VG München, Urteil vom 03.04.2012 - M 1 K 12.636
Fundstelle
openJur 2012, 122305
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am … 1968 geborene Kläger wendet sich mittels Fortsetzungsfeststellungsklage gegen einen Bescheid des Landratsamts … (Landratsamt), mit dem festgestellt wurde, dass der Kläger aufgrund seiner tschechischen Fahrerlaubnis nicht berechtigt war, Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, und er aufgefordert wurde, den zugehörigen Führerschein zur Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks vorzulegen.

Dem Kläger war am 4. Dezember 1997 nach vorangegangener Entziehung eine deutsche Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 erteilt worden. Mit Urteil des Amtsgerichts Traunstein vom 12. September 2005 wurde ihm die Fahrerlaubnis erneut wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr entzogen und eine Sperre für deren Wiedererteilung bis 11. April 2008 angeordnet.

Am 14. Mai 2008 wurde dem Kläger in der Tschechischen Republik ein Führerschein der Klasse B ausgestellt. In Feld 8 dieses Dokuments ist als Wohnsitz bzw. Wohnort des Klägers ein Ort in der Tschechischen Republik eingetragen.

Da der Kläger im Zeitpunkt des Erwerbs der tschechischen Fahrerlaubnis einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Bundesgebiet nachging und auch dort gemeldet war, trat das Landratsamt über die Kriminalpolizeistation … an das Gemeinsame Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in … heran. Dieses teilte mit Email vom 10. August 2010 mit, Ermittlungen der tschechischen Polizei hätten ergeben, dass der Kläger im Zeitraum von 12.05.2008 bis 09.09.2008 unter einer Anschrift in der Tschechischen Republik gemeldet war. Laut einer weiteren Mitteilung des Gemeinsamen Zentrums … vom 25. Oktober 2010 überprüften Beamte der tschechischen Ausländerpolizei am 26. Juni 2010 die Aufenthaltsgenehmigung des Klägers, auf deren Grundlage er im Zeitraum von 12.05.2008 bis 09.09.2008 an der genannten Adresse untergebracht gewesen sein sollte. Die Wohnungsbesitzerin habe hierzu ausgesagt, dass der Kläger die genannte Adresse weder aufgesucht habe noch dort untergebracht gewesen sei.

Nach vorheriger Anhörung stellte das Landratsamt mit Bescheid vom 4. Januar 2012, zugestellt am 7. Januar 2012, fest, dass die durch den am 14. Mai 2008 ausgestellten Führerschein nachgewiesene Fahrerlaubnis den Kläger nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtige und zu keiner Zeit dazu berechtigt habe. Weiter wurde der Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes sowie unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgefordert, seinen Führerschein dem Landratsamt innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids zur Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks vorzulegen. Zur Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, es lägen vom Ausstellungsstaat herrührende unbestreitbare Informationen im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) dahingehend vor, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland gehabt habe. Für den in den beiden Mitteilungen des Gemeinsamen Zentrums angeführten Zeitraum von 12. Mai 2008 bis 9. September 2008 ergebe sich eine Wohnsitznahme in der Tschechischen Republik für 121 Tage. Die nach Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG mindestens geforderten 185 Tage seien daher deutlich unterschritten.

Ausweislich eines in der Behördenakte befindlichen Aktenvermerks erschien der Kläger am 10. Januar 2012 beim Landratsamt und legte seinen Führerschein zur Eintragung des Sperrvermerks für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vor. Hierbei erklärten ihm Mitarbeiter des Landratsamts, dass er jederzeit die Möglichkeit habe, Unterlagen zur Widerlegung des festgestellten Wohnsitzverstoßes vorzulegen; in Betracht kämen beispielsweise Mietverträge, Abrechnungen zu Kanal- und Wassergebühren, Stromabrechnungen und sonstige Dokumente.

Gegen den Bescheid vom 4. Januar 2012 ließ der Kläger am 6. Februar 2012 Klage zum Verwaltungsgericht München erheben; er beantragte zunächst, den Bescheid aufzuheben. Nachdem dem Kläger nach Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens am 27. Februar 2012 eine deutsche Fahrerlaubnis der Klassen A, B und BE erteilt worden war und er deshalb seinen tschechischen Führerschein abgegeben hatte, beantragte der Kläger zuletzt sinngemäß,

festzustellen, dass der angefochtene Bescheid des Landratsamts … vom 4. Januar 2012 in den Nummern 1 und 2 rechtswidrig war.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, da ihm infolge des Bescheids ein Schaden entstanden sei, den er im Wege eines Zivilprozesses gegenüber dem Landratsamt geltend machen wolle. Da der Kläger als selbständiger Trockenbauer auf das Führen von Kraftfahrzeugen angewiesen sei, sei ihm dadurch, dass ihm dies aufgrund der Eintragung des Sperrvermerks nicht mehr möglich gewesen sei, ein Verdienstausfall entstanden, weil er an einigen näher genannten Terminen nicht zur jeweiligen Baustelle habe gelangen können. Um seinen Betrieb überhaupt aufrecht erhalten zu können, habe er in der Zeit zwischen dem Bescheidserlass und der Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis die Dienste seines Vaters als Fahrer in Anspruch nehmen müssen. Insgesamt sei dem Kläger ein Schaden von ca. 5000 Euro entstanden. Der Bescheid des Landratsamts vom 4. Januar 2012 sei rechtswidrig ergangen. Die deutschen Behörden seien nicht befugt gewesen, Ermittlungen hinsichtlich des Wohnsitzes des Klägers anzustellen, sondern vielmehr verpflichtet, die tschechische Fahrerlaubnis ohne wenn und aber anzuerkennen. Unbestreitbare Informationen des Ausstellerstaats, aus denen sich ergäbe, dass der Kläger im Zeitpunkt des Fahrerlaubniserwerbs dort keinen ordentlichen Wohnsitz hatte, lägen nicht vor. Da der Kläger zu diesem Zeitpunkt mit Wohnsitz in der Tschechischen Republik gemeldet gewesen sei, sei sogar positiv nachgewiesen, dass kein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip vorliege. Aus der Email des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit vom 10. August 2010 gehe nicht hervor, wo der Kläger zuvor und danach gemeldet gewesen sei, so dass sich hieraus keine unbestreitbaren Tatsachen entnehmen ließen, dass der Kläger nicht für mindestens 185 Tage in Tschechien gewohnt habe. Im Übrigen sei eine Meldung bei Behörden für die Frage des ordentlichen Wohnsitzes im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG völlig irrelevant. Weiterhin sei nicht nachvollziehbar, woher die Informationen des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit stammen. Insoweit müsse dargelegt werden, aus welcher genauen Information des Ausstellerstaats, also eines Dokuments oder einer Mitteilung einer tschechischen Behörde, sich ergeben solle, dass er gegen das Wohnsitzprinzip verstoßen habe. Auch bei der gegenüber der tschechischen Polizei gemachten Aussage der Anwohnerin handele es sich nicht um eine vom Ausstellerstaat herrührende unbestreitbare Information im Sinne der Rechtsprechung des EuGH. Die bloße Mitteilung über angebliche Angaben von Nachbarn lasse keinen Rückschluss darauf zu, wo der Kläger seinen Aufenthalt gehabt habe. Ohne den Wortlaut dieser Aussage zu kennen, lasse sich keinerlei Erkenntnis dazu gewinnen, inwieweit die Dame den Kläger überhaupt gekannt habe bzw. zuverlässige Aussagen darüber habe treffen können, wo bzw. wie der Kläger in der Tschechischen Republik gewohnt habe. Schon die Mitteilung, die Dame wisse, dass der Kläger die angegebene Adresse niemals aufgesucht habe, sei wenig glaubhaft.

Das Landratsamt beantragt unter Vorlage der Behördenakten mit Schriftsatz vom 5. März 2012,

die Klage abzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung am 3. April 2012 erklärte der Klägerbevollmächtigte, er verfüge über keine Unterlagen, aus denen sich ergebe, dass der Kläger außerhalb des Zeitraums von 12. Mai 2008 bis 9. September 2008 in der Tschechischen Republik gemeldet gewesen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Behördenakten des Landratsamts und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. April 2012 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage gegen die Verfügungen in den Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 4. Januar 2012 ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Die am 6. Februar 2012 zulässiger Weise erhobene Anfechtungsklage hat sich durch die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis am 27. Februar 2012 nach Klageerhebung erledigt, da der Kläger durch die Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung im Inland und die Eintragung des Sperrvermerks nicht mehr beschwert ist. Seit Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis ist er berechtigt, Kraftfahrzeuge der Klasse B im Inland zu führen, so dass von den Nummern 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts vom 4. Januar 2012 keine belastenden Wirkungen mehr für ihn ausgehen. Angesichts der glaubhaften Absicht, einen Amtshaftungsanspruch oder sonstige Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten vor den ordentlichen Gerichten geltend machen zu wollen, hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung.Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 20. März 2012 konkrete Angaben zur Höhe des Schadens gemacht, der ihm dadurch entstanden ist, dass er in der Zeit zwischen Zustellung des Bescheids und Wiedererteilung der Fahrerlaubnis sein Kraftfahrzeug nicht mehr selbst geführt hat. Der beabsichtigte Amtshaftungsprozess ist auch nicht offensichtlich aussichtslos, was der Annahme eines Feststellungsinteresses entgegenstünde, weil es hierfür einer eingehenden Prüfung bedarf (vgl. BVerwG vom 8.12.1995 BVerwGE 100, 83). Insbesondere liegt ein vollständiger Ausschluss eines Anspruchs aus Amtshaftung wegen Nichtgebrauchs eines Rechtsmittels oder Nichtausnutzung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage nicht auf der Hand. Hätte der Kläger nach Erlass des Feststellungsbescheids ein Kraftfahrzeug im Bundesgebiet geführt, so hätte er sich dem Risiko einer Anklage wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ausgesetzt, zumal aus der Sicht des Klägers auch damit gerechnet werden musste, dass sich der Bescheid im weiteren Verfahren als rechtmäßig erweist. Hinzu kommt, dass die fehlende Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland aufgrund einer EU-Fahrerlaubnis unmittelbar kraft Gesetzes eintritt, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV vorliegen. Zudem war der Kläger sofort vollziehbar verpflichtet worden, in seinen Führerschein einen Sperrvermerk eintragen zu lassen, welcher gegenüber den Kontrollorganen zumindest den Rechtsschein der fehlenden Fahrberechtigung entfaltet. Aus den vorstehenden Gründen kann auch nicht unterstellt werden, dass der Kläger es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch das Stellen eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Vorlageverpflichtung nach § 80 Abs. 5 VwGO abzuwenden.

Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil der Bescheid vom 4. Januar 2012 in den Nummern 1 und 2 rechtmäßig ist. Der Kläger war nicht berechtigt, aufgrund seiner tschechischen Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge im Inland zu Führen.

Rechtsgrundlage für die in Nummer 1 des Bescheids enthaltene Feststellung, dass die dem Kläger am 14. Mai 2008 in der Tschechischen Republik erteilte Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigte, ist § 28 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 FeV. Gemäß § 28 Abs. 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, - vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 - im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Nach Absatz 4 Nr. 2 gilt die Berechtigung nach Absatz 1 allerdings nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland, d.h. in der Bundesrepublik Deutschland, hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben. Nach Wortlaut und Systematik des § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV genügt bereits das Erfüllen der Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2, um die angeordnete Rechtsfolge - die Nichtgeltung der Fahrerlaubnis in Deutschland - herbeizuführen; es muss nicht zusätzlich auch bereits zu einer Fahrerlaubnisentziehung gekommen sein oder sonst eine der Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV vorliegen. Ein solches Erfordernis ergibt sich bei einem festgestellten Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip auch nicht aus dem Unionsrecht; dies ist mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Mai 2011 (DAR 2011, 171 = VR 2011, 249 m.w.N.) mittlerweile geklärt.

Die Missachtung der Wohnsitzvoraussetzung bei Erteilung der Fahrerlaubnis ist im oben dargestellten Sinne offensichtlich. Zwar ergibt sie sich nicht aus dem Führerschein; jedoch enthalten die dem Landratsamt übermittelten Schreiben des Gemeinsamen Zentrums vom 10. August und 25. Oktober 2010 vom Ausstellermitgliedstaat Tschechische Republik herrührende unbestreitbare Informationen darüber, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Ausstellung seines tschechischen Führerscheins nicht seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates hatte.

a) Die in den beiden genannten Schreiben enthaltenen Informationen dürfen sämtlich verwertet werden, da sie vom Ausstellermitgliedstaat Tschechische Republik stammen. Zunächst steht einer Verwertung dieser Auskünfte für die Beurteilung, ob der Kläger aufgrund seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland fahrberechtigt ist, nicht entgegen, dass diese auf Betreiben des Beklagten gegeben wurden. Der Europäische Gerichtshof hat es in der Rechtssache Wierer (Beschluss vom 9.7.2009, Az. C-445/08, Rn. 58) ausdrücklich gebilligt, dass die zuständigen Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates bei Behörden des Ausstellermitgliedstaates Informationen darüber einholen, ob bei der Erteilung der Fahrerlaubnis gegen das Wohnsitzerfordernis verstoßen wurde - um sodann, wenn ihnen hierauf eine vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Information dahin zugeht, dass der Fahrerlaubnisinhaber zum Zeitpunkt der Führerscheinausstellung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht in diesem Staat hatte, die Anerkennung des Führerscheins versagen zu können. Dieser rechtlichen Bewertung hat sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 25. Februar 2010 (NJW 2010, 1828) angeschlossen. Die Auskünfte des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit erfüllen auch das Kriterium einer aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührenden Information, da aus beiden Schreiben klar hervor geht, dass die dort enthaltenen Angaben aufgrund von Ermittlungen gewonnen wurden, die von tschechischen Polizeibeamten durchgeführt wurden. Wenn - wie vorliegend - die vom Gemeinsamen Zentrum an deutsche Stellen weitergegebenen Erkenntnisse ihrerseits auf Informationen beruhen, die von Behörden des Ausstellermitgliedstaates stammen, bestehen keine Zweifel an deren Verwertbarkeit (BVerwG vom 25.8.2011, Az. 3 C 9/11, Juris; VGH Baden-Württemberg vom 27.10.2009, Az. 10 S 2024/09, Juris). Auch der EuGH hat in seinem Urteil vom 1. März 2012 (Az. C-467/10, Rechtssache Akyüz) jüngst klargestellt, dass der Umstand, dass Informationen den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats vom Ausstellermitgliedstaat nicht direkt, sondern nur indirekt in Form einer Mitteilung Dritter übermittelt werden, als solcher nicht geeignet ist, die Einstufung dieser Informationen als vom Ausstellermitgliedstaat herrührend auszuschließen, sofern sie von einer Behörde dieses Mitgliedstaats stammen (Rn. 71). Schließlich ist auch die von der tschechischen Ausländerpolizei eingeholte und in deren Schreiben vom 21. Oktober 2010 referierte Aussage der Wohnungseigentümerin als vom Ausstellermitgliedstaat Tschechische Republik herrührend zu qualifizieren und daher grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Zwar hat der EuGH in der Rechtssache Wierer (Beschluss vom 9.7.2009, a.a.O., Rn. 61) ausgeführt, dass bei Privatpersonen, wie Vermietern oder Arbeitgebern, eingeholte Informationen keine Informationen sind, die das genannte doppelte Kriterium erfüllen. Diese Aussage bezieht sich aber nach Auffassung der Kammer lediglich auf Informationen, die von Behörden des „Aufnahmemitgliedstaats“ direkt bei Privatpersonen eingeholt werden. Führen jedoch wie im vorliegenden Fall Behörden des Ausstellerstaats Ermittlungen bei Vermietern oder Arbeitgebern des Führerscheininhabers durch und übermitteln diese anschließend an den Aufnahmemitgliedstaat, so sind die hierdurch gewonnenen Informationen als vom Ausstellerstaat herrührend zu qualifizieren und mithin für die Beurteilung der Fahrberechtigung im Aufnahmemitgliedstaat verwertbar.

b) Mit den Auskünften des Gemeinsamen Zentrums vom 10. August und 25. Oktober 2010 wird auch unbestreitbar im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darüber informiert, dass der Kläger im Zeitpunkt des Erwerbs der tschechischen Fahrerlaubnis keinen ordentlichen Wohnsitz in der Tschechischen Republik hatte.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 1. März 2012 (a.a.O., Rn. 74 f) dargelegt, dass es Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten ist, die vom Ausstellermitgliedstaat erlangten Informationen zu bewerten und zu beurteilen, ob es sich um unbestreitbare Informationen handelt, die belegen, dass der Inhaber des Führerscheins zu dem Zeitpunkt, als er diesen erhielt, seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaats hatte. Im Rahmen dieser Beurteilung kann das jeweilige Gericht alle Umstände des bei ihm anhängigen Verfahrens berücksichtigen. Wie der Begriff der „unbestreitbaren Informationen“ rechtlich zu verstehen ist, ist zwar bislang nicht abschließend geklärt. Jedenfalls ist dieser Terminus jedoch nicht im Sinne von „unwiderleglich“ zu verstehen; dies folgt bereits aus einem Vergleich mit der 1. Alternative des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV, derzufolge es für die gesetzliche Aberkennung der fehlenden Fahrberechtigung bereits allein ausreicht, wenn sich der Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip aus Angaben im Führerschein ergibt. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass sich auch Angaben in öffentlichen Urkunden im Sinne des § 417 ZPO als falsch herausstellen können und die inhaltliche Richtigkeit der darin bezeugten Tatsachen der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegen; dennoch ist der Tatbestand des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV allein aufgrund der Eintragung eines inländischen Wohnorts im Führerschein erfüllt. Ein bloßes Bestreiten der inhaltlichen Richtigkeit genügt nach ständiger Rechtsprechung nicht, um die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV entfallen zu lassen (vgl. hierzu z.B. VG Aachen vom 18.10.2011, Az. 3 K 433/09, Juris m.w.N.). Vor diesem Hintergrund kann für ein „Feststehen aufgrund unbestreitbarer Information“, was das Fehlen eines ordentlichen Wohnsitzes des Betroffenen im Ausstellermitgliedstaat angeht, nicht mehr, aber auch nicht weniger als hinsichtlich des Beweismaßes für die richterliche Überzeugungsbildung in einem Prozess verlangt werden (OVG Rheinland-Pfalz vom 18.6.2010, Az. 10 A 10411/10, Juris).

Es besteht zunächst kein Anlass, die Richtigkeit der von der tschechischen Polizei mitgeteilten Tatsachen in Zweifel zu ziehen. Die in der Email des Gemeinsamen Zentrums vom 10. August 2010 mitgeteilten Daten beruhen ganz offensichtlich auf Auskünften tschechischer Meldebehörden bzw. einer Recherche im tschechischen Einwohnermelderegister. Da diese Meldeauskünfte erst im Jahr 2010 eingeholt wurden, besteht kein Zweifel an deren Vollständigkeit und damit daran, dass der Kläger ausschließlich im Zeitraum von 12. Mai bis 9. September 2008 in der Tschechischen Republik gemeldet war. Weiterhin ist aus der amtlichen Übersetzung des Schreibens der tschechischen Ausländerpolizei vom 21. Oktober 2010 ersichtlich, dass auch nur für den genannten Zeitraum eine Aufenthaltsgenehmigung vorlag. Gemäß Art. 9 Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.07.1991 gilt als ordentlicher Wohnsitz der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder - im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen - wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Mitteilungen des Gemeinsamen Zentrums, dass der Kläger die zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes erforderliche Zeitdauer von mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr nicht erreicht hat. Denn in den Fällen, in denen in einem Mitgliedstaat eine Meldepflicht besteht - und hierzu gehört die Tschechische Republik - darf ungeachtet dessen, dass es nach der Legaldefinition des ordentlichen Wohnsitzes in Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG auf die in dieser Bestimmung genannten tatsächlichen Bedingungen ankommt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz vom 14.9.2009, Az. 10 B 10819/09.OVG), in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vermutet werden, dass die in einer Auskunft des Ausstellermitgliedstaates wiedergegebene melderechtliche Situation der tatsächlichen Situation entspricht (vgl. VG Mainz vom 10.2.2010, Az. 3 K 1216/09.MZ, Juris; VG Saarland vom 9.2.2011, Az. 10 L 16/11). Auch der Europäische Gerichtshof schließt es in seinem Beschluss vom 9. Juli 2009 (a.a.O., Rn. 61) und im Urteil vom 1. März 2012 (a.a.O., Rn. 69) ausdrücklich nicht aus, dass die von den Einwohnermeldebehörden des Ausstellermitgliedstaats erlangten Informationen als unbestreitbare Informationen angesehen werden können. Durchschlagende sachliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunftslage sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich; vielmehr ist das Gericht auch aufgrund einer Zusammenschau mit den übrigen, vom Ausstellerstaat herrührenden Informationen davon überzeugt, dass der Kläger tatsächlich nicht in der tschechischen Republik gewohnt hat, sondern dort lediglich einen fiktiven Wohnsitz zum Erwerb der Fahrerlaubnis begründet hat. So hat er sich - wenn überhaupt - nur für sehr kurze Zeit dort aufgehalten und die Fahrerlaubnis bereits zwei Tage nach Anmeldung eines Wohnsitzes in der Tschechischen Republik erworben (vgl. hierzu auch EuGH vom 1.3.2012, a.a.O., Rn. 75). Weiterhin konnte die Eigentümerin der Wohnung, welche der Kläger als Wohnanschrift angegeben hat, nicht bestätigen, dass der Kläger diese jemals aufgesucht hat. Weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger substantiiert dargetan, geschweige denn durch geeignete Unterlagen nachgewiesen, wo, innerhalb welchen Zeitraums und aus welchen Gründen er im Jahr 2008 seinen Wohnsitz in der Tschechischen Republik begründet haben will und dass die im Melderegister erfassten Daten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, dass er also vor oder nach dem dort genannten Zeitraum seinen beruflichen bzw. privaten Lebensmittelpunkt in der Tschechischen Republik hatte. Angesichts der mangelnden Mitwirkung des Klägers und des Fehlens von Anknüpfungstatsachen besteht auch für das Gericht keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen.

c) Da der Kläger ausweislich einer bei den Akten befindlichen Meldebestätigung durchgehend mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gemeldet war, steht nach alledem fest, dass er im Zeitpunkt des Erwerbs der tschechischen Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte und diese daher im Bundesgebiet nicht gilt. Die Verpflichtung, den Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen, fand ihre Rechtsgrundlage in § 47 Abs. 2 FeV.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,-- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

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