VG Stuttgart, Urteil vom 01.10.2014 - 3 K 4897/13
Fundstelle
openJur 2014, 21790
  • Rkr:

Der Rundfunkbeitrag ist europarechtlich eine bestehende und damit zulässige Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchstabe b der Verfahrensverordnung (EG) Nr. 659/1999.

Der Rundfunkbeitrag ist keine Steuer, für deren Einführung der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat; die gesetzliche Regelung von nichtsteuerlichen Abgaben zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fällt als Annexkompetenz unter das Rundfunkrecht, für das die Länder gemäß Art. 70 GG die Gesetzgebungsbefugnis haben.

Das Anknüpfen der Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich an das Innehaben einer Wohnung erfasst in zulässig typisierender Weise die Möglichkeit der Nutzung öffentlich-rechtlicher Rundfunkprogramme.

Inhaber des Merkzeichens "RF" können eine völlige Freistellung vom Rundfunkbeitrag nicht fordern.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wehrt sich gegen seine Rundfunkbeitragspflicht.

Er war seit den siebziger Jahren als Rundfunkteilnehmer mit der Nummer ... gemeldet. Er ist schwerbehindert (gehbehindert) und verfügt seit April 2004 über das Merkzeichen „RF“ in seinem Schwerbehindertenausweis. Der Beklagte hatte ihn aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.01.2005 - 3 K 4090/04 - mit Wirkung seit Mai 2005 fortlaufend von der Rundfunkbeitragspflicht befreit, zuletzt mit Bescheid vom 29.04.2009 unbefristet.

Vor der Umstellung auf den neuen Rundfunkbeitrag informierte der ARD ZDF Beitragsservice den Kläger spätestens mit Schreiben vom 20.09.2012 darüber, dass Menschen mit Behinderung, denen das Merkzeichen „RF“ zuerkannt worden seien, künftig einen Drittelbetrag zu zahlen hätten. Mit Schreiben vom 01.02.2013 erinnerte ihn der Beklage an den zum 15.02.2013 fälligen ermäßigten Rundfunkbeitrag von 17,97 € für das erste Quartal 2013.

Der Kläger erhob am 11.02.2013 direkt Feststellungsklage zum Verwaltungsgericht Stuttgart, mit der er die Feststellung begehrte, nach dem 01.01.2013 von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu sein. Das Gericht wies die Klage mit Urteil vom 26.04.2013 - 3 K 526/13 - als unzulässig ab.

Der Kläger forderte daraufhin mit Schreiben vom 13.05.2013 sinngemäß vom Beklagten den Erlass eines Rundfunkbeitragsbescheids, gegen den er klagen könne.

Mit Rundfunkbeitragsbescheid vom 01.09.2013 setzte der Beklagte gegen den Kläger ermäßigte Rundfunkbeiträge in Höhe von 43,94 € für den Zeitraum vom Januar bis Juni 2013 einschließlich eines Säumniszuschlags von 8,00 € fest.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 24.09.2013 (eingegangen am 27.09.2013) Widerspruch. Er meinte, dass der Nachteilsausgleich, auf den er als Behinderter mit Merkzeichen „RF“ Anspruch habe, aufgrund Bundesrecht dazu führe, dass der gesamte Rundfunkbeitrag erlassen sei. Das könne nicht durch einen Staatsvertrag der Länder ausgehebelt werden. Außerdem wandte er sich eingehend gegen die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags, der eine Steuer darstelle, für die die Bundesländer keine Kompetenz besäßen, rügte eine Verletzung der informationellen Selbstbestimmung durch das bundesweite zentrale Register der Wohnungs- und Betriebsstätteninhaber und machte geltend, der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfülle nicht ansatzweise seinen Auftrag der Grundversorgung.

Der Beklagte half mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2013 (abgeschickt am 19.11.2013) dem Widerspruch insoweit ab, als ein Säumniszuschlag festgesetzt worden war, wies ihn aber im Übrigen (in Höhe von 35,94 €) zurück.

Der Kläger hat am 06.12.2013 Anfechtungsklage erhoben. Sein Prozessbevollmächtigter bezieht sich auf die Widerspruchsbegründung des Klägers und legt ergänzend verfassungsrechtliche Einwände gegen den Rundfunkbeitrag dar. Die erhobenen Beiträge stellten in Wahrheit eine Rundfunksteuer dar, für deren Einführung den Bundesländern die Kompetenz fehle. Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag bezeichne die neue Haushaltsabgabe als „Beitrag“. Die Abgabe erfülle jedoch nicht die abgabenrechtlichen Voraussetzungen für Beiträge. Die rechtliche Situation sei vergleichbar mit anderen Zwecksteuern wie etwa der Kirchensteuer oder der Mineralölsteuer. Der Klägervertreter zieht für diese Auffassung Argumente aus der einschlägigen Literatur (Koblenzer, Terschüren, Geuer und Degenhart) heran und vermisst insbesondere die Widerlegbarkeit der Vermutung der Rundfunknutzung durch Wohnungsinhaber. Eine Rundfunksteuer sei außerdem dem Grunde nach nicht mehr erforderlich (geboten), noch sei sie der Höhe nach angemessen. Die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit dem 4. und 5. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.11.1986 - 1 BvF 1/84 - (BVerfGE 73, 118) und vom 24.03.1987 - 1 B 1 BvR 147/86, 1 BvR 478/86 - (BVerfGE 74,297) zugesprochene Bestands- und Entwicklungsgarantie sei überholt. Sollte der neue Rundfunkbeitrag abgabenrechtlich weder als Steuer, noch als Betrag zu qualifizieren sein, sondern als Sonderabgabe, fehle die dafür erforderliche Homogenität der Betroffenen, die spezifische Beziehung zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen und dem mit der Abgabe verfolgten Zweck und die gruppennützige Verwendung der Abgabe. Der Klägervertreter vertritt auch die Auffassung, dass der Rundfunkbeitrag die in Art. 5 GG verankerte negative Informationsfreiheit und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletze. Außerdem rügt er Verstöße gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 GG, weil die Typisierung zahlreicher ungleicher Sachverhalte hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Betroffenen und dem Umfang der Nutzung (Nur-Radiohörer) zu grob sei. Schließlich verstoße der Begriff der Wohnung im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag wegen seiner Unbestimmtheit auch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Normenklarheit aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 GG. Der Rundfunkbeitrag sei auch europarechtlich als Beihilfe anzusehen und müsse vor seiner Einführung als solche gemäß Art. 8 AEUV der EU-Kommission zur Prüfung angezeigt werden. Das sei nicht geschehen.

Im Hinblick auf die Behinderung des Klägers behauptet sein Prozessbevollmächtigter, mit der Neuregelung, die von behinderten Menschen ein Drittel des Rundfunkbeitrags verlange, verletzten die Länder Bundesrecht. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) sei die vollständige Befreiung die Rechtsfolge der Zuerkennung des Merkzeichens „RF“.

Der Kläger beantragt,

den Rundfunkbeitragsbescheid des Beklagten vom 01.09.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 14.11.2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags. Zum ermäßigten Betrag für behinderte Menschen, vertritt er die Auffassung, dass im Hinblick auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.1.2000 - B 9 SB 2/00 R - (NJW 2001, 1966 und juris) die vollständige Befreiung verfassungsrechtlich nicht möglich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Rundfunkbeitragsbescheid des Beklagten vom 01.09.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 14.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten.

Der Beklagte hat den Rundfunkbeitrag des Klägers für den Zeitraum vom Januar bis Juni 2013 mit dem angefochten Bescheid nach § 10 Abs. 5 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV), der durch das Zustimmungsgesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 18.10.2011 (GBl. 2011, 477) mit Wirkung ab 01.01.2013 formell baden-württembergisches Landesrecht wurde, rechtsfehlerfrei festgesetzt. Der Rundfunkbeitrag war rückständig geworden, nachdem der Kläger ihn nicht mit seiner Fälligkeit (§ 7 Abs. 3 RBStV) entrichtet hatte.

Die Ermäßigung des Rundfunkbeitrags für behinderte Menschen auf ein Drittel nach § 4 Abs. 2 Satz 1 RBStV auf Antrag des Klägers ist rechtlich korrekt. Eine völlige Freistellung vom Rundfunkbeitrag kann der Kläger nicht fordern.

Die Auffassung des Klägervertreters, nach dem vorrangigem Bundesrecht des § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) müsse nach Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ die vollständige Befreiung die Rechtsfolge sein, ist irrig. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 SchwbAwV regelt als Rechtsfolge nur, welche Merkzeichen unter welchen Voraussetzungen auf der Rückseite des Ausweises einzutragen sind, und nicht die daraus folgenden materiellen Ansprüche. Sie verweist dafür auf die entsprechenden Gesetze (z.B. Einkommenssteuergesetz, Straßenverkehrsgesetz, SGB 12, SGB 9) und folgerichtig in Nr. 5 auf die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Die Gesetzgebungskompetenz für das Rundfunkgebühren- und Rundfunkbeitragsrecht liegt bei den Ländern, wie unten ausgeführt wird (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15.03.1968 - VII C 189.66 -, BVerwGE 29, 214 und Bullinger, Der neue Rundfunkbeitrag - Formell verfassungsgemäß oder unzulässige Steuer?, Wissenschaftliche Dienste des Bundestags, WD 10-3000-009/13, S. 6).

Unterstellt, dass das Merkzeichen „RF“ als Nachweis auch Bindungswirkung für den neuen Rundfunkbeitrag hat, kann die Rechtsfolge der Beitragsermäßigung - auch der Höhe nach - ausschließlich § 4 Abs. 2 Satz 1 RBStV entnommen werden. Diese Vorschrift regelt die Ermäßigung des Rundfunkbetrags auf ein Drittel, gewährt aber keinen vollständigen Erlass. Dies ist rechtlich unbedenklich. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass eine generelle vollständige Rundfunkbeitragsermäßigung für behinderte Menschen verfassungsrechtlich mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 LV Baden-Württemberg) kollidieren würde. Dafür dass dann nicht behinderte Menschen im Ergebnis den Ausfall von Beträgen der behinderten Menschen bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vollständig ausgleichen müssten, gibt es keinen sachlichen Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. Die Beitragsermäßigung dient dem Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen im Sinne von § 126 Abs. 1 SGB 9. Aus diesem Anspruch kann eine vollständige Kostenbefreiung nicht argumentativ hergeleitet werden, weil sich ein Mehraufwand behinderter Rundfunk- und Fernsehteilnehmer gegenüber anderen schwerlich in der Größenordnung des vollen Rundfunkbeitrags feststellen lässt. Das Bundessozialgericht vertritt deshalb in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das Merkzeichen „RF“ den gewandelten gesellschaftlichen Bedingungen nicht mehr entspricht und es sozial nicht geboten ist, finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Rundfunk- und Fernsehnutzung vollständig zu finanzieren (Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 -, SozR 3-3870 § 48 Nr. 2 und juris, und Urteil vom 27.01.2000 - B 9 SB 2/00 R -, NJW 2001, 1966 und juris). Die Rundfunkbeitragsermäßigung für behinderte Menschen auf (nur) ein Drittel ist deshalb nicht rechtswidrig. Die Kammer schließt sich der Auffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in der Entscheidung vom 15.05.2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 - Rn. 130 (juris) an, dass die Typisierung mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Einzelfallprüfung im Rahmen der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 RBStV grundsätzlich ausreichend ist.

Zum Vorliegen eines besonderen Härtefalls hat der Kläger nichts vorgetragen.

Die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Einwände des Klägers gegen die Anwendbarkeit oder Gültigkeit der in seinem Fall einschlägigen Bestimmungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zum Rundfunkbeitrag im privaten Bereich überzeugen die Kammer nicht. Sie sieht keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs gemäß Art. 267 AEUV oder eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.

Die europarechtliche Problematik der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland ist durch die Entscheidung der EG-Kommission vom 24.04.2007, Staatliche Beihilfe E 3/2005 - Deutschland „Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland“, hinsichtlich der bisherigen Rundfunkgebühr geklärt. Die Europäische Kommission betrachtet die noch vor Ablauf der im EWG-Vertrag vom 1958 vorgesehenen Übergangsfrist durch den ZDF-Staatsvertrag vom 06.06.1961 eingeführte Finanzierung mit der Rundfunkgebühr als bestehende und damit zulässige Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchstabe b der Verfahrensverordnung (EG) Nr. 659/1999 (Entscheidung Rn. 215). In den zahlreichen Änderungen seither, einschließlich derjenigen des 8. und 9. Rundfunkänderungsstaatsvertrags, sieht sie keine Abweichungen, die den wesentlichen Charakter der Finanzierungsregelung berühren (Entscheidung Rn. 203 bis 214). Das mit der Entscheidung abgeschlossene Prüfverfahren der Kommission kam durch Beschwerden privater Mitbewerber der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Gang. Die Kommission verlangte von Deutschland verschiedene Maßnahmen, insbesondere einen klaren Programmauftrag an die Rundfunkanstalten für digitale Zusatzkanäle sowie neue Mediendienste, Rechtsvorschriften zur Beschränkung der Finanzierung der Anstalten mit der Rundfunkgebühr auf die Nettokosten des öffentlichen Auftrags und Rechtsvorschriften zur Verpflichtung auf marktkonformes Verhalten sowie zur externen Kontrolle des Finanzgebarens, um die Vereinbarkeit mit den Wettbewerbsvorschriften herzustellen. Die Bundesregierung machte in Ausführung einer Grundsatzvereinbarung zwischen der zuständigen EU-Kommissarin und den Ministerpräsidenten Beck und Stoiber im Dezember 2006 entsprechende Zusagen. Die Kommission nahm die Zusagen in detaillierter und bewertender Darstellung zur Kenntnis (Entscheidung Rn. 322 bis 396) und stellte das Verfahren ein. Mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag setzten die Bundesländer die verabredeten Maßnahmen im Rundfunkstaatsvertrag, Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag und Rundfunkgebührenstaatsvertrag um.

Der als Art. 1 des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 15.12.2010 (GBl. 2011 S. 477) verkündete Rundfunkbeitragsstaatsvertrag hat an der Erfüllung der europarechtlichen Vorgaben bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland nichts geändert. Die nach deutschem Recht geführte Debatte um Gesetzgebungskompetenzen und Anforderungen an den Rundfunkbeitrag zum Grundrechtsschutz der Beitragspflichtigen berührt keine Frage des europäischen Wettbewerbsrechts. Europarechtlich ist der Übergang von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag kein Systemwechsel, der vor seinem Vollzug eine Prüfung durch die EU-Kommission erfordern würde. Die von der EU-Kommission 2007 gestellten Forderungen betreffen weit überwiegend fortbestehende Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags und des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags - nicht solche des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags. Der Stand des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrags wird insoweit nicht wesentlich geändert. In einer Mitteilung vom 20.07.2010 (IP/10/978) zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Spanien machte die EU-Kommission nochmals deutlich, dass nicht die Art der Einnahme (im konkreten Fall Steuern) sondern für die beihilferechtliche Vereinbarkeit allein maßgeblich sei, ob sich die Finanzierung auf die Netto-Betriebskosten der Rundfunkanstalt beschränke und eine Überkompensation ausgeschlossen sei. Der Rundfunkbeitrag ist deswegen keine notifizierungspflichtige Neubeihilfe (so auch Terschüren: Die Reform der Rundfunkfinanzierung in Deutschland, Dissertation Universität Ilmenau, 2013, S. 153; Gall/Schneider, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, vor RBStV, Rn. 38; Kirchhof, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Rechtsgutachten, 2010, S. 76; Bosman, Paradigmenwechsel in der Rundfunkfinanzierung: Von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag, K&R 2012, S. 5 ff.; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2014 a.a.O., Rn. 90; anderer Auffassung ohne nähere Begründung: Geuer: Rechtschutzmöglichkeiten von Unternehmen gegen den neuen Rundfunkbeitrag, Rechtsgutachten, 2013, S.19).

Die Erhebung des Rundfunkbeitrags vom Kläger verstößt nicht gegen höherrangige verfassungsrechtliche Vorgaben.

Das Zustimmungsgesetz des Landes Baden-Württemberg vom 12.11.2011 zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (GBl. 2011, S. 477) verletzt nicht Art. 70 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 105, 106 GG. Der Rundfunkbeitrag ist keine Steuer, für deren Einführung der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat; die gesetzliche Regelung von nichtsteuerlichen Abgaben zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fällt als Annexkompetenz unter das Rundfunkrecht, für das die Länder gemäß Art. 70 GG die Gesetzgebungsbefugnis haben.

Steuern im Sinne der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes sind alle einmaligen oder laufenden Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere staatliche Leistung darstellen, sondern die von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen - obschon gegebenenfalls zweckgebunden - zur Erzielung von Einkünften zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (BVerfG, Beschluss vom 12.10.1978 - 2 BvR 154/74 -, BVerfGE 49, 343). Dagegen werden nichtsteuerliche Abgaben vom Leistungspflichtigen zur Deckung eines besonderen Finanzbedarfs für die Erledigung einer speziellen Aufgabe mit einer tatbestandlich geregelten besonderen Finanzierungsverantwortung des Betroffenen oder beim Beitrag zu dessen Beteiligung an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung erhoben, die ihm besondere Vorteile gewährt, ohne dass es darauf ankommt, ob er diese tatsächlich in Anspruch nimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.05.2004 - 2 BvR 2374/99 -, BVerfGE 110, 370 und Urteil vom 06.07.2005 - 2 BvR 2335/95 -, BVerfGE 113, 128).

Der Rundfunkbeitrag könnte ungeachtet seiner Bezeichnung nach seinem materiellen Gehalt eine Steuer sein. Das entscheidende Merkmal zur Abgrenzung von Gebühren und Beiträgen (Vorzugslasten) zur Steuer ist die Frage, ob der Rundfunkbeitrag „voraussetzungslos“ geschuldet wird oder ob die mit der Zahlung des Beitrags eingeräumte rechtliche Möglichkeit der Inanspruchnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine hinreichende „Gegenleistung“ darstellt. Dieses „Gegenleistungsverhältnis“ wird in der Literatur teilweise verneint (z.B: Terschüren a.a.O. S. 141-144, 162; Geuer a.a.O., S. 15 f.; Koblenzer/Günther, Abgabenrechtliche Qualifizierung des neuen Rundfunkbeitrags und finanzverfassungsrechtliche Konsequenzen, Rechtsgutachten, S. 19 f.; Degenhart, Verfassungsfragen des Betriebsstättenbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder, Rechtsgutachten, K&R Beihefter 1/2013, S. 10-12), teilweise bejaht (z.B.: Bullinger a.a.O., S. 11-16; Schneider, Antworten auf „Verfassungsfragen des Betriebsstättenbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder“, ZUM 6/2013, 472, S. 476 f.; Kube, Der Rundfunkbeitrag - Rundfunk- und finanzverfassungsrechtliche Einordnung, Rechtsgutachten, 2013, S. 32 ff.; Gall/Schneider in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, vor RBStV, Rn. 37; Kirchhof, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Rechtsgutachten, 2010, S. 46 ff. und 80 ff.). Die bisher zum Rundfunkbeitrag ergangene Rechtsprechung ist ebenfalls der Auffassung, dass ein zur Qualifizierung des Rundfunkbeitrags als Vorzugslast bzw. nichtsteuerliche Abgabe ein hinreichend konkretes „Gegenleistungsverhältnis“ besteht (Bayerischer Verfassungsgerichtshof a.a.O. Rn. 72 ff.; Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.05.2014 - VGH B 35/12 -, juris, Rn. 109 ff.; aus der erstinstanzlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte z.B.: VG Hamburg, Urteil vom 17.07.2014 - 3 K 5371/13 -, juris; VG Freiburg, Urteil vom 02.04.2014 - 2 K 1446/13 -, juris; VG Bremen, Urteil vom 20.12.2013 - 2 K 605/13 -, juris; VG Osnabrück, Urteil vom 01.04.2014 - 1 A 182/13 -, juris).

Der letzteren Auffassung schließt sich auch die Kammer an. Insbesondere die beiden Verfassungsgerichtshöfe haben in ihren dem Kläger bekannten Urteilen überzeugend dargelegt, dass die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung gemäß § 2 Abs. 1 RBStV geeignet ist, die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen, abzugelten. Dem Systemwechsel von der geräteanhängigen Gebühr zum an die Wohnung anknüpfenden Betrag liegt die sachgerechte Erwägung der gesetzgebenden Länder zugrunde, dass die einzelnen Personen das Programmangebot vornehmlich in ihrer Wohnung nutzen oder nutzen können und dass deshalb das Innehaben einer Wohnung ausreichende Rückschlüsse auf den abzugeltenden Vorteil zulässt. Zwar erfasst der Rundfunkbeitrag aufgrund der im Beitragstatbestand liegenden Typisierungen und unwiderleglichen Vermutungen nahezu jeden im Inland Wohnenden und nähert sich so einer Gemeinlast an. Gleichwohl dient der Rundfunkbeitrag nach § 1 RBStV in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Rundfunkstaatsvertrag der ausschließlichen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Durch zahlreiche Vorschriften und Kontrollmechanismen ist gesichert, dass der Beitragspflichtige nur für die Leistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zweckgebunden bezahlt. Zugleich ist im Sinne des Gegenleistungsverhältnisses und Vorteilsausgleichs - auch durch die Entscheidung der EG-Kommission vom 24.04.2007 - sichergestellt, dass der Beitrag ausschließlich und kontrolliert der Erfüllung des verfassungsrechtlich gebotenen Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunk dient und der Höhe nach angemessen ist. Der Vergleich mit der „Kirchensteuer“ ist deswegen nicht schlüssig. Ob die „Kirchensteuer“ eine Steuer im abgabenrechtlichen Sinn oder eine nichtsteuerliche Abgabe ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.

Das Austauschverhältnis zwischen Beitrag und Rundfunknutzung wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass ein verschwindend geringer Anteil der Beitragspflichtigen über kein zum Rundfunkempfang geeignetes Gerät verfügt. Bei der nahezu flächendeckenden Verbreitung von empfangstauglichen Geräten vielfältiger Art in allen Bevölkerungskreisen dürfen die Bundesländer davon ausgehen, dass die effektive Möglichkeit der Programmnutzung als abzugeltender Vorteil allgemein und geräteunabhängig besteht. Der Anteil der privaten Haushalte mit Fernsehgeräten liegt bei 96,2 % (bei einem durchschnittlichen Bestand von 160,8 Geräten je 100 Haushalten), mit stationären und mobilen Personalcomputern bei 82,0 %, mit Internetzugang bei 75,9 % und mit Mobiltelefonen bei 90 % (Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2012, S. 174). Wegen des weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der gebotenen Typisierung des Beitragstatbestands musste dem einzelnen Wohnungsinhaber - zusätzlich zu den Befreiungsmöglichkeiten des § 4 Abs. 1 RBStV und der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 RBStV - deswegen nicht zur Vermeidung seiner Beitragspflicht der Nachweis erlaubt werden, in seiner Wohnung könne der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht empfangen werden. Auf die Qualifizierung des Rundfunkbeitrags als nichtsteuerliche Abgabe hat das Fehlen einer solchen Ausnahmeregelung deswegen keinen Einfluss.

Die Kammer hat angesichts des Vorbringens des Klägers keinen Anlass, die ausführlichen Entscheidungsbegründungen der beiden Verfassungsgerichtshöfe zur Frage der abgabenrechtlichen Einordnung des neuen Rundfunkbeitrags zu ergänzen.

Auch sonstige geltend gemachten verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Rundfunkbeitrag im privaten Bereich teilt die Kammer nicht.

Die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zum Rundfunkbeitrag im privaten Bereich verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Im Rahmen der Regelung von Massenerscheinungen, zu denen auch die Erhebung von Rundfunkbeiträgen zählt, ist der Gesetzgeber befugt, in weitem Umfang zu generalisieren, pauschalieren und typisieren (vgl. zur Rundfunkgebühr BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.03.2011 - 1 BVR 3255/08 -, NVwZ-RR 2011, 465 im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 16.03.2005 - 2 BvL 7/00 -, BVerfGE 112, 268). Im Einzelfall mit generellen Regelungen verbundene Härten wären nur unter unverhältnismäßigem Aufwand vermeidbar, könnten nicht durch einfachere, die Betroffenen weniger belastende Regelungen behoben werden und betreffen im Verhältnis zur Zahl der Abgabenpflichtigen insgesamt eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung im Einzelfall ist gerechtfertigt, zumal durch den Wegfall der bisherigen Ermittlungen zum tatsächlichen Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten in der Wohnung der Schutz der Privatsphäre verbessert und im Hinblick auf die bisherigen Erhebungsdefizite eine größere Abgabengerechtigkeit erreicht wird (vgl. die ausführlichen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz a.a.O. Rn. 130 ff.; sowie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs a.a.O. Rn. 101 ff.; ferner VG Hamburg a.a.O.).

Die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit dem 4. und 5. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.11.1986 - 1 BvF 1/84 - (BVerfGE 73, 118) und vom 24.03.1987 - 1 B 1 BvR 147/86, 1 BvR 478/86 - (BVerfGE 74, 297) zugesprochene Bestands- und Entwicklungsgarantie ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht „überholt“. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einen Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit, der auf eine Ordnung zielt, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichst großer Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Dazu gehört die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Einschluss seiner bedarfsgerechten Finanzierung (vgl. BVerfG, Urteil vom 12.03.2008 - 2 BvF 4/03 -, BVerfGE 121, 30; sowie ausdrücklich Urteil vom 11.09.2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 -, MMR 2007, S. 770 und juris). Jegliche Argumentationen, die Finanzierung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei überflüssig geworden und der Bürger könne andere Informationsquellen und Medienangebote der privaten Mediendienste nutzen, ohne sich an den Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beteiligen zu müssen, sind deswegen verfassungsrechtlich abgeschnitten. Auch Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit), Art. 4 GG (Glaubensfreiheit) und Art. 5 GG (negative Informationsfreiheit) können deswegen schon im Ansatz nicht gegen den Rundbeitrag angeführt werden. Der geringen Beeinträchtigung steht mit der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein ebenfalls verfassungsrechtlich begründeter Zweck von hinreichendem Gewicht gegenüber (vgl. VG Hamburg a.a.O. m.w.N.). Die Anzeige- und Nachweispflichten der Beitragsschuldner nach § 8 RBStV und die Datenerhebungsrechte nach §§ 9, 11 und 14 RBStV verletzen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen nicht. Diese Regelungen sind für ihren tatbestandsmäßigen Zweck erforderlich, geeignet und verhältnismäßig (vgl. des Bayerischer Verfassungsgerichtshof a.a.O. Rn. 132 ff.).

Die Berufung war zuzulassen, weil die aufgeworfene Frage, ob die Länder für die Einführung des Rundfunkbeitrags die Gesetzgebungskompetenz haben, grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 124 a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.