VG Aachen, Urteil vom 22.05.2014 - 5 K 1922/11
Fundstelle
openJur 2014, 13144
  • Rkr:

Teilweise erfolgreiche Klage auf Erteilung eines Bauvorbescheids für einen Discountmarkt

Tenor

Die Beklagte wird in Abänderung ihres Bescheides vom 7. November 2011 verpflichtet, der Klägerin einen Bauvorbescheid für die Errichtung eines M. -Discountmarktes auf dem Grundstück G1 entsprechend ihrer Bauvoranfrage vom 28. Juni 2011 in der Fassung des Nachtrages vom 26. April 2012 und mit den in der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2014 vorgenommenen Präzisierungen zur Ausgestaltung des Marktes, jedoch unter Ausklammerung der Frage der gesicherten Erschließung und der Einhaltung des Gebotes der Rücksichtnahme zu erteilen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu drei Vierteln und die Beklagte zu einem Viertel.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung eines Discountmarktes in B. , Gemarkung C. , Flur 0, Flurstücke 00 und 00.

Das Vorhabengrundstück befindet sich an der nordöstlichen Seite der mehrspurig ausgebauten U. Straße und ist derzeit straßenseitig mit leer stehenden Mehrfamilienhäusern bebaut. Im rückwärtigen Bereich befindet sich in einer Entfernung von 40 - 60 m von der U. Straße eine rund 460 qm (20,30 x 22,70 m) große und bis 2002 gewerblich genutzte Halle. Das Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.

An seine nördliche und östliche Grenze schließt sich der Geltungsbereich des Bebauungsplans 00 der Beklagten an, der das Gebiet als Allgemeines Wohngebiet ausweist. Die an das Vorhabengrundstück angrenzenden Grundstücke sind mit Ein- bzw. Mehrfamilienhäusern bebaut.

Am 14. Juli 2011 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Errichtung eines M. -Marktes mit 91 Stellplätzen. Der Baukörper soll mit seiner ca. 29 m breiten Frontseite in einem Abstand von 16 bis 31 m schräg versetzt zur U. Straße errichtet werden und 53,54 m tief sein. Rückwärtig, an der nordöstlichen Seite des Baukörpers ist hieran noch ein etwa 7,5 m tiefer und 11 m breiter Anbau (Anlieferung) beabsichtigt. Dieser Anbau hält zur Grenze des östlichen Nachbargrundstücks Flurstück 00 einen Abstand von 3 m und zur Grenze des nördlich gelegenen Flurstücks 00 von 5 m ein. Der etwa 12 m breite Bereich westlich des Anbaus und zwischen der Grenze zu Flurstück 00 und dem Verkaufsmarkt soll als (An-)Lieferzone dienen. Unmittelbar an der Grenze zu den nördlich gelegenen Nachbargrundstücken (Flurstücke 00 und 00) sollen 41 Stellplätze errichtet werden. Im Lageplan ist an der Grundstücksgrenze eine Mauer mit dem Zusatz 'optionaler Schallschutz' eingezeichnet. Weitere 18 Stellplätze sollen unmittelbar an der U. Straße, 5 an der südöstlichen Grenze zu Flurstück 00, 3 Stellplätze am Eingangsbereich sowie 24 Stellplätze zwischen U. Straße und Verkaufsgebäude errichtet werden.

Der Discountmarkt soll eine Verkaufsfläche von 800 qm und eine Bruttogeschossfläche von 1.610 qm aufweisen. Eine Betriebsbeschreibung war dem Antrag nicht beigefügt.

Mit Bescheid vom 7. November 2011 lehnt die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass das Vorhaben sich von der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll in die nähere Umgebung einfüge. Außerdem sei die Anordnung der Stellplätze an der nördlichen Grundstücksgrenze rücksichtslos und würde die Wohnruhe durch Lärmimmissionen des Parkverkehrs gestört. Das Vorhaben begründe im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen, die potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich zögen.

Bereits zuvor hat die Klägerin am 26. Oktober 2011 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt: Das Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein und lasse keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche erwarten. Zur maßgeblichen näheren Umgebung sei hier der Bereich zwischen der U. Straße, der Straße B1. und der Straße X. zu zählen. Dieser Bereich sei durch zahlreiche Gewerbebetriebe auf den Grundstücken U. Straße 00 (T. GmbH), 00-00 (Werkzeugschleiferei S. GmbH), 00-00 (M1. ABS-Haustechnik) und auf dem Vorhabengrundstück (Reinigungstechnik K. L. GmbH) geprägt, die die Bewertung der Umgebung als allgemeines Wohngebiet ausschlössen. Die beiden erstgenannten Betriebe seien als störend zu bewerten. Auch die auf dem Vorhabengrundstück vormals vorhandene Tankstelle mit 14 Zapfsäulen, KFZ-Pflege- und Waschhalle präge weiterhin die Eigenart der näheren Umgebung. Auf der gegenüberliegenden Seite der U. Straße befänden sich bereits ein Aldi und ein Netto-Markt sowie ein Edeka Vollsortimenter. Im rückwärtigen Bereich des Vorhabengrundstücks befinde sich eine gewerblich genutzte Halle, die die Umgebung noch präge.

Das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Bebauungstiefe und der überbaubaren Grundstücksfläche in die nähere Umgebung ein. Es handele sich um einen der Versorgung des Gebietes dienenden Laden. Aus einem fußläufigen Einzugsbereich von 800 qm könne ein Umsatzanteil von 60 % generiert werden, der nach der Rechtsprechung ausreiche, um den Markt als einen der Gebietsversorgung dienenden Laden einzuordnen.

Störungen der Wohnruhe seien durch den geplanten Markt nicht zu erwarten. Wegen der vormaligen gewerblichen Nutzung und der darauf beruhenden Vorbelastung sei er auch nicht rücksichtslos gegenüber benachbarter Wohnbebauung. Aus den Schalltechnischen Untersuchungen der L1. Schalltechnik GmbH vom 28. Februar 2012 ergebe sich, dass es nicht zu einer unverträglichen Immissionsbelastung komme. Sie mache das Gutachten und die dort in Ziff. 9 aufgeführten schalltechnischen Voraussetzungen einschließlich der Betriebszeit zum Gegenstand des Antrages. Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2012 überreichte die Klägerin eine weitere schalltechnische Untersuchung der L1. Schalltechnik GmbH vom 12. März 2012 sowie weitere Unterlagen in Ergänzung des gestellten Antrages. Ausweislich der beigefügten Betriebsbeschreibung ist die Öffnungs- und Betriebszeit von 8.00 h bis 20.00 h und findet Fahrzeugverkehr durch PKW und LKW in der Tagzeit von 6.00 h bis 22.00 h statt. Entlang der nördlichen Grundstücksgrenze soll eine Schallschutzwand errichtet werden. Ausweislich des beigefügten Lageplans 'Dachaufsicht' soll der Anlieferbereich an der Nord-Ostseite des Gebäudes eingehaust sein. Die Einhausung soll an der Nordseite, beginnend am Ende der dort geplanten Stellplatzreihe, eine Tiefe von rund 26 m haben. Die Schallschutzwand soll eine Höhe von 2 m aufweisen. In einem ferner beigefügten Lageplan "Erdgeschoss" ist die rückwärtige Trennwand des Verkaufsraums zum Lager zu Lasten des Verkaufsraums verschoben, so dass dessen Maße nicht mehr wie zuvor 42,24 m x 18,90 m, sondern 40,09 m x 18,90 m betragen.

Die Klägerin führt weiter aus, dass die verkehrliche Stellungnahme der Ingenieurgruppe T vom 23. Oktober 2013 von einem motorisierten Individualverkehr (MIV-Anteil) von 40 bis 60 % ausgehe. Dieser Ansatz ergebe sich im wesentlichen nach den von Bosserhoff empfohlenen und von der Rechtsprechung zur Abschätzung des durch die Nutzung erzeugten Verkehrs anerkannten Daten für die Berechnung des Verkehrsaufkommens, wonach für Gebiete mit Wohnnutzungen 'in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation im Plangebiet' einen MIV-Anteil von 30 bis 70 % empfohlen werde. Das Vorhaben befinde sich in integrierter Lage. Demgegenüber sei ein MIV-Anteil von 70 % nur bei fehlenden und weit entfernten Nahversorgungs- und Gemeinbedarfseinrichtungen und nicht attraktiver ÖPNV-Anbindung anzusetzen. Auch die Berücksichtigung eines Mitnahmeeffekts in einem Umfang von 20 % der Kundenfahrten sei bei einem solchen Standort zutreffend.

Für den Fall, dass dem Vorhaben Fragen der gesicherten Erschließung entgegenstünden, werde hilfsweise die Erteilung eines Vorbescheides unter Ausklammerung der Frage der gesicherten Erschließung beantragt. Sie legt ferner eine weitere schalltechnische Untersuchung der L1. Schalltechnik GmbH vom 15. Mai 2013 und ergänzende Stellungnahme vom 28. Mai 2013 zur Immissionsmessung am 8. Februar 2012 vor. Daraus ergebe sich, dass an den maßgeblichen Immissionsorten die Immissionsrichtwerte für ein Allgemeines Wohngebiet eingehalten würden. Dabei geht das Gutachten von einem Betriebsgeschehen wie folgt aus:

1.200 PKW-Bewegungen in der Betriebszeit von 6.00 bis 22.00 Uhr

etwa 600 Stapelvorgänge an der Sammelbox für Einkaufswagen im zentralen Parkplatzrandbereich

2 Warenanlieferungen incl. Müllabfuhr mit schwerem LKW zwischen 6.00 und 22.00 Uhr bei Einhausung der Rampe Richtung Norden und im Bereich der Dachfläche

30 Minuten geräuschintensive Ladezeit je LKW, 2 Minuten Rangierzeit und 5 Minuten Standlaufzeit

Schneckenverdichter bzw. Papierpresse mit maximaler tägl. Betriebszeit von 2 Stunden

Integralanlage (0.00 bis 24.00 Uhr) im nördlichen Anlieferbereich

Es geht ferner von Betriebszeiten von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr und einer Schallschutzwand an der nördlichen Betriebsgrenze in Höhe von mindestens 2 m und 137 m Länge aus.

Für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit sei ein Zuschlag von 1,9 dB(A) vorgenommen worden. Da die Betriebs- und Beurteilungszeit 16 Stunden betrage, aber in der Zeit von 7.00 bis 20.00 Uhr kein Zuschlag berücksichtigt werden müsse, sei der Zuschlag von 6 dB(A) auf 1,9 dB(A) zu reduzieren. Eine zuschlagpflichtige Tonhaltigkeit eines Einzeltons sei bei dem Vorhaben auszuschließen, ein Zuschlag für impulshaltige Geräusche (Einkaufswagen) sei gemäß Tab. 34 der Bayerischen Parkplatzlärmstudie in Höhe von 4 dB(A) vorgenommen worden. Außerdem sei für die Einkaufswagensammelbox ein Zuschlag von 4 dB(A) in Ansatz gebracht worden und hierzu auf S. 8 der schalltechnischen Untersuchung auf technische Berichte verwiesen worden. Entsprechend sei für die übrigen Geräuschquellen wie etwa LKW-Anlieferung verfahren worden.

Weil an den Immissionsorten 1, 2 und 3 (U. Straße 00, B1. 00-00 und 00-00) sowie 5 (B1. 00) der maßgebliche Immissionsrichtwert von 55 dB(A) tags (mit 50,8/51,1/49,3 und 52,1 dB(A)) um weniger als 6 dB(A) unterschritten würden, sei am 8. Februar 2012 eine Messung erfolgt. Danach werde die Geräuschsituation maßgeblich durch den Straßenverkehr auf der U. Straße bestimmt und seien gewerbliche Geräuschquellen an keinem der Immissionsorte wahrnehmbar oder messtechnisch erfassbar gewesen. Eine relevante Vorbelastung i.S.v. Ziff. 3.2.1 Abs. 7 der TA Lärm analog liege mithin nicht vor. Durch das Vorhaben werde die gegebene Situation nicht verschlechtert, da die von der U. Straße ausgehenden Verkehrsgeräusche die zu erwartenden Gewerbelärmimmissionen vollständig überdecken würden. Die Umgebung sei aber durch Gewerbelärmimmissionen einer bis etwa 2011 auf dem Grundstück betriebenen Tankstelle mit 24-Stundenbetrieb vorbelastet. Demgegenüber sei das vor etwa drei Jahren auf Flurstück 00 errichtete Gebäude in die vorbelastete Situation hinein gebaut worden. Auch durch die zugehörige Tiefgarage und rückwärtigen 12 Stellplätze sei der Bereich vorgeprägt. Durch die Schallschutzwand entsprechend den ergänzenden Antragsunterlagen vom 26. April 2012 würden die Gewerbelärmimmissionen erheblich reduziert. Der umliegenden Wohnbebauung komme kein für ein allgemeines Wohngebiet geltender Schutzanspruch zu. Nach der schalltechnischen Untersuchung der L1. Schalltechnik GmbH vom 29. Januar 2014 zur Verkehrslärmbelastung würden die nach der Verkehrslärmschutzverordnung geltenden Immissionsgrenzwerte tags und nachts erheblich überschritten. Wegen eines ständig vorherrschenden Fremdgeräuschs lasse das Vorhaben keine zusätzlichen Umwelteinwirkungen erwarten.

Aus der von ihr vorgelegten Untersuchung über die verkehrlichen Auswirkungen des Vorhabens der Ingenieurgruppe T vom 23. Oktober 2013 ergebe sich, dass der von dem Vorhaben ausgelöste Verkehr vom öffentlichen Straßennetz aufgenommen und leistungsfähig abgewickelt werden könne.

Von dem Vorhaben seien keine schädlichen Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten.

In der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2014 hat die Klägerin erklärt, dass die vom Eingangsbereich zum Pfandraum führende Tür von außen mit einem Knauf versehen werde und der Pfandraum daher für Kunden nicht betretbar sei. Der auf dem Lageplan zum Verkaufsraum offene Bereich "Backvorbereitung" werde zu diesem hin durch ein nahezu deckenhohes sog. Backregal verschlossen, aus dem sich die Kunden Backwaren entnehmen könnten. Den dahinter liegenden Backvorbereitungsraum könnten sie nicht betreten.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. November 2011 zu verpflichten, der Klägerin einen Bauvorbescheid für die Errichtung eines M. Lebensmittel-Discountmarktes auf dem Grundstück G1 (U. Straße in B. ) entsprechend ihrer Bauvoranfrage vom 28. Juni 2011 in der Fassung des Nachtrages vom 26. April 2012 und mit den am 8. Mai 2014 vorgenommenen Präzisierungen zur Ausgestaltung des Marktes zu erteilen;

2. hilfsweise

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. November 2011 zu verpflichten, der Klägerin einen Bauvorbescheid für das unter Ziffer 1 beschriebene Vorhaben entsprechend ihrer Bauvoranfrage vom 28. Juni 2011, dem Nachtrag vom 26. April 2012 und den am 8. Mai 2014 getroffenen Konkretisierungen, jedoch unter Ausklammerung der Frage der gesicherten Erschließung zu erteilen;

3. weiter hilfsweise

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. November 2011 zu verpflichten, der Klägerin einen Bauvorbescheid für das zuvor unter Ziffern 1 und 2 beschriebene Vorhaben entsprechend ihrer Bauvoranfrage vom 28. Juni 2011 in der Fassung des Nachtrages vom 26. April 2012 und mit den am 8. Mai 2014 vorgenommenen Präzisierungen, jedoch unter Ausklammerung der Frage der gesicherten Erschließung und der Einhaltung des Gebotes der Rücksichtnahme zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: Das Vorhaben finde in der maßgebenden näheren Umgebung kein Vorbild. Die U. Straße bilde eine Zäsur, so dass die auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Einzelhandelsnutzungen das Vorhabengrundstück nicht prägten. Die maßgebliche nähere Umgebung weise den Charakter eines Allgemeinen Wohngebiets auf. Das ehemals gewerblich genutzte Gebäude X. 00 werde seit 1997 nicht mehr benutzt; im Jahr 2006 sei ein ordnungsbehördliches Verfahren wegen Einsturzgefahr eingeleitet worden. Die auf dem Vorhabengrundstück befindliche Halle werde seit 2002 nicht mehr genutzt und habe mit einer Geschossfläche von 450 qm keine Vorbildwirkung für das Vorhaben mit einer Bruttogeschossfläche von 1610 qm.

Das Vorhaben verstoße insbesondere im Hinblick auf die Anordnung der Stellplätze in unmittelbarer Nachbarschaft zu vorhandener Wohnnutzung gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Nach der Rechtsprechung des OVG NRW könne sich ein Rücksichtnahmeverstoß auch aus einer Nichtbeachtung der materiellen Anforderungen des § 51 Abs. 7 BauO NRW ergeben. Dies sei hier der Fall, da sowohl die Stellplätze als auch der Anlieferbereich in unmittelbarer Nähe der schutzwürdigen Außenwohnbereiche des Mehrfamilienhauses B1. 00 lägen. Durch die zwischenzeitlich beabsichtigte Einhausung der Anlieferung sei nur der unmittelbare Anlieferbereich geschützt. Es blieben aber erhebliche mit Rückwärtsfahrten verbundene Rangierbewegungen. Diese Aspekte begründeten auch bei Einhaltung der Werte der TA Lärm einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.

Das Mehrfamilienhaus B1. 00 mit 22 Wohneinheiten weise schutzwürdige Außenwohnbereiche mit Balkonen auf, die unmittelbar dem Vorhabengrundstück zugewandt seien und bereits erheblich durch den Straßenverkehrslärm auf der U. Straße belastet seien.

Nicht nachvollziehbar sei, weshalb für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit ein Zuschlag von 1,9 dB(A) statt 6 dB(A) nach Ziff. 6.5 TA Lärm vorgenommen worden sei. Auch fehle es an Zuschlägen für Ton- und Impulshaltigkeit nach A.2.5.2 bzw. A 2.5.3 TA Lärm. Ein entsprechender Zuschlag würde dazu führen, dass es an den Immissionsorten 1, 2 und 5 zu Überschreitungen des zulässigen Immissionsrichtwertes von 55 dB(A) komme. Außerdem gehe das schalltechnische Gutachten von Schallschutzmaßnahmen (Schallschutzwand, Einhausung des Anlieferbereichs im Norden und im Bereich der Dachfläche) aus, die in den Bauvorlagen nicht dargestellt seien.

Die von der Klägerin vorgelegte gutachterliche Stellungnahme der Ingenieurgruppe T gehe hinsichtlich des motorisierten Individualverkehrs (MIV) mit 40 ? 60 % von einem zu niedrigen Wert aus. Bei einem vergleichbaren Objekt sei er auf 70 % festgesetzt worden. Die Verwendung eines Mittelwerts sei bedenklich. Die angenommenen Öffnungszeiten (8.00 bis 21.00 Uhr) ergäben sich nicht aus den Antragsunterlagen. Bei der U. Straße handele es sich um eine Hauptausfallstraße. Zusätzliche Zu- und Abfahrten seien als äußerst kritisch zu bewerten; ein Links-Einbiegen und Links-Ausbiegen seien keinesfalls zulässig.

Von dem Vorhaben seien schädliche Auswirkungen auf das Nahversorgungszentrum C. zu erwarten, zu dem das Vorhabengrundstück nicht mehr gehöre. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben einen überwiegenden Anteil der Umsätze von Kunden erwarte, die in fußläufiger Entfernung wohnhaft seien.

Die Kammer hat über die Lage und nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks Beweis durch Inaugenscheinnahme durch die Vorsitzende erhoben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über den Termin zur Beweisaufnahme am 7. Mai 2013 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die Klage ist allerdings insgesamt, insbesondere mit den vorgenommenen Klageänderungen, zulässig.

Die Beklagte hat sich mit der mit Schriftsatz der Klägerin vom 29. Mai 2012 vorgenommenen Änderung des Klagebegehrens durch Einbeziehung des Nachtragsbauantrags vom 26. April 2012 sowie der in der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2014 vorgenommenen weiteren Modifizierung bzw. Präzisierung der Bauvoranfrage und Einführung eines zweiten Hilfsantrags insgesamt einverstanden erklärt, § 91 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

I. Die Klage ist jedoch mit ihrem Hauptklageantrag unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines (unbeschränkten bauplanungsrechtlichen) Bauvorbescheids für die Errichtung eines M. -Discountmarktes, § 113 Abs. 5 VwGO.

Die Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt sich nach § 34 des Baugesetzbuches (BauGB), da es innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils, aber nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt. Hinsichtlich der Art des Vorhabens bestimmt sich dessen Zulässigkeit dabei nach § 34 Abs. 1 BauGB, da die nähere Umgebung des Vorhabens keinem der in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bezeichneten Gebiete, insbesondere weder einem allgemeinen Wohngebiet noch einem Mischgebiet entspricht.

Für die Bestimmung der näheren Umgebung kommt es zum einen darauf an, ob sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zum anderen darauf, wieweit die Umgebung ihrerseits das Baugrundstück prägt. Dabei sind in die Betrachtung einzubeziehen auch qualifiziert beplante Bereiche (hier der Bereich des Bebauungsplans 00), soweit sie tatsächlich bebaut sind.

Nach Maßgabe dieser Kriterien ist als nähere Umgebung des Vorhabenstandortes der von U. Straße, F. straße und der Straße X. umfasste Bereich zu bewerten. Der Straße B1. kommt im Hinblick auf ihre geringe Breite und der an beiden Seiten der Straße homogenen (Wohn-)Bebauung keine trennende Wirkung zu. Demgegenüber kommt der stark befahrenen U. Straße im Hinblick auf ihre Breite eine trennende Wirkung zu mit der Folge, dass die an ihrer südwestlichen Seite befindliche Bebauung und die dort auch angesiedelten Einzelhandelsbetriebe keine prägende Wirkung für den an der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Vorhabenstandort mehr haben.

In dem so gebildeten Bereich befindet sich nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen und dem Ergebnis der Ortsbesichtigung Wohnnutzung und gewerbliche Nutzung. Dabei ist der gesamte an der F1. Straße und der Straße B1. gelegene Bereich ausschließlich von Wohnbebauung geprägt. Gleiches gilt für die Straße X. . Die vormals gewerbliche Nutzung des Grundstücks F1. Straße 00 (Gewerbehalle eines Betriebes für die Verlegung von Böden und Estrich) muss als endgültig aufgegeben bewertet werden, nachdem im Jahr 2012 eine Genehmigung zum Abriss der Gewerbehalle und unter dem 4. April 2013 ein positiver Bauvorbescheid für 3 Mehrfamilienhäuser erteilt wurden.

Demgegenüber ist der Bereich an der U. Straße vom Vorhabengrundstück in südöstliche Richtung bis zur Einmündung der Straße X. nachhaltig durch gewerbliche Nutzung geprägt. So befindet sich auf dem Flurstück 00 (U. Straße 00) ein Metall verarbeitender Betrieb, in dem Metallteile gefertigt und in Baugruppen zusammenmontiert werden. Die Betriebszeit ist von 6.00 bis 22.00 Uhr. Auf dem südlich gelegenen Nachbargrundstück U. Straße 00/00 (Flurstück 00) befindet sich eine mit Verkaufs- und Werkräumen für Maschinen und Werkzeuge genutzte Werkhalle. Der Verkaufsraum verfügt über eine Fläche von 164 qm. Auf dem zum Vorhabengrundstück gehörenden Flurstück 00 befand sich bis Ende 2011 eine Tankstelle mit Pflege- und Waschhalle, Tankstellenshop und Servicehalle, die ausweislich der 1987 hierfür erteilten Baugenehmigung täglich von 0.00 bis 24.00 Uhr geöffnet war. Diese Bebauung prägt trotz des 2011 erfolgten Abrisses weiterhin die Eigenart der näheren Umgebung. Die Einstellung bestimmter Nutzungen führt jedenfalls so lange nicht dazu, dass sie ihre prägende Wirkung verlieren, wie nach der Verkehrsauffassung noch mit der Aufnahme einer gleichartigen Nutzung gerechnet werden kann,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 22. Januar 2004 - 7 A 1273/02 ?, juris.

Angesichts des zur Zeit der Nutzungseinstellung bereits betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Bauvorbescheids für das streitgegenständliche Vorhaben war mit einer Wiederbebauung und einer gewerblichen Nutzung zu rechnen.

Für das Grundstück X. 00 liegt eine Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung 'Vertrieb von Lederfellen/Vertrieb von Notstromaggregaten' vor. Ob diese Nutzung derzeit noch stattfindet, ist nach dem Eindruck vor Ort zweifelhaft.

Ob die im hinteren Gelände auf dem zum Vorhabengrundstück gehörenden Flurstück 00 befindliche Halle im Hinblick auf die nach Angaben des Eigentümers des Grundstücks im Jahr 2002 eingestellte Nutzung als Lager für Industriereinigungsgeräte mit Zubehör und Büro noch eine die Umgebung prägende Wirkung hat, erscheint zweifelhaft. So kann eine erteilte Baugenehmigung wirkungslos geworden sein und deshalb auch keine Rücksichtnahmepflichten mehr auslösen, wenn ein Gebäude zwei Jahre lang nicht mehr in der von der Genehmigung erfassten Weise genutzt wurde und der Bauherr keine besonderen Gründe dafür dargelegt hat, dass die Beendigung der Nutzung noch nicht endgültig sein sollte,

vgl. VGH Bad.-Württemberg, Urteil vom 20. Mai 2003 ? 5 S 2751/01 ?, juris.

Eine ursprünglich baurechtlich genehmigte Nutzung ist nicht mehr von der Baugenehmigung gedeckt und genießt keinen Bestandsschutz mehr, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht mehr ausgeübt wird und die Verkehrsauffassung mit ihrer Wiederaufnahme nicht mehr rechnet,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 21. November 2000 ? 4 B 36.00 ? und Urteil vom 18. Mai 1995 ? 4 C 20.94 ?

Ob wegen der auf dem Grundstück und nach den Angaben des Grundstückseigentümers im Ortstermin der Kammer auch in der Halle noch vorhandenen Gerätschaften und Container mit einer Wiederaufnahme der Nutzung noch gerechnet werden muss, erscheint zweifelhaft.

Letztlich bedarf es hierzu aber auch keiner Entscheidung. Denn sowohl bei Berücksichtigung als auch bei Außerachtlassung der gewerblichen Nutzung entspricht die nähere Umgebung des Vorhabens keinem der Baugebiete der BauNVO.

Einer Bewertung als Allgemeines Wohngebiet steht der störende Charakter der übrigen oben aufgezeichneten und in jedem Falle zu berücksichtigenden gewerblichen Nutzungen an der U. Straße bis zur Einmündung der Straße X. entgegen. Auch die Voraussetzungen für die Annahme eines Mischgebietes liegen nach Auffassung der Kammer nicht vor.

Ein Mischgebiet zeichnet sich durch eine quantitative Durchmischung von Wohnen und das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben aus. Die beiden Hauptnutzungsarten Wohnen und Unterbringung von Gewerbebetrieben stehen als gleichwertige Funktionen nebeneinander; sie stehen nicht in einem Rangverhältnis. Das Verhältnis der beiden Nutzungsarten ist weder nach der Fläche noch nach den Anteilen zu bestimmen; sie müssen nicht zu genauen oder zu annähernd gleichen Teilen im Gebiet vertreten sein. Das gleichwertige Nebeneinander zweier Nutzungsarten bedeutet aber auch, dass keine der Nutzungsarten ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen darf,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. April 1996 ? 4 B 51.96 ? und Urteil vom 4. Mai 1988 ? 4 C 34.86, juris, m.w.N.; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger; Kommentar zum Baugesetzbuch, § 6 BauNVO Rdnr. 10.

Die beiden Nutzungsarten können bzw. sollen sowohl quantitativ als auch qualitativ durchmischt sein. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Teile des Gebietes mehr gewerblich, andere Teile mehr durch Wohnnutzung geprägt sind. Nur wenn ein neues Vorhaben die gebotene Durchmischung von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe weder qualitativ noch quantitativ nicht stört, bleibt die Eigenart des Gebietstyps gewahrt,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. April 1996 ? 4 B 51.96 ?, a.a.O.

In der hier maßgeblichen näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks fehlt es an der gebotenen Durchmischung, weil sich die gewerbliche Nutzung auf den Bereich vom Vorhabengrundstück bis zur Einmündung der Straße X. beschränkt. Der gesamte restliche und weit überwiegende Bereich des Gevierts ist durch Wohnbebauung geprägt. Nach alledem ist von einer Gemengelage auszugehen, die sich durch ein mehr oder weniger enges Nebeneinander unterschiedlicher und sich gegenseitig beeinträchtigender Nutzungen auszeichnet, und beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens danach, ob es sich nach § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung einfügt. Hält ein Vorhaben den vorgegebenen Rahmen ein, so kann es ausnahmsweise unzulässig sein, wenn es sich gegenüber der Nachbarschaft als rücksichtslos erweist. Hält ein Vorhaben den vorgegebenen Rahmen nicht ein, ergibt sich hieraus nicht zwingend und unmittelbar seine Unzulässigkeit. Das Erfordernis des Einfügens schließt nicht schlechthin aus, etwas zu verwirklichen, was es in der Umgebung bisher nicht gibt. Entspricht ein Vorhaben der Art nach nicht dem vorgegebenen Rahmen, kommt es darauf an, ob durch das Vorhaben bodenrechtlich beachtliche Spannungen begründet oder vorhandene Spannungen erhöht werden,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 ? 4 C 17.91 ? und Beschluss vom 23. Juli 1993 ? 4 B 59/93 ?, beide: juris.

Ein Vorhaben, das im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen begründet oder erhöht, welches die bauplanungsrechtliche Situation in relevanter Weise verschlechtert, stört, belastet, bringt die vorgegebene Situation gleichsam in Bewegung und stiftet eine Unruhe, die potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich zieht. Eine Zulassung kann dann nur unter Einsatz der Mittel des Planungsrechts erfolgen,

vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Kommentar zum BauGB, § 34, Rdnr. 31.

Das streitgegenständliche Vorhaben fand zunächst in der der Klageerhebung zugrunde liegenden Fassung der Bauvoranfrage in der näheren Umgebung kein Vorbild. Die Maße des ursprünglich geplanten Verkaufsraums betrugen danach 42,24 m x 18,90 m (798,336 qm). Nicht eingerechnet waren allerdings die Bereiche Eingang (24,5 qm) und Ausgang (14,90 qm) mit insgesamt 39,40 qm, wodurch die Grenze zur Großflächigkeit von 800 qm bereits überschritten wurde, ohne dass es auf die Frage der Zurechenbarkeit der Fläche von Pfandraum und Backvorbereitung noch angekommen wäre.

Aufgrund der im Laufe des Klageverfahrens mit Schriftsatz vom 29. Mai 2012 erfolgten Änderung des Vorhabens in Gestalt der Verschiebung der rückwärtigen Wand des Verkaufsraums zu Gunsten des Lagerraums um 2,15 m ergibt sich für den Verkaufsraum eine Größe von 757,70 qm (40,09 m x 18.90 m). Zur Verkaufsfläche hinzuzurechnen sind die Bereiche Eingang/Ausgang mit 39,40 qm (= 797,10 qm). Durch die in der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2014 erstmals vorgenommene Präzisierung der Ausgestaltung des Pfandraums (52 qm) und der sog. Backvorbereitung (38 qm) ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass diese Bereiche jedenfalls nunmehr nicht mehr der Verkaufsfläche zuzurechnen sind. Hinsichtlich des Pfandraums gilt dies deshalb, weil der nach den Grundrissplänen vom Eingangsbereich durch eine Tür ohne weiteres zu betretende Raum nach der vorgenommenen Präzisierung mit einer für Kunden nicht zu öffnende Tür versehen werden soll.

Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2014 vorgenommenen und zum Inhalt der Bauvoranfrage gemachten Präzisierung der Ausgestaltung dieses Bereichs gelangt die Kammer auch hinsichtlich der Backvorbereitung zu dem Ergebnis, dass sie der Verkaufsfläche nicht zuzurechnen ist.

Der Begriff der Verkaufsfläche erfasst alle Flächen, die für den Verkauf von Waren bestimmt sind, d.h. alle zum Zwecke des Verkaufs den Kunden zugänglichen Flächen. Dazu gehören neben den Eingangsbereichen, Pfandvorraum, Kassenzonen und Kassenvorraum auch diejenigen Bereiche innerhalb eines Selbstbedienungsladens, die vom Kunden zwar aus betrieblichen und hygienischen Gründen nicht betreten werden dürfen, in denen aber die Ware für ihn sichtbar ausliegt (Käse-, Fleisch- und Wursttheke),

vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 ? 4 C 10.04 ?; Oberverwaltungsgericht für das Land Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2011 ? OVG 10 S 29.10 ?, beide: juris; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Kommentar zum BauGB, § 11 BauNVO Rdnr. 53d.

Der in einem Mauerversprung liegende Bereich der Backvorbereitung kann - entgegen dem nach dem Lageplan entstehenden Eindruck - nicht unmittelbar von Kunden betreten werden, da er nach den verbindlichen Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch das sog. Backregal zum Verkaufsraum hin abgeschlossen wird. Kunden können danach nur vom Verkaufsraum aus mit einer Zange in die Fächer des Backregals greifen, um die begehrte Ware zu entnehmen. Der Bereich hinter dem Regal kann von ihnen nicht betreten werden, sondern wird vom Personal im Sinne eines Arbeitsraumes genutzt, indem dort die Backwaren vorbereitet und eingefüllt werden. Ein Kontakt zum Kunden wie etwa bei der Fleisch- oder Wursttheke findet angesichts des nahezu deckenhohen Regals nicht statt.

Der danach nicht großflächige Einzelhandelsbetrieb ist von der Art der Nutzung her in der maßgeblichen näheren Umgebung nicht ohne Vorbild.

Zwar kann hierfür wegen seiner geringen Größe als sog. Convenience-Shop nicht schon der zu der zwischenzeitlich abgerissenen Tankstelle auf dem Vorhabengrundstück gehörige Tankstellenshop mit einer Grundfläche von rund 45 qm herangezogen werden,

vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juli 2011 ? 11 K 8737/08 ?, juris.

Jedoch verfügt der auf dem Grundstück U. Straße 00 befindliche Betrieb, der sich mit dem Verkauf und der Bearbeitung von Werkzeugen und Maschinen beschäftigt, über einen Verkaufsraum von 164 qm. Dass der Betrieb einer anderen Branche zugehört und andere Warensortimente als die Klägerin führt, ist insoweit nicht maßgeblich,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Januar 2006 ?10 A 3413/03 ?, juris,

Die Kammer ist der Auffassung, dass das Vorhaben die im Rahmen des Einfügensgebots erforderliche Einhaltung des Rücksichtnahmegebotes nicht erwarten lässt. Sie schließt sich der Auffassung des OVG NRW,

vgl. Beschluss vom 13. Juni 2013 ? 10 B 268/13 ?, juris,

an, wonach in den Fällen, in denen die Anordnung der Stellplätze im rückwärtigen Grundstücksbereich die Ruhe und Erholung über das dem Nachbarn zumutbare Maß hinaus stört und eine Baugenehmigung gegen § 51 Abs. 7 BauO NRW verstoßen würde, zugleich ein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot vorliegt.

Die Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme richten sich danach, was den Betroffenen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Immissionen, die geeignet sind, erhebliche Belästigungen und Störungen für die Nachbarschaft hervorzurufen, sind unzumutbar. Wo die Grenze der Erheblichkeit von Immissionen liegt, richtet sich nach der jeweiligen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Umgebung. Bei der Bewertung der Zumutbarkeit von in rückwärtigen Grundstücksbereichen errichteten Stellplätzen sowie ihrer Zuwegungen kommt es maßgeblich darauf an, was die Betroffenen in dem Bereich, in dem sich die Stellplätze auswirken werden, bereits hinzunehmen oder zu erwarten haben,

vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Kommentar zum BauGB, § 34, Rdnr. 53.

Danach ist nicht allein das aktuell gegebene Ausmaß an Beeinträchtigungen durch Stellplatz- und Garagenanlagen maßgeblich, sondern auch der Umstand, inwieweit der betreffende rückwärtige Grundstücksbereich bereits durch andere Grundstück im näheren Umfeld als Standort für Stellplätze oder auf andere Weise durch Kfzbedingte Immissionen vorgeprägt ist. Ein Grundstückseigentümer kann grundsätzlich nicht darauf vertrauen, seinen Gartenbereich auf Dauer als von Kfzbedingten Immissionen freie Ruhezone nutzen zu können, wenn sich in der Nachbarschaft bereits Vorbilder für die entsprechende Stellplatzanlage befinden,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2013 ? 7 B 252/13 ?, juris.

Für die Beurteilung, ob von Stellplätzen unzumutbare Beeinträchtigungen der Nachbarschaft ausgehen, sind technischrechnerisch ermittelte Immissionswerte aber regelmäßig nicht ausschlaggebend. Eine Feststellung der Zumutbarkeit der von Stellplätzen ausgehenden Lärm- und Geruchsbelästigungen ausschließlich aufgrund der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte ist nicht zulässig,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. März 2001 ? 7 B 878/00 ?, juris, und vom 17. Januar 2005 ? 7 A 3267/03 ?.

Insoweit vermag die Klägerin nicht bereits mit dem Verweis auf die Feststellungen in von ihr vorgelegten Untersuchungen, wonach die von dem Vorhaben ausgehenden Immissionen den Immissionsrichtwert für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB(A) am Tag nicht überschreiten, eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme auszuschließen. Aus der Einhaltung von Immissionsrichtwerten kann nicht ohne Weiteres auf eine Zumutbarkeit des von dem Vorhaben ausgehenden Lärmgeschehens geschlossen werden,

vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 - 4 C 1.02 ?; OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2004 - 7 A 1273/02 ? und Beschlüsse vom 5. März 2001 - 7 B 878/00 -, juris, sowie vom 17. Januar 2005 ? 7 A 3267/03 ?.

Das Geschehen auf dem Vorhabengrundstück würde sich durch den beabsichtigten Discountmarkt nach der von der Klägerin selbst vorgelegten Schalltechnischen Untersuchung der L1. Schalltechnik GmbH vom 28. Februar 2012 so darstellen, dass mit 1.200 PKW-Bewegungen und 600 Stapelvorgängen an der Sammelbox für Einkaufswagen täglich zu rechnen wäre. Der vorgelegte Schlussbericht der Ingenieurgruppe T vom 23. Oktober 2013 geht darüber hinaus von durchschnittlich 1.440 bis 1.600 Kunden täglich, 1.237 Fahrten und 619 Fahrzeugen am Tag aus. Den sogenannten Mitnahmeeffekt, der darin besteht, dass Autofahrer das angrenzende Straßennetz schon befahren und durch das Vorhaben veranlasst werden, ihre Fahrt zu unterbrechen bzw. ihre Fahrtroute etwas zu ändern, wird darin mit 20 % (152 von 619 Fahrten) bemessen, darin enthalten 4 bis 12 Fahrten für Lieferverkehr.

Ein großer Teil der Stellplätze (39 Stück) soll unmittelbar an der nördlichen Grundstücksgrenze errichtet werden. Dabei befindet sich der von der Straße aus gesehen letzte dieser 39 Stellplätze in einem Abstand von rund 29 m von der rückwärtigen Grundstücksgrenze. Entlang der gesamten nördlichen Grundstücksgrenze soll eine 2 m hohe Schallschutzmauer mit einem Schalldämmmaß von mindestens 24 d(B)A errichtet werden. Die Anlieferzone für schwere LKW erstreckt sich ausweislich des zum Änderungsantrag vom 26. April 2012 gehörigen Lageplans zwischen diesen Stellplätzen und dem Verkaufsgebäude. In Höhe des letzten Stellplatzes soll sie über eine Strecke von rund 26 m bis zum rückwärtigen Ende des Gebäudes eingehaust werden. Ein- und Ausladevorgänge mit den damit verbundenen typischen Geräuschen finden danach weitgehend im eingehausten Bereich statt. LKW, die diesen Bereich anfahren, müssen jedoch, um mit der Ladefläche an den Anlieferbereich zu gelangen, zunächst vorwärts auf das Grundstück fahren, um dann rückwärts entlang der nördlichen Grenze in den eingehausten Bereich fahren zu können. Dieser Rangiervorgang muss zwangsläufig immer und im nicht eingehausten Bereich stattfinden. Hierdurch und durch die Benutzung der Stellplätze ist über die gesamte Tagzeit verteilt mit An- und Abfahrtverkehr und den damit typischerweise verbundenen Geräuschen wie Anlassen des Motors, Türenschlagen, Rollgeräuschen von Einkaufswagen und anderen impulshaltigen Geräuschen zu rechnen.

Ein Geräuschgeschehen dieser Art und von diesem Umfang hat in dem hinteren Grundstücksbereich des Vorhabengrundstücks bislang nicht stattgefunden.

Die derzeitige Situation ist vielmehr dadurch geprägt, dass das Vorhabengrundstück im Norden und Osten von Wohnbebauung eingeschlossen ist. Insbesondere das im November 2006 genehmigte und auf dem Flurstück 00 errichtete Mehrfamilienhaus B1. 00 und 00a mit 22 Wohneinheiten befindet sich mit seiner rückwärtigen Seite in einem Abstand von 5 m bis rund 16 m zur nördlichen Grenze des Vorhabengrundstücks. Das Mehrfamilienhaus erstreckt sich über rund 34 m entlang der gemeinsamen Grenze zum Vorhabengrundstück und verfügt in diesem Bereich über Wohn- und Ruheräume sowie Balkone.

Zwar befindet sich an der zum Vorhabengrundstück gelegenen Südseite der Häuser B1. 00 und 00a auf dem Flurstück 00 die Zufahrt zur hauseigenen Tiefgarage. Diese erstreckt sich jedoch nicht entlang der gesamten Rückfront der Häuser, sondern nur über rund 5 m an der südwestlichen Wand des Hauses Nr. 00. Darüber hinaus befinden sich im Kellergeschoss des Hauses zwar 20 Stellplätze, jedoch finden sämtlich Start- und Anfahrvorgänge sowie Be- und Entladung der Fahrzeuge mit dem zugehörigen und als lästig empfundenen Geräusch des Türeschlagens in der Tiefgarage statt. Die Geräuschbelastung der Bewohner des Hauses ist daher auf den kurzen Zeitraum des Ein- und Ausfahrens aus der Garage beschränkt. Auch von den im öffentlichen Straßenraum westlich des Hauses Nr. 00 gelegenen 8 Stellplätzen geht keine Vorbelastung aus, die der vom Parkplatz des Vorhabens ausgehenden Belastung auch nur annähernd gleicht. Hierbei handelt es vielmehr um einen den üblichen Bedarf an Stellplätzen in einem Wohngebiet bedienenden Parkplatz. Darüber hinaus ist er unmittelbar an der Straße 'B1.' gelegen und tangiert den Ruhebereich der Häuser Nr. 00 und 00a nicht.

Die derzeitige Situation auf dem Vorhabengrundstück stellt sich demgegenüber so dar, dass (wohl bereits seit Nutzungsaufgabe durch den vormaligen Mieter im Jahr 2002) keine gewerbliche Tätigkeit mehr stattfindet und lediglich die vom Mieter hinterlassenen Gerätschaften oder Behältnisse noch dort stehen. Tatsächlich gehen demnach vom Vorhabengrundstück derzeit und bereits seit geraumer Zeit keine nachteiligen Auswirkungen auf die umgebende Wohnbebauung aus. Selbst eine Nutzung nach der zuletzt erteilten Nutzungsänderungsgenehmigung wäre im Hinblick auf die deutlich kürzere Betriebszeit (Anliefer- und Auslieferbetrieb in der Zeit von 8.00 bis 17.00 Uhr) und den An- und Abfahrtsverkehrs durch PKW der 5 Beschäftigten bzw. der mobilen Reparaturwagen und Entsorgungsfahrzeuge nicht annähernd vergleichbar mit den nachteiligen Auswirkungen des Vorhabens (rd. 1.200 PKW-Bewegungen, 1.400-1.600 Kunden und 619 Fahrten täglich) auf die Wohnbebauung.

Auch die von dem vormaligen Tankstellenbetrieb ausgehenden Belastungen sind mit den durch das Vorhaben zu erwartenden Belastungen nicht vergleichbar. Dabei muss wegen des 24-Stunden-Betriebs der Tankstelle an der vielbefahrenen U. Straße zwar von einer erheblichen Verkehrsbelastung ausgegangen werden, jedoch fand diese weitgehend im straßennahen Bereich des Flurstücks 00 statt, welches in einer Tiefe von maximal 30 m - gemessen von der U. Straße - mit dem Tankstellengebäude bebaut war. Der Bereich der Zapfsäulen vor dem Tankstellengebäude erstreckte sich bis maximal 20 m von der Straße aus.

Bis zu einer Tiefe von rund 41 m des maximal 50 m tiefen Flurstücks - gemessen von der Straße - waren 7 Stellplätze genehmigt. Sie reichten etwa bis zum Eingangsbereich des beabsichtigten Verbrauchermarktes. Im Hinblick auf ihre Anzahl und Lage auf dem Flurstück 00 konnten von ihnen auch nicht ansatzweise vergleichbare Auswirkungen wie von dem Vorhaben mit 91 Stellplätzen und einer Anlieferzone im hinteren Bereich des Flurstück 00 ausgehen.

Ob wegen der derzeit bereits von der U. Straße ausgehenden Verkehrslärmbelastung die erwartete Gewerbelärmbelästigung - wie die Klägerin meint - nicht mehr erheblich ins Gewicht fällt und deswegen in Anwendung von Ziff. 3.2.1 der TA Lärm die Genehmigung nicht versagt werden darf, erscheint demgegenüber fraglich. Denn der von einer gewerblichen Anlage ausgehende Lärm unterscheidet sich in seiner Charakteristik und in seiner Akzeptanz in der Bevölkerung wesentlich vom Verkehrslärm. Dieser zeichnet sich in der Regel durch ein An- und Abschwellen in gewisser Gleichmäßigkeit aus, während der von einem Parkplatz und Anlieferbereich eines Discountmarktes ausgehende Lärm sich eher dadurch auszeichnet, dass er plötzlich und unerwartet und mit starken Schwankungen auftritt, etwa beim Türeschlagen, Anlassen des Motors etc., und mit störendem Informationsgehalt durch Zurufe, Gespräche u.a. verbunden ist,

vgl. VGH Bad.-Württemberg, Urteil vom 27. Juni 2002 ? 14 S 2736/01 ?, juris.

Dass diese in den bislang von Gewerbelärm und insbesondere Parkplatzlärm nicht annähernd vergleichbar belasteten rückwärtigen Bereich hinein rückende Lärmbelastung durch das Vorhaben von dem vorhandenen Verkehrslärm so nachhaltig überlagert würde, dass sie nicht mehr als Störquelle in Erscheinung träte, ist nicht ersichtlich. Ob es durch das Vorhaben zu einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte kommt, ist demgegenüber für die Frage einer Rücksichtslosigkeit nicht entscheidend.

II. Aus den vorstehenden Gründen ist die Klage auch mit ihrem ersten Hilfsantrag unbegründet, ohne dass es auf die ausgeklammerte Frage des Vorliegens einer gesicherten Erschließung ankäme.

III. Die Klage hat jedoch mit dem zweiten Hilfsantrag Erfolg.

Der Klägerin hat ein erforderliches Rechtsschutzbedürfnis für ein auf die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids gerichtetes Klagebegehren, welches jedoch die Fragen des Vorliegens einer gesicherten Erschließung und der Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme ausschließt. Was Gegenstand des Verfahrens auf Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids ist, bestimmt der Antragsteller. Allerdings dürfen keine Teile ausgeklammert sein, deren Kenntnis zur Beurteilung der gestellten Frage unerlässlich ist,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. Oktober 2012 ? 10 A 912/11 ? n.v. und vom 16. September 2009 ? 10 A 3087/07 ?, juris.

Lassen sich die formulierten Fragen, ob das Vorhaben seiner Art nach bauplanungsrechtlich zulässig ist, losgelöst von der Frage, ob es die erforderliche Rücksicht auf seine Umgebung wahrt, eigenständig prüfen und beantworten, so kann die Frage nach der Beachtung des Rücksichtnahmegebots ausgeklammert werden. Denn der baurechtliche Vorbescheid soll dem Bauherrn die Möglichkeit geben, vor der Stellung des Bauantrags problematische Fragen des Bauvorhabens vorab klären zu lassen, um unnötige Kosten zu vermeiden,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. Oktober 2012 ? 10 A 912/11 ? und vom 16. September 2009 ? 10 A 3087/07 ?.

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da die Frage des Einfügens des Vorhabens nach Art und Maß der Bebauung sowie die Zulässigkeit nach § 34 Abs. 3 BauGB losgelöst von der Frage der Einhaltung des Gebots der Rücksichtnahme und des Vorliegens einer gesicherten Erschließung geprüft werden kann.

Die danach zulässige Klage ist auch begründet.

Hinsichtlich der Art der Bebauung fügt das Vorhaben sich in die nähere Umgebung ein, da es aus den oben dargelegten Gründen als nicht (mehr) großflächiger Einzelhandelsbetrieb in unmittelbarer Nachbarschaft in dem Einzelhandelsbetrieb der Fa. S. GmbH ein Vorbild findet.

Dem Vorhaben kann nicht entgegen gehalten werden, dass es sich vom Maß der Bebauung nicht in die nähere Umgebung einfügt im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB.

Zwar findet sich für einen Baukörper mit einer Länge von 53,25 m und einer Breite von 29 m im vorderen Bereich bzw. 24,73 im hinteren Bereich sowie einer Bruttogeschossfläche von 1.610 qm in der oben eingegrenzten näheren Umgebung kein Vorbild. Dies gilt auch im Hinblick auf die auf dem Vorhabengrundstück vorhandene Halle, die mit rund 460 qm deutlich kleiner als der geplante Einzelhandelsbetrieb mit 800 qm Verkaufsfläche und 1.610 qm Bruttogeschossfläche ist. Andererseits zwingt der Umstand, dass ein Vorhaben von seinem Maß her im unbeplanten Innenbereich den aus der Umgebung hervorgehenden Rahmen überschreitet, indem es dort kein Vorbild oder keine Entsprechung findet, allein noch nicht dazu, das Vorhaben wegen fehlenden Einfügens für unzulässig zu halten,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1993 - 4 B 59.93 - und Urteile vom 21. November 1980 - 4 C 30.78 - und 26. Mai 1978 ? IV C 9.77 ?, alle: juris.

Auch in den Fällen des Überschreitens des vorgegebenen Rahmens kommt es darauf an, ob das Vorhaben im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige und bodenrechtlich beachtliche Spannungen auslöst, die ein Planungsbedürfnis nach sich ziehen können,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 1997 ? 4 B 67.97 ?, juris.

Dies ist nach Auffassung der Kammer vorliegend nicht der Fall. Insbesondere geht von dem Vorhaben selbst nicht wiederum Vorbildwirkung für ein vom Maß der Bebauung vergleichbares Vorhaben in der näheren Umgebung aus. Denn in diesem Bereich ist ein vergleichbar großes Grundstück, welches die Verwirklichung eines entsprechenden Vorhabens ermöglichen würde, nicht vorhanden. Insbesondere die an der U. Straße gelegenen gewerblich genutzten Grundstücke lassen von ihrer Größe eine so umfängliche Bebauung nicht zu. Der gesamte Bereich der näheren Umgebung ist überdies - mit Ausnahme eines im nordöstlichen, an der F. straße gelegenen und deutlich kleineren Grundstücks - vollständig bebaut.

Von dem Vorhaben sind auch keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten.

Dabei obliegt dem Gericht die rechtliche Bewertung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Merkmale der Rechtsbegriffe 'schädliche Auswirkungen' und 'zu erwarten' erfüllt,

vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 ? 4 C 7.07 ?, juris, dort Rdnr. 26.

Auch die räumliche Abgrenzung eines zentralen Versorgungsbereichs unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle und richtet sich nach den tatsächlich vorhandenen Gegebenheiten. Einem vom Rat der Gemeinde beschlossenen Einzelhandelskonzept kommt insoweit als informelle Planung keine bindende Rechtswirkung zu,

vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Juli 2012 ? 4 B 13.12 ? und vom 12. Februar 2009 ? 4 B 5.09 ?, beide: juris; OVG NRW, Urteil vom 6. November 2008 ? 10 A 1512/07 ?, juris.

Ein Versorgungsbereich im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB bietet Nutzungen, die für die Versorgung der Einwohner der Gemeinde, gegebenenfalls auch nur eines Teils des Gemeindegebiets, insbesondere mit Waren aller Art von Bedeutung sind,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. November 2008 ? 10 A 2601/07 ?.

Zentrale Versorgungsbereiche sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt,

vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2009 ? 4 C 2.08 ? und vom 11. Oktober 2007 ? 4 C 7.07 ?, beide: juris.

Als Versorgungsbereiche sind regelmäßig zentral Innenstädte,

vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 ? 4 C 7.07 ?, a.a.O.

Zu den zentralen Versorgungsbereichen können aber auch Bereiche der Grund- und Nahversorgung gehören, die regelmäßig nur bestimmte Stadtteile größerer Städte mit Waren des kurzfristigen und mittelfristigen Bedarfs versorgen. Neben der Versorgung mit Waren des kurzfristigen Bedarfs werden sie i.d.R. ergänzt durch Waren des mittelfristigen Bedarfs wie etwa Bekleidung sowie durch Dienstleistungen,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. November 2008 ? 10 A 2601/07 ?, juris.

Auch eine räumlich konzentrierte Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben, die darauf angelegt ist, einen fußläufigen Einzugsbereich zu versorgen, kann einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB bilden. Maßgeblich ist , ob der Versorgungsbereich nach Lage, Art und Zweckbestimmung eine für die Versorgung der Bevölkerung in einem bestimmten Einzugsbereich zentrale Funktion hat. Dabei ist der Begriff nicht geografisch im Sinne einer Innenstadtlage oder Ortsmitte, sondern funktional zu verstehen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2009 ? 4 C 2.08 ?, a.a.O.

Die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche dient der Sicherstellung der angesichts der demografischen Entwicklung besonders schutzwürdigen wohnortnahen Versorgung. Ein zentraler Versorgungsbereich setzt keinen übergemeindlichen Einzugsbereich voraus, muss jedoch einen gewissen, über seine eigenen Grenzen hinaus reichenden räumlichen Einzugsbereich mit städtebaulichem Gewicht haben und damit über den Nahbereich hinaus wirken. Er setzt eine integrierte Lage voraus, während isolierte Standorte mit einzelnen Einzelhandelsbetrieben keinen zentralen Versorgungsbereich bilden,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2009 ? 4 C 2.08 ?, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2008 ? 7 A 1392/07 ?, juris

Danach erfüllt der Bereich an der U. Straße zwischen der Abzweigung der G. Landstraße und der W-trasse die Voraussetzung eines zentralen Versorgungsbereichs. Dort befinden sich nach den Erkenntnissen des insoweit ortskundigen Gerichts in der weit überwiegenden Zahl der Häuser in den Erdgeschossen Geschäftslokale wie Bäckereien (z.T. mit angeschlossenem Cafebetrieb), Fleischereien, Bekleidungsgeschäfte, Spielzeug- und Geschenkeläden, ein Schmuckladen, mehrere Optiker, Blumenläden, Schreibwarenläden und Buchhandlungen sowie die Filiale einer Drogeriemarktkette, ein Schuhgeschäft, Hobby- und Dekoläden. Auch zahlreiche Dienstleister wie Banken, Versicherungsbüros, Reisebüros, Beerdigungsinstitut, Reinigungen, Friseure, Schlüsseldienst und Änderungsschneiderei finden sich dort. Darüber hinaus gibt es mehrere Gaststätten, ein vietnamesisches Restaurant und Imbissläden.

Dieser Bereich setzt sich mit den nordwestlich zwischen W-trasse und U. Straße gelegenen Einzelhandelsbetrieben (Edeka, Aldi, Netto und dem Garten- und Tierbedarfshandel Q. ) fort. Ob der auf der gegenüberliegenden Seite der U. Straße liegende Bereich des Vorhabengrundstücks wegen des Konglomerats von Einzelhandelsbetrieben und durch eine "Brückenwirkung" des Einzelhandelsbetriebs S. GmbH, U. Straße 00, dem zentralen Versorgungsbereich zuzuschlagen wäre mit der Folge, dass Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB nicht zu prüfen wären, erscheint bedenkenswert, bedarf aber letztlich keiner abschließenden Entscheidung.

Denn von dem Vorhaben gehen nach Auffassung der Kammer keine schädlichen Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB aus.

Schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB sind solche, die die städtebauliche Funktion des betroffenen zentralen Versorgungsbereichs nicht unerheblich beeinträchtigen, indem Kaufkraft aus diesem abgezogen wird und der für die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs notwendige Warenumsatz im Allgemeinen oder in seinen wichtigen Bestandteilen nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Zweck ist nicht der Schutz der vorhandenen Einzelhandelsbetriebe oder die Verhinderung von Konkurrenz, sondern es soll eine bestimmte Vielfalt erhalten werden, die sich durch Zentralität auszeichnet und diffuse Verteilung von Einrichtungen in die Fläche vermeidet,

vgl. Gatz, jurisPR?BVerwG 6/2010 Anm. 2 zum Urteil des BVerwG vom 17. Dezember 2009 ? 4 C 1.08 ?, juris.

Zur Annahme schädlicher Auswirkungen muss die Funktionsfähigkeit des betroffenen zentralen Versorgungsbereichs in beachtlichem Ausmaß beeinträchtigt und damit gestört werden,

vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 ? 4 C 7.07 ?, juris; Söfker, a.a.O., § 34 BauGB, Rdnr. 86 c

Für die Beantwortung der Frage, inwieweit sich das Vorhaben in räumlicher Sicht auf zentrale Versorgungsbereiche auswirken kann, kommt es maßgeblich auf das Warenangebot, den zu erwartenden Umsatz und seine Ausstrahlungswirkung auf zentrale Versorgungsbereiche an. Das Vorhaben muss zudem eine bestimmte räumliche Distanz zum zentralen Versorgungsbereich haben, die zu einem Kaufkraftabzug aus diesem führt,

vgl. Söfker, a.a.O., § 34 BauGB, Rdnr. 86 a.

Neben der räumlichen Entfernung ist auch eine etwaige 'Vorschädigung' des Versorgungsbereichs von Bedeutung,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2012 ? 4 B 39.11 - (zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb), juris, und Beschluss vom 12. Februar 2009 ? 4 B 3.09 ?, a.a.O.

Ferner kann von Bedeutung auch sein, ob sich der Markt bereits auf die vorhandene Situation in einer Weise eingestellt hat, dass das Hinzutreten der Verkaufsfläche durch das Vorhaben sich nicht auf die bestehende Umsatzverteilung auswirkt,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 2009 ? 4 B 3.09 ?, a.a.O. (betreffend die Erweiterung eines Discountmarktes).

Es reicht jedoch nicht aus, wenn schädliche Auswirkungen lediglich möglich erscheinen; vielmehr muss eine hinreichend gesicherte Tatsachenbasis bestehen, auf welche sich die Erwartung schädlicher Auswirkungen begründen lässt,

vgl. Söfker, a.a.O., § 34 BauGB, Rdnr. 86 c.

Bei nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben liegt die Darlegungs- und gegebenenfalls Beweislast für das Vorliegen schädlicher Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche bei der Genehmigungsbehörde,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Juni 2007 ? 10 A 2439/06 ? m.w.N., juris.

Die nach alledem vom Gericht vorzunehmende Prognoseentscheidung darüber, ob von dem Vorhaben schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche ausgehen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB, fällt zu Gunsten der Klägerin aus. Dabei ist für die Kammer von besonderer Bedeutung, dass der Nahversorgungsbereich C. bereits jetzt eine besondere Ausgestaltung besitzt, indem kleinere Einzelhandelsläden, Dienstleistungsbetriebe, gastronomische Betriebe und Discountmärkte nicht vermischt im gesamten Bereich zu finden sind, sondern letztere sich ausschließlich auf den nördlichen Randbereich konzentrieren, aber - auch nach Auffassung der Beklagten - der wohnortnahen Versorgung dienen. Auf diese besondere 'innere Aufteilung' und das Nebeneinander der Nutzungen ist der Nahversorgungsbereich bereits derzeit eingestellt. An diesem vorhandenen Zustand wird sich nach Auffassung der Kammer durch das Vorhaben nichts entscheidend verändern. Denn das Vorhaben soll mit einer Verkaufsfläche knapp unter 800 qm, d.h. als nicht großflächiger Einzelhandelsbetrieb in unmittelbarer räumlicher Nähe zum zentralen Versorgungsbereich des Stadtteilzentrums C. , vor allem aber zu den an dessen nördlichen Rand liegenden und ihm zugehörigen vorhandenen Discountmärkten errichtet werden. Zu dem Einzelhandelsbetrieb der Fa. S. GmbH auf dem Grundstück U. Straße 00 liegt das Vorhabengrundstück in einer Entfernung von deutlich unter 100 m. Die nach den Angaben der Klägerin, denen die Beklagte insoweit nicht entgegengetreten ist, etwa 120 m, 124 m und 200m entfernt liegenden und zur I. straße bzw. U. Straße erschlossenen Einzelhandelsbetriebe (Edeka-Markt, Netto und Aldi) decken augenscheinlich den weitaus größten Teil des kurzfristigen Bedarfs ab, weil in dem übrigen, südlich gelegenen Bereich des Nahversorgungsbereichs C. kein entsprechendes Angebot besteht. Sie bilden einen Schwerpunkt des Versorgungsbereichs und dienen aufgrund ihrer Lage an der stark befahrenen U. Straße als einer der Hauptaus- und Einfallstraßen B2. und in der Nähe der Autobahn A 44 aber auch der überörtlichen Versorgung. Nach den in den von der Klägerin vorgelegten Schalltechnischen Untersuchungen bzw. dem Schlussbericht der J erfolgten Angaben zum Umfang des zu erwartenden Fahrzeugverkehrs (600 PKW bei 600 Stapelvorgängen der Einkaufswagen bzw. 619 Fahrzeuge bei 1.440 bis 1.600 Kunden) ist auch für das Vorhaben von einem deutlich überörtlichen Einzugsbereich auszugehen. Auch übersteigt die Zahl der geplanten Stellplätze mit 91 die nach § 51 Abs. 1 BauO erforderliche Zahl deutlich. Nach Nr. 3.2 der als Anlage zu Nr. 51.11 der (allerdings infolge Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2005 ausgelaufenen) Verwaltungsvorschriften zur BauO NRW - Richtzahlen für den Stellplatzbedarf - ist für Verkaufsstätten mit mehr als 700 qm Verkaufsfläche 1 Stellplatz je 10 - 30 qm Verkaufsnutzfläche zu schaffen, d.h. hier zwischen 27 und 80 Stellplätze.

Gleichzeitig ist nichts dafür ersichtlich, dass eine durch die vorhandene Konzentration der Discountmärkte auf den nördlichen Rand des Nahversorgungsbereichs zwar nicht belegte, aber unterstellte Wirkung auf die im südlichen Bereich vorhandenen kleinen Läden im Sinne einer 'Vorschädigung' durch die Ansiedlung des Vorhabens in beachtlichem Ausmaße gesteigert würde und es hierdurch zu einer Schädigung der Funktionsfähigkeit dieser Läden käme. Im Übrigen spricht vieles dafür, dass die im südlichen Bereich vorhandenen, oben aufgeführten zahlreichen Geschäfte eine andere Ausrichtung besitzen, indem sie auf den 'kleinen Einkauf zwischendurch' bzw. einen anderen Bedarf gerichtet sind, mithin die Discountmärkte ohnehin keine schädliche Wirkung auf sie haben.

Die vorhandenen Discountmärkte und der Vorhabenstandort haben aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander auch in beachtlichem Umfang einen gemeinsamen fußläufigen Einzugsbereich. Durch das Vorhaben in unmittelbarer Nachbarschaft dürfte sich der Schwerpunkt des Versorgungsbereichs eher verfestigen, als dass dieses Kaufkraft von dort oder aus dem übrigen Bereich des Stadtteilzentrums in einem für diesen schädlichen Umfang abzieht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach den eigenen Angaben der Klägerin 60 % des Umsatzes aus einem fußläufigen Einzugsbereich von 800 m generiert werden können. Denn hieraus ergibt sich nicht zwingend der Schluss auf eine nachhaltige Schädigung des unmittelbar angrenzenden Versorgungsbereichs. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass hierdurch die vom Gesetz beabsichtigte Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, vor allem zur Stärkung einer wohnortnahen Versorgung auch der zunehmenden Zahl von Menschen mit geringerer Mobilität, beeinträchtigt oder gar geschädigt würde. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Vorhaben Kaufkraft von den vorbezeichneten vorhandenen Einzelhandelsbetrieben, vor allem den Discountmärkten, abzieht. Jedoch ist der Schutz der vorhandenen Einzelhandelsbetriebe um ihrer selbst willen oder gar die Verhinderung von Konkurrenz nicht Zweck und Zielrichtung des Gesetzes,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2009 ? 4 C 1.08 ?.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO, wobei die Kammer im Hinblick auf den um wesentliche Fragen reduzierten Streitgegenstand des zweiten Hilfsantrags den hierauf entfallenden Erfolgsanteil mit einem Viertel des Gesamtstreitverfahrens bewertet. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.