OLG München, Urteil vom 09.06.2011 - 1 U 5076/10
Fundstelle
openJur 2012, 116483
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.10.2010, Aktenzeichen 9 O 21343/08, zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit einer kosmetischen Operation an Unterlidern und Wangen geltend.

Der Kläger unterzog sich im Februar 2005 einer Oberlidplastik bei einem plastischen Chirurgen in W. Zwei Monate später wurde eine Unterlidplastik durchgeführt, wobei das herabgesunkene Wangenfett unterhalb des Lides nicht mit angehoben wurde. Eine weitere operative Nachkorrektur erfolgte in Würzburg im Februar 2006.

Am 08.05.2006 konsultierte der Kläger den Beklagten, da er eine Verbesserung der Unterlidpartie und der darunter angrenzenden Wangenregion wünschte.

Der Beklagte untersuchte den Kläger und erklärte ihm, dass eine Korrekturoperation grundsätzlich aber nicht vor Oktober 2006 möglich sei. Desweiteren übergab der Beklagte dem Kläger einen Kostenvoranschlag und den Aufklärungsbogen „Operative Lidstraffung/Brauenkorrektur“, der u.a. den handschriftlichen Zusatz enthielt:

Symmetrie kann nicht versprochen werden, evt. länger dauernder Reizzustand der Bindehäute, Absterben von Haut vor allem bei erneutem Rauchen möglich...

Weiter wurde handschriftlich zu dem Umfang der operativen Korrektur an den beiden Unterlidern angefügt:

mit subperiostaler („auf dem Knochen“) Anhebung des Wangenfetts u. Fettentfernung rechts

Der Eingriff wurde auf den 19.10.2006 angesetzt.

Nachdem der Kläger die Honorarvereinbarung und den Aufklärungsbogen unterzeichnet an den Beklagten zurückgesandt hatte, wurde der Eingriff am 19.10.2006 durchgeführt.

Gemäß dem Operationsprotokoll vom 19.10.2006 führte der Beklagte eine beidseitige Unterlidrekonstruktion mit Narbenexzision, eine beidseitige Anhebung des Wangenfettkörpers und eine rechtsseitige Fettkörperentfernung durch, sodann wurden nach einer weiteren Präparation bis auf den abgesunkenen Wangenfettkörper die Wangenfettkörper jeweils mit einem PDS-Faden gefasst und im Bereich des seitlichen Augenhöhlenperiostes fixiert. Um eine optimale Kontur zu erreichen, entfernte der Beklagte mittels einer 1 cm langen transkonjunktivalen Schnittführung ein 6 x 5 mm großes Fettgewebsstück aus dem Fettgewebskompartiment der rechten Augenhöhle. Schließlich resezierte der Kläger noch etwas vernarbtes Muskelgewebe des Musculus orbicularis oculi auf beiden Seiten.

Bei der Wiedervorstellung am 27.10.2006 stellte der Beklagte fest, dass schwellungsbedingt die Augenlider nicht ganz geschlossen werden konnten, entfernte die Fäden und vereinbarte einen Wiedervorstellungstermin in 2-3 Wochen.

Am 06.11.2006 zeigten sich starke, sich in Auflösung befindliche Hämatome mit Abstehen des Unterlides vom Bulbus und konsekutiver Reizung der Konjunktiva des Auges. Der Beklagte empfahl dem Kläger weiterhin Augentropfen zu verwenden und injizierte dem Kläger ein Zehntel einer Ampulle „Prednisolon" (Cortison) um den Schwellungsrückgang weiter zu fördern.

Am 15.11.2006 suchte der Kläger den Beklagten auf, da er ein funktionelles Ektropium (Abstehendes Unterlid) rechts aufwies. In einer weiteren Operation wurde sodann eine temporäre horizontale Lidspaltenverkürzung durch partielles Zusammenfügen der oberen und unteren Lidkante rechts mit zwei Einzelknopffäden durchgeführt.

Der Kläger begab sich letztmals am 14. 3. 2007 zu dem Beklagten, weil er rechtsseitig im subcutanen Gewebe einen Knoten zu spüren meinte. Der Beklagte versuchte vergeblich den Knoten über eine 2 mm lange Stichinzision und den in Rede stehenden Faden mit der Klemme zu entfernen.

Parallel zu den chirurgischen Behandlungen und im Anschluss daran konsultierte der Kläger einen Augenarzt, der u.a. eine Bindehautreizung, Chemose, Hornhautfluor und eine positive Erosio der Hornhaut diagnostizierte.

Der Kläger hat vorgetragen:

Die Risikoaufklärung sei unzureichend gewesen. Der Beklagte habe das Wangenfett nicht fachgerecht fixiert. Die vom Beklagten vorgenommene Reduktion des Augenringmuskels sei nicht notwendig gewesen. Die Nachsorge sei unzureichend gewesen und es sei zuviel Kortison gespritzt worden. Rechts liege nun ein wulstiger Übergang zwischen Wange und Unterlid vor. Die Lidkante rechts sei nach rechts unten verzogen und stehe einen Millimeter vom Augapfel ab. Links befinde sich ein delliger, wulstiger Übergang zwischen Wange und Unterlid. Links liege eine unnatürliche, tiefe Delle zwischen Augenwinkel und der seitlichen Wange vor. Die verengte Lidspalte links führe zu ständigen mechanischen Reizungen und chronischen Schwellungen der Bindehaut. Das Unterlid links stehe bei bestimmten Mimiken ab. Als Folge dessen leide der Kläger an einer sozialen Phobie sowie Rückzugsverhalten und befinde sich in nervenärztlicher Behandlung. Es bestünde die erhebliche Gefahr einer Netzhautablösung.

Der Kläger hat beantragt,

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 15.000,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz seit 02.10.08, € 10,00 vorgerichtliche Mahnauslagen sowie € 899,40 nicht anrechnungsfähige, vorprozessuale Anwaltsgebühren zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus der Operation von Oktober 06 haftbar ist.

Der Beklagte hat beantragt:

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen:

Er habe den Kläger über sämtliche Risiken schriftlich wie mündlich aufgeklärt. Er habe den Kläger insbesondere auf mögliche Wundheilungsstörungen, Hautnekrosen sowie darauf hingewiesen, dass sich die Unterlidkante verziehen könne, dass die Lidöffnung gestört sein könne und dass eine Korrekturoperation erforderlich werden könne.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Hinzuziehung des Facharztes für Plastische und Ästhetische Chirurgie Prof. Dr. Dr. H. als Sachverständigen.

Das Landgericht wies mit Urteil vom 18.10.2010 die Klage ab und führte zur Begründung aus:

Die zulässige Klage sei unbegründet, da zum einen Fehler bei der Behandlung nicht nachgewiesen worden seien und der Kläger zum anderen vor dem Eingriff hinreichend über diesen und insbesondere seine Risiken informiert gewesen sei. Behandlungsfehler habe der Kläger nicht nachgewiesen. Die klageseits vorgetragenen Beschwerden seien schicksalhafte Folgen des Eingriffs selbst, ohne dass sich Anhaltspunkte für ein Fehlen der Indikation, ein technisch fehlerhaftes Vorgehen oder eine unzureichende Nachsorge ergeben würden. Auch mit der Aufklärungsrüge dringe der Kläger nicht durch. Der Kläger sei vielmehr über den bevorstehenden Eingriff hinreichend informiert worden. Dem Kläger seien vor der Operation alle Umstände bewusst gewesen, die sich aus den schriftlichen Aufklärungsunterlagen ergeben würden. Der Sachverständige habe nachvollziehbar und zutreffend ausgeführt, dass in den Schriftstücken eine hinreichende Aufklärung zu dem Eingriff und den damit verbundenen Risiken enthalten sei. In Bezug auf den Eingriff am Unterlid liege ein aktueller und ausführlicher Aufklärungsbogen vor. Das spezifische Risiko, welches sich aus dem Eingriff an der Wange ergebe, werde handschriftlich auf der Einwilligungserklärung erläutert.

Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 24.11.2010 gegen das ihm am 25.10.2010 zugestellte Urteil Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 20.1.2011.

Der Kläger trägt vor:

Hinsichtlich der Unterlidkorrektur werde die Aufklärung nicht beanstandet, jedoch hinsichtlich der Wangenfettanhebung (Mittelgesichtslifting). Insoweit habe der Beklagte ihn nicht ausreichend umfassend über möglichen Risiken und Folgen der Operation unterrichtet. Bei ausreichender Aufklärung hätte er von der Operation Abstand genommen Die Nachsorge sei fehlerhaft gewesen, da ihm eine zu große Menge Kortison gespritzt worden sei.

Der Kläger beantragt:

1. Auf Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18.10.2010, zugestellt am 25.10.2010, Aktenzeichen 9 O 21343/08 aufgehoben und der Beklagte dazu verurteilt, an den Kläger € 15.000,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz seit 02.10.08, € 10,00 vorgerichtliche Mahnauslagen sowie € 899,40 nicht anrechnungsfähige, vorprozessuale Anwaltsgebühren zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus der Operation von Oktober 06 haftbar ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:

Beim Kläger sei kein Mittelgesichtslifting sondern lediglich eine subperiostale Wangenfettanhebung erfolgt. Der Eingriff habe der Verbesserung des Übergangs Wange/Lid dienen sollen.

Der Sachverständige habe bestätigt, dass die Aufklärung ausreichend gewesen wäre. Es hätten keine über die mündliche und schriftliche Risikoaufklärung des Beklagten hinausgehenden Risiken bestanden.

Der Sachverständige habe zu der Frage der Kortisongabe Stellung genommen und keine Behandlungsfehler insoweit feststellen können.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Hinzuziehung des Sachverständigen Professor Dr. Dr. H. und der mündlichen Anhörung der Parteien. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom12.5..2010 verwiesen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren nimmt der Senat Bezug auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze.

Gründe

Die zulässige Berufung erwies sich als unbegründet.

A. Das Landgericht hat die Klage mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Dem Kläger stehen gegen den Beklagten keine Ansprüche zu, da der Kläger vor dem Eingriff ausreichend aufgeklärt wurde und dem Beklagten kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden kann.

I. Die Aufklärung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.

451. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der behandelnde Arzt vor einem vorgesehenen Eingriff zu einer Grundaufklärung verpflichtet, bei der dem Patienten ein zutreffender Eindruck von der Schwere des Eingriffs und den damit - auch für die spätere Lebensführung - verbleibenden Belastungen vermittelt werden muss. Dabei ist anerkannt, dass ein Patient umso ausführlicher und eindringlicher über die Erfolgsaussichten eines Eingriffs und etwaiger schädlicher Folgen zu informieren ist, je weniger ein ärztlicher Eingriff medizinisch geboten ist, was im besonderen Maße für kosmetische Operationen gilt, die nicht medizinisch indiziert sind, sondern in erster Linie einem ästhetischen Bedürfnis des Patienten entsprechen. Der Patient muss in einem solchen Fall darüber unterrichtet werden, welche Verbesserungen er günstigstenfalls erwarten kann, und ihm müssen etwaige Risiken deutlich vor Augen gestellt werden, damit er genau abwägen kann, ob er einen etwaigen Misserfolg des ihn immerhin belastenden Eingriffs und darüber hinaus sogar bleibende Entstellungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen will, selbst wenn diese auch nur entfernt als eine Folge des Eingriffs in Betracht kommen. Dabei ist anerkannt, dass der Arzt, der eine kosmetische Operation durchführt, seinem Patienten das Für und Wider mit allen Konsequenzen vor Augen zu stellen hat. Deswegen stellt die Rechtsprechung an die Aufklärung des Patienten vor einer kosmetischen Operation strenge Anforderungen (BGH, NJW 1991, 2349, OLG Düsseldorf NJW-RR 2003,1331).

2. Die Aufklärung des Klägers durch den Beklagten genügt diesen Anforderungen.

Der Kläger hat in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat angegeben, sowie schriftsätzlich vortragen lassen, dass er die Aufklärung bezüglich der Unterlidkorrektur nicht beanstande, sich jedoch über die Risiken eines Mittelfacelifting nicht ausreichend aufgeklärt fühle. Der Beklagte hat dagegen eingewandt, dass er kein Mittelfacelifting durchgeführt habe.

48Den Ausführungen des Sachverständigen kann entnommen werden, dass zwischen einem Lifting im Mittelgesichtsbereich und einem Mittelfacelifting im engeren Sinne zu unterscheiden ist. Er erklärte, dass bei einem Mittelfacelifting im engeren Sinne auch über die Gefahr von Nervenschäden aufgeklärt werden müsste und bei dieser Operation der gesamte Wangenmuskel angehoben werde und mittels Fäden unter dem Haaransatz befestigt werde. Bei dem streitgegenständlichen Eingriff wurde ausweislich des Operationsberichtes dagegen lediglich Fettgewebe mittels Fäden am seitlichen Augenrand befestigt. Der Sachverständige bezeichnete die beim Kläger erfolgte Operation zwar im Prinzip ähnlich wie ein Mittelfacelifting im engeren Sinne jedoch nicht annähernd als so weitreichend. Aufgrund dieser Ausführungen des Sachverständigen steht für den Senat fest, dass beim Kläger kein mit weiteren Risiken verbundenes Mittelfacelifting erfolgt ist, sondern lediglich eine Wangenfettanhebung und eine Unterlidkorrektur.

Der Sachverständige hat sowohl in der mündlichen Anhörung vor dem Senat als auch in seinen schriftlichen Gutachten umfassend dargelegt, dass der Diomed- Bogen und die hinzugefügten handschriftlichen Ergänzungen sämtliche relevanten Risiken des streitgegenständlichen Eingriffs abdecken und die Aufklärung des Beklagten auch hinsichtlich der Wangenfettanhebung gut und ausführlich war. Der Kläger wurde insbesondere darüber aufgeklärt, dass eine Symmetrie nicht versprochen werden kann und weiter auf die Gefahren einer Narbenbildung, der Trockenheit der Augen und der Störung der Lidöffnungen hingewiesen. Der Sachverständige vermochte keinerlei Risiken des streitgegenständlichen Eingriffes zu benennen, die nicht Gegenstand der Aufklärung gewesen sind.

Aufgrund dieser Darlegungen des Sachverständigen vermag der Senat nicht zu erkennen über welche zusätzlichen Risiken der Kläger eine Aufklärung gewünscht hätte, zumal er ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass eine Symmetrie nicht garantiert werden kann.

II. Insoweit der Kläger auch in der Berufung gerügt hat, dass die postoperative Dosierung von Kortison behandlungsfehlerhaft war, kann vollumfänglich auf die Ausführungen des Landgerichtes verwiesen werden.

B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

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