BGH, Beschluss vom 10.04.2003 - VII ZR 383/02
Fundstelle
openJur 2010, 9681
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. September 2002 wird verworfen.

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen der Nebenintervention.

Der Verfahrenswert beträgt 161.666,53

Gründe

I.

Die Klägerin wurde vor dem Berufungsgericht von den Rechtsanwälten S. & Partner, Leipzig, sowie von Rechtsanwalt F., Bad Homburg, vertreten. Das Berufungsurteil, in dem die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ihre Klage abgewiesen wurde, wurde den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin jeweils am 20. September 2002 zugestellt. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Die Klägerin hat nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (Montag, 21. Oktober 2002) am 6. November 2002 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellt.

Zur Wiedereinsetzung hat sie glaubhaft gemacht:

Ihre Prozeßbevollmächtigten hätten vereinbart, daß die Fristenkontrolle allein von Rechtsanwalt F. geführt werden sollte. In dessen Kanzlei werde die Post vom Anwaltskollegium gemeinsam geöffnet und anschließend einer Mitarbeiterin übergeben, welche die Post auf die Dezernate verteile. Dort werde die Frist in einen manuellen und einen elektronischen Kalender (System Rechtsanwalt Micro) eingetragen. Die zuständige Mitarbeiterin Fe., die seit 18 Jahren als Anwaltsgehilfin tätig sei und der bisher niemals Fehler bei der Fristenkontrolle und Fristeneintragung unterlaufen seien, habe die Frist am Tage des Zugangs des Urteils zutreffend für den 21. Oktober 2002 eingetragen. Sie habe jedoch die Frist am 24. September 2002 aus dem manuellen und elektronischen Kalender gestrichen, als die Rechtsanwälte S. & Partner, Leipzig, die ihnen übersandte Urteilsabschrift geschickt hätten. Frau Fe. sei dabei irrig davon ausgegangen, sie habe eine vom Gericht zugestellte Urteilsausfertigung vor sich. Sie habe deshalb die neue Frist auf 24. Oktober 2002 notiert und damit gegen die Weisung verstoßen, unbearbeitete Fristen nicht ohne Rücksprache mit dem Rechtsanwalt zu streichen. Rechtsanwalt F. habe die Fristversäumung erst am 24. Oktober 2002 bemerkt.

II.

1.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht innerhalb der Frist des § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO eingelegt und deshalb zu verwerfen.

2.

Der form-und fristgerecht eingelegte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Klägerin war nicht ohne das ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnende Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten verhindert, die Frist einzuhalten.

Die Klägerin hat nicht dargetan, daß beide Prozeßbevollmächtigte ihre Pflichten im Rahmen der Fristenkontrolle erfüllt haben.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 23. Oktober 1990 -VI ZR 105/90, BGHZ 112, 345, 347; ebenso BVerwG, Beschluß vom 21. Dezember 1983 -1 B 152/83, NJW 1984, 2115; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 172 Rn. 9 m.w.N.) ist für den Fall, daß eine Partei durch mehrere Prozeßbevollmächtigte vertreten wird, für den Beginn des Laufs der Berufungsfrist auf die zeitlich erste Zustellung an einen der Prozeßbevollmächtigten abzustellen. Gleiches gilt für den Lauf der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde; denn gemäß § 84 ZPO sind mehrere Prozeßbevollmächtigte berechtigt, sowohl gemeinschaftlich als einzeln die Partei zu vertreten. Eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle war daher nur gewährleistet, wenn Vorkehrung getroffen war, daß für die Fristberechnung sowohl die Zustellung an die Rechtsanwälte S. & Partner als auch an Rechtsanwalt F. im Hinblick darauf beachtet wurde, an wen zuerst zugestellt war. Denn nur dadurch konnte der Fristbeginn zutreffend berechnet werden.

b) Die Rechtsanwälte S. & Partner waren daher gehalten, die für die fristgerechte Einlegung des Rechtsmittels erforderlichen Daten zu übermitteln (BGH, Beschluß vom 25. Mai 1993 -VI ZB 32/92, VersR 1994, 199 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat dies regelmäßig schriftlich zu erfolgen (vgl. BGH, Beschluß vom 4. April 2000 -VI ZB 3/00, NJW 2000, 3071 = BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 31). Die Rechtsanwälte S. & Partner mußten daher, um Rechtsanwalt F., der die Fristenkontrolle intern übernommen hatte, mitteilen, wann ihnen das Urteil zugestellt war. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, daß sie dieser Verpflichtung nachgekommen sind. Die Rechtsanwälte S. & Partner schickten danach lediglich die ihnen übersandte Ausfertigung des Urteils und eine Kopie.

c) Rechtsanwalt F. hatte die Fristenkontrolle so zu organisieren, daß die endgültige Frist erst dann berechnet und eingetragen wurde, wenn geklärt war, wann an die Rechtsanwälte S. & Partner zugestellt war. Dazu ist nichts vorgetragen.

d) Es ist nicht auszuschließen, daß die Bürokraft Fe. die fehlerhafte Änderung nicht vorgenommen hätte, wenn die Rechtsanwälte S. & Partner das Zustellungsdatum mitgeteilt hätten und Rechtsanwalt F. organisatorische Vorkehrungen getroffen hätte, daß ohne Kenntnis der Erstzustellung keine endgültige Frist berechnet und eingetragen worden wäre. Die Fristversäumung kann demnach auf einem Fehlverhalten der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beruhen, das dieser gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.