BGH, Beschluss vom 14.03.2001 - 3 StR 48/01
Fundstelle
openJur 2010, 3445
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 22. September 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehobena) soweit der Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen versuchten Diebstahls verurteilt wurde;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Einziehung.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen und versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt sowie einen Pkw Porsche 993 und 113.000 DM Bargeld eingezogen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.

1.

Soweit sich der Angeklagte mit Verfahrensrügen und der Sachrüge gegen seine Verurteilung wegen zweifachen vollendeten Diebstahls (Fälle II. 1. und 2. der Urteilsgründe) wendet, ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2.

Jedoch hält seine Verurteilung wegen versuchten Diebstahls im Fall II. 3. der Urteilsgründe materiell-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den Feststellungen suchte der Angeklagte den Juwelier S. in dessen Geschäftsräumen auf, um diesem wertvollen Schmuck und Uhren zu entwenden. Sein Plan ging in erster Linie dahin, den Juwelier dazu zu bewegen, die Geschäftsräume unter der Mitnahme von Schmuck zu verlassen, um den Diebstahl dann außerhalb des Juweliergeschäfts ausführen zu können (UA S. 31). Als er merkte, daß der Juwelier seinem Vorschlag wenig Sympathie entgegenbrachte, war der Angeklagte fest entschlossen, jede sich bietende Gelegenheit und insbesondere jede Unachtsamkeit des Juweliers dazu auszunutzen, Uhren und Schmuck bereits in den Verkaufsräumen zu entwenden (UA S. 17). Hierzu kam es aufgrund der Aufmerksamkeit des Juweliers jedoch nicht. Der Angeklagte verließ daher die Geschäftsräume und wurde dabei von der zuvor verständigten Polizei festgenommen.

b) Es bestehen bereits Bedenken, ob sich das Landgericht rechtsfehlerfrei von dem Entschluß des Angeklagten überzeugt hat, bei sich bietender Gelegenheit den Diebstahl bereits in den Geschäftsräumen des Juweliers zu begehen, oder ob es sich insoweit nicht lediglich um eine Vermutung ohne hinreichende tatsächliche Grundlage im Beweisergebnis handelt. Denn das vom Landgericht insoweit für die Überzeugungsbildung maßgeblich herangezogene Argument, der in Trickdiebstählen erfahrene Angeklagte habe bei den vorangehenden Taten bewiesen, daß er problemlos aus dem Stand heraus handeln kann und jederzeit in der Lage ist sich umzuorientieren, findet in den Feststellungen zu den weiteren abgeurteilten Taten keine hinreichende Stütze.

Dies bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Auch auf Grundlage der vom Landgericht zum Tatentschluß des Angeklagten gewonnenen Überzeugung belegen die bisherigen Feststellungen nicht, daß sich der Angeklagte des versuchten Diebstahls schuldig gemacht hätte. Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dazu ist es nicht erforderlich, daß der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich deshalb auf Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 26, 201, 202 ff.; 28, 162, 163; BGH NStZ 1993, 398; 1996, 38; 1999, 395, 396).

Nach diesen Maßstäben ist nicht erkennbar, daß der Angeklagte, der den Diebstahl in erster Linie außerhalb der Geschäftsräume des Juweliers ausführen wollte, nach seiner Vorstellung von der Tat bereits unmittelbar zur Verwirklichung des Diebstahls innerhalb der Geschäftsräume angesetzt hätte. Denn das Landgericht hat keine Handlungen des Angeklagten festgestellt, die nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung führen sollten, ohne daß es einer weiteren Entschlußfassung bedurft hätte.

Der Angeklagte hatte noch nicht den unbedingten Entschluß gefaßt, Schmuck und Uhren aus den Geschäftsräumen des Juweliers zu entwenden. Vielmehr machte er die Tatausführung davon abhängig, daß sich eine entsprechende Gelegenheit bot. Was er sich hierunter im einzelnen vorstellte, teilt das Urteil zwar nicht mit. Ihm läßt sich aber entnehmen, daß der Angeklagte auf den Eintritt einer Situation hoffte, in welcher ihm durch das Verhalten des Juweliers der Zugriff auf geeignete Beutestücke ermöglicht wurde. Der Beginn der Tatausführung setzte damit nach dem Tatplan voraus, daß sich während des Aufenthalts des Angeklagten in den Geschäftsräumen Umstände ergaben, die der Angeklagte als günstig für die geplante Wegnahmehandlung beurteilte. Daß eine derartige Situation entstand und der Angeklagte subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschritten hätte, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Es ist nicht einmal festgestellt, daß der Juwelier dem Angeklagten Schmuckstücke zur Ansicht vorgelegt und diesem damit überhaupt einen Zugriff ermöglicht hätte. Danach können allein der Aufenthalt des Angeklagten in den Geschäftsräumen und das Führen von Verkaufsverhandlungen mit dem Juwelier noch nicht als unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl gewertet werden, denn sie sollten nicht unmittelbar in die Wegnahmehandlung münden. Vielmehr bedurfte es hierfür noch eines weiteren Willensentschlusses des Angeklagten nach Eintritt einer ihm für die Tatausführung geeignet erscheinenden Situation (vgl. BGH NStZ 1993, 398; 1996, 38). Insoweit unterscheidet sich vorliegender Sachverhalt von der Fallgestaltung, die dem Urteil des 4. Strafsenats vom 6. Oktober 1977 -4 StR 404/77 - zugrunde lag. Dort war der Täter bereits bei Betreten des Schmuckgeschäfts ohne innere Vorbehalte entschlossen, sich unter Vorspiegelung von Kaufinteresse Schmuck vorlegen zu lassen und diesen sodann zu entweden.

c) Die Verurteilung wegen versuchten Diebstahls kann daher keinen Bestand haben. Dies führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Auch die Einziehungsanordnung muß aufgehoben werden, da nach den Feststellungen sowohl der Pkw Porsche, als auch die 113.000 DM Bargeld nur im Fall II. 3. der Urteilsgründe als Tatmittel Verwendung finden sollten.