LG Köln, Urteil vom 02.03.2012 - 82 O 154/11
Fundstelle
openJur 2014, 565
  • Rkr:
Tenor

Die Klägerin hat der Beklagten binnen vier Wochen ab Zugang dieses Zwischenurteils wegen der Prozesskosten Sicherheit in Höhe von EUR 27.000,00 zu leisten.

Tatbestand

Die Klägerin hat für die Beklagte Transport-Stahlbänder hergestellt, wobei streitig ist, ob die vertraglichen Beziehungen unmittelbar zwischen den Parteien bestanden oder Vertragspartnerin der Beklagten ein anderes chinesisches Unternehmen war, das über die erforderliche Exportlizenz verfügte.

Die Klägerin verlangt mit der Klage den Ausgleich offener Forderungen aufgrund von "Bestellungen der Beklagten zwischen Juli 2007 und Februar 2008" in Höhe von insgesamt 443.458,00 US-Dollar. Sie klagt aus eigenem und abgetretenem Recht.

Zwischen den Parteien ist u. a. streitig, ob die Klage hinreichend substantiiert ist, die Klägerin aktivlegitimiert ist, etwaige Abtretungserklärungen zulässig und wirksam sind, die Lieferungen der Klägerin mangelhaft waren und die Beklagte berechtigt war, die Zahlung des Kaufpreises zu verweigern und die gelieferten Stahlbänder zu verschrotten.

Die Beklagte beantragt die Stellung einer Prozesskostensicherheit gemäß § 110 ZPO für sämtliche Instanzen.

Die Klägerin beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Stellung einer Prozesskostensicherheit gemäß § 110 ZPO ist zulässig und begründet.

Über den streitigen Antrag ist durch Zwischenurteil zu entscheiden.

Nach § 110 Abs. 1 ZPO haben Angehörige fremder Staaten, die als Kläger auftreten, der beklagten Partei auf Verlangen wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten. Die Verpflichtung der klagenden Partei zur Sicherheitsleistung tritt nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO nicht ein, wenn aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann oder wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten aufgrund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt werden könnte.

A Der Befreiungsgrund nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor. Eine staatsvertragliche Befreiung von der Prozesskostensicherheit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China besteht nicht (vergleiche Geimer in: Zöller, ZPO, 28. Auflage 2010, Anhang V unter "China (Volksrepublik)").

B Es kann ferner nicht davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an die Beklagte aufgrund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde, § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Unerheblich ist insoweit zunächst, dass Deutschland und China bereits Mitgliedstaaten des Internationalen Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche sind. Darum geht es hier nicht.

Es ist auch nicht hinreichend gesichert, dass deutsche Urteile in China anerkannt und vollstreckt werden. Insofern ist unerheblich, ob deutsche Gerichte bereits chinesische Urteile anerkannt haben. Die Klägerin weist selbst darauf hin, dass kein Fall bekannt geworden ist, dass chinesische Gerichte deutsche Urteile anerkannt und die Vollstreckung zugelassen haben. Die Vermutung der Klägerin und des Kammergerichts Berlin, dass von der Volksrepublik China zu erwarten ist, dass sie ebenfalls deutsche Urteile anerkennen und auch für vollstreckbar erklären, ist reine Spekulation ohne jede Tatsachengrundlage.

Die Anordnung der Prozesskostensicherheit kann auch nicht wegen der von der Klägerin geltend gemachten unangemessenen Benachteiligung unterbleiben. Es handelt sich schon nicht um einen anerkannten Ausnahmegrund im Sinne von § 110 Abs. 2 ZPO. Abgesehen davon sind die vorgebrachten Gründe unerheblich. Die Klägerin macht enorme Vermögensschäden aufgrund der nicht erfüllten Verträge seitens der Beklagten geltend, insbesondere die bereits aufgewendeten Kosten für zwei vergebliche Gerichtsverfahren in China. Dafür hat die Beklagte jedoch nicht einzustehen. Abgesehen davon handelt es sich um reine finanzielle Belastungen. Dass die Klägerin zur Aufbringung der Kosten nicht in der Lage ist, hat sie nicht einmal behauptet. Aufgrund der gesetzlichen Wertung überwiegt das Interesse der Beklagten, vor einem Ausfall der Prozesskostenerstattung geschützt zu werden.

C Die Höhe der Prozesskostensicherheit ist gemäß § 112 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Dabei ist der Betrag zugrunde zu legen, den die Beklagte wahrscheinlich aufzuwenden haben wird. Die Sicherheitsleistung richtet sich grundsätzlich nach den bereits aufgewendeten und voraussichtlich noch aufzuwendenden gerichtlichen und außergerichtlichen Prozesskosten, die der Beklagten in allen Instanzen erwachsen werden. Das Gericht ist allerdings nicht verpflichtet, von vornherein die Kosten des gesamten Instanzenzuges festzusetzen. In der Regel ist die Festsetzung der Kosten der ersten und der nächst höheren Instanz ausreichend, um der klagenden Partei die Prozessführung nicht unnötig zu erschweren. Sollte der Prozess über die Berufungsinstanz hinausgehen, kann gemäß § 112 Abs. 3 ZPO eine weitere Sicherheit angeordnet werden, soweit die Beklagte ‑ wie hier geschehen ‑ den Einwand der mangelnden Sicherheit für alle Instanzen bereits in der 1. Instanz rechtzeitig geltend gemacht hat (vergleiche Herget in: Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 112 Rn. 2 mit weiteren Nachweisen).

Nach der Berechnung der Beklagten, die von der Klägerin nicht angegriffen worden ist, ergeben sich mögliche Prozesskosten für die Beklagte in der 1. und 2. Instanz in Höhe von überschlägig 24.000,00 EUR. Dieser Streitwert ist wegen möglicher Schwankungen im Wechselkurs (eingeklagt sind 441.458,00 US-Dollar) angemessen auf insgesamt 27.000,00 EUR zu erhöhen.

Gemäß § 113 ZPO ist der Klägerin eine angemessene Frist zu bestimmen, binnen derer die Sicherheit zu leisten ist. Angemessen ist eine Frist von 4 Wochen ab Zugang des Zwischenurteils. Nach Ablauf der Frist ist auf Antrag der Beklagten, wenn die Sicherheit bis zur Entscheidung nicht geleistet ist, die Klage für zurückgenommen zu erklären.