenüber dem dann Personal für das Saisongeschäft aufgestockt werden muss. Damit ist keine Überprüfung möglich, ob die befristete Beschäftigung der Klägerin, die ursprünglich nur noch im Januar 2013 geplant war, bis März 3013 erforderlich erschien, um den zusätzlichen Arbeitsanfall im Bereich der Daueraufgaben zu bewältigen.

Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich im Kern darauf, dass sie eine Verringerung des Bedarfs von 157 Vollzeitarbeitskräften (1.685 zu 1.527) von März zu April 2013 prognostiziert habe.

Die Beklagte darf sich nicht lediglich Schwankungen ihres Bedarfs vortragen, ohne diesen Bedarf in Relation zu dem Arbeitskräftebedarf zu setzen, der für die Daueraufgaben erforderlich ist. Ob sie für Ende April 2013 wegen des Endes des Saisongeschäfts von einem Normalzustand, d.h. keinem zusätzlichen betrieblicher Bedarf mehr, ausging oder nur einem geringeren zusätzlichen aber immer noch einem erhöhten Bedarf an weiteren Arbeitnehmern gegenüber dem Stammpersonal, ist offen. Weder die Klägerin noch das Gericht haben nach diesem Vortrag die Möglichkeit zu überprüfen, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf die Verringerung eines Zusatzbedarfes in der Zeit von Januar bis März 2013 zurückzuführen war. Denn es ist nicht auszuschließen, dass der erwartete Wegfall von insgesamt 158 Vollzeitarbeitsplätzen schon durch die Befristung von Arbeitsverhältnissen anderer Arbeitnehmer abgedeckt war.

Soweit die Beklagte in der Verhandlung vor der Kammer am 09. April 2014 eingewandt hat, sie könne ihren Personalbedarf für die Daueraufgaben ohne vorübergehende saisonale Erhöhungen nur mit ca. 1.300 Arbeitskräften angeben, der zudem unter dem Vorbehalt stehe, dass das Unternehmen noch wachse, führt dies zu keiner abweichenden Bewertung. Die Beklagte beruft sich auf einen vorübergehenden Arbeitsbedarf im Bereich ihrer Daueraufgaben, es handelt sich nicht um zusätzliche andere Arbeiten oder solche, die künftig wegfallen werden. Die Überprüfung des Befristungsgrundes nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG erfordert nach der schon vom Arbeitsgericht angeführten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausreichende Angaben dazu, mit wie vielen Arbeitskräften in welchem Zeitraum der erhöhte Bedarf nach der Planung des Arbeitgebers voraussichtlich erledigt werden kann. Damit ist notwendig, die Anzahl der Arbeitskräfte für den prognostizierten Dauerbedarf anzugeben und die Zahl der Arbeitskräfte sowie die Dauer ihrer Beschäftigung für die Erledigung des vorübergehenden Bedarfs. Zusätzlich ist im konkreten Fall zu fordern, dass die für die Erledigung des zusätzlichen Bedarfs eingestellten Arbeitnehmer namentlich benannt werden. Nur dann besteht die Möglichkeit zu überprüfen, ob nicht mehr Arbeitnehmer als erforderlich befristet beschäftigt werden, für die der Sachgrund des vorübergehenden Bedarfs geltend gemacht wird. Dies wäre für die Beklagte aufwändig, es ist für den von ihr geltend gemachten Befristungsgrund jedoch geboten. Andernfalls könnte ein Berufen auf einen saisonal bedingten Geschäftsanstieg jede Befristung ohne Einzelfallprüfung der Kausalität des prognostischen Mehrbedarfs rechtfertigen, wenn nur das Fristende innerhalb einer Phase liegt, in der das Saisongeschäft bereits seinen Höhepunkt überschritten hat oder endet.

II.

Gegen den Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung als Versandmitarbeiterin hat die Beklagte über die Rechtfertigung der Befristung zum 31. März 2013 hinaus mit der Berufung nicht weiter vorgetragen. Das überwiegende Interesse der Klägerin daran, weiter beschäftigt werden, ist daher zu bejahen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Es besteht kein Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG.