VG Berlin, Urteil vom 15.05.2013 - 2 K 8.13
Fundstelle
openJur 2015, 2719
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 27. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 verpflichtet, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Namen der gewählten Mitglieder und Nachrücker in der Wahlgruppe 7 zur Vollversammlung der Beklagten im Jahr 2012 in der Reihenfolge der erreichten Stimmergebnisse, soweit ihr diese nicht im Widerspruchsbescheid mitgeteilt worden sind.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Zugang zu Informationen der Beklagten betreffend das Wahlergebnis in der Wahlgruppe 7 „Einzelhandel und Apotheken“ zur Wahl der Vollversammlung der Beklagten im Jahre 2012.

Die Klägerin ist Mitglied der Vollversammlung der Beklagten. Sie wurde bei der Wahl 2012 in der Wahlgruppe 7 mit 443 Stimmen auf Platz 1 gewählt.

Der Wahlausschuss der Industrie- und Handelskammer zu Berlin (IHK Berlin) machte bei der Wahl 2012 die Namen der gewählten Wahlbewerber für jede einzelne Wahlgruppe in alphabetischer Reihenfolge im Amtsblatt von Berlin bekannt (Amtsblatt Berlin vom 22. Juni 2012, S. 1028 ff.). Weitere Angaben zu den konkreten Stimmergebnissen und der Platzierung der gewählten Kandidaten sowie zu den Nachrückern machte der Wahlausschuss nicht bekannt, nachdem die Vollversammlung in ihrer Sitzung am 14. September 2011 einen Antrag auf Änderung der Wahlordnung dahingehend, dass neben der bloßen Bekanntmachung der Namen der gewählten Bewerber auch die auf sie sowie auf alle Bewerber entfallende Stimmenzahl veröffentlicht werden solle, abgelehnt hatte.

Mit Schreiben vom 24. September 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, gestützt auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz, ihr u.a. Auskunft über die Ergebnisse in ihrer Wahlgruppe zu erteilen, insbesondere darüber, wie viele Stimmen auf die einzelnen Kandidaten der Wahlgruppe entfallen seien.

Mit Bescheid vom 27. September 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es handele sich hierbei um geschützte personenbezogene Daten. Das Informationsinteresse der Klägerin überwiege nicht das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung. Die Kandidaten hätten darauf vertraut, dass das Wahlergebnis nur in der durch die Wahlordnung vorgegebenen Form veröffentlicht werde. Es bestehe die Sorge, dass nicht erfolgreiche Bewerbungen in einzelnen Branchen von Konkurrenten gegen die Kandidaten verwendet werden könnten, beispielsweise um Partner oder Kunden auf die mangelnde Unterstützung eines Unternehmens in seiner Branche hinzuweisen. Daher hätten die Mitglieder der Vollversammlung im Rahmen ihrer Satzungsautonomie die eingeschränkte Form der Veröffentlichung des Wahlergebnisses beschlossen. Die Kandidaten sollten nicht befürchten müssen, dass eine erfolglose Bewerbung dazu benutzt werden könne, sie unternehmerisch zu beeinträchtigen. Mit Begleitschreiben vom selben Tag wies die Beklagte darauf hin, dass es der Klägerin als Mitglied der Vollversammlung - außerhalb des IFG - jederzeit frei stehe, Einsicht in die betreffenden Wahlunterlagen zu nehmen.

Mit dem gegen den Ablehnungsbescheid vom 27. September 2012 am 29. Oktober 2012 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Offenbarung personenbezogener Daten schutzwürdige Belange der betroffenen Kandidaten bereits nicht entgegenstünden, da diese Beteiligte an einem sonstigen Verfahren im Sinne des § 6 Abs. 2 Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG Bln) seien. Das Wahlverfahren zur Vollversammlung der IHK Berlin stelle ein solches sonstiges Verfahren dar. Es sei auch nicht erkennbar, dass das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung der Wahlergebnisse das Interesse der Klägerin an der Veröffentlichung der Daten überwiege. Die personelle Zusammensetzung der Vollversammlung habe Wirkung für die Pflichtmitglieder sowie für zukünftige Mitglieder. Das Wahlverfahren, dessen Ausgestaltung, Durchführung und die Ergebnisse hätten eine erhebliche Auswirkung für einen breiten öffentlichen Adressatenkreis. Es bestehe ein erhebliches Interesse an einer lückenlosen Information über alle Wahlhandlungen. Gegenüber diesem Interesse müsse das Interesse der Kandidaten an der Anonymisierung ihrer Daten zurücktreten. Wer zur Wahl einer mit öffentlichen Aufgaben ausgestatteten Körperschaft des öffentlichen Rechts kandidiere und an der Wahl zur Vollversammlung einer solchen Körperschaft teilnehme, müsse damit rechnen, dass das Ergebnis dieser Wahl für die Öffentlichkeit von Interesse ist. Die Wahl zur Vollversammlung der IHK Berlin sei vergleichbar mit sonstigen öffentlichen Wahlen, bei denen eine vollständige Transparenz gegenüber den Wählern hinsichtlich der Stimmergebnisse selbstverständlich sei, auch wenn das zahlenmäßige Ergebnis für einzelne Wahlkreiskandidaten wenig schmeichelhaft ausfallen könne. Die Argumentation der Beklagten, wonach wirtschaftliche Interessen durch die Offenlegung beeinträchtigt werden könnten, überzeuge nicht. Ein Beschluss der Vollversammlung, die Daten nur anonymisiert zu veröffentlichen, sei unerheblich. Er laufe den Vorgaben des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes zuwider.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2012 hob die Beklagte den Bescheid vom 27. September 2012 insoweit auf, als Betroffene im nunmehr durchgeführten Beteiligungsverfahren der Offenbarung ihrer personenbezogenen Daten zugestimmt haben. Deren Namen, Platzierung und die auf sie jeweils entfallende Stimmenzahl teilte sie der Klägerin in der Anlage zum Widerspruchsbescheid mit. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass ein Regelfall des § 6 Abs. 2 IFG Bln nicht vorliege. Die Klägerin begehre weitere personenbezogene Daten, wofür die Regel nicht gelte. Maßgeblich für das nicht überwiegende Informationsinteresse der Klägerin sei, dass die Mitglieder der Vollversammlung - das oberste Organ der IHK - über den Detailgrad der Veröffentlichung der Wahlergebnisse diskutiert und sich dafür entschieden hätten, lediglich die Namen der Gewählten bekannt zu machen. Da die Kandidaten davon ausgegangen seien, dass die Vollversammlung über die Veröffentlichung der Wahlergebnisse abschließend entschieden habe und auch entscheiden habe dürfen, sei dieses Vertrauen schutzwürdig. Hinzu komme, dass die Klägerin als Kandidatin der Wahl in die Wahlunterlagen ihrer Wahlgruppe Einsicht nehmen und sich so über die Stimmanteile informieren könne. Da das Stimmergebnis der gewählten Mitglieder der Vollversammlung keine rechtliche Relevanz mehr habe und für die ordnungsgemäße Bekanntmachung des Wahlergebnisses die Veröffentlichung der Namen der gewählten Kandidaten ausreiche, sei das Informationsinteresse vergleichsweise gering einzuschätzen. Die Wahl zur Vollversammlung der IHK Berlin sei nicht mit Wahlen von Landesparlamenten vergleichbar. Die Vollversammlung sei unpolitisch, es gebe keine Parteien und keine Fraktionen. Die Vollversammlung habe die Aufgabe, das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft abzubilden. Dieses werde nicht (partei-) politisch geprägt. Entscheidend sei, dass die Interessen der verschiedenen Branchen angemessen berücksichtigt würden. Dafür sehe die Wahlordnung die Einteilung in Wahlgruppen vor.

Am 7. Januar 2013 (Montag) hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren.

Sie beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. September 2012 inGestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 zu verpflichten, ihr Auskunft zu erteilen über die Namen der gewählten Mitglieder und Nachrücker in der Wahlgruppe 7 zur Vollversammlung der Beklagten in der Reihenfolge der erreichten Stimmergebnisse, welche die Zustimmung zur Veröffentlichung nicht erteilt haben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor, dass sich das Auskunftsbegehren der Klägerin als Missachtung einer demokratisch zu Stande gekommenen Entscheidung der Vollversammlung darstelle. Zudem hänge von der konkreten Stimmenzahl, die auf den jeweiligen Kandidaten entfallen sei, nichts ab. Die Betroffenen nähmen ihre Aufgaben ehrenamtlich für die Berliner Wirtschaft insgesamt wahr; ihnen solle daher kein beruflicher Nachteil aus einem schlechten Abschneiden bei der Wahl entstehen. Es bestünde sonst die Gefahr, dass sich Unternehmer nicht mehr bereit erklärten, als Kandidat zur Wahl anzutreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen; diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 VwGO), denn die behördliche Entscheidung über die Gewährung des Informationszugangs stellt einen Verwaltungsakt dar (vgl. VG Berlin, Urteil vom 30. August 2012 - VG 2 K 147.11 - juris; zum IFG des Bundes: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - OVG 12 RM 3.09 -). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Der Klägerin fehlt insbesondere nicht deshalb das Rechtschutzinteresse, weil ihr die Beklagte mit Schreiben vom 27. September 2012 Akteneinsicht in die betreffenden Wahlunterlagen gewährte. Denn die Beklagte versah die Gewährung der Akteneinsicht mit der Einschränkung, dass die Klägerin die Einsicht nur in ihrer Funktion als Mitglied der Vollversammlung erhalte und die Information vertraulich zu behandeln habe. Damit ist der von der Klägerin begehrte Informationszugang nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz weitreichender, da dieser ihr die Möglichkeit eröffnet, die konkreten Wahlergebnisse zu veröffentlichen, ohne befürchten zu müssen, gegen die von der Beklagten vorgegebene Vertraulichkeitspflicht zu verstoßen.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Sie hat Anspruch auf Auskunft über die Namen derjenigen gewählten Mitglieder und Nachrücker in der Wahlgruppe 7 zur Vollversammlung der Beklagten in der Reihenfolge der erreichten Stimmergebnisse, soweit ihr diese nicht im Widerspruchsbescheid mitgeteilt worden sind.

Rechtsgrundlage für das Auskunftsbegehren ist § 3 Abs. 1 Satz 1 IFG Bln. Danach hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG Bln genannten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten.

18Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 IFG Bln liegen vor. Die Klägerin gehört als natürliche Person zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Der Zugangsanspruch wird nicht dadurch eingeschränkt, dass die Klägerin eine organschaftliche Stellung als Mitglied der Vollversammlung der Beklagten innehat (vgl. für das IFG NRW: OVG Münster, Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679.04 - Leitsatz 2, GewArch 2007 S. 113, zit. nach juris). Die Industrie- und Handelskammer zu Berlin ist als landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts des Landes Berlin (§§ 3 Abs. 1, 11 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern, § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Industrie- und Handelskammer zu Berlin, § 28 Abs. 2 lit. b AZG) eine nach § 2 Abs. 1 S. 1 IFG Bln informationspflichtige öffentliche Stelle. Bei den Unterlagen über die Wahlergebnisse zur Neuwahl der Vollversammlung im Jahre 2012 handelt es sich auch um Bestandteile von Akten im Sinne des § 3 Abs. 2 IFG Bln. Akten im Sinne dieses Gesetzes sind u. a. alle schriftlich festgehaltenen Gedankenverkörperungen und sonstige Aufzeichnungen, soweit sie amtlichen Zwecken dienen. Die Unterlagen über die Wahlergebnisse dienen der Feststellung, wer als Mitglied und wer als Nachrücker in die Vollversammlung der Beklagten gewählt worden ist, mithin amtlichen Zwecken. Die Angaben befinden sich auch in der von der Beklagten geführten Akte (vgl. § 14 Abs. 2 der Wahlordnung der Industrie- und Handelskammer zu Berlin).

Der von der Klägerin erstrebten Auskunft steht - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht der Ausschlussgrund des § 6 Abs. 1 IFG Bln entgegen. Hiernach besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft nicht, soweit durch die Akteneinsicht oder Aktenauskunft personenbezogene Daten veröffentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden oder der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen und das Informationsinteresse (§ 1) das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt. Personenbezogene Daten liegen hier vor (1.), die Klägerin verfolgt kein überwiegendes Privatinteresse (2.), das Informationsinteresse überwiegt das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung (3.).

1. Die Namen der gewählten Mitglieder und Nachrücker in der Wahlgruppe 7 zur Vollversammlung der Beklagten in der Reihenfolge der erreichten Stimmergebnisse sind personenbezogene Daten im oben genannten Sinne, da es sich um Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person handelt (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 BlnDSG).

2. Nach dem Vorbringen der Klägerin bestehen keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden. Die Klägerin hat bereits bei Antragstellung geltend gemacht, dass es ihr um die Herstellung von mehr Transparenz bei der Wahlauswertung gehe und um ihre Wahllegitimation in der Wahlgruppe. Damit nimmt sie ein dem Zweck des Gesetzes entsprechendes Informationsinteresse (vgl. § 1 IFG Bln) in Anspruch, das sich nicht in der überwiegenden Verfolgung von Privatinteressen erschöpft.

3. Der Auskunftsanspruch der Klägerin ist auch nicht nach der zweiten Alternative des § 6 Abs. 1 IFG Bln ausgeschlossen. Zwar können sich die Betroffenen der Wahlgruppe 7 grundsätzlich auf schutzwürdige Belange berufen. Denn sie haben der Offenbarung der in Frage stehenden Daten nicht zugestimmt (§ 6 Abs. 2 S. 1, 1. Alt. IFG Bln) und die begehrten Angaben unterfallen auch nicht dem Regelbeispiel des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a IFG Bln. Nach dieser Vorschrift stehen schutzwürdige Belange der Betroffenen in der Regel nicht entgegen, soweit sich aus einer Akte ergibt, dass die Betroffenen an einem Verwaltungsverfahren oder einem sonstigen Verfahren beteiligt sind und durch diese Angaben mit Ausnahme von Namen, Titel, akademischer Grad, Geburtsdatum, Beruf, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, innerbetrieblicher Funktionsbezeichnung, Anschrift und Rufnummer nicht zugleich weitere personenbezogene Daten offenbart werden. Es kann offen bleiben, ob die gewählten Mitglieder und Nachrücker Beteiligte an einem Verfahren im Sinne dieser Vorschrift sind, da eine Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a IFG Bln jedenfalls daran scheitert, dass mit der Information zugleich weitere personenbezogene Daten der Betroffenen offenbart werden. Denn die von der Klägerin begehrten Angaben beschränken sich nicht auf die Angabe des Namens, des Geburtsdatums, des Berufes, der innerbetrieblichen Funktionsbezeichnung, der Anschrift oder der Rufnummer der Betroffenen, sondern umfassen die Platzierung sowie die erzielte Stimmenzahl der gewählten Mitglieder und Nachrücker bei der Wahl in der Wahlgruppe 7 zur Vollversammlung der Beklagten, so dass weitere personenbezogene Daten offenbart würden.

23Entgegen der Auffassung der Beklagten überwiegt aber das Informationsinteresse der Klägerin das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung dieser weiteren personenbezogenen Daten. Bei der Interessenabwägung nach § 6 Abs. 1 IFG Bln handelt es sich um eine gerichtlich voll überprüfbare Entscheidung, die ein Ermessen der Behörde nicht eröffnet (vgl. VG Berlin, Urteil vom 7. April 2010 - VG 2 K 39.10 - zu § 5 Abs. 1 IFG Bund). Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgt dabei nicht, dass die Abwägung zwangsläufig zu Lasten des Informationsinteresses ausgehen muss. Denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht ausschließlich dem Betroffenen im Sinne einer absoluten und uneinschränkbaren Herrschaft über seine Daten zugeordnet. Der Einzelne muss vielmehr Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2001 - 2 BvR 152/01 - juris, m.w.N.). Bei der Frage, welches Gewicht der Offenbarung personenbezogener Daten zukommt, ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen.

Das Informationsinteresse der Klägerin ist aus nachfolgenden Erwägungen höher zu bewerten als das Interesse der gewählten Mitglieder und Nachrücker bei der Wahl in der Wahlgruppe 7:

Ausgangspunkt der Abwägung ist der mit dem Gesetz verfolgte Zweck, die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu stärken und die Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen (§ 1 IFG Bln). Mit Blick auf diesen Zweck ist das Informationsinteresse der Klägerin von erheblichem Gewicht, da sie Transparenz bei der Wahl zur Vollversammlung der Beklagten schaffen will; hierzu gehört nicht nur die Information, wer gewählt worden ist, sondern auch die Information, wie die insgesamt abgegebenen Stimmen den Kandidaten zugeordnet worden sind. Die Klägerin verspricht sich dadurch Erkenntnisse über die Wahllegitimation der jeweils Gewählten und eine Stärkung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung. Das Interesse der gewählten Mitglieder und Nachrücker bei der Wahl in der Wahlgruppe 7 an der Geheimhaltung dieser Information tritt demgegenüber zurück. Dies gilt zunächst für jene Betroffenen, die im Beteiligungsverfahren nach § 14 IFG Bln kein spezifisches Geheimhaltungsinteresse formuliert haben. Ihr Interesse an der Geheimhaltung ihrer Daten kann daher nur allgemein gewürdigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Information nicht dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen ist und die Daten auch nicht aus dem weiteren privaten Bereich der Betroffenen stammen. Vielmehr sind die Betroffenen in ihrer beruflichen Funktion freiwillig als Kandidaten zu einer Wahl angetreten. Eine solche Kandidatur betrifft nicht die besonders geschützte Privat- oder Intimsphäre, sondern vielmehr die weniger geschützte Sozialsphäre.

Soweit sich einige Betroffene auf den Beschluss der Vollversammlung vom 14. September 2011 berufen und Vertrauensschutz geltend gemacht haben, gilt nichts anderes. Die Vollversammlung der Beklagten hat am 14. September 2011 zwar beschlossen, § 14 Abs. 2 der Wahlordnung der Beklagten nicht zu ändern mit der Folge, dass nur die Namen der gewählten Bewerber bekannt zu geben sind. Dementsprechend hat der Wahlausschuss der Beklagten auch lediglich die Namen der gewählten Bewerber in alphabetischer Reihenfolge bekannt gemacht. Nur hierauf konnten die betroffenen Kandidaten vertrauen. Nicht hingegen darauf, dass damit auch subjektive Ansprüche nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz ausgeschlossen werden. Denn die Bestimmungen der Wahlordnung der Beklagten stellen lediglich Mindestanforderungen für eine ordnungsgemäße Bekanntgabe des Wahlergebnisses auf; den gesetzlichen (weitergehenden) Anspruch auf Informationsfreiheit können sie indes nicht regeln und damit auch nicht ausschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - BVerwG 7 B 9.07 - juris Rn. 13 zur Wahlordnung der IHK NRW).

Aus diesem Grunde kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, das Begehren der Klägerin stelle sich als Missachtung einer demokratisch zu Stande gekommenen Entscheidung der Vollversammlung dar. Die Vollversammlung hat sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit (vgl. § 4 Abs. 3 der Satzung der Beklagten) allein mit der Frage der Bekanntmachung des Wahlergebnisses nach der Wahlordnung befasst. Zu den subjektiven Rechten Einzelner nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz hat sie sich nicht geäußert und hierzu auch keinen Beschluss gefasst. Da die Klägerin den Antrag auf Informationszugang zudem nicht als Mitglied der Vollversammlung der Beklagten, sondern als Jedermann („Jeder Mensch“) im Sinne des § 3 Abs. 1 IFG Bln gestellt hat, scheidet eine Kollision mit einer Entscheidung der Vollversammlung aus.

Der Hinweis der Beklagten auf mögliche berufliche Nachteile bei Publikwerden eines schlechten Wahlergebnisses für einzelne Kandidaten überzeugt nicht. Zum Einen ist bereits durch einen Abgleich der veröffentlichten Kandidatenliste zur Wahl der Vollversammlung (§ 11 Abs. 5 Satz 1 der Wahlordnung der Beklagten) mit dem bekannt gemachten Wahlergebnis (§ 14 Abs. 2 der Wahlordnung der Beklagten) ohne Weiteres ersichtlich, wer gewählt und wer nicht gewählt worden ist. Zum Anderen ist die Befürchtung der Beklagten, dass Partner oder Kunden der Betroffenen auf eine mangelnde Unterstützung eines Unternehmens in seiner Branche hinweisen könnten, im Rahmen des Beteiligungsverfahrens von keinem Betroffenen geäußert worden. Derartige Befürchtungen erscheinen dem Gericht auch eher fernliegend.

Auf die von der Beklagten hervorgehobenen Unterschiede zwischen der Wahl zu ihrer Vollversammlung und öffentlichen Wahlen kommt es nicht an, da nach § 6 Abs. 1, 2. Alt. IFG Bln allein die schutzwürdigen Belange der betroffenen Kandidaten mit dem Informationsinteresse der Klägerin abzuwägen sind.

Das Gericht weist darauf hin, dass die Aktenauskunft tatsächlich erst erteilt werden darf, wenn der Bescheid, der aufgrund dieses Urteils zu erlassen ist, auch gegenüber den Betroffenen bestandskräftig geworden ist (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 4 IFG Bln).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO.