LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.01.2011 - 16 Sa 614/10
Fundstelle
openJur 2014, 28487
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom  10. Februar 2010 - 31 Ca 7969/09 - abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit einer Tätigkeit entsprechend der Entgeltgruppe 9 Stufe 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di zu betrauen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.118,56 (zweitausendeinhundertachtzehn 56/100) Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von  5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2008 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die vertragsgemäße Beschäftigung sowie über die Eingruppierung der Klägerin.

Die 1962 geborene Klägerin wurde von der Gewerkschaft H., B. und V. (im Folgenden: HBV) mit Arbeitsvertrag vom 2. November 1990 ab dem 1. November 1990 als Landessekretärin eingestellt.

Sie wurde am 2. November 1992 zum Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes gewählt. Die HBV und die Klägerin schlossen einen Anstellungsvertrag für Wahlangestellte. Unter dem 15. November 1993 wurde erneut ein Anstellungsvertrag für Wahlangestellte abgeschlossen.

Der Vertrag enthält u. a. folgende Regelungen:

§ 4 Das Anstellungsverhältnis endet:

durch Ablauf der Wahlperiode, falls die erneute Kandidatur unterbleibt oder die Wahl nicht erfolgt;

...

§ 5 Endet das Anstellungsverhältnis nach § 4 a vor Vollendung des 57. Lebensjahres, so ist für eine angemessene Weiterbeschäftigung Sorge zu tragen. Als angemessen gilt eine Tätigkeit, deren Vergütung der höchsten Gruppe der jeweils geltenden Gehaltstabelle für SekretärInnen der Gewerkschaft HBV entspricht.

...

§ 10 Soweit in diesem Anstellungsvertrag nichts Besonderes vereinbart ist, gelten für Frau S. H. die Allgemeinen Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten der Gewerkschaft HBV in der jeweils gültigen Fassung mit der Maßgabe, daß anstelle des in den Anstellungsbedingungen aufgeführten Entscheidungsorgans GHV der Hauptvorstand tritt.

Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird auf die Ablichtung Bl. 9 ff. d. A. Bezug genommen.

Als Wahlvorstandsmitglied erhielt die Klägerin 1993 und 1994 von der Gewerkschaft HBV eine Vergütung in Höhe von 12.500,- DM. Hinzu kam ein Urlaubsgeld, welches 50 % der Vergütung der Vergütungsgruppe 3.2 entsprach, und im Jahr 1994 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 12.500,- DM. Im Jahr 1994 betrug für Beschäftigte der Gewerkschaft HBV die Vergütung der Tarifgruppe 15 Stufe 2 auf 8.351,- DM monatlich.

Die Klägerin stellte sich 1995 nicht mehr zur Wiederwahl und wurde ab dem 1. Februar 1995 in die Hauptfachabteilung IV der Gewerkschaft HBV versetzt.

Sie arbeitete als Gewerkschaftssekretärin mit herausgehobenen Aufgaben und bezog eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 15 der Gehaltstabelle der HBV. Für die Tarifgruppe 15 sind in der Beschreibung der Tätigkeitsgruppen in Anlage 2 der Allgemeinen Anstellungsbedingungen der Gewerkschaft HBV (im folgenden AAB HBV) keine Tätigkeitsmerkmale vorgesehen, die Tarifgruppe 14 weist folgende Tätigkeitsmerkmale auf: Geschäftsführende SekretärInnen einer Geschäftsstelle ab 18.001 zahlenden Mitgliedern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen 1, 1a und 2 der AAB HBV (Bl. 13 ff. d. A.) Bezug genommen.

Ab März 1995 wurde das monatliche Einkommen der Klägerin in vier Stufen um 25 % abgeschmolzen bis auf die Tarifgruppe 15 der Gewerkschaft HBV. Das monatliche Entgelt entsprach ab 1999 dem Entgelt der Tarifgruppe 15 (West) der Gewerkschaft HBV in Höhe von dann 8.671,- DM und erhöhte sich ab Juli 1999 auf 9.021,- DM.

Zu den Aufgaben der Klägerin gehörte neben der Vorbereitung der Sitzungen des Hauptabteilungsvorstandes der Hauptfachabteilung im Rahmen der Tarifarbeit die Vorbereitung der Innendiensttarifrunde. Sie arbeitete im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit mit der Abteilung Werbung zusammen. Sie verhandelte die Tarifverträge für den Versicherungsaußendienst, den BVK, VGA, die DBV-Wintertour, zeitweise die Überleitung des Haustarifvertrages der Volksfürsorge in den Branchen-Tarifvertrag sowie den Tarifvertrag zur Frauenförderung. Dem Sekretär der Hauptfachabteilung oblag die Gesamtbetriebsrat/Konzernbetriebsrats-Betreuung. Die Klägerin war zuständig für die V., den G.-Konzern, die D. und den Konzernbetriebsrat der AMB. Sie leitete die HBV-Fraktionssitzungen im Vorfeld der Gesamtbetriebsrat-/Konzernbetriebsrats-Sitzungen, nahm an den Sitzungen teil und arbeitete mit den Gremien bei der Verhandlung von Sozialplänen zusammen. Ferner wurde der Klägerin die Zuständigkeit für den Bereich der Bausparkassen übertragen. Die Klägerin ist stellvertretendes Mitglied in der Bundesclearingstelle, Abteilung tarifpolitische Grundsatzfragen und alle übrigen Grundsatzfragen, und als Vertreterin des Fachbereichs 4 Mitglied des Bundestarifausschusses.

Die Gewerkschaft HBV wurde aufgrund eines Verschmelzungsvertrages mit den Gewerkschaften ÖTV, DAG, Postgewerkschaft und IG Medien gem. § 2 Nr. 1 Umwandlungsgesetz verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 2. Juli 2001 in das Vereinsregister eingetragen.

Die Klägerin wurde weiterhin nach der Tarifgruppe 15 bezahlt und als Gewerkschaftssekretärin mit herausgehobenen Aufgaben beschäftigt. Sie wurde auf ihren Wunsch im Dezember 2004 in die Bundesfachgruppe Krankenversicherung versetzt. Im Mai 2007 wurde die Klägerin als Bundesfachgruppenleiterin GKV gewählt. Zu den Aufgaben der Klägerin gehört im Wesentlichen das Führen der Tarifverhandlungen in den Ersatzkassen in der gesamten Tarifkomplexität (Entgelt, Manteltarifvertrag, Eingruppierung über Haustarifvertrag, Entwicklung eines kompletten Tarifwerkes für das neu gegründete IT-Unternehmen u. a.). Sie leitet die Tarifkommissionssitzungen, entwickelt die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit, ggf. verantwortet sie notwendige Arbeitskampfmaßnahmen. Sie ist Stellvertreterin des Fachbereiches in der tarifpolitischen Clearingstelle und vertritt den Fachbereich zukünftig im Tarifausschuss der Beklagten. Seit der Wahl zur Bundesfachgruppenleiterin bereitet sie die Bundesfachgruppenvorstandssitzungen vor und führt sie durch. Im Rahmen der Zuständigkeit für den Hauptpersonalrat nimmt sie beratend teil an ver.di-Fraktionssitzungen bei der D., B., H. und anderen und entwickelt die Öffentlichkeitsarbeit.

Der Bundesvorstand der Beklagten und der Gesamtbetriebsrat schlossen die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di (im Folgenden: GBV Entgelt ver.di). Dort ist u. a. Folgendes geregelt:

Präambel

Dieses Entgeltsystem löst die bisherigen Regelungen der Gründungsorganisationen der ver.di ab und schafft gleiche Eingruppierungsregelungen für alle Beschäftigten von ver.di.

Die Vertragsparteien regeln in dieser Gesamtbetriebsvereinbarung ein neues Entgeltsystem, das sich an den Anforderungen der auszuübenden Tätigkeit orientiert und den rechtlichen Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche und gleichwertige Arbeit entspricht. Mit ihm wird eine höhere Vergütungsgerechtigkeit angestrebt. Bei der Einführung des neuen Entgeltsystems wird der Besitzstand der Beschäftigten garantiert.

§ 1 Geltungsbereich

Das Entgeltsystem gilt für alle Beschäftigten der ver.di einschließlich der Auszubildenden mit Ausnahme der Wahlangestellten gemäß der ver.di-Satzung.

§ 2 Allgemeine Eingruppierungsgrundsätze

1. Für die Eingruppierung ist allein die gesamte nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit des/der Beschäftigten maßgebend.

2. Die Eingruppierung einer jeden Tätigkeit, bzw. ggfs die Umgruppierung im Falle einer Änderung der Tätigkeit, erfolgt auf Basis des Entgeltgruppenverzeichnisses (siehe § 8) unter Heranziehung der Tätigkeitsbeschreibungen.

3. Die den Entgeltgruppen zugeordneten Tätigkeitsbeispiele sind in Anlage 1 in Form von Tätigkeitsbeschreibungen detailliert beschrieben. Sie definieren die Anforderungen und Tätigkeitsmerkmale und sind für eine Eingruppierung in die jeweilige Entgeltgruppe vorrangig zu berücksichtigen.

Die in den Tätigkeitsbeispielen beschriebenen Tätigkeiten und Merkmale sind summarisch zu betrachten. Sofern einzelne Tätigkeiten und Merkmale nicht erfüllt sind, ist dies für die Anwendung des Tätigkeitsbeispiels unschädlich, soweit hierdurch die prägende Gesamtanforderung (mindestens 50 v.H. der Tätigkeiten) nicht berührt wird. Bei gleichen Zeitanteilen ist die höhere Eingruppierung maßgebend.

Ist kein Tätigkeitsbeispiel unmittelbar einschlägig, ist auf das Tätigkeitsbeispiel abzustellen, das der Tätigkeit am ehesten entspricht.

4. In den Entgeltgruppen 8 bis 10 bedarf es keines Mindeststellenanteils. Die Funktionen, die in die Entgeltgruppen 9 oder 10 eingruppiert werden, sind abschließend aufgeführt.

§ 3 Bewertungskriterien

...

§ 4 Eingruppierung in besonderen Fällen

Die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 (Funktionen 9.1.2, 9.2.2., 9.2.4 (Bundesfachgruppenleiterin), und 9.3.2) erfolgt befristet für die Dauer der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit.

Bei Beendigung der Tätigkeit muss die Vergütung mindestens aus der Entgeltgruppe 7 Stufe 3 erfolgen.

§ 5 Übertragung niedriger oder höher bewerteter Tätigkeiten

...

§ 6 Vertretungszulage

...

§ 7 Entgeltstufen

1. Die Entgeltgruppen 3 bis 5 sind in zwei Stufen aufgegliedert.

Stufe 1:

Bei der Einstellung von Beschäftigten bzw. bei der Übernahme von Auszubildenden nach Abschluss der Ausbildung wird die/der Beschäftigte in die Stufe 1 eingestuft.

Stufe 2:

Ein Aufstieg in die Stufe 2 erfolgt nach drei Jahren der Ausübung der Tätigkeit.

2. Die Entgeltgruppe 7 ist aufgegliedert in drei Stufen.

Stufe 1:

Bei der Einstellung wird die/der Beschäftigte in die Stufe 1 eingestuft.

Stufen 2 und 3:

Ein Aufstieg in die Stufen 2 oder 3 erfolgt nach drei Jahren der Ausübung der Tätigkeit.

3. Die für die Einstufung in die Stufe 2 oder ggf. Stufe 3 notwendige Ausübungszeit wird durch Urlaub, Vertretungszeiten, Elternzeiten, Wehrdienstzeiten, Ersatzdienstzeiten sowie Arbeitsunfähigkeit, die den Entgeltfortzahlungszeitraum nicht überschreitet, nicht unterbrochen.

4. In den Entgeltgruppen 8 bis 10 sind keine zeitabhängigen Stufen vorgesehen sondern Funktionsstufen für die Wahrnehmung bestimmter höherwertiger Aufgaben.

§ 8 Entgeltgruppenverzeichnis

Das Entgeltsystem enthält 10 Entgeltgruppen.

...

Entgeltgruppe 6

Tätigkeiten, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung und eine Zusatzqualifikation im Fachgebiet oder vergleichbare vertiefte Berufserfahrungen voraussetzen, nach allgemeinen Richtlinien selbständig und eigenverantwortlich für das übertragene abgegrenzte Sachgebiet ausgeführt werden, sehr gute Fachkenntnisse erfordern sowie Koordinierungs- und Anleitungsfunktionen beinhalten.

Tätigkeitsbeispiele:

......

6.4 Tätigkeiten als GewerkschaftssekretärInnen in Einarbeitung.

Entgeltgruppe 7

Tätigkeiten, die selbständig und eigenverantwortlich für komplexe Aufgabengebiete ausgeführt werden, vertieftes fach- und organisationspolitisches Wissen sowie ausgeprägte Fähigkeiten der Kooperation und Kommunikation erfordern und Verantwortung für die Umsetzung von Beschlüssen und die Erreichung der Ziele der Organisation beinhalten.

Stufe 1

7.1 Neu eingestellte Gewerkschaftssekretär/Innen für die Dauer von 3 Jahren

Stufe 2

Gewerkschaftssekretär/In mit administrativen Aufgaben, z. B. in den Bereichen

...

Stufe 3

7.3.1 Gewerkschaftssekretär/In mit administrativen Aufgaben mit gehobenen Anforderungen, d.h.

...

Entgeltgruppe 8

Tätigkeiten, die sich als besonders schwierige Koordinations- oder Spezialaufgaben aus der Entgeltgruppe 7 herausheben

Stufe 1:

8.1.1 Gewerkschaftssekretär/in mit Betreuungsbereich, denen als zusätzliche Aufgabe überbezirkliche und/landesbezirksübergreifende

- Tarifarbeit- Betreuungsarbeit von betrieblichen Mitbestimmungsgremien- Koordination von Branchen- bzw. Teilbranchenarbeit nicht nur in Ausnahmefällen übertragen wurde.

8.1.2 ...

Stufe 2

8.2.1 ...

8.2.2 Gewerksaftssekretär/in mit Fachanleitungsfunktion, wie z. B. Personalleiter/in, Abteilungsleiter/in Rechtsschutz im Landesbezirk, Bundesfachgruppenleiter/in mit Tarifverantwortung

8.2.3 GewerkschaftssekretärIn mit speziellen fachspezifischen Aufgaben (....)

...

Entgeltgruppe 9

Tätigkeiten, die Steuerungs- und Führungsaufgaben, (d.h. die Setzung fachlicher und konzeptioneller Vorgaben für andere) umfassen oder strategische Verantwortung für ver.di haben.

Hierunter fallen abschließend folgende Funktionen:

Stufe 1:

....

Stufe 2

...

9.2.4 TarifsekretärIn mit Koordinierungsfunktion, sofern er/sie auf Landesbezirks- oder Bundesebene für mehrere Fachbereiche Tarifverhandlungen führt oder für die Bundesfachbereiche 1, 3, 9 und 10 für die Steuerung und Koordination der Tarifarbeit verantwortlich ist.

...

Stufe 3

...

Entgeltgruppe 10

Tätigkeiten mit politischer bzw. administrativer Verantwortung in einem Bereich der Bundesverwaltung von besonders herausgehobener strategischer Bedeutung. Hierunter fallen abschließend folgende Funktionen:

- LeiterIn Grundsatz im Ressort 1- LeiterIn Kommunikation und Marketing- LeiterIn Finanzen- LeiterIn Personal- LeiterIn Controlling

Hinsichtlich des vollständigen Inhaltes wird auf die Ablichtung Bl. 19 - 30 d. A. Bezug genommen.

Die im Oktober 2008 der Klägerin übersandte Gehaltsabrechnung weist ein Tarifgehalt der Gruppe 82502 in Höhe von 4.850,-- € brutto sowie eine Besitzstandszulage von 217,59 € brutto, insgesamt 5.067,59 € brutto aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung Bl. 18 d. A. Bezug genommen.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Zuweisung von Arbeitsaufgaben der Entgeltgruppe 9 Stufe 2 der GBV Entgelt ver.di sowie die Zahlung der Vergütungsdifferenzen zur Vergütungsgruppe 9 Stufe 2 für die Monate Januar 2008 bis April 2009 begehrt.

Die Klägerin hat vorgetragen, die ihr nun bei der Beklagten obliegenden Tätigkeiten seien mit den früheren Tätigkeiten grundsätzlich vergleichbar. Bei der Auslegung des Vertrages sei von Bedeutung, was sie und die Rechtsvorgängerin der Beklagten in dem am 15. November 1993 unterzeichneten Vertrag vereinbart hätten, wenn sie in Betracht gezogen hätten, dass die Gewerkschaft HBV in die Beklagte aufgehe und sodann die vorliegende Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di schaffen würde. Die Gewerkschaft HBV habe mit der regelmäßig in vergleichbaren Fällen vereinbarten Regelung unter § 5 des Anstellungsvertrages sicherstellen wollen, dass Wahlangestellte nach dem Ausscheiden aus dem Amt in einer herausgehobenen Form weiterbeschäftigt würden und hierbei ihre Verdienste und besondere Verantwortung als Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes hinreichend berücksichtigt werden würden. Das bedeute, dass ein Angestellter, der zuvor an höchster Position der Gewerkschaft gestanden habe, nun direkt, was Beschäftigung und Vergütung betreffe, einer Stufe unter dem Vorstand bleiben solle. Da es bei der HBV keine Hierarchieebene zwischen Vorstand und Tarifgruppe 14 gegeben habe, und die höchstmögliche Eingruppierung von Sekretären die in der Tarifgruppe 14 gewesen sei, wäre in Übertragung auf das jetzige Vergütungssystem der Beklagten seinerzeit eine Beschäftigung entsprechend der höchsten Tarifgruppe verabredet worden. Bezogen auf die Tätigkeitsbeschreibung der Beklagten zur Entgeltgruppe 9.2.4 erfülle sie alle Kernaufgaben und habe die Kompetenzen, die dort genannt seien, ausgenommen die Koordination der Tarifgebiete 1, 3, 8, 9, 10 oder 12.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitsaufgaben zuzuweisen, deren Vergütung der höchsten Gruppen der (früheren) jeweils geltenden Gehaltstabelle für Sekretärinnen der Gewerkschaft HBV, also nunmehr der Gewerkschaft ver.di, entsprechen, mithin also mit einer Tätigkeit entsprechend der Entgeltgruppe 9 Stufe 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di, zu betrauen,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.118,56 € brutto (Vergütungsdifferenzen Januar 2008 bis einschließlich April 2009) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr seit 1. September 2008 (Mittelzins) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, bei objektiver Auslegung nach dem Wortlaut des Vertrages ergebe sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht aus dem Anstellungsvertrag. Der Wille der vertragsschließenden Parteien sei bei der Auslegung zu berücksichtigen. Nach der Vorstellung der Klägerin müssten die Parteien des Vertrages vom 13. November 1993 damals vereinbart haben, dass die Klägerin auch dann Anspruch auf Beschäftigung und Vergütung entsprechend der höchsten Entgeltgruppe haben solle, wenn die HBV in einer um ein Vielfaches größeren Gewerkschaft aufgehe, in der 15 Jahre später ein völlig neues Entgeltsystem geschaffen werde. Bei einer derartigen Auslegung wäre der Vertrag ein Vertrag zu Lasten Dritter, da die Beklagte im Verhältnis zu den Gründungsgesellschaften Dritter sei. Die Klägerin habe einen Anspruch auf eine Beschäftigung und ein Entgelt, die der höchsten Gruppe der jeweils geltenden Gehaltstabelle für SekretärInnen der Gewerkschaft HBV entspreche. § 5 gewähre der Klägerin einen Besitzstand, nachdem sie so zu stellen sei, wie die SekretärInnen in der höchsten Vergütungsgruppe der HBV. Die höchste Entgeltgruppe für GewerkschaftssekretärInnen bei der Beklagten sei nicht zu vergleichen mit der höchsten Entgeltgruppe der SekretärInnen der HBV. Die um ein Vielfaches größere Organisation ebenso wie die um ein Vielfaches größere Zahl von Mitgliedern würden weitergehende Aufgaben und Verantwortlichkeiten begründen, die sich auch in der neuen Entgeltordnung niederschlagen würden.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 10. Februar 2010 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Klausel gem. § 5 des Vertrages vom 15. November 1993 bedürfe der Auslegung. Gem. § 10 des Vertrages würden die allgemeinen Anstellungsbedingungen HBV gelten. Dies dürfte, wie bei Gewerkschaften üblich, eine dynamische Bezugnahme auf die entsprechenden geltenden Betriebsvereinbarungen beinhalten. Danach gelte die Gesamtbetriebsvereinbarung Entgeltsystem der Beklagten ab 1. Januar 2008. Dies wäre auch bei der Vertragsstruktur zum Änderungsvertrag der Klägerin vom 15. November 1993 zu berücksichtigen. Die Auslegung könne nur zu dem Ergebnis führen, dass die Klägerin, auch gemäß ihrem Änderungsvertrag vom 15. November 1993, entsprechend in die Gesamtbetriebsvereinbarung einzugruppieren sei. Unstreitig nehme die Klägerin Koordinationsfunktionen gemäß Ziffer 9.2.4 Entgeltgruppe 9 Gesamtbetriebsvereinbarung nicht wahr. Zum einen möchte die Klägerin, dass ihr entsprechende Tätigkeiten übertragen werden. Dies sehe die Kammer nicht. Das Arbeitsverhältnis richte sich nach den jeweiligen Betriebsvereinbarungen. Die Beklagte habe völlig neue Hierarchiestrukturen geschaffen, die sich überhaupt nicht mit denen der HBV vergleichen ließen. Die Klägerin, die ihre jetzige Tätigkeit bei der Beklagten auf eigenen Wunsch ausführe, trage selbst vor, dass diese Tätigkeit mit derjenigen, die sie bei der HBV ausgeführt habe, als äquivalent angesehen werden könne. Die vertragliche und betriebsverfassungsrechtliche Analyse könne deshalb nur ergeben, dass die Klägerin vertragsgerecht eingesetzt werde. Von daher habe die Klägerin weder einen Anspruch auf eine höher qualifizierte Tätigkeit noch einen Anspruch auf höhere Vergütung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses der Klägerin am 8. März 2010 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 18. März 2010 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 12. April 2010 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin und Berufungsklägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Der Vertrag vom 15. November 1993 bedürfe der ergänzenden Auslegung. Da die Gewerkschaft HBV mit der Regelung in § 5 des Anstellungsvertrages vom 15. November 1993 habe sicherstellen wollen, dass Wahlangestellte nach dem Ausscheiden aus dem Amt in einer herausgehobenen Form weiterbeschäftigt würden und hierbei ihre Verdienste und die besondere Verantwortung als Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes hinreichend berücksichtigt würden, bedeute dies, dass ein Angestellter, der zuvor in höchster Position der Gewerkschaft gestanden habe, in Bezug auf Beschäftigung und Vergütung eine Stufe unter dem Vorstand habe bleiben sollen. Während es bei der HBV keine Stufe zwischen dem Vorstand und geschäftsführenden SekretärInnen entsprechend der Tarifgruppe 14 gegeben habe, seien bei der Beklagten noch oberhalb der TarifsekretärInnen Bezirksgeschäftsführer und Bereichsleiter in der Entgeltgruppe 9 Stufe 3 sowie die LeiterInnen verschiedener herausgehobener Abteilungen in der Entgeltgruppe 10 angesiedelt. Es gebe zwei Hierarchie- und Vergütungsstufen oberhalb der TarifsekretärIn mit der höchsten Vergütung innerhalb der Gruppe der Gewerkschaftssekretäre. Bei der Gewerkschaft HBV habe ein Vorstandsmitglied rund 50 % höhere Bezüge als sie, die Klägerin, erhalten. Die Vorstandsbezüge der Beklagten seien nicht bekannt. Es werde allgemein angenommen, dass die Vergütung eines Vorstandsmitglieds 10.000,- Euro betrage. In Ansehung der Vergütung nach der Entgeltgruppe 10 mit 6.292,- Euro sei der Abstand zwischen der höchsten Vergütungsgruppe bei der Beklagten und den Vorstandsbezügen mit 50 % zu ermitteln und entsprechen damit dem Verhältnis bei der Gewerkschaft HBV. Das Berufsbild der Gewerkschaftssekretäre habe sich in den letzten 20 Jahren nicht verändert. GewerkschaftssekretärInnen bei der Beklagten hätten keine höhere Verantwortlichkeit oder komplexere Aufgaben als zuvor bei der Gewerkschaft HBV. Mit der GBV Entgeltsystem habe nicht in den Arbeitsvertrag der Klägerin eingegriffen werden können. Nach zutreffender Auslegung des Vertrages könne die Klägerin eine Beschäftigung und Vergütung zumindest entsprechend der Entgeltgruppe 9.2.4 der GBV Entgeltsystem beanspruchen.  Bei Abschluss der GBV Entgeltsystem sei übersehen worden, dass beispielsweise von der Gewerkschaft HBV für frühere Wahlangestellte besondere Regelungen getroffen worden seien, die fortgelten würden. Wäre das Problem erkannt worden, so hätte die Entgeltgruppe 9 eine Öffnungsklausel erhalten, wonach die bisherige höchste Eingruppierung für SekretärInnen weiter Anwendung zu finden hätte. Bei der Beklagten sei grundsätzlich die Problematik evtl. bestehender Sonderverträge gesehen worden. Beispielsweise in der Protokollnotiz zu § 1 Abs. 1 der AAB ver.di seien Ausnahmeregelungen für ehemalige Beschäftigte der DAG geschaffen worden, dass der jeweilige Sondervertrag nur dann abgelöst werde, wenn sich die betroffenen Beschäftigten damit einverstanden erklären würden. Die hier in ihrem Fall bestehende Regelungslücke könne durch die gebotene Auslegung nach §§ 133, 157 BGB nur dahingehend geschlossen werden, dass die Klägerin entsprechend den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltstufe 9.2.4 GBV Entgeltsystem zu beschäftigen und zu vergüten sei. Ihr würden weitergehende Aufgaben als die einer einfachen Tarifsekretärin entsprechend der Entgeltgruppe 8 Stufe 2.4 obliegen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitsaufgaben zuzuweisen, deren Vergütung der höchsten Gruppe der (früheren) jeweils geltenden Gehaltstabelle für SekretärInnen der Gewerkschaft HBV, also nunmehr der Gewerkschaft ver.di entsprechen, mithin also mit einer Tätigkeit entsprechend der Entgeltgruppe 9, Stufe 2, der Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di, zu betrauen,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.118,56 € brutto (Vergütungsdifferenzen Januar 2008 bis einschließlich April 2009) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr seit 01.09.2008 (Mittelzins) zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Mit der Bezugnahme auf die zweithöchste Entgeltgruppe der Gesamtbetriebsvereinbarung räume die Klägerin konkludent ein, dass die Arbeitsbedingungen bei der Gründungsgewerkschaft HBV nicht eins zu eins mit den bei der Beklagten geltenden gleichzusetzen seien. An die GewerkschaftssekretärInnen mit Positionen der Entgeltgruppe 8 und höher würden bei ihr wesentlich höhere Anforderungen gestellt, als dies bei der wesentlich kleineren Quellgewerkschaft HBV der Fall gewesen sei. Auch bei der größten Gründungsgewerkschaft ÖTV sowie bei der DAG hätten entsprechende Besitzstandsregelungen für Wahlangestellte gegolten. Sie habe die Klägerin wie alle ihre Mitarbeiter entsprechend § 1 GBV Entgeltsystem umgruppiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Klägerin und Berufungsklägerin vom 10. April 2010 (Blatt 90 ff. d. A.), vom 20. Juli 2010 (Blatt 124 d. A.) und vom 30. September 2010 (Blatt 134 ff d. A.) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 14. Mai 2010 (Blatt 118 d. A.) und 1. November 2010 (Blatt 153 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist von ihr form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG) Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

II.

Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin mit einer Tätigkeit entsprechend der Entgeltgruppe 9 Stufe 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di zu betrauen. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenz für die Monate Januar 2008 bis September 2009 in Höhe von 2.118,56 Euro brutto zu.

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere genügt der Antrag zu 1) dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und hat auch einen vollstreckungsfähigen Inhalt.

§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verlangt, dass die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthält. Damit wird zum einen der Streitgegenstand abgegrenzt, zum anderen wird eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Gemessen an diesen Zielen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt und das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streites im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (vgl. BAG, Beschluss vom 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - zitiert nach juris, dort Rz. 16 m.w.N.). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen deshalb nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber worin diese besteht (vgl. BAG, Beschluss vom 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zitiert nach juris). Zudem ist das Rechtsstaatsprinzip zu beachten. Der Schuldner muss wissen, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG, Beschluss vom 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zitiert nach juris). Andererseits erfordert es aber gerade auch das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - zitiert nach juris), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch in der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Geht es um die Titulierung des dem Arbeitnehmer zustehenden Anspruchs auf Beschäftigung muss deshalb der Vollstreckungstitel verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht, da der Arbeitgeber vor unberechtigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geschützt werden muss. Andererseits kann der Titel aus materiell-rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Darauf hat der Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch, weil dem Arbeitgeber das Weisungsrecht nach § 106 Gewerbeordnung zusteht. Soweit nicht die Ausübung dieses Weisungsrechts im Einzelfall Gegenstand des Erkenntnisverfahrens ist, sind Einzelheiten der Beschäftigung nicht in den Antrag aufzunehmen. Bei einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsschutzprozesses ist es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Beschluss vom 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - zitiert nach juris, dort Rz. 16 m.w.N.) erforderlich aber auch ausreichend, wenn die Art der Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist; Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten. Dafür reicht es aus, wenn das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, sich aus dem Titel ergibt oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll (vgl. Beschluss vom 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - zitiert nach juris, dort Rz. 19 m.w.N.).

Vorliegend begehrt die Klägerin mit ihrem Antrag zu 1) eine Beschäftigung mit einer Tätigkeit nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 2 der GBV Entgeltsystem, ohne im einzelnen die Tätigkeiten zu bezeichnen, die ihr übertragen werden sollen. Damit trägt die Klägerin dem Umstand Rechnung, dass ihr bei einem Vergütungsanspruch nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 2 der GBV Entgeltsystem nicht ein Anspruch auf Beschäftigung mit bestimmten Tätigkeiten zusteht. Die geforderte Beschäftigung soll auf der Grundlage der anzuwendenden GBV Entgeltsystem erfolgen. Damit genügt der Antrag der Klägerin vorliegend dem Bestimmtheitserfordernis.

2. Die Klage ist auch begründet.

2.1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Beschäftigung mit Tätigkeiten der Entgeltgruppe 9 Stufe 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di zu.

a. Der Anspruch folgt nicht unmittelbar aus ihrem Anstellungsvertrag für Wahlangestellte vom 15. November 1993. In diesem Vertrag haben die Parteien vereinbart, dass die Beklagte dafür Sorge zu tragen hat, dass die Klägerin nach dem Ende ihres Anstellungsverhältnisses als Wahlangestellte angemessen weiterbeschäftigt wird. Dabei haben die Parteien des Anstellungsvertrages für Wahlangestellte in § 5 Satz 2 des Anstellungsvertrages vereinbart, dass als angemessen eine Tätigkeit gilt, deren Vergütung der höchsten Gruppe der jeweils geltenden Gehaltstabelle für SekretärInnen der Gewerkschaft HBV entspricht. Im Vertrag ist Bezug genommen worden auf die Gehaltstabelle der Gewerkschaft HBV. Der Vertrag enthält keinen Verweis auf die jeweils geltenden kollektivrechtlichen Vereinbarungen über das Entgelt.

b. Der Anstellungsvertrag für Wahlangestellte bedarf der Auslegung.

aa. Der Inhalt einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung ist durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu bestimmen. Dabei ist auf den in der auszulegenden Erklärung verkörperten Willen der Parteien abzustellen. Nach § 133 BGB ist der wirkliche Wille des Erklärenden als sog. innere Tatsache zu ermitteln. Hat der Erklärungsempfänger den tatsächlichen Willen des Erklärenden bei Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung erkannt und in Kenntnis dieses Willens das Geschäft abgeschlossen, so ist dieser Wille für den Inhalt des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts maßgeblich. Es reicht vielmehr aus, dass er ihn erkennt und in Kenntnis dieses Willens das Geschäft abschließt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob sich ein hypothetischer Parteiwille ermitteln lässt, wenn die Parteien zu einem regelungsbedürftigen Punkt keine Vereinbarung getroffen haben. Der Parteiwille kann dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Vertrag eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist. Damit ist die ergänzende Vertragsauslegung gegenüber der Ermittlung des übereinstimmenden Parteiwillens stets nachrangig und kommt allenfalls dann in Betracht, wenn sich ein übereinstimmender Parteiwille nicht feststellen lässt (BAG, Urteil vom 22. April 2009 - 7 AZR 768/07 - zitiert nach juris, dort  Rz. 14; BAG, Urteil vom 13. November 2007 - 3 AZR 636/06 - zitiert nach juris, dort Rz. 23).

bb. Der Arbeitsvertrag ist, weil er nachträglich lückenhaft geworden ist, einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich.

Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist, dass eine Vereinbarung eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (BAG, Urteil vom  19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - zitiert nach juris, dort Rz. 23; BAG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - zitiert nach juris, dort Rz. 25; BAG, Urteil vom 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - zitiert nach juris, dort Rz. 31). Eine Regelungslücke liegt dabei nur vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst deshalb offen gelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und diese Annahme sich nachträglich als unzutreffend herausstellt (BAG, Urteil vom 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - zitiert nach juris, dort Rz. 33). Von einer Planwidrigkeit kann nur die Rede sein, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (BAG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - zitiert nach juris, dort Rz. 25).

cc. Die Parteien des Anstellungsvertrages für Wahlangestellte haben bei Abschluss des Vertrages vom 15. November 1993 die nun eingetretene Situation nicht bedacht, dass die Gehaltstabelle für Sekretärinnen der Gewerkschaft HBV nicht mehr gilt, weil die Gewerkschaft HBV nicht existiert, da diese Gründungsgewerkschaft in der Gewerkschaft ver.di war. Für den Fall, dass es die im Vertrag genannte Gehaltstabelle nicht mehr gibt - weil auch die Gewerkschaft nicht mehr besteht - fehlt eine Regelung in dem Vertrag.

Eine Lücke kann nicht deshalb verneint werden, weil auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nunmehr die GBV Entgeltsystem ver.di Anwendung findet. zwar sieht die GBV Entgeltsystem ver.di in den Eingruppierungsgrundsätzen vor, dass maßgeblich für die Eingruppierung die auszuübende Tätigkeit ist. Damit ist jedoch nicht geregelt, welche Tätigkeit einem Arbeitnehmer der Beklagten, der einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zuweisung einer angemessenen Tätigkeit, deren Wertigkeit im Vertrag beschrieben ist, hat, zuzuweisen ist. Das Entgeltgruppenverzeichnis der GBV Entgeltsystem ver.di enthält keine Entgeltgruppe, die entweder ehemalige Wahlangestellte nennt oder deren Tätigkeitsbeschreibung eine Zuordnung ehemaliger Wahlangestellten ermöglicht.

dd. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Lücke bekannt gewesen wäre. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die ergänzende Vertragsauslegung eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend schließt (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03 - zitiert nach juris; BAG, Urteil vom 19. Mai 2010, a.a.O., Rz. 31). Das gilt auch, wenn eine Lücke sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat (BGH, Urteil vom 6. Juli 1989 - II ZR 35/88 - zitiert nach juris; BAG, Urteil vom 19. Mai 2010, a.a.O., Rz. 31). Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrages "zu Ende gedacht" werden (BGH, Urteil vom 20. September 1993 - II ZR 104/92 - zitiert nach juris; BAG, Urteil vom 19. Mai 2010, a.a.O., Rz. 31).

Ausgehend von diesen Maßstäben hätten die Parteien redlicherweise für den Fall des hier vorliegenden Fortfalls der Gehaltstabelle für Sekretärinnen der Gewerkschaft HBV vereinbart, dass als angemessen eine Tätigkeit gilt, deren Vergütung der höchsten Gruppe der jeweils geltenden Entgelttabelle für Gewerkschaftssekretärinnen der Arbeitgeberin entspricht.

Aus der Gegenüberstellung der Tarifgruppen der Anlage 2 der AAB HBV mit den Entgeltgruppen der GBV Entgeltsystem ver.di, folgt, dass angemessen im Sinne des Anstellungsvertrages für Wahlangestellte die Entgeltgruppe 10 der GBV Entgeltsystem ver.di, zumindest aber die Entgeltgruppe 9 der GBV Entgeltsystem ver.di ist. Nach der Anlage 2 der AAB HBV  - Gehaltsstruktur - wurden Gewerkschaftssekretäre den Tarifgruppen 6 - Sekretäre in Einarbeitung - bis 14 zugeordnet; die höchste Tarifgruppe enthielt keine Tätigkeitsmerkmale. Die GBV Entgeltsystem ver.di sieht als Eingangsvergütung für Gewerkschaftssekretäre in Einarbeitung die Entgeltgruppe 6 - dort 6.4. - vor und als höchste Entgeltgruppe die Entgeltgruppe 9 vor. Geschäftsführende Sekretäre eine Geschäftsstelle ab 18.001 zahlende Mitglieder waren nach der Gehaltsstruktur Anlage 2 der AAB HBV der Tarifgruppe 14 zugeordnet, dem gegenüber sieht die GBV Entgeltsystem ver.di vor, dass Bezirksgeschäftsführer der Entgeltgruppe 9 und je nach Anzahl der "abgerechneten" Mitglieder der Stufen 1 bis 3 zugeordnet sind. Gewerkschaftssekretäre in der Funktion von Abteilungsleitern waren bei der Gewerkschaft HBV der Tarifgruppe 13 zugeordnet, Leiter bestimmter Bereiche der Bundesverwaltung der Beklagten mit politischen bzw. administrativer Verantwortung von strategischer Bedeutung sind nach der GBV Entgeltsystem ver.di der Entgeltgruppe 9 Stufe 2 zugeordnet. Die Gegenüberstellung der Tarifgruppen der Gewerkschaft HBV und der Entgeltgruppen der Beklagten zeigt, dass das Entgeltgruppenverzeichnis der Beklagte stärker untergliedert ist, bei den Tätigkeitsbeschreibungen der Größe der Beklagten Rechnung trägt und stärker zwischen Landesfachbereichen und Bundesverwaltung differenziert als die Gehaltsstruktur in Anlage 2 der AAB HBV.

Da im Anstellungsvertrag für Wahlangestellte bei der Angemessenheitsprüfung auch auf die Vergütung abgestellt wird, ist die Vergütungsstruktur und -höhe bei der ergänzenden Vertragsauslegung auch von Bedeutung. Insoweit ist die Relation der Vergütung der Klägerin während und nach dem Wahlamt zur Vergütung nach der Tarifgruppe 14 der Anlage 2 der AAB HBV und die Vergütungshöhe der Entgeltgruppen der GBV Entgeltsystem ver.di maßgeblich. Das Entgelt der Klägerin als Wahlangestellte im Jahr 1994 in Höhe von 12.500,- DM nebst weiterer Leistungen überstieg die Vergütung nach der Tarifgruppe 14 Stufe 2 in Höhe von 7.965,- DM um 36,28 % und nach der Tarifgruppe 15 Stufe 2 in Höhe von 8.351,- DM um 33,2 %. Die Vergütung nach Entgeltgruppe 10 der GBV Entgeltsystem ver.di beträgt 6.296,- Euro, der Abstand zur Vergütung von Vorstandsmitgliedern mit einem geschätzten Einkommen von 10.000,- Euro beträgt 37,04 %. Unter Berücksichtigung des aktuellen Vergütungsgefüges bei der Beklagten ist die Entgeltgruppe 10 der GBV Entgeltsystem ver.di, die Entgeltgruppe über der höchsten Entgeltgruppe für Gewerkschaftssekretäre, die Vergütungsgruppe, die die Parteien unter Berücksichtung aller Umstände vereinbart hätten, wenn die Parteien bei Vertragsschluss den späteren Wegfall der Entgeltregelungen der Gewerkschaft HBV bzw. das Aufgehen der Gewerkschaft HBV in einer anderen oder neuen Gewerkschaft bedacht hätten.

c. Indem die Klägerin eine Tätigkeit der Entgeltgruppe 9 Stufe 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di beansprucht, obgleich die höchste Gruppe die Entgeltgruppe 10 ist, in welche Gewerkschaftssekretärinnen nach der GBV Entgelt eingruppiert sind, macht sie nicht etwas anderes geltend sondern lediglich weniger geltend.

2.2. Die Beklagte schuldet die Differenz der Vergütung zwischen der Entgeltgruppe und der Entgeltgruppe für die Monate gemäß § 615 BGB, da sie die Klägerin in diesem Zeitraum nicht vertragsgemäß beschäftigt hat und sich insoweit mit der Annahme der Dienste der Klägerin in Verzug befunden hat.

Der Anspruch der Klägerin ist nicht verfallen.

Zum schlüssigen Vortrag einer Forderung, die tariflichen Ausschlussfristen unterliegt, gehört die Darlegung der Einhaltung dieser Fristen und damit der fristgerechten Geltendmachung. Unterbleibt dies, ist die Klage unschlüssig. Die Einhaltung der tariflichen Ausschlussfristen ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung für das Bestehen des behaupteten Anspruchs (vgl. BAG, Urteil vom 25. Januar 2006 - 4 AZR 622/04 - zitiert nach juris). Die Nichteinhaltung der Fristen ist - anders als die Verjährung einer Forderung - eine Einwendung, die von Amts wegen zu beachten ist (vgl. BAG, Urteil vom 21. Februar 2001 - 4 AZR 18/00 - zitiert nach juris) und auf die sich der Schuldner nicht berufen muss. Der Anspruchsverlust ist lediglich die normative Folge der Obliegenheitsverletzung (vgl. BAG, Urteil vom 25. Januar 2006 - 4 AZR 622/04 - zitiert nach juris). Diese Grundsätze gelten auch für in Gesamtbetriebsvereinbarungen von Gewerkschaften geregelten Ausschlussfristen, da die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten von Gewerkschaften nicht in Tarifverträgen sondern in Betriebsvereinbarungen bzw. Gesamtbetriebsvereinbarungen geregelt werden.

Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 14. Dezember 2008 gegen die von der Beklagten mitgeteilte Eingruppierung gewandt und die Zahlung der Vergütungsdifferenz begehrt. Da die Beklagte erstmals mit Gehaltsabrechnung für Oktober 2008 die Vergütung der Klägerin nach der Entgeltgruppe 8 Stufe 2 GBV Entgeltsystem abrechnete, hat die Klägerin mit Schreiben vom 14. Dezember 2008 die Ausschlussfrist gemäß der AAB ver.di gewahrt, die in § 7 eine schriftliche Geltendmachung binnen 6 Monaten nach Fälligkeit vorsieht.

III.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV.

Die Revision war gemäß § 72 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.