VG Gelsenkirchen, Urteil vom 04.03.2013 - 14 K 2369/12
Fundstelle
openJur 2013, 16775
  • Rkr:

Für die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung einer Ordnungswidrigkeit sind zielgerichtete Ermittlungsmaßnahmen der zuständigen Ermittlungsbehörde erforderlich. Die bloße Vorladung einer durch den Lichtbildabgleich des Messfotos mit dem Passfoto durch die ersuchende Polizeibehörde ermittelten Person zur Anhörung als Betroffener ist nicht ausreichend.

Der Halter kann sich gegenüber einer Fahrtenbuchauflage nicht auf Ermittlungsfehler berufen, wenn er im Bußgeldverfahren die Mitwirkung an der Aufklärung verweigert hat. Auch das bloße "Schweigen" auf die Anhörung im Bußgeldverfahren verstößt gegen die Obliegenheit, bei der Tataufklärung mitzuwirken.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Mit dem auf den Kläger zugelassenen Pkw (amtl. Kennzeichen C. - D. 666) wurde am 27. Dezember 2011 um 19.00 Uhr in Berlin auf der Kreuzung C1. -allee/H.------straße das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage missachtet. Die automatische Messeinrichtung stellte ein Óberqueren der Haltelinie fest, nachdem die Rotlichtphase bereits 1,26 Sekunden andauerte. Auf dem von der Messanlage gefertigten Foto ist deutlich zu erkennen, dass das Fahrzeug von einer Frau geführt wurde.

Nachdem der Polizeipräsident in Berlin am 20.Januar 2012 den Kläger als Halter ermittelte, hörte er ihn mit Schreiben vom 16. Februar 2012 als Betroffenen an. In diesem Schreiben wurde der Kläger unter Hinweis auf seine Rechte als Zeuge auch dazu aufgefordert, die Personalien des Verantwortlichen mitzuteilen, wenn er die Ordnungswidrigkeit nicht begangen habe. Auf die Möglichkeit, einer Fahrtenbuchauflage wurde er ebenfalls hingewiesen.

Nachdem sich der Kläger nicht äußerte, richtete die Ermittlungsbehörde am 21. Februar 2012 ein Ermittlungsersuchen an die "Polizeibehörde C2. ". In dem Formularschreiben waren nach der Einleitung "Mit der Bitte um:" die Sätze "Feststellung des Fahrers und Angabe der Personalien", "Die/Den von dem Betroffenen benannten Fahrer als neuen Betroffenen bzw. bei Bestreiten des Verstoßes als Zeugen(in) zu vernehmen und die Personalien und den Führerschein festzustellen (§ 46 OWiG i.V.m. § 161 StPO), "Vorladung und Anhörung der ermittelten Fahrerin unter Vorlage des Tatfotos. Eingehende Ermittlungen sollen zum Zwecke einer eventuellen Fahrtenbuchanordnung erfolgen; daher muss eine Befragung auch zu dem in Frage kommenden Personenkreis durchgeführt und auf die Folgen aus § 31a StVO eindringlich hingewiesen werden", sowie "Rückgabe umgehend" angekreuzt.

Das zuständige Polizeipräsidium S. lud die Ehefrau des Klägers nach einem Abgleich des mit dem Ersuchen übermittelten Lichtbildes der Fahrerin mit dem Passfoto unter dem 5. März 2012 zur Anhörung als Betroffene.

Mit Telefax vom 12. März 2012 bestellte sich der Klägerbevollmächtigte gegenüber dem Polizeipräsidium S. als Verteidiger für die Ehefrau und kündigte an, seine Mandantin werde den Termin nicht wahrnehmen. Er beantragte Akteneinsicht, danach werde eine Einlassung abgegeben.

Nach Vermerken des Polizeipräsidiums in Berlin wurde die Akte am 13. und 23. März der Sachbearbeiterin wieder vorgelegt. Sie vermerkte, dass noch keine Ermittlungsergebnisse aus C2. vorlagen.

Am 27. März 2012 ging die Mitteilung des Polizeipräsidiums S. vom 21. März 2012 beim Polizeipräsidium in Berlin ein, dass es sich bei der Fahrerin um die Ehefrau des Klägers handeln dürfte. Sie sei vorgeladen und lasse sich anwaltlich vertreten. Diese Mitteilung wurde ausweislich eines weiteren Eingangsstempels erst am 29. März 2012 der sachbearbeitenden Stelle vorgelegt.

Ebenfalls am 27. März 2012 vermerkte die zuständige Mitarbeiterin des Polizeipräsidenten in Berlin, dass Verfolgungsverjährung eingetreten sei und stellte am 2. April 2012 das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein, da die verantwortliche Person nicht festzustellen sei.

Mit Schreiben vom 11. April 2012 hörte die Beklagte den Kläger zum Erlass einer Fahrtenbuchauflage an.

In seiner Stellungnahme vom 17. April 2012 erklärte der Bevollmächtigte des Klägers, sich im Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau des Klägers bestellt, aber nie Akteneinsicht erhalten zu haben. Das Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau sei wohl auch nicht eingestellt worden. Es sei nicht Aufgebe des Ehemanns, im Ermittlungsverfahren gegen seine Ehefrau auszusagen, zumal er dazu auch nicht aufgefordert worden sei.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2012, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, gab die Beklagte dem Kläger auf, für die Dauer von 6 Monaten ein Fahrtenbuch zu führen. Gelichzeitig setzte sie 86,00 EUR Gebühren und Auslagen fest.

Der Kläger hat am 11. Mai 2012 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen sein Vorbingen aus dem Anhörungsverfahren wiederholt.

Ergänzend führt er aus, dass das Ermittlungsverfahren gegen seine Ehefrau offenbar immer noch nicht abgeschlossen sei und der Bevollmächtigte die beantragte Akteneinsicht in die Ermittlungsakte nach wie vor nicht erhalten habe. Das Schreiben des Polizeipräsidiums S. zeige eindeutig, dass ein Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau des Klägers anhängig sei. Mit Blick auf §§ 55 OWiG und 163a StPO könne das Schreiben nicht anders gewertet werden, als dass die Ehefrau des Klägers als Betroffene/Beschuldigte geführt werde. Im Óbrigen sei in dem Ermittlungsersuchen des Polizeipräsidenten in Berlin ausdrücklich die Anweisung enthalten, die ermittelte Fahrerin vorzuladen, anzuhören und als Betroffene zu führen. Zum Zeitpunkt dieses Anschreibens an die Ehefrau sei auch noch keine Verfolgungsverjährung eingetreten, so dass weiter gegen sie hätte ermittelt und ein Bußgeldbescheid hätte erlassen werden können.

Verzögerungen innerhalb der Ermittlungsbehörde, die letztlich dazu führten, dass vor dem Abschluss von Ermittlungen Verfolgungsverjährung eintrete, habe diese zu vertreten.

Die Tatsache, dass die Ehefrau sich auf ihr nach dem Gesetz zustehendes Aussageverweigerungsrecht berufe, könne nicht zu Nachteilen auf Seiten des Klägers führen. Auch der Umstand, dass der Kläger sich im Bußgeldverfahren nicht geäußert habe. lasse nicht auf eine fehlende Mitwirkung seinerseits schließen.

Der Kläger beantragt,

Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 8. Mai 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe im Ermittlungsverfahren auf den Anhörungsbogen, den er erhalten habe, nicht reagiert. Er sei zwar nicht verpflichtet, seine Ehefrau zu belasten, aber seine fehlende Mitwirkung rechtfertige den Erlass einer Fahrtenbuchauflage.

Der Polizeipräsident in Berlin habe auf telefonische Anfrage mitgeteilt, dass gegen die Ehefrau des Klägers kein eigenes Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Das Polizeipräsidium in S. sei lediglich im Rahmen der Amtshilfe tätig geworden. Ein Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau sei auch dort nie eingeleitet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte Heft 1).

Die Kammer hat den Antrag auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 3. August 2012 abgelehnt. Auf die Beschwerde des Klägers änderte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Entscheidung durch Beschluss vom September 2012 - 8 E 833/12 - 12 und bewilligte Prozesskostenhilfe mit Hinweis drauf, dass im Hauptsacheverfahren zu klären sei, ob durch die Vorladung der Ehefrau des Klägers gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG die Verfolgungsverjährungsfrist unterbrochen wurde, so dass die Ermittlung des Fahrzeugführers (noch) nicht unmöglich geworden sei.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, denn die Ordnungsverfügung vom 8. Mai 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Nach § 31 a Abs. 1 Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Mit dem auf den Kläger als Halter zugelassenen Fahrzeug wurde eine als erheblich zu wertende Verkehrszuwiderhandlung begangen. Dabei genügt bereits eine Ahndung des betreffenden Verkehrsverstoßes mit einem Punkt, damit der Verkehrsverstoß als nicht unwesentlich zu qualifizieren ist, ohne dass es auf besondere Umstände des Einzelfalls, namentlich die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes oder eine konkrete Wiederholungsgefahr ankommt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, juris, Rdnr. 27, nachfolgend bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 9. September 1999 - 3 B 94/99 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 - DAR 2006, 172, juris; sowie BayVGH, Urteil vom

12. Februar 2007 - 11 B 05.427 -, juris, Rdnr. 19.

Der mit dem Fahrzeug des Klägers begangene Verkehrsverstoß wäre neben einer Geldbuße mit der Eintragung von vier Punkten in das Verkehrszentralregister und einem einmonatigen Fahrverbot zu ahnden. Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der vom Polizeipräsidenten in Berlin getroffenen Feststellungen zu dem Rotlichtverstoß sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Beklagte durfte auch zu Grunde legen, dass die Ermittlung der verantwortlichen Fahrzeugführerin im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht möglich war.

"Unmöglichkeit" im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen Maßnahmen ergriffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung beurteilt sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß Erfolg haben. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde dürfen sich an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Der Grund für die Unmöglichkeit ist unerheblich, solange nicht ein Ermittlungsdefizit der Behörde ursächlich gewesen ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1993

- 11 B 113.93 - Juris; Beschluss vom 21. Oktober 1987

- 7 B 162.87 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 18,

jeweils m. w. N.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg,

Beschluss vom 30. November 1999 - 10 S 2436/99 -,

Juris, OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2004

- 8 B 1519/04 -, nicht veröffentlicht.

Ein hier beachtliches Ermittlungsdefizit ist nicht gegeben.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Behörden nicht gehalten sind, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden, insbesondere den Täter eines Verkehrsverstoßes (etwa durch Anhalteposten) auf frischer Tat zu stellen.

BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -, Juris, m.w.N.

Es ist darüber hinaus grundsätzlich Sache des Halters, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat. Dem Halter obliegt es, zur Aufklärung eines mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört es insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005

- 8 A 280/05 - a.a.O., Beschlüsse vom 12. Dezember 2005 - 8 B 1652/05 - und 15. März 2007 - 8 B 2746/06 -.

Lehnt der Halter dagegen die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, bzw. kommt er seinen Mitwirkungspflichten - wie hier - durch schlichte Nichtäußerung nicht nach, kann er sich in der Regel nicht darauf berufen, dass die Behörden noch weitere Aufklärungsbemühungen hätten vornehmen müssen. Insbesondere ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, Juris, Beschluss vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -, Juris.; OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2006 - 8 A 1330/05 - und Beschluss vom 9. Mai 2006 - 8 A 3429/04 - m.w.N., www.nrwe.de und Juris; BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2007 - 11 B 05.427 -, juris

Die Obliegenheit, zur Aufklärung beizutragen, besteht unabhängig davon, dass der Halter zur Mitwirkung rechtlich nicht verpflichtet ist. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass mit der Auferlegung der Führung eines Fahrtenbuches das Recht des Betroffenen gewahrt bleibt, sich im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht selbst bezichtigen zu müssen und auf ein etwa bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht berufen zu dürfen. Das mit der Ausübung dieser Rechte verbundene Risiko, dass auch zukünftige Verkehrsverstöße ungeahndet bleiben, muss die Rechtsordnung allerdings nicht von Verfassungs wegen hinnehmen, weil sie sich damit für einen nicht unbeträchtlichen Teilbereich von vornherein der Möglichkeit begäbe, durch die Androhung von Sanktionen Verkehrsverstößen und den damit verbundenen Gefahren namentlich für die anderen Verkehrsteilnehmer im allgemeinen Interesse vorzubeugen. Ein Halter, der sich gegen eine Fahrtenbuchauflage wendet, kann sich deshalb nicht auf ein behördliches Ermittlungsdefizit berufen, wenn er nicht bereit war, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. August 1999 - 3 B 96.99 -, NZV 2000, 385 = BayVBl. 2000, 380 und vom 22. Juni 1995

- 11 B 7.95 -, BayVBl. 1996, 156; OVG NRW, Beschlüsse vom 11. April 2006 - 8 A 1330/05 - und 5. April 2006

- 8 B 274/06 -.

Der Kläger war daher im Rahmen der Ermittlungen nicht nur gehalten, einen ihm bekannten Täter zu benennen oder die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten zu fördern, sondern es oblag ihm auch, den Täterkreis gegenüber der Ordnungswidrigkeitenbehörde so umfassend wie möglich einzugrenzen.

OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2008

- 8 A 1250/08 -, nicht veröffentlicht.

Bereits nach diesen Maßstäben liegt hier ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit der Behörde nicht vor, denn der Kläger hat im vorliegenden Fall an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes nicht so weit mitgewirkt, wie es ihm möglich und zumutbar war. Dies zeigt sich zum einen daran, dass er auf das Anhörungsschreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 19. Januar 2012 nicht reagiert hat, obwohl er formularmäßig nicht nur als Beschuldigter zu dem Tatvorwurf angehört, sondern auch, unter Belehrung über seine Rechte und Pflichten als Zeuge, dazu aufgefordert wurde, den Fahrer zu benennen, falls er selbst nicht gefahren sei. Zum anderen hat er keine Angaben zu dem Kreis der überhaupt in Betracht kommenden Fahrzeugbenutzer gemacht.

Aus diesem Schweigen des Klägers durfte die zuständige Ermittlungsbehörde zulässigerweise den Schluss ziehen, dass der Kläger zu einer Mitwirkung nicht bereit war. Anders als in dem vom Kläger zitierten Einzelfall, welcher der Entscheidung des OVG Bremen aus dem Jahr 1994 zugrunde lag,

vgl. OVG Bremen, Urteil vom 3. August 199, - 1 BA 17/93 -, NZV 1994, 168 und Juris,

entspricht es der ständigen aktuellen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, welcher die Kammer folgt, dass auch das Schweigen im Bußgeldverfahren grundsätzlich als fehlende Mitwirkung gewertet werden darf.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2006 - 8 A 3429/04 - m.w.N., www.nrwe.de und Juris.

Besondere Umstände, die abweichend von dem oben dargestellten regelmäßigen Grundsatz im vorliegenden Fall trotz der fehlenden Mitwirkung erfordern würden, ein etwaiges Ermittlungsdefizit zu berücksichtigen, sind nicht ersichtlich.

Dass der Polizeipräsident in Berlin den Kläger erst mit Schreiben vom 19. Januar 2012, mithin knapp drei Wochen nach dem Rotlichtverstoß zu dem Tatvorwurf angehört hat, führt vorliegend aus mehreren Gründen nicht zu einem beachtlichen Ermittlungsdefizit. Zu den angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört zwar grundsätzlich, dass der Halter möglichst umgehend, im Regelfall innerhalb von zwei Wochen, von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Diese Frist wurde vorliegend nicht eingehalten.

Eine verspätete Anhörung schließt eine Fahrtenbuchauflage jedoch dann nicht aus, wenn - bei typisierender Betrachtung - auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters nicht beeinträchtigt worden ist, bzw. die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist. Das gilt namentlich, falls nach den gegebenen Umständen zu erkennen ist, dass auch eine frühere Unterrichtung des Fahrzeughalters nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil dieser ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005

- 8 A 280/05 -, DAR 2006, 172, juris, und Beschluss vom 15. März 2007 - 8 B 2746/06 - juris, Rdnr. 11, m. w. N.

Wie bereits dargelegt, ist vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger nicht bereit war, an der Aufklärung der Ordnungswidrigkeit mitzuwirken.

Im Óbrigen ist die Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist vorliegend deshalb unschädlich, weil dem Kläger mit dem Anhörungsbogen ein aussagekräftiges Foto der Fahrerin übersandt wurde, welches die Fahrerin jedenfalls so deutlich abbildet, dass dem Kläger deren Identifizierung auch zu diesem Zeitpunkt noch zwanglos möglich gewesen wäre, wenn er denn ernstlich zu einer Mitwirkung bereit gewesen wäre. Insoweit werden keine Anforderungen an das Erinnerungs-, sondern an das Erkenntnisvermögen gestellt.

Ebenso ist es vorliegend unschädlich, dass die Ermittlungsansätze des Polizeipräsidiums S. hinsichtlich der Ehefrau des Klägers nicht weiterverfolgt wurden, weil die Ermittlungsbehörde vom Eintritt der Verfolgungsverjährung ausging.

Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens am 2. April 2012 ist nicht zu beanstanden, da zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich des Rotlichtverstoßes die Verfolgungsverjährung eingetreten war.

Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 OWiG i.V.m. §§ 24, 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung drei Monate, beginnend mit dem Vorfallstag.

Die Verjährung war durch die Vorladung der Ehefrau des Klägers durch das Polizeipräsidium S. vom 5. März 2012 auch nicht unterbrochen, da die Voraussetzungen des § 33 OWiG nicht erfüllt sind.

Insoweit gilt zunächst grundsätzlich, dass bei Ermittlungen gegen einen unbekannten Täter eine Verjährungsunterbrechung nicht eintreten kann.

Vgl. z. B. Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz § 33, Rdnr. 55. m.w.N.

Insbesondere wird eine Verjährungsunterbrechung selbst dann nicht angenommen, wenn eine Person aufgrund in der Akte vorhandener Lichtbilder zweifelsfrei identifiziert werden kann.

Vgl. Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz § 33, Rdnr. 55. m.w.N.

Handlungen, die nur das Ziel haben, den noch unbekannten Tatverdächtigen zu ermitteln, erfüllen die Voraussetzungen des § 33 OWiG nicht.

Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16. November 1999

- 2 Ss OWi 1034/99 -, DAR 2000, 82 f, und VRS 98, 208 (2000) sowie Juris

Vorliegend ist auch aus sonstigen Gründen keine Verjährungsunterbrechung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG eingetreten. In dem Ersuchen der Verwaltungsbehörde an die Polizei, den Betroffenen zu ermitteln und gegebenenfalls zu vernehmen, liegt noch keine Anordnung der Vernehmung. Eine solche Anordnung liegt auch nicht vor, wenn die Polizeidienststelle um Feststellung der Personalien und Führerscheindaten des Betroffenen, oder darum gebeten wird, den noch unbekannten Fahrer zu vernehmen, selbst dann, wenn dabei eine bestimmte Person als möglicher Täter bezeichnet wird, was vorliegend nicht einmal der Fall gewesen ist.

Allein aus dem Umstand, dass die Ehefrau des Klägers von der ersuchten Polizeibehörde zur Vernehmung als Betroffene vorgeladen wurde, kann nicht auf die - verjährungsunterbrechende - Einleitung von Ermittlungen gegen sie geschlossen werden.

Aus der Mitteilung des Polizeipräsidiums S. vom 21. März 2012 sowie den nachfolgenden Vermerken über die weiteren Ermittlungen des Polizeipräsidiums S. und dem Schreiben des Polizeipräsidiums S. an die Ehefrau des Klägers vom 5. März 2012 folgt, dass die Anhörung der Ehefrau als Betroffene zwar auf das Ermittlungsersuchen des Polizeipräsidenten in Berlin zurückgeht, da in diesem Ersuchen u. a. neben der Feststellung des Fahrers und seiner Personalien darum gebeten wird, "den/die von dem Betroffenen benannten Fahrer als neuen Betroffenen bzw. bei Bestreiten des Verstoßes als Zeugen(in) zu vernehmen." Weder aus dem Ermittlungsersuchen noch aus der Vorladung zur Vernehmung als Betroffener durch das Polizeipräsidium S. folgt jedoch die Einleitung eines gegen die Ehefrau des Klägers gerichteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens oder eine Verjährungsunterbrechung. Nach § 47 Abs. 1 OWiG steht die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Ermessen der nach den §§ 35 ff OWiG zuständigen Behörde, hier des Polizeipräsidenten Berlin. Die Entscheidung der ersuchten Polizeibehörde, die Ehefrau des Klägers als Betroffene zur Anhörung zu laden, erfolgte ganz offenkundig aufgrund des bisherigen, dem Polizeipräsidenten in Berlin als zuständiger Ermittlungsbehörde zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten, Ermittlungsergebnisses und des Ermittlungsersuchens des Polizeipräsidenten in Berlin. Sie ist daher nicht als Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde zu qualifizieren.

Etwas anders lässt sich auch aus der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Hamm,

OLG Hamm, Beschluss vom 16. November 1999

- 2 Ss OWi 1034/99 -, DAR 2000, 82 f, und VRS 98, 208 (2000) sowie Juris

nicht folgern. Aus dieser Entscheidung ergibt sich nur der Grundsatz, dass die Anordnung einer Óbersendung des Anhörungsbogens an den Betroffenen die Verjährung nur dann unterbricht, wenn er als Fahrer beschuldigt wird und für ihn aus dem Anhörungsbogen unmissverständlich hervorgeht, dass die Ermittlungen gegen ihn als Betroffenen geführt werden. Dies setzt aber, wie bereits ausgeführt, die Ermessensentscheidung der zuständigen Ermittlungsbehörde voraus, ein Ermittlungsverfahren gegen den jeweiligen Adressaten des Anhörungsbogens einleiten zu wollen. Aus dem in der oben zitierten Entscheidung aufgestellten Rechtsgrundsatz kann daher nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass ein - verjährungsunterbrechendes - Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, nur weil der Empfänger eines Anhörungsbogens als verständiger Empfänger diesen Eindruck bekommen musste.

Da der Rotlichtverstoß am 27.12.2011 begangen wurde und die Verfolgungsverjährung nicht unterbrochen wurde, trat diese am 27. März 2013 ein.

Unabhängig davon wäre aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers nach den oben dargestellten Grundsätzen auch unbeachtlich, wenn das Unterlassen weiterer Ermittlungen wegen einer entgegen der vorstehenden Annahme dennoch eingetretenen Unterbrechung der Verjährung fehlerhaft gewesen wäre. Insbesondere hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt, dass er oder seine Ehefrau an der weiteren Ermittlung mitgewirkt hätten. Im Gegenteil ist aufgrund ihrer Weigerung, der Vorladung des Polizeipräsidiums S. Folge zu leisten, sowie aufgrund des klägerischen Vortrags im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass auch sie nicht an der Aufklärung mitgewirkt hätte, wie sich spätestens aus dem Hinweis auf die Inanspruchnahme ihres Aussageverweigerungsrechts im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 1. August 2012 im vorliegenden Verfahren ergibt.

Vor diesem Hintergrund wirkt sich auch nicht aus, dass das Polizeipräsidium S. den Bevollmächtigten der Ehefrau des Klägers die Ermittlungsakte nicht zur Einsicht übersandte

Ebenso wenig kommt es vorliegend noch darauf an, ob der Eintritt der Verjährung vor der Durchführung verjährungsunterbrechender Maßnahmen, etwa der Einleitung eines Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau des Klägers, durch die Verwaltungsbehörde zu vertreten ist, da - wie bereits dargelegt - weder der Kläger noch seine Ehefrau zur Mitwirkung an den Ermittlungen bereit gewesen sind.

Unabhängig davon ist jedoch nicht zu beanstanden, dass sich die Ermittlungsbehörde erst am 21. Februar, mithin etwa einen Monat vor Verjährungseintritt, mit ihrem Ermittlungsersuchen an das Polizeipräsidium S. gewandt hat. Gerade mit Blick darauf, dass grundsätzlich solche staatlichen Maßnahmen jedenfalls nicht geboten sind, welche die Belange des Betroffenen oder Dritter stärker beeinträchtigen als die Sanktion, auf die sie abzielen (vgl. hierzu § 46 Abs. 3 und 4 OWiG sowie die Formulierung in § 24 Abs. 1 OWiG), ist es nicht zu beanstanden, dass die Ermittlungsbehörde nach Absenden des Anhörungsbogens an den Halter eine angemessene Frist wartet, bevor sie Ermittlungen im Umfeld des Fahrzeughalters anstellt.

Da der Verkehrsverstoß kurz vor dem Jahreswechsel stattfand, ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass die Ermittlungen erst am 20. Januar 2012 mit der Halteranfrage eingeleitet wurden. Hätte der Kläger die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten erfüllt, wäre es der Behörde auch bei dem vorliegenden Zeitablauf ohne weiteres rechtzeitig möglich gewesen, verjährungsunterbrechende Maßnahmen zu ergreifen.

Die angeordnete Fahrtenbuchauflage stellt sich auch auf der Rechtsfolgenseite als ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig dar.

Der Fahrtenbuchauflage kommt eine präventive und keine strafende Funktion zu. Sie stellt eine der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dienende Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, mit der dafür Sorge getragen werden soll, dass künftige Feststellungen eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich sind.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1989 - 7 B 90.89 -, NJW 1989, 2704, und Urteil vom 17. Mai 1995

- 11 C 12.94 -, DAR 1995, 458; OVG NRW, Beschluss

vom 14. März 1995 - 25 B 98/95 -, NJW 1995, 2242, und Urteil vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, DAR 1999, 375.

Gesetzeswortlaut und -zweck entspricht es hierbei, die Auferlegung eines Fahrtenbuches nicht davon abhängig zu machen, ob der Fahrzeughalter die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu vertreten hat.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2007

- 8 B 1042/07 -, juris Rn. 6 f.

Die an den Kläger gerichtete Anordnung zum Führen des Fahrtenbuchs ist geeignet, der abstrakten, in der Risikosphäre des Fahrzeughalters liegenden Gefahr zu begegnen, dass künftig mit einem auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeug unaufklärbar bleibende Verkehrsverstöße begangen werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2007

- 8 B 1042/07 -, NZV 2008, 52, juris Rn. 8.

Darauf, ob das negative Ermittlungsergebnis schuldhaft von dem Kläger herbeigeführt wurde, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2007

- 8 B 1042/07 -, www.nrwe.de, Rdnr. 7.

Die Anordnung ist auch verhältnismäßig. Die in dem Rotlichtverstoß liegende erhebliche Verkehrszuwiderhandlung rechtfertigt nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung,

vgl. z.B. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 9. September 1999 - 3 B 94.99 -, BayVBl 2000, 380;

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 - und Urteil vom 29. April 1999 - 8 A 699/97-, beide veröffentlicht unter www.nrwe.de, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 12. Februar 2007

-11 B 05.427 -, Juris,

der die Kammer in ständiger Rechtsprechung folgt, die Auferlegung eines Fahrtenbuches für die Dauer von sechs Monaten selbst bei erstmaliger Feststellung ohne weiteres. Die Dauer der Fahrtenbuchanordnung bewegt sich dabei am unteren Rand des nach der Kammerrechtsprechung bei derartigen Verstößen Möglichen.

Die Fahrtenbuchauflage ist schließlich nicht aus sonstigen Gründen unverhältnismäßig. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Führen eines Fahrtenbuches für den Kläger keine schwerwiegenden Belastungen mit sich bringt. Die damit verbundenen Handlungen gehen über eine mit einem geringen Zeitaufwand verbundene Belästigung nicht wesentlich hinaus.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2006

- 8 B 2036/05 - und vom 15. März 2007 - 8 B 2746/06 -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 22. März 2012

- 14 L 321/12 -.

Auch entspricht die konkrete Ausgestaltung der Auflage der Bestimmung des § 31 a Abs. 2 StVZO. Die Erstreckung auf ein etwaiges Ersatzfahrzeug ist bedenkenfrei.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 1989 - 7 B 18.89 - Buchholz, 442.16 § 31 a StVZO Nr. 19.

Die festgesetzten Gebühren sind weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.