OLG Hamm, Beschluss vom 02.10.2012 - I-15 W 231/12
Fundstelle
openJur 2012, 131464
  • Rkr:

Grenzen der Schreibhilfe eines Dritten bei der Errichtung eines privatschriftlichen Testaments

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 3) werden den Beteiligten zu 1) und 2) auferlegt.

 

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 450.000 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Formgültigkeit (§ 2247 BGB) des handschriftlichen Testaments vom 30.10.2011 nicht feststellen lässt und dies zu Lasten der Beteiligten zu 1) und 2) geht, die sich zur Begründung ihres Erbscheinsantrages auf dieses Testament stützen. Auch der Senat ist nach teilweiser  Wiederholung der Beweisaufnahme nicht mit der notwendigen Sicherheit davon überzeugt, dass der Erblasser die Testamentsurkunde tatsächlich eigenhändig geschrieben hat.

Hinsichtlich der Anforderungen, die sich aus § 2247 BGB für die eigenhändige Fertigung des Testaments und damit zugleich als Grenze für die Zulässigkeit einer Schreibhilfe ergeben, hat der Senat in seinem, im vorliegenden Verfahren bereits angesprochenen Beschluss vom 11.09.2009 (15 W 224/01 = NJW-RR 2002, 222) Folgendes ausgeführt:

„Eigenhändigkeit setzt zwingend voraus, daß der Erblasser die Niederschrift selbst angefertigt hat. Durch Dritte hergestellte Niederschriften sind immer unwirksam, selbst wenn sie in Anwesenheit des Erblassers nach dessen Willen und Weisungen angefertigt und vom Erblasser eigenhändig unterschrieben worden sind. Die zwingende Eigenhändigkeit kann nicht dadurch ersetzt werden, daß der Erblasser sich eines Dritten als Werkzeug bedient oder diesen ermächtigt, die letztwillige Verfügung niederzuschreiben (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 441, 442; Staudinger-Winkler, BGB, 13. Aufl., § 2247, Rdnr. 35). Eigenhändigkeit ist nicht gegeben, wenn dem Erblasser die Hand geführt wird und dadurch die Schriftzüge von einem Dritten geformt werden (BGHZ 47, 68, 70). Daher gilt nicht als vom Erblasser "eigenhändig" geschrieben, was er unter der Herrschaft und Leitung eines anderen abgefaßt hat; folgt er lediglich einem fremden Willen, so liegt Eigenhändigkeit nicht vor (BGH NJW 1981, 1900, 1901). Er muß die Gestaltung der Schriftzüge selbst bestimmen (BGH NJW 1981, a.a.O.). Zulässig ist dagegen eine unterstützende Schreibhilfe (Abstützen des Armes, Halten der zitternden oder geschwächten Hand), solange der Erblasser die Formung der Schriftzeichen vom eigenen Willen getragen selbst bestimmt (vgl. BayObLG FamRZ 1985, 1286). Die Niederschrift und die Unterschrift müssen vom Willen des Erblassers abhängen; sie dürfen nicht von einem anderen durch Führen der Hand des Testierenden ohne dessen Willen hergestellt werden (BayObLG Rpfleger 1985, 493). Wenn es sich um eine zulässige Unterstützung handelt, bleibt es ohne Bedeutung, ob der Erblasser seine gewöhnlichen Schriftzüge zustande bringt oder seine Unterschrift lesbar ist (vgl. BayObLG Rpfleger 1985, a.a.O.). Kann der Erblasser bei der Abfassung des Testamentes überhaupt nicht mehr aktiv mitwirken, ist er nicht mehr schreibfähig. Von einer Eigenhändigkeit kann in diesem Fall nicht mehr die Rede sein (vgl. BGH NJW 1981, 1900, 1901).“

Diese Ausführungen entsprechen nach wie vor dem Stand der Rechtsprechung und der Auffassung des Senats. Klarstellend ist dabei nochmals darauf hinzuweisen, dass es rechtlich nicht darauf ankommt, ob sich in der Urkunde das dem Erblasser eigene Schriftbild wiederfindet. Dieser Gesichtspunkt kann nur für die tatsächliche Würdigung Bedeutung haben, ob es sich um die eigene Schriftleistung des Erblassers handelt. Andererseits kann es angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 2247 Abs.1 BGB nicht ausreichend sein, dass die Urkunde inhaltlich dem Willen des Erblassers entspricht. Da das eigenhändige Testament hinsichtlich des Gesetzeszwecks, nämlich der Sicherung des Erblasserwillens, schon die mindere Form gegenüber dem öffentlichen Testament ist, kann es nicht angehen, eine über bloße Stützungshandlungen hinausgehende Einflussnahme anderer Personen auf die Schreibleistungen des Erblassers dann für unerheblich zu halten, wenn sich feststellen ließe, dass das Ergebnis letztlich dem Erblasserwillen entspricht. Hierdurch würde eine Grauzone von Sachverhalten eröffnet, in der die Sicherung des Erblasserwillens nicht mehr in dem Maße gesichert ist, wie der Gesetzgeber dies voraussetzt.

Legt man diese Grundsätze zugrunde, so ist der Senat aufgrund des Beweisergebnisses nicht in der Lage, sich eine praktischen Bedürfnissen entsprechende Überzeugung zu verschaffen, dass das Testament vom 30.10.2011 auf einer im oben beschriebenen Sinne unbeeinflussten Schreibleistung des Erblassers beruht.

Die Aussage des Zeugen T2 ist nicht geeignet, dem Senat die hinreichende Sicherheit zu vermitteln, dass das Testament auf einer unbeeinflussten Schreibleistung des Erblassers beruht. Allerdings hat der Senat keine Bedenken, den Angaben des Zeugen insoweit zu folgen, als dieser bekundet hat, dass der Inhalt des Testaments dem erklärten Willen des Erblassers entspricht. Hierauf kommt es aber, wie dargelegt, in diesem Zusammenhang nicht an. Auch würde die von ihm demonstrierte Schreibhilfe der Annahme einer eigenständigen Schreibleistung des Erblassers nicht entgegenstehen. Auf Vorhalt von Übereinstimmungen im Schriftbild des Testaments und seinem eigenen Schriftbild, wie es sich aus der beim Amtsgericht gefertigten Schriftprobe ergibt, hat der Zeuge erklärt, er könne nicht ausschließen, jedenfalls teilweise auch einen stärkeren Einfluss auf die Schreibleistung genommen zu haben. Danach lässt seine Aussage aber schon inhaltlich nicht den sicheren Schluss auf eine ausschließlich eigene Schreibleistung des Erblassers zu. Hieran ändern auch die Ausführungen der Beteiligten zu 1) und 2) im Anwaltsschriftsatz vom 28.09.2012 nichts.

Die Bedenken hiergegen werden vielmehr durch das gesamte Schriftbild des Testamentes noch verstärkt. Während man angesichts des unstreitig sehr geschwächten Zustandes des Erblassers bei einer primär originären Schreibleistung, auch dann wenn eine bloße Unterstützung stattfindet, eine tendenzielle Verschlechterung des Schriftbildes erwarten sollte, lässt die Testamentsurkunde am ehesten eine leichte Verbesserung des Schriftbildes erkennen.

Auch im Übrigen lässt das Schriftbild des Testaments lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass der Erblasser das Testament ohne relevante Einwirkung errichtet hat. Zwar finden sich bei einem Vergleich mit den vorhandenen Schriftstücken, die von der Hand des Erblassers stammen, durchaus Anklänge an seine Handschrift aus gesunden Tagen. Andererseits finden sich aber auch Gestaltungselemente, die sich in den Vergleichsschriften des Erblassers nicht wiederfinden lassen, hingegen eine auffallende Ähnlichkeit mit der Schrift des Zeugen T2 zeigen. Dies gilt insbesondere für den Textteil betreffend die Aufhebung früherer Verfügungen.

Die Unklarheit, ob die Schreibleistung des Erblassers ohne relevante Fremdeinwirkung war, geht zu Lasten der Beschwerdeführerinnen. Denn die materielle Feststellungslast für die Einhaltung der gesetzlichen Form bei der Errichtung eines Testaments geht zu Lasten desjenigen, der sein Erbrecht auf eben dieses Testament stützt.

Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten beruht auf § 84 FamFG.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 131, 30 KostO.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte