VG Stade, Urteil vom 15.04.2014 - 1 A 1490/10
Fundstelle
openJur 2014, 14370
  • Rkr:
Tatbestand

Der Kläger möchte Maßnahmen zur Vergrämung von Saatkrähen einer Brutkolonie durchführen.

Die Kolonie befindet sich in F. am Rand eines innerstädtischen bewaldeten Gebietes an der G. Straße und zwar in Höhe der Straße „H. ". Die Entfernung zum Wohnhaus des Klägers beträgt ca. 30 m. Neben dieser Kolonie gibt es in F. noch insgesamt 12 weitere Saatkrähenbrutkolonien. Die hier umstrittene Brutkolonie gehört zumindest seit dem Jahr 2008 zu den größten Kolonien im Stadtgebiet. Im Frühjahr 2013 war sie mit 256 Brutpaaren die zweitgrößte Saatkrähenbrutkolonie in F..

Bereits in der Vergangenheit traten der Kläger und weitere Anwohner des Gebiets erfolglos an den Beklagten heran und beschwerten sich über den durch die Saatkrähen verursachten Lärm sowie über die Verschmutzung der Gegend. Am 28. November 2008 beantragte der Kläger, ihm Maßnahmen zur Vergrämung von Saatkrähen zu genehmigen. Ziel sei es, die Krähen in ein ca. 300 m entferntes Gebiet am Öllager zu vertreiben. Nach verschiedenen Vergrämungsmaßnahmen bei anderen Kolonien im Stadtgebiet von F. habe sich die ehemals kleine Kolonie an der G. Straße inzwischen derart ausgeweitet, dass sich die Zahl der Nistplätze von ursprünglich 60 im Jahr 2004 auf 180 im Jahr 2008 erhöht habe. Dies bedeute 360 brütende Saatkrähen mit jeweils drei bis vier Jungtieren, d.h. eine Kolonie von etwa 1.000 Tieren. Autos, Gärten und Balkone würden erheblich verschmutzt, auch bestehe eine Gesundheitsgefahr, insbesondere für spielende Kinder. Die Geräuschbelastung übersteige das normale Maß erheblich. Ab den frühen Morgenstunden, ab etwa 4.00 Uhr, bis in die Abendstunden sei ein normales Wohnen nicht mehr möglich. Es gebe im Gebiet von F. genügend andere Nistmöglichkeiten. Die Vergrämungsmaßnahmen seien deswegen kein unzumutbarer Eingriff in die Natur. Er, der Kläger, strebe an, die Nistplätze auf 60 zu reduzieren.

Mit Bescheid vom 4. Mai 2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Saatkrähen seien eine im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG - besonders geschützte wildlebende Vogelart, die den Verboten des BNatSchG unterliege. Eine Befreiung von diesen Verboten, könne hier aber nicht erteilt werden. Es liege kein atypischer Einzelfall vor. Die Auswirkungen, die von der streitigen Saatkrähenkolonie ausgingen, unterschieden sich nicht von denjenigen anderer Kolonien gleicher Größe. Es lägen auch keine unzumutbaren Belastungen vor. Die Kolonie habe im Jahr 2000 aus 115 Brutpaaren bestanden, im Jahr 2002 aus 90 Paaren und im Jahr 2003 aus 110 Paaren. Gegenwärtig seien die Bestandszahlen deutlich geringer als 1.000 Tiere. Der Lärm und der Schmutz, die von den Tieren ausgingen, rechtfertigten eine Befreiung von den Zugriffsverboten des Artenschutzrechts nicht. Während der Nestbauzeit im Frühjahr komme es durch die erhöhte Flugtätigkeit der Tiere zu erhöhten Verschmutzungen. Nach dieser Zeit verringerten sich die Belästigungen aber. Da sich hier alle Nester im Gehölz an der G. Straße befänden, fielen die meisten Verschmutzungen direkt innerhalb des Brutgebietes an. Auch die Lärmbelästigungen nähmen nach der Brutzeit ab. Weiter befinde sich die Kolonie an einer viel befahrenen Hauptverkehrsstraße, der G. Straße. Der Verkehrslärm überlagere am Tag den Lärm, der von den Krähen ausgehe. Am frühen Morgen oder am Abend, wenn der Verkehrslärm nicht gegeben sei, könne die Lärmbelastung durch die Krähen stärker wahrgenommen werden. Insgesamt sei sie aber noch niedriger als die Verkehrsbelastung während des Tages. Die Kolonie werde beobachtet, es fänden jährlich Bestandszählungen statt.

Der Kläger erhob am 25. Mai 2009 Widerspruch. Es liege hier ein atypischer Einzelfall vor, weil andere Grundstücke nicht in der gleichen Weise durch Saatkrähen belastet würden. Im Übrigen sei die freie, unbebaute Landschaft der allgemeine Lebensraum von Saatkrähen. Das Auftreten von großen Nistkolonien im bebauten städtischen Umfeld sei eine atypische Erscheinung, die zu Spannungen zwischen Mensch und Tier führe. Ziel des Naturschutzes müsse die Rückführung der Krähen in ihren eigentlichen Lebensraum sein.

Was den Lärm angehe, komme es nicht nur in der Nestbauzeit zu einer erheblichen Belästigung, sondern wegen der großen Anzahl der Tiere von Mitte Februar bis Mitte August. Durch den über das normale Maß hinausgehenden Lärm komme es zu Gesundheitsbeeinträchtigungen der Anwohner. Es sei unzutreffend, dass der Verkehrslärm den Krähenlärm überlagere. Im Übrigen handele es sich bei Letzterem um eine Dauerbelastung, die den zulässigen Richtwert für Wohngebiete übersteige. Es müsse im Augenblick von einer Anzahl von 1.344 Krähen ausgegangen werden. Dies sei auch mit Rücksicht auf den Kot, der durch die Tiere produziert werde, unzumutbar. Insgesamt lägen überwiegende Gründe des Allgemeinwohls vor, die die begehrte Vergrämung rechtfertigten.

In der Folgezeit ließ der Beklagte mehrere Lärmmessungen vor einem Wohnhaus an der G. Straße vornehmen. Die Messungen ergaben im Juni 2009 Werte von 53 dB in der Zeit von 22.00 Uhr und 22.30 Uhr und von 56 dB in der Zeit von 4.30 Uhr bis 5.30 Uhr. An vier Messungen in der Zeit zwischen 15. März 2010 und 24. Mai 2010 wurden morgens Werte zwischen 62 dB und 64 dB gemessen.

Mit Bescheid vom 8. November 2010 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus:

Die maßgebenden Fragen seien nach den Änderungen des BNatSchG nun nach §§ 44, 45 und 67 BNatSchG zu beurteilen. Es seien keine besonderen Umstände des Einzelfalls gegeben, die eine Ausnahme von den Verboten des BNatSchG rechtfertigten. Von einem Einzelfall könne nur dann ausgegangen werden, wenn der Gesetzgeber die nachteiligen Auswirkungen der Regelungen auf den Betroffenen in dieser Form nicht vorhergesehen habe und nicht habe vorhersehen können. Nur derartige atypische Fälle seien von der Befreiungsmöglichkeit des § 67 Abs. 2 BNatSchG erfasst. Der umfassende Schutz des BNatSchG für Saatkrähen gelte unabhängig davon, wo sich die Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der besonders geschützten Art befänden. Der Standort der Brutkolonie „H. " sei nicht atypisch, weil Brutkolonien von Saatkrähen durchaus auch innerhalb von Städten aufträten. Lebensäußerungen von geschützten Tieren gehörten in der Regel zu den Beeinträchtigungen, die der Gesetzgeber vorhergesehen habe. Sie seien von der Allgemeinheit hinzunehmen und begründeten keinen atypischen Sachverhalt im Sinne der Befreiungsvorschrift. Die Lautäußerungen und Verschmutzungen, die im vorliegenden Fall durch die Saatkrähen verursacht würden, seien auch nicht so besonders, dass von einem atypischen Sachverhalt ausgegangen werden könne.

Auch die in den vergangenen Jahren beobachtete Entwicklung der Kolonie lasse keine andere Beurteilung zu. Einen atypischen Einzelfall könne man nur dann annehmen, wenn es sich um eine außergewöhnlich große Saatkrähenkolonie im innerörtlichen Bereich handele oder wenn die Konzentration der Saatkrähen an dieser Stelle durch Maßnahmen des Menschen in einer Weise verursacht würde, die vom Gesetzgeber nicht habe vorhergesehen werden können. Ob das hier der Fall sei, könne dahingestellt bleiben, weil durch die Lebensäußerungen der Saatkrähen keine unzumutbaren Belastungen für den Kläger hervorgerufen würden. Solche Belastungen seien erst dann gegeben, wenn Gesundheitsgefährdungen entstünden oder die Belastung über das Maß der Sozialbindung des Eigentums hinausgehe. Die Schallmessungen hätten derartige Belastungen nicht ergeben, auch wenn die Richtwerte der TA-Lärm für Wohngebiete außerhalb von Gebäuden überschritten würden. Die Beeinträchtigungen der Nachtruhe seien zwar nicht unerheblich, erfolgten aber nur in der Zeit der Aktivität der Saatkrähen ab Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Eine Beeinträchtigung der Nachtruhe sei mithin allenfalls für ca. 1 ½ Monate und damit nur in einem kurzen Zeitraum gegeben. Der Tagesrichtwert werde nur geringfügig überschritten. Bei der Beurteilung sei zu berücksichtigen, dass die Lärmbeeinträchtigung insgesamt nur einen Zeitraum von ca. 6 bis 8 Wochen andauere und dass der Kläger durch den Verkehrslärm viel stärker belastet werde. Der Kfz-Lärm sei mehrheitlich deutlich lauter, als die Lautäußerungen der Saatkrähen. Vor dem Hintergrund der zeitlich eingegrenzten Beeinträchtigung führe es auch nicht zu einer unzumutbaren Belastung, dass die Charakteristik der Krähenlaute als unangenehm empfunden werde und deswegen eine Beeinträchtigung der Lebensqualität bedeuten könne. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 44 BNatSchG seien sie zumutbar und hinzunehmen.

Die Verschmutzungen seien nicht so erheblich, dass eine Gesundheitsgefährdung zu befürchten sei oder dass die Nutzung des Grundstücks des Klägers so eingeschränkt werde, dass das Maß der Belastung überschritten werde, welches der Kläger im Rahmen der Sozialbindung hinnehmen müsse. Die Kolonie sei nicht in dem vorausgesagten Ausmaß angewachsen. Die aktuellen Zählergebnisse bestätigten, dass sie sich seit dem Vorjahr nicht vergrößert habe. Bei einer Anzahl von 260 Brutnestern und einem durchschnittlichen Bruterfolg von 2,5 Jungen könne davon ausgegangen werden, dass die Kolonie zum Abschluss der Brutsaison in diesem Jahr aus ca. 972 Saatkrähen bestanden habe. Während der gesamten Nist-, Brut- und Nestlingszeit bis zum Ausfliegen der Jungvögel fielen Verschmutzungen durch die Jungvögel ausschließlich innerhalb des Gehölzes an und beeinträchtigten die Anwohner damit nicht. Zunächst würden auch alle Gelege und bereits geschlüpfte Jungvögel von einem Elternvogel betreut. Während dieser Zeit übernehme der andere Elternvogel die Futterversorgung. Erst im Anschluss, wenn die Nestlinge selbstständig seien, fütterten beide Elternvögel. Die gesamte Kolonie fliege erst am Ende der Nestlingszeit gemeinsam aus, wenn alle Jungvögel flügge seien. Sie fliege dann am frühen Morgen gemeinsam zu den Futterplätzen und kehre erst am Abend vor Einbruch der Dunkelheit zurück. Durch regelmäßige Begehungen prüfe er, der Beklagte, ob an den Standorten erhebliche Beeinträchtigungen durch Verschmutzungen verursacht würden. In Absprache mit der Stadt F. würden an dem hier streitigen Standort durch die Stadtreinigung die öffentlichen Bereiche entlang des Brutgebietes gerade während der Nist- und Brutzeiten verstärkt gereinigt. Die Verschmutzungen würden dadurch minimiert. Das Maß der Verschmutzungen übersteige die Grenze der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht; sie träten zudem nur in einem sehr begrenzten Zeitraum auf. Gemessen daran sei die dauerhafte Zerstörung von Nistmöglichkeiten durch Eingriffe innerhalb einer bedeutenden Brutkolonie der besonders geschützten Saatkrähen als gravierend einzustufen. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 44 BNatSchG seien die Verschmutzungen durch die Krähen dem Kläger zumutbar und von ihm hinzunehmen. Eine besondere Gesundheitsgefährdung gehe davon nicht aus.

Der Kläger hat am 13. Dezember 2010 Klage erhoben.

Am 21. September 2011 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll Bezug genommen. Im Anschluss hat sich der Beklagte an die Staatliche Vogelschutzwarte des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und Naturschutz - NLWKN - gewandt sowie an das Niedersächsische Umweltministerium. Die staatliche Vogelschutzwarte hat sich mit Schreiben vom 31. Januar 2012 geäußert, das Niedersächsische Umweltministerium mit Schreiben vom 10. Februar 2012. Im Frühjahr 2012 haben der Kläger und seine Ehefrau die Saatkrähen zu Beginn der Brutzeit gezielt durch Lärm gestört. Sie haben eine sog. Krähenklappe oder „Krähenklatsche" in den Nistbäumen aufgehängt und diese regelmäßig betätigt, bzw. eine mobile Krähenklappe eingesetzt. Weiter haben sie mit Hilfe eines Megaphons Greifvogelrufe abgespielt. Der Beklagte hat dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 29. März 2012 alle weiteren Störungsmaßnahmen untersagt und die sofortige Vollziehung angeordnet. Der Kläger hat hiergegen erfolglos um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht (Beschl. des erkennenden Gerichts v. 29.10.2012 - 1 B 2338/12 -; Nds.OVG, Beschl. v. 18.12.2012 - 4 ME 285/12 -). Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 29. März 2012 hat der Beklagte mit Bescheid vom 10. April 2013 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Gericht mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen (1 A 2683/13). Als Folge der Störungen im Frühjahr 2012 ist die Anzahl von Brutpaaren in der umstrittenen Kolonie deutlich zurückgegangen. Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat das Gericht in der Folgezeit das Ruhen des vorliegenden Verfahrens angeordnet. Es hat das Verfahren wieder aufgenommen, nachdem die Brutkolonie im Jahr 2013 erneut angewachsen ist. Auf Veranlassung der Stadt F. hat die I. u.a. die hier umstrittene Kolonie im Hinblick auf eine Suche nach alternativen Niststandorten untersucht. Im Laufe des Verfahrens hat der Beklagte den Krähenlärm vor dem Haus des Klägers gemessen. Es wurde ein Wert von 55 dB festgestellt.

Zur Begründung der vorliegenden Klage wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend macht er geltend:

Die von ihm beabsichtigten Maßnahmen seien gemessen an § 44 BNatSchG bereits nicht verboten. Die geplanten Störungen seien nicht im Sinne von § 44 Abs. 1 Ziffer 2 BNatSchG erheblich, weil sie nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes der lokalen Population der Saatkrähen führten. Dabei könne man angesichts der übrigen Kolonien, die allein in F. existierten, nicht davon ausgehen, dass die umstrittene Brutkolonie eine eigene lokale Population im Sinne dieser Vorschrift darstelle. Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt habe in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2012 ausdrücklich ausgeführt, dass die lokale Population der Saatkrähen keineswegs beeinträchtigt werde, da die Vögel lediglich gezwungen würden, sich an weniger sensiblen Plätzen neu anzusiedeln. Genau das sei hier im Jahr 2012 auch erreicht worden. Die Krähen hätten sich im näheren Umfeld verteilt und dort neue Nistplätze geschaffen. Im Übrigen sei die Annahme des Beklagten falsch, hier habe sich eine geschlossene Kolonie gebildet. Es habe zwischen den einzelnen Niststandorten in F. immer eine durchgehende Wechselbeziehung gegeben. Durch seine Maßnahmen sei der Krähenbestand als solcher weder beeinträchtigt worden noch in sonstiger Form zu Schaden gekommen. Krähen brüteten ohnehin nicht in den Nestern des Vorjahres, sondern bauten sich aus dem Nistmaterial der vorherigen Nester neue Nester. Für die Beurteilung der Frage, ob gegen das in § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG geregelte sog. Störungsverbot verstoßen werde, habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 18.12.2012 eine auf den Einzelfall bezogene naturschutzfachliche Bewertung unter Berücksichtigung des artspezifischen Raumanspruchs und des Aktionsradius der Saatkrähe sowie der konkret vorhandenen Landschaftsstruktur für erforderlich gehalten. Eine derartige Untersuchung und Bewertung liege noch immer nicht vor. Nachdem er, der Kläger, durch die Verfügung des Beklagten gehindert worden sei, weiter auf die Krähen einzuwirken, sei die Population erneut rapide angewachsen. Dieses Anwachsen zeige, dass die Befürchtungen des Beklagten, der Erhaltungszustand der Saatkrähen könne sich durch die von ihm beabsichtigte Vergrämung verschlechtern, substanzlos seien. Insgesamt sei im Stadtgebiet von Achim die Anzahl der Saatkrähenbrutpaare in den letzten Jahren deutlich angestiegen.

Er plane weiter nicht, eine Fortpflanzungsstätte im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG zu beschädigen oder zu zerstören. Es gehe ihm nicht darum, die Krähen insgesamt zu vernichten oder zu vertreiben. Allerdings müsse auch berücksichtigt werden, dass die umstrittene Kolonie erst dadurch auf diese Größe angewachsen sei, dass der Beklagte das Vertreiben der Krähen an anderen Standorten in F. zugelassen habe; dies gelte namentlich für die Kolonie am Bereich der J. sowie für diejenige, die sich am Parkplatz des Landgerichts befunden habe. Auch im Bereich des Rathausmarktes sei eine Vergrämung zugelassen worden. Es sei nicht einzusehen, dass derartige Maßnahmen nicht auch im Interesse der Anwohner der Straße „H. " erfolgen könnten. Zuletzt müsse berücksichtigt werden, dass Saatkrähen ihr Brutgebiet ursprünglich in der freien Landschaft gehabt hätten.

Er könne jedenfalls eine Befreiung von den Verboten des § 44 BNatSchG verlangen, weil insbesondere der durch die Krähen verursachte Lärm für ihn unzumutbar sei. Die Krähen verursachten einen dauernden Lärmpegel, der - anders als der Beklagte meine - nicht von dem Verkehrslärm überdeckt werde. Die Belastung sei in der Zeit von April bis Juni am höchsten, da in dieser Zeit bereits vor 5 Uhr morgens den ganzen Tag bis über eine Stunde nach Sonnenuntergang durchgehend Krähengeschrei festzustellen sei. An Schlaf sei nicht zu denken.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die von ihm beabsichtigten Maßnahmen, nämlich das Aufhängen von Klappern in den Nistbäumen der Krähen sowie der gezielte Einsatz von akustischen Mitteln zum Vertreiben der Krähen in der Zeit von Mitte Februar bis zum Beginn der Eiablage (üblicherweise Anfang April) gemessen an § 44 BNatSchG erlaubt sind und den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben,

hilfsweise,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für die von ihm nach dem Hauptantrag beabsichtigten Maßnahmen eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zuzulassen,

hilfsweise,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für die nach dem Hauptantrag beabsichtigten Maßnahmen eine Befreiung nach § 67 BNatSchG zu erteilen,

hilfsweise,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag, Vergrämungsmaßnahmen im Hinblick auf die Saatkrähenbrutkolonie „H. /G. Straße" zuzulassen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er zunächst auf die Gründe des ablehnenden Bescheides.

Ergänzend trägt er vor: Es sei nicht zu erwarten, dass man die Krähen von dem hier umstrittenen Standort in andere unproblematische Bereiche vertreiben könne. Die von dem Kläger angestrebte Vergrämung werde zu einer Sprengung der Kolonie führen und zur Verteilung von Saatkrähen in der näheren Umgebung. Vertriebene Saatkrähen würden in unmittelbarer Nähe zur alten Kolonie weitere Niststandorte gründen und diese innerhalb kurzer Zeit durch starke Bruten stabilisieren. Auch die Vögel in der alten Kolonie würden sich so verhalten, um Verluste auszugleichen. Es sei zu erwarten, dass eine Vertreibung der Saatkrähen von ihrem jetzigen Standort zu einer Intensivierung der Beeinträchtigungen führen werde. Insbesondere sei nicht zu erwarten, dass die Vögel eine neue Kolonie innerhalb des Stadtwalds gründen würden. Vielmehr sei davon auszugehen, dass vertriebene Saatkrähen die Bäume entlang der Straße „H. " bzw. der G. Straße besetzen würden. Bei Störungen während der Futtersuche nutzten die Vögel schon jetzt diese Bäume als Zufluchtsort. Im Gegensatz dazu würden die Bäume im hinteren Bereich des Stadtwalds nicht angeflogen. So hätten die Störungen des Klägers im Jahr 2012 dann auch zu der Entstehung einer Splitterkolonie an der J. geführt. Den Betreibern dieses Veranstaltungsgebäudes sei durch eine befristete Befreiung von den Verboten des § 44 BNatSchG gestattet worden, Saatkrähennester außerhalb der Fortpflanzungszeit zu entfernen, weil anderenfalls eine Bewirtung im Außenbereich nicht mehr möglich gewesen wäre. Nachdem die Betreiber hiervon Gebrauch gemacht hätten, sei ein Großteil der Splitterkolonie in die hier umstrittene Kolonie „H. " zurückgekehrt. Einige der vertriebenen Krähen hätten auf dem Gelände der Grundschule K. eine neue Kolonie gebildet. Die Nester führten auf dem Schulhof und den angrenzenden Spielflächen zu erheblichen hygienischen Beeinträchtigungen. Hier sei eine Vergrämung zum Schutz der Kinder zugelassen worden.

Die Störungsmaßnahmen, die der Kläger im Jahr 2012 während der Fortpflanzungszeit durchgeführt habe und die er weiter durchführen wolle, seien eine erhebliche Störung im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Hierdurch verschlechtere sich der Erhaltungszustand der lokalen Population dieser europäischen Vogelart. Lokale Population sei bei koloniebildenden Vögeln wie der Saatkrähe die jeweilige Kolonie, da es sich hierbei um ein gut abgrenzbares Vorkommen handele. Eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Art sei aber auch dann anzunehmen, wenn man davon ausgehe, dass der gesamte Saatkrähenbestand in Achim als lokale Population im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG anzusehen sei. Vergrämungsmaßnahmen führten immer zur Zersplitterung der Brutkolonien. Derartige Zersplitterungen schwächten die Art, weil die kleineren Kolonien gegenüber Einflüssen bzw. Störungen von außen erheblich empfindlicher seien als große Kolonien. Dies könne den Gesamtbestand der Art gefährden. Da als Folge der Vergrämungsmaßnahmen des Klägers mindestens eine große Anzahl der Brutplätze nicht mehr für die Vögel nutzbar gewesen sei, sei hierdurch auch eine Fortpflanzungsstätte i.S.v. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG beschädigt worden. Nachdem er, der Beklagte, dem Kläger die Störungsmaßnahmen untersagt habe, sei der Brutbestand wieder auf die alte Größe angewachsen. Dies zeige auch, dass Maßnahmen, wie der Kläger sie anstrebe, nur bei dauerhafter Fortsetzung geeignet seien, zum Erfolg zu führen.

Er, der Beklagte, habe zu berücksichtigen, dass es allein in Achim 13 Kolonien von Saatkrähen im Stadtbereich gebe. Ein weiterer Schwerpunkt sei die Stadt L.. Bei einer Vergrämung der Krähen von einem Standort sei immer zu befürchten, dass wiederum Probleme an anderen Standorten aufträten. Er erlaube Vergrämungen deswegen nur dann, wenn es um Gesundheitsgefahren im öffentlichen Raum gehe, oder wenn es aus Gründen der Verkehrssicherheit, etwa zur Sicherung von Schulwegen, geboten sei. Insgesamt sei im Bereich der Stadt F. ein Rückgang der Saatkrähenbrutpaare zu verzeichnen. Dabei sei ein Brutstandort durch die Erschließung eines Baugebietes beeinträchtigt worden und ein anderer durch die Schließung der Brotfabrik und dem damit verbundenen Verlust einer sicheren Futterquelle für die Krähen. Es sei zu vermuten, dass es deswegen zu Ausweichbrutstandorten in F. gekommen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Dem Gericht haben weiter die Gerichtsakten und Verwaltungsvorgänge der Verfahren 1 A 2638/13 und 1 B 2338/12 vorgelegen. Die Kammer hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom 15. April 2014 verwiesen.

Gründe

Die Klage bleibt insgesamt ohne Erfolg.

Die von dem Kläger beabsichtigten Maßnahmen zur Vergrämung eines Teils der Saatkrähen der Brutkolonie „H. " bzw. an der G. Straße in der Zeit von Mitte Februar bis zum Beginn der Eiablage Anfang April sind gemessen an § 44 BNatSchG (vom 29.7.2009, BGBl. I, 2009, zuletzt geändert durch G. v. 7.8.2013, BGBl. I, 3154) verboten.

Dabei braucht die Kammer nicht zu entscheiden, ob das geplante Vertreiben von Saatkrähen mit § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG vereinbar wäre, wonach es u.a. verboten ist, wild lebende Tiere der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs- und Aufzuchtzeiten erheblich zu stören. Insbesondere kann in dem vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob es zu einer erheblichen Störung käme, die nach der genannten Vorschrift vorliegt, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert.

Die Maßnahmen, die der Kläger ergreifen möchte, um zumindest einen Teil der Saatkrähen zu vertreiben, sind nämlich jedenfalls gemessen an § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG unzulässig. Nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist verboten, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Die Saatkrähen gehören zu den wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten, denn nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG sind dies u.a. auch die europäischen Vogelarten. Das von dem Kläger geplante Vergrämen in der Zeit von Mitte Februar bis Anfang April durch den Einsatz von sog. Krähenklappen sowie durch den gezielten Einsatz von akustischen Mitteln wie etwa eines Megaphons, mit dem Greifvogelgeräusche abgespielt werden, würde sich weiter gegen eine von § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG geschützte Lebensstätte richten und zudem eine durch die Vorschrift verbotene Handlung darstellen.

Die beabsichtigten Maßnahmen beträfen zunächst Fortpflanzungsstätten im Sinne der Vorschrift. Dabei regelt § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG (allein) den Schutz der ausdrücklich bezeichneten Lebensstätten, die durch bestimmte Funktionen für die jeweilige Art geprägt sind (BVerwG, Urt. v. 18.3.2009 - 9 A 39.07 - juris). Fortpflanzungsstätten im Sinne der Vorschrift sind alle Stätten, die für eine erfolgreiche Fortpflanzung notwendig sind. Geschützt sind die als Ort der Fortpflanzung dienenden Gegenstände und die diesen unmittelbar zu Grunde liegenden Strukturen. Dabei umfasst der Schutz auch den Standort der konkreten Fortpflanzungsstätte; dies gilt insbesondere für die Horst- bzw. Nistbäume von Vögeln. Fortpflanzungsstätten, die wiederholt genutzt werden, sind auch in den Zeiten geschützt, in denen sie nicht belegt sind (zum Vorstehenden: Lau, in: Frenz, BNatSchG, § 44 Rn. 16 f; Meßerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, Stand August 2008, § 42 Rn. 32 ff; Möller, Umweltrecht und Landnutzungsrecht, Band IV, Naturschutzrecht, 5. Aufl. 2013, S. 699; Kratsch, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatschG, 2. Aufl., § 44 Rn. 33; Louis, NuR 2008, 65). Geschützt sind in dem vorliegenden Fall mithin neben den Nestern der Saatkrähen - soweit diese erneut verwendet werden - auch die Bäume, in denen die Krähen ihre Nester errichten.

Die Handlungen, die der Kläger zur Vergrämung zumindest eines Teils der Saatkrähen vornehmen möchte, erfüllen den Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG. Dies gilt sowohl für das Aufhängen einer sog. Krähenklappe oder „Krähenklatsche" in den Nistbäumen sowie deren Betätigung, um die Krähen durch den erzeugten Knall zu erschrecken und zu vertreiben, als auch für den auf die gleiche Wirkung gerichteten mobilen Einsatz der Krähenklappe und ebenso für das gezielte Erzeugen von Lärm auf andere Weise, etwa durch den Einsatz eines Megaphons. Alle diese Maßnahmen stellen eine Beschädigung der Fortpflanzungsstätte der Saatkrähen im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG dar.

Eine Fortpflanzungsstätte wird dabei nicht nur dann beschädigt, wenn sie in ihrer Substanz verletzt wird, sondern auch dann, wenn es durch die betreffende Handlung zu einer nicht unerheblichen Minderung ihrer Brauchbarkeit für die Fortpflanzung der Tiere kommt. „Beschädigung" im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG kann auch eine indirekte Beeinträchtigung der ökologischen Funktionalität der Lebensstätte sein (so auch Meßerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, Stand 2008, § 42 Rn. 32; Kolodziejcok/Reken/Apfelbacher/Iven, Naturschutz und Landschaftspflege, § 42 BNatSchG a.F. Rn. 11; Heugel, in Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 44 Rn. 18; a.A.: Louis, NuR 2009, S. 91 ff; Lau, in: Frenz, BNatSchG, § 44 Rn. 18, der allerdings die Vergrämung von Tieren etwa durch Lärm als „Entnahme der Fortpflanzungsstätte" i.S. von § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ansieht; offen gelassen durch BVerwG, Urt. v. 18.3.2009  - 9 A 39.07 - juris).

Diese weite funktionale Auslegung des Begriffs der „Beschädigung" ist mit Rücksicht auf den durch § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG bezweckten Schutz der Funktionsfähigkeit der Lebensstätte (hierzu BVerwG, Urt. v. 18.3.2009 - 9 A 39.07 - juris) geboten. Sie entspricht auch dem Grundsatz einer effektiven Anwendung des Gemeinschaftsrechts (Meßerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, Stand 2008, § 42 Rn. 32). Insoweit ist zunächst Art. 5 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten - Vogelschutzrichtlinie - (ABl. L 20, S. 7) zu berücksichtigen, wonach durch die Mitgliedstaaten u.a. die absichtliche Zerstörung und Beschädigung von Nestern zu verbieten ist. Der Wortlaut der Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG ist allerdings an Art. 12 der Richtlinie 92/43 EWG vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) - FFH-Richtlinie - angepasst (BTDrs. 16/5100, S. 11) und geht damit - was die Art der geschützten Lebensstätten angeht - über Art. 5 Buchst. b der Vogelschutzrichtlinie hinaus. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der FFH-Richtlinie treffen die Mitgliedsstaaten u.a. die notwendigen Maßnahmen für ein strenges Schutzsystem, das jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten der durch die Richtlinie geschützten Tierarten verbietet. Fortpflanzungs- und Ruhestätten müssen streng geschützt werden, da sie für den Lebenszyklus der Tiere von entscheidender Bedeutung sind und lebenswichtige Teile des Gesamthabitats einer Art bilden. Artikel 12 Absatz 1 Buchst. d ist deswegen so zu verstehen, dass er darauf abzielt, die kontinuierliche ökologische Funktionalität dieser Stätten zu schützen, so dass sie weiterhin alles bieten können, was für den Fortpflanzungserfolg und die ungestörte Rast der betreffenden Art erforderlich ist (Leitfaden der Kommission zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG, S. 51, http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/guidance).

Durch die von dem Kläger beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen würde die Funktionsfähigkeit der vorliegenden Fortpflanzungsstätten der Saatkrähen in nicht unerheblichem Ausmaß beeinträchtigt. Als Folge der gezielten und auf Vertreibung gerichteten Handlungen des Klägers, die er jährlich wiederholen möchte, wären weder die vorhandenen Nester noch die Nistbäume für die Krähen weiterhin uneingeschränkt nutzbar, da es an der für den Fortpflanzungserfolg unabdingbaren Ruhe fehlte. Dabei stellt die Befestigung einer sog. Krähenklappe in den Nistbäumen und deren Betätigung bereits einen unmittelbaren und direkten Zugriff auf die Nistbäume und damit auf die Fortpflanzungsstätten dar, der unzweifelhaft den Tatbestand der „Beschädigung" nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG erfüllt. Aber auch die mittelbare Beeinträchtigung der Nester und Nistbäume durch den mobilen Einsatz der Krähenklappe oder durch anderen gezielt eingesetzten Lärm sind eine Beschädigung in diesem Sinne. Es kann hier offen bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen mittelbare Beeinträchtigungen wie Lärm generell unter das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG fallen. Das gilt aber jedenfalls dann, wenn der Lärm im Hinblick auf die Art der Beschallung sowie deren Intensität gezielt ausgewählt und eingesetzt wird, um Tiere zu hindern, ihre Fortpflanzungsstätten zu nutzen, und wenn er sich hierfür objektiv auch eignet. Werden bewusst Lärmquellen ausgewählt, auf die die Tiere empfindlich reagieren, und werden diese so intensiv eingesetzt, dass sie geeignet sind, die Tiere am Bezug der Fortpflanzungsstätten zu hindern, so kommt eine derartige Lärmerzeugung in ihrer Wirkung für die Funktion der Fortpflanzungsstätte einem direkten bzw. unmittelbaren Zugriff auf die Stätte gleich. Nach dem Sinn und Zweck des durch § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG beabsichtigten Schutzes von Lebensstätten ist es deswegen geboten, das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG auf solche Handlungen zu erstrecken.

Nach allem hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung, die er mit seinem Hauptantrag begehrt, weil die von ihm beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verboten sind.

Der Kläger kann weiter nicht verlangen, dass der Beklagte die geplanten Handlungen auf der Grundlage des § 45 BNatSchG zulässt. In Frage kommt dabei allein die Vorschrift des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG. Danach können u.a. die nach Landesrecht für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen

1. zur Abwendung erheblicher land-, forst-, fischerei-, wasser- oder sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden,

2. zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,

3. für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,

4. im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder

5. aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.

Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Population einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weitergehende Anforderungen enthält (§ 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG). Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten (§ 45 Abs. 7 Satz 3 BNatSchG).

Auf diese Vorschrift kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Interessen im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3 BNatSchG macht der Kläger dabei bereits nicht geltend. Im Übrigen ermöglicht § 45 Abs. 7 BNatSchG allein Ausnahmeregelungen im öffentlichen Interesse und ist nicht dazu bestimmt, die Interessen Privater zu schützen, was sich aus der Gesetzesbegründung zum wortgleichen § 43 Abs. 8 BNatSchG a.F. ersehen lässt (vgl. BTDrs. 16/5100, S. 13).

Der Kläger kann zuletzt weder die begehrte Befreiung von den Verboten des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verlangen, noch hat er einen Anspruch darauf, dass der Beklagte über seinen Befreiungsantrag erneut entscheidet. Die mit den angefochtenen Bescheiden getroffene Entscheidung des Beklagten, diese Befreiung zu versagen, ist rechts- und ermessensfehlerfrei ergangen und deswegen nicht zu beanstanden.

Als Rechtsgrundlage für eine Befreiung kommt allein § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG in Betracht. Danach kann von den Verboten u.a. des § 44 BNatSchG auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde.

Die Kammer muss in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheiden, ob § 67 Abs. 2 BNatSchG mit den Vorgaben vereinbar ist, die sich aus Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie ergeben. Zweifel daran könnten vor dem Hintergrund bestehen, dass Art. 9 Ausnahmen von den in Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie geregelten Verboten allein im öffentlichen Interesse vorsieht, wie sie bereits in § 45 Abs. 7 BNatSchG bestimmt sind (vgl. hierzu Gellermann, NuR 2007, 783 zu § 62 a.F.; Möller, Umweltrecht und Landnutzungsrecht, Band IV, Naturschutzrecht, 5. Aufl. 2013, S. 942). Andererseits soll § 67 BNatSchG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen, der auch europarechtlich anerkannt ist (so die Gesetzesbegründung, BTDrs. 16/12274, S. 76 f). Die Frage einer Vereinbarkeit von § 67 BNatSchG mit europäischem Recht kann hier offen bleiben, weil schon die Voraussetzungen nicht vorliegen, unter denen § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG eine Befreiung von den sog. Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG erlaubt.

Auf der Grundlage des Eindrucks, den die Kammer in dem Ortstermin von den Örtlichkeiten gewonnen hat, und unter Abwägung aller Gesamtumstände kann die Kammer nicht feststellen, dass die von der Saatkrähenbrutkolonie ausgehenden Beeinträchtigungen für den Kläger unzumutbar sind.

Eine unzumutbare Belastung im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG liegt dabei dann vor, wenn sich die Belastung des Betroffenen im Rahmen einer Abwägung mit den öffentlichen Interessen, die mit dem betreffenden Verbot verfolgt werden, wegen ihrer Besonderheit und Schwere als unangemessen erweist (Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 67 Rn. 1; vgl. auch Möller, Umweltrecht und Landnutzungsrecht, Band IV, Naturschutzrecht, 5. Aufl. 2013, S. 945 m.w.N.). Aus dem Umstand, dass die Vorschrift an die Unzumutbarkeit „im Einzelfall" anknüpft folgt, dass sich die Situation durch eine Besonderheit auszeichnen muss, die von dem Normgeber so nicht bedacht werden konnte. Insoweit gilt das Gleiche, wie bei dem früheren Befreiungstatbestand der „nicht beabsichtigten Härte" in § 62 BNatSchG a.F., nämlich, dass für den Regelfall das, was die Norm bestimmt, auch dann beabsichtigt ist, wenn es sich als Härte erweist. Eine Korrektur der Auswirkungen einer Norm setzt mehr voraus als nur den Eintritt solcher Konsequenzen, mit denen bei einer derartigen Regelung normalerweise zu rechnen ist. Eine unzumutbare Belastung ist deswegen nicht eine Folge, die die Norm in einer unbestimmten Anzahl von Fällen typischerweise und gleichermaßen haben kann oder haben soll. Voraussetzung für eine Befreiung ist vielmehr, dass ein Sonderfall vorliegt, der aus objektiven Umständen folgt. Subjektive, personenbezogene Umstände reichen nicht aus (hierzu Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatschG, 2. Aufl., § 67 Rn. 14; Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 67 Rn. 1).

Weiter muss sich diese in einem Sonderfall vorliegende Belastung im Verhältnis zu den mit der Norm verfolgten Zielen bzw. öffentlichen Interessen für den Betroffenen als unangemessen bzw. unverhältnismäßig erweisen. Dabei ist nicht jede Auswirkung, die der Betroffene als Härte empfindet, zugleich eine unzumutbare Belastung. Bei der Prüfung dieser Frage dürfen nicht nur die Konsequenzen der Regelung für den Betroffenen in den Blick genommen werden. Sie sind mit den normalerweise zu erwartenden Auswirkungen der Norm zu vergleichen. Kommt es gegenüber den allgemein erwarteten Konsequenzen zu einer ungleich schwereren Belastung, kann diese den Grad der Unzumutbarkeit erreichen. Weiter ist die Bedeutung der öffentlichen Interessen zu berücksichtigen, die durch das Verbot durchgesetzt werden sollen (zum Vorstehenden Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatschG, 2. Aufl., § 67 Rn. 14; Meßerschmitt, Bundesnaturschutzrecht, Stand August 2008, § 62 Rn. 5 ff).

Aus diesen Ausführungen folgt, dass die typischen Laute bzw. die sonstigen Auswirkungen des Verhaltens der durch § 44 Abs. 1 BNatSchG geschützten Tiere im Allgemeinen keine Befreiung von artenschutzrechtlichen Verboten rechtfertigen, weil diese Auswirkungen im Regelfall bereits vom Normgeber bedacht wurden. Ein Sonderfall im Sinne der naturschutzrechtlichen Befreiungsregelung, liegt auch dann nicht vor, wenn eine situationsbedingte Vorbelastung gegeben ist (Heugel, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 67 Rn. 16). Soll eine Befreiung für die Umsiedelung oder gar Beseitigung besonders geschützter Tiere erteilt werden, sind im Übrigen die Zumutbarkeit der Beeinträchtigungen für die Betroffenen und die Nachteile, die die Tiere verursachen, mit der Bedeutung der Lebensstätte für das Überleben der Tiere ins Verhältnis zu setzen. Kann die Lebensstätte in näherer Umgebung nicht ersetzt werden, müssen Betroffene erhebliche Beeinträchtigungen hinnehmen. Angesichts der Bedeutung des Artenschutzes ist es auch zumutbar, Vermeidungsmaßnahmen zu ergreifen (Möller, Umweltrecht und Landnutzungsrecht, Band IV, Naturschutzrecht, 5. Aufl. 2013, S. 946).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe liegen hier die Befreiungsvoraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG nicht vor. Als Ausgangspunkt ist die erhebliche situationsbedingte Vorbelastung des klägerischen Grundstückes festzuhalten. Das Grundstück ist in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Stadtwald F. s gelegen, der Bäume aufweist, die sich als Nistplatz für Saatkrähen eignen. Grundsätzlich muss der Kläger - was er auch selbst anerkennt - es damit hinnehmen, dass Saatkrähen dort Brutkolonien bilden. Die mit der Kolonie verbundenen Beeinträchtigungen können deswegen grundsätzlich die Erteilung einer Befreiung nicht rechtfertigen. Die von dem Kläger vorgebrachten Umstände rechtfertigen es nicht, hier eine besondere, atypische Fallgestaltung anzunehmen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung gebieten könnte.

Eine solche ergibt sich zunächst nicht daraus, dass Saatkrähen ihren Lebensraum aus der freien Landschaft in Städte verlagert haben. Das Gutachten von I. vom 31. Mai 2013 führt hierzu aus:

„Die Zunahme des Bestandes in der Stadt spiegelt nicht nur den stärkeren Schutz, sondern auch eine zweite Entwicklung wieder: eine Auflösung der meisten Saatkrähenkolonien in der freien Landschaft. Seit etwa 30 Jahren gibt es eine ausgesprochene 'Landflucht', nicht nur in Niedersachsen, sondern auch sonst in Deutschland, wie in den Niederlanden und England. Neue Gründungen von Kolonien haben sich innerhalb der Städte entwickelt wegen z.B.:

- dem Verlust an ehemaligen Koloniebäumen in der freien Landschaft, zum Beispiel aufgrund verkehrssicherheitsrelevanter Maßnahmen, dagegen das hervorragende Angebot großer Bäume mit entsprechenden Astgabelungen als Nistunterlage in den Ortslagen,

- aber auch illegale Zerstörung von Nestern der Saatkrähen oder von Nistbäumen,

- Jagddruck außerhalb der Bebauung durch natürliche Prädatoren (meist Greifvögel) aber auch durch den Menschen. Saatkrähen erfahren selbst den erlaubten Abschuss von Aaskrähen als Bedrohung, da sie bei der Futtersuche oft mit diesen vergesellschaftet sind. Saatkrähen können auch von Jägern als Rabenkrähen erlegt werden,

- das große Angebot an Lebensmittelresten, die im menschlichen Siedlungsbereich weggeworfen werden oder durch Aufreißen von Müllbeuteln oder Säcken für die Tiere noch erreichbar sind."

Dies zeigt, dass die sog. „Landflucht" der Saatkrähen keine neue Entwicklung ist, sondern insbesondere zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BNatSchG in der hier anzuwenden Fassung bereits bekannt war. Es kann deswegen nicht davon ausgegangen werden, dass eine derartige Sachlage von dem Gesetzgeber nicht berücksichtigt wurde. Im Übrigen ist Zweck des Artenschutzes gerade der Schutz u.a. der Tiere wild lebender Arten und ihrer Lebensgemeinschaften vor Beeinträchtigungen durch den Menschen (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG). Diese Zielsetzung würde verfehlt, sähe man es generell als einen die Befreiung rechtfertigenden Tatbestand an, wenn wildlebende Tiere als Folge des Verlustes ihres Habitats durch menschliche Eingriffe ihren Lebensraum in menschliche Siedlungsbereiche hinein verlagern. Dies gilt - jedenfalls ohne das Hinzutreten weiterer Besonderheiten - auch, falls sich die Anzahl der Brutpaare in der Kolonie „H.“ deswegen signifikant erhöht haben sollte, weil die Krähen von anderen Standorten in Achim vertrieben wurden. Solche Besonderheiten sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere brüten die Krähen nicht auf dem eigenen Grundstück des Klägers, sondern im angrenzenden Stadtwald, der - so hat der Beklagte unwidersprochen vorgetragen - einen für die Lebensraumansprüche der Saatkrähen besonders günstigen Standort darstellt. Damit hat sich für den Kläger durch den Zuzug weiterer Saatkrähen in den letzten Jahren ein Risiko verwirklicht, das aus der besonderen Lage seines Grundstückes als Nachbargrundstück des Stadtwaldes folgt. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Brutkolonie für diesen Standort ungewöhnlich groß ist. Sie hatte im Jahr 2013 nach übereinstimmenden Feststellungen der Beteiligten 256 Brutpaare und besteht auch gegenwärtig in etwa gleicher Größe. Dabei gibt es schon in F. mit der Brutkolonie in „M. " eine Kolonie, die in der Vergangenheit etwa gleich groß war, wie die hier umstrittene Kolonie, und bei der der Beklagte im April 2013 sogar 343 Brutpaare festgestellt hat. Im Übrigen können Brutkolonien von Saatkrähen generell aus mehreren hundert Brutpaaren bestehen (http://www.naturschutzinformationen-nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/voegel/kurzbeschreibung/103061).

Weiter sind die Auswirkungen, die für den Kläger mit der Saatkrähenbrutkolonie verbunden sind, mit Rücksicht auf den Gefährdungsgrad der Art, nicht als unzumutbar anzusehen. Dabei hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er sich selbst vorwiegend nur durch den Lärm beeinträchtigt fühlt, der von den Krähen unmittelbar während der Nist-, Brut- und Nestlingszeit ausgeht. Von Verschmutzungen ist das Grundstück des Klägers nach seinen Angaben weniger betroffen, weil die Krähen im Regelfall in südlicher Richtung ausschwärmen, was sich auch aus der Untersuchung der I. ergibt. Die Kammer konnte bei dem Ortstermin ebenfalls keine erhebliche Verschmutzung vor dem Grundstück des Klägers feststellen. Da es für den vorliegenden Rechtsstreit nur auf die Beeinträchtigungen ankommt, die für den Kläger sowie für sein Grundstück bestehen, sind Verschmutzungen anderer Bereiche für die Entscheidung des Gerichts unerheblich.

Was die Aktivitäten in der Saatkrähenbrutkolonie angeht, die hier zu berücksichtigen sind, hat sich die Kammer auf die Untersuchung der I. vom Mai 2013 gestützt. Darin heißt es insoweit u.a.:

„Im Laufe der Monate Februar und März beschäftigen Saatkrähen sich mehr und mehr mit ihrem Nestbau und werden auch mehr und mehr in ihren Brutkolonien übernachten. Die große Wintersammlung löst sich auf und teilt sich entsprechend der Bindung an die einzelnen Brutkolonien auf. Die nördlichen und nordöstlichen Saatkrähen ziehen in ihre angestammten Brutgebiete zurück. Saatkrähen sind asynchrone Brüter; es gibt frühe und späte Brüter. Frühe Brutvögel beginnen mit ihrem Nestbau schon Mitte Februar, die späten Vögel können bis Mitte April warten, aber die meisten Nester sind dann schon gebaut. Das Nest kann Ende März in wenigen Tagen fertig gestellt werden, obwohl ein Nest etwa 300 Zweige umfasst. Saatkrähen legen ihre Eier nur ins fertige Nest. Die Eiablage erfolgt zwischen Mitte März bei frühen Tieren und Ende April bei späten Tieren. Das Gelege besteht aus drei bis sechs Eiern, und wird vom Weibchen bebrütet, das in dieser Zeit vom Männchen gefüttert wird. Die Brutdauer liegt bei ca. 3 Wochen. Die geschlüpften Vögel fliegen nach vier bis fünf Wochen aus. Jedoch ist die Nestlingsdauer abhängig von der Nahrung der Eltern".

Dem Kläger ist der Lärm, den die Saatkrähen in der Nist-Brut- und Nestlingszeit verursachen, zuzumuten, auch wenn dieser Lärm nach dem Ergebnis der Messungen des Beklagten erheblich ist. So ergab die Messung vor dem Haus des Klägers am 4. April 2014 einen Wert von 55 dB. Auch nach dem persönlichen Eindruck der Kammer im Rahmen des Ortstermins war das Krächzen der Krähen vor dem Grundstück des Klägers laut und deutlich wahrnehmbar. Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass noch eine Erhöhung des Lärmpegels durch die Jungvögel zu erwarten ist und dass angesichts der Aktivitätszeiten der Krähen von Beginn bis Ende der Dämmerung hierdurch auch die Nachtruhe des Klägers gestört werden kann. Da es hier allein auf die mögliche Beeinträchtigung des Klägers ankommt, ist es unerheblich, dass das Krächzen der Krähen entlang der Verdener Straße tatsächlich neben dem erheblichen Verkehrslärm nicht mehr feststellbar war.

Es ist dem Kläger zuzumuten, den Lärm, den die Saatkrähen verursachen, zu dulden oder ggf. selbst Maßnahmen zur Lärmvermeidung zu ergreifen, wie z. B. nachts Gehörschutz zu tragen oder notfalls seine Wohn- und oder Schlafräume mit lärmdämmenden Fenstern auszustatten. Saatkrähen werden in Niedersachsen in der Vorwarnstufe der Roten Liste der gefährdeten Brutvogelarten geführt, die Arten beinhaltet, die aktuell noch nicht gefährdet sind, von denen aber zu befürchten ist, dass sie innerhalb der nächsten zehn Jahre gefährdet sein werden, wenn bestimmte Faktoren weiterhin einwirken. In anderen Bundesländern, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, werden sie in der Roten Liste geführt (vgl. Stellungnahme des NLWKN vom 31.1.2012; zur Roten Liste: www.bfn.de/0322_rote_liste.html; Rote Liste der Brutvögel Mecklenburg-Vorpommerns, http://www.lung.mv-regierung.de/dateien/rote_liste_voegel.pdf). Weiter ist davon auszugehen, dass für die Kolonie „H. " bzw. an der G. Straße kurzfristig kein Alternativstandort zur Verfügung steht, der sich für eine Umsiedlung der Vögel eignet. Zu diesem Ergebnis ist die I. in ihrem Gutachten vom 31. Mai 2013 gekommen. Darin heißt es, u.a. gebe es keine gute Alternativstelle außerhalb F. s für die Brutkolonie „H. ". Eine Vergrämung der Saatkrähen dort werde nur zur Umsiedelung der Tiere innerhalb F. s führen. Die südlichen Teile F. s würden dann zuerst gewählt, z.B. am Wall an der J., wo Saatkrähen mehrmals versucht hätten zu nisten. Dabei hat der Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass es an der J. und auch an anderen Standorten innerhalb F. s ebenfalls zu Konflikten mit Anwohnern, Schulen und einem Veranstaltungsbetrieb kommen würde, was eine Umsiedelung der Saatkrähen innerhalb F. s ausgeschlossen erscheinen lässt.

Demgegenüber folgen aus den festgestellten Lärmemissionen der Krähen keine direkten bzw. unmittelbaren Gesundheitsgefahren (hierzu Helmholtz-Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, http://www.helmholtz-muenchen.de/flugs). Orientiert man sich an den Vorgaben, die die TA-Lärm für ihren Anwendungsbereich vorsieht, so werden die Tagesgrenzwerte für allgemeine Wohngebiete von 55 dB nicht überschritten, wohl aber diejenigen für reine Wohngebiete (50 dB). Für die Nacht sieht die TA-Lärm Grenzwerte von 40 dB im allgemeinen Wohngebiet und von 35 dB im reinen Wohngebiet vor, wobei zu den Nachtstunden die Zeit zwischen 22 Uhr bis 6 Uhr zählt. Dem Kläger ist es durchaus möglich und angesichts des Schutzstatus der Saatkrähen in Verbindung mit der festgestellten situationsbedingten Vorbelastung seines Grundstückes auch zumutbar, die Auswirkungen des Lärms für sich eigenständig zu mindern. So bieten beispielsweise bereits Schallschutzfenster der Klasse 1 Dämmwerte zwischen 25 und 29 dB; Einfachfenster mit Isolierverglasung haben eine Schalldämmung von ungefähr 30 dB (Kötz, Baulicher Schallschutz gegen Verkehrslärm, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/420/dokumente/fenster.pdf).

Nach allem ist die Entscheidung, die der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 4. Mai 2009 sowie in dem Widerspruchsbescheid vom 8. November 2010 getroffen hat, rechtmäßig. Die Klage ist deswegen insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. mit. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Kammer hat die Berufung auf der Grundlage von § 124 Abs. 2 Nr. 3 i.V. mit § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen, weil die Auslegung des Zugriffsverbotes des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG grundsätzliche Bedeutung hat.