LG München I, Urteil vom 27.06.2011 - 1 S 1061/11
Fundstelle
openJur 2012, 116472
  • Rkr:
Tenor

I. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 14.12.2010, Az.: 484 C 745/10 WEG, wird aufgehoben.

II. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 07.07.2010, TOP 5a Nr. II wird für ungültig erklärt, soweit die Überprüfung der an das Dachflächenfenster in der Küche der Sondereigentumseinheit des Klägers angrenzenden, im Gemeinschaftseigentum befindlichen Bauteile abgelehnt wurde.

III. Die Beklagten werden verurteilt, einer Überprüfung der an das Dachflächenfenster in der Küche der Sondereigentumseinheit des Klägers angrenzenden, im Gemeinschaftseigentum befindlichen Bauteile (d.h. der Dachdämmung und der Dichtungsebenen in diesem Bereich) zuzustimmen.

IV. Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

V. Von den Kosten beider Rechtszüge trägt der Kläger 75 % und die Beklagten tragen 25 %.

VI. Das Urteil ist für die Klagepartei vorläufig vollstreckbar. Die beklagte Partei kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000 € abwenden, wenn nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Für die beklagte Partei ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

VII. Die Revision wird bezüglich der Frage zugelassen, ob die Bestimmung in § 6 I a) bb) der Gemeinschaftsordnung, wonach die Instandsetzung von Außenfenstern im Bereich einer Sondereigentumseinheit der jeweilige Sondereigentümer auf eigene Rechnung durchführen muss, auch eine erstmalige Herstellung umfasst.

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts München vom 14.12.2010 (Bl. 33/39).

1. Die Parteien bilden die im Rubrum näher bezeichnete WEG, die von der Beigeladenen verwaltet wird.

§ 6 Absatz 1 der Gemeinschaftsordnung enthält unter der Überschrift „Instandhaltung und Instandsetzung“ auszugsweise folgende Regelung:

„1) Im Bereich des Sondereigentums

a) Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet, die Gegenstände, die sein Sondereigentum sind, seinem Sondernutzungsrecht unterliegen oder von ihm allein genutzt werden, auf eigene Rechnung ordnungsgemäß zu pflegen, instandzuhalten und instandzusetzen. Den einzelnen WE treffen also beispielsweise im räumlichen Bereich des Sondereigentums folgende Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten, unabhängig davon, ob sich die genannten Gegenstände im Sonder- und Gemeinschaftseigentum befinden:

aa) (…)

bb) Die Behebung von Glasschäden und die Instandhaltung und Instandsetzung der Wohnungsabschlusstüren samt Rahmen, der Außenfenster samt Fensterrahmen, der Rolloläden sowie der Kellerabteile und Kraftfahrzeugabstellplätze; soweit dabei die Außenansicht betroffen wird, ist eine einheitliche Ausführung unabdingbar; daher ist die Erneuerung des Außenanstrichs der Fenster samt Rahmen und Rollläden sowie der Wohnungsabschlusstüren samt Rahmen Sache der Eigentümergemeinschaft.

(…)“

Im Juni 2006 zeigte der Kläger gegenüber der Hausverwaltung an, dass in seiner Wohnung Feuchtigkeitsschäden aufgetreten seien und forderte die Verwaltung auf, die Ursache der Schäden zu eruieren. Die Hausverwaltung verwies darauf, dass wohl das Lüftungsverhalten der Mieter des Klägers für die Schäden verantwortlich sei.

Daraufhin schaltete der Kläger einen Privatgutachter ein, der in seinen Gutachten vom 05.03.2007 und 30.08.2007 zu dem Ergebnis kam, dass das vorhandene Dachflächenfenster in der Küche der Wohnung des Klägers den thermischen Belastungen wie auch den Feuchtebelastungen einer Küche nicht auf Dauer standhalten könne und somit ungeeignet sei. Deswegen sei der Einbau eines vollwertigen Wohnraumdachfensters in der Küche der Wohnung des Klägers erforderlich. Darüber hinaus müsse der Zustand der Dachdämmung und der Dichtungsebenen überprüft und ggf. auch instandgesetzt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten verwiesen. Für die Gutachterkosten stellte der Gutachter dem Kläger insgesamt 2.042,64 € in Rechnung.

Auf der Eigentümerversammlung vom 01.04.2008 beantragte der Kläger daraufhin, dass das Dachflächenfenster in seiner Wohnung auszubauen und fachgerecht zu erneuern sei, dass im Zuge dieser Arbeiten die angrenzenden beschädigten Bauteile zu überprüfen und bei Bedarf eventuell zu erneuern seien, sowie dass die Gutachterkosten von 2.042,64 € dem Kläger zu erstatten seien. Die Eigentümer lehnten diese Anträge auf der Versammlung mehrheitlich ab.

Mit Klage vom 20.05.2008 verfolgte der Kläger seine Anträge mit einer Verpflichtungsklage gegen die Beklagten weiter, ohne die ablehnenden Beschlüsse vom 01.04.2008 anzufechten. Mit Urteil vom 08.12.2008, Az.: 484 C 554/08, wies das Amtsgericht die Klage als unzulässig ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

Auf der Eigentümerversammlung vom 07.07.2010 stellte der Kläger sodann seine Anträge erneut. Die Beklagten lehnten die Anträge erneut unter TOP 5a Nr. 1, 2 und 3 ab.

2. Gegen diese Beschlüsse wandte sich der Kläger mit der hier verfahrensgegenständlichen Klage vom 14.07.2010. Er hat beantragt, die drei Beschlüsse vom 07.07.2010, TOP 5a Nr. 1-3 für ungültig zu erklären und die Beklagten zu verpflichten, der von ihm begehrten Dachfenstererneuerung, der Überprüfung und ggf. Instandsetzung der umliegenden Bauteile, sowie der Erstattung seiner Gutachterkosten zuzustimmen. Er ist der Ansicht, dass die Gemeinschaft verpflichtet sei, das im Gemeinschaftseigentum stehende Außenfenster zu ersetzen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägervertreters in der ersten Instanz verwiesen.

3. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben Klageabweisung beantragt. Sie sind der Meinung, dass der Klage schon die Rechtskraft des Urteils vom 08.12.2008 entgegenstehe. Gleiches gelte für die bestandskräftigen Negativbeschlüsse vom 01.04.2008. Im übrigen gäbe es schon wegen der Gemeinschaftsordnung keine Pflicht der Gemeinschaft, das Dachfenster auszutauschen. Die Gemeinschaft sei auch nicht verpflichtet, prophylaktisch eine Überprüfung des Daches vorzunehmen. Ferner berufen sich die Beklagten auf Verjährung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagtenvertreters in der ersten Instanz verwiesen.

4. Das Amtsgericht hat mit Zustimmung der Parteien schriftlich verhandelt. Mit Urteil vom 14.12.2010, dem Klägervertreter zugestellt am 21.12.2010, hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass die Ansprüche des Klägers jedenfalls verjährt seien.

5. Gegen dieses Urteil legte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 17.01.2011, Eingang am 19.01.2011, Berufung zum Landgericht München I ein.

Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und weist insbesondere darauf hin, dass Verjährung nicht vorliege, weil der Kläger erstmals durch die Gutachten aus dem Jahr 2007 Kenntnis von dem mangelhaftem Dachfenster als Ursache der Feuchtigkeitsschäden erlangt habe.

Der Kläger beantragt zuletzt:

I. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 14.12.2010, Az.: 484 C 745/10, wird aufgehoben.

II. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung WEG S-Allee vom 7.7.10 über die Anträge des Berufungsklägers zu TOP 5a, Nr. 2, 3 werden für ungültig erklärt.

III. Den Beklagten wird aufgegeben, folgenden Maßnahmen zuzustimmen:

1. Das in der Wohnung des Klägers vorhandene Dachflächenfenster und die dazugehörige Laibung sind auf Kosten der WEG S-Allee auszubauen. Es ist ein vollwertiges Wohnraumdachfenster fachgerecht mit einer standardgemäßen Isolierung einzubauen.

2. Im Zuge der Arbeiten müssen die unmittelbar angrenzenden und unter Umständen ebenfalls durch Feuchtigkeit beschädigten Bauteile überprüft und bei Bedarf erneuert werden.

3. Dem Kläger werden durch die WEG S-Allee die Gutachterkosten in Höhe von 2.042,64 € erstattet.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägervertreters in der Berufungsinstanz verwiesen.

6. Die Beklagten beantragen die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

7. Die Kammer hat am 23.05.2011 mündlich verhandelt. Auf das Verhandlungsprotokoll wird verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klagepartei ist insoweit begründet, als die Beklagten dazu zu verurteilen waren, dass sie einer Überprüfung der an das schadhafte Dachfenster angrenzenden Bauteile (d.h. der dortigen Dämmung und der Dichtungsebenen) zustimmen; soweit der Beschluss vom 07.07.2010, TOP 5a Nr. II dieses Begehren des Klägers ablehnte, war er für ungültig zu erklären. Im übrigen war die Berufung unbegründet.

1. Die Klage ist begründet, soweit der Kläger eine Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zur Überprüfung der an das mangelhafte Dachfenster angrenzenden Dämmung und Dichtungsebenen des Daches, sowie die Ungültigerklärung des diesbezüglichen Negativbeschlusses beantragt hat.

a) Dem stehen entgegen der Meinung der Beklagten weder die Rechtskraft des Urteils vom 08.12.2008 noch die nicht angefochtenen Negativbeschlüsse vom 01.04.2008 (TOP 5c) entgegen.

(1) Die Rechtskraft des Urteils vom 08.12.2008 steht einer erneuten (nun zulässigen) Klage nicht entgegen, weil das Amtsgericht in dem Urteil die Klage lediglich als unzulässig abgewiesen hat. Eine Sachentscheidung bezüglich der geltend gemachten Ansprüche ist durch das Prozessurteil nicht präkludiert: Eine Entscheidung in der Sache ist im Vorprozess gar nicht ergangen.

(2) Die Negativbeschlüsse vom 01.04.2008 entfalten keine Sperrwirkung zum Nachteil des Klägers.

Welcher Regelungsgehalt einem Beschluss beizumessen ist, ist grundsätzlich durch eine objektive Auslegung des Beschlusses aus sich selbst heraus zu ermitteln (BGH NJW 1998, 3713, 3714; OLG München NZM 2006, 703; Spielbauer/Then, WEG, § 23 Rz. 26). Folglich ist auch die Frage, ob ein Negativbeschluss über eine reine momentane Antragsablehnung hinaus auch noch eine Regelung für die Zukunft, etwa eine Sperrwirkung für gleichgelagerte Begehren, trifft, durch eine solch objektive Beschlussauslegung zu klären (OLG München NZM 2006, 703).

Hier ergibt diese Auslegung nichts dafür, dass die Begehren des Klägers durch die Negativbeschlüsse vom 01.04.2008 (TOP 5c) von den Eigentümern in Zukunft ausgeschlossen werden sollten. Der hier vorliegenden bloßen Ablehnung des damals gestellten Antrags kann ein solcher Regelungsgehalt nicht entnommen werden. Denn der Grund der Ablehnung ist nicht erkennbar. Möglich wäre daher etwa auch, dass die Ablehnung damals nur aus formalen Gründen, z.B. wegen einer Nichtwahrung der Einladungsfrist oder unzureichender Informationen, erfolgte.

Eine reine Antragsablehnung, wie sie hier erfolgte, lässt deswegen nicht den Schluss zu, dass die Wohnungseigentümer damit automatisch das Gegenteil des Beschlussantrags rechtsverbindlich auch für die Zukunft regeln wollten (BGH NJW 2001, 3339, 3343; Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 23 Rz. 58; Drabek in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 23 Rz. 62). Ein solcher Negativbeschluss steht daher einer späteren positiven Beschlussfassung nicht entgegen (BGH NJW 2002, 3704, 3705; OLG München NZM 2007, 522, 523; Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 23 Rz. 58; Drabek in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 23 Rz. 62).

b) Der Anspruch des Klägers auf Überprüfung der Dämmung und der Dichtungsebenen im Umfeld des undichten Dachfensters ergibt sich aus §§ 21 IV, 21 V Nr. 2 WEG.

(1) Die Normen werden bezüglich der Dachdämmung und –abdichtung nicht durch § 6 der Gemeinschaftsordnung modifiziert. § 6 der Gemeinschaftsordnung erfasst diese notwendigen Bestandteile des Daches und damit des gemeinschaftlichen Hauses nicht. Sie werden, anders als etwa die Außenfenster, in der Bestimmung nicht gesondert aufgeführt. Anders als die Fenster, durch die zunächst einmal nur der jeweilige Sondereigentümer blicken kann, dienen diese Bauteile ihrem Hauptzweck nach im übrigen nicht nur dem Sondereigentümer der unmittelbar darunter gelegenen Wohnung, sondern vielmehr allen Eigentümern, deren Sondereigentum in dem gemeinschaftlichen Anwesen liegt: Es handelt sich um das einheitliche Dach des Hauses und damit aller seiner Sondereigentumseinheiten; ohne dieses Dach (und die dazu notwendig gehörende Dämmung und Dichtung) könnte von einem kompletten Gebäude überhaupt nicht die Rede sein (LG München I ZMR 2010, 250).

(2) Die Beklagten sind hier nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung auch verpflichtet, einer Überprüfung der um das schadhafte Dachfenster gelegenen Dachteile zuzustimmen.

Zwar besteht, worauf der Beklagtenvertreter zutreffend hingewiesen hat, bei der Beschlussfassung über Verwaltungsmaßnahmen grundsätzlich ein weiter Ermessenspielraum der Eigentümergemeinschaft (BayObLG NZM 2004, 746, 747; Spielbauer/Then, WEG, § 21 Rz. 23).

Dieses Ermessen ist indes bezüglich einer Überprüfung des Daches auf Null reduziert. Denn der von dem Kläger eingeschaltete Privatgutachter hat in nach Ansicht der Kammer überzeugender und schlüssiger Weise dargelegt, dass es erforderlich sei, die in dem Bereich des nicht richtig abgedichteten Dachfensters befindlichen Dachbauteile auf Feuchteschäden zu untersuchen. Diese plausible Einschätzung eines Fachmannes durfte die Gemeinschaft nicht ignorieren. Vielmehr war sie gehalten, den Rat des Experten aufzugreifen und die geforderte Überprüfung durchzuführen.

(3) Dieser Überprüfungspflicht ist die Gemeinschaft nach dem Parteivortrag nicht ausreichend nachgekommen. Der allgemeine Vortrag der Beklagten, die Hausverwaltung habe auf die Mängelanzeigen im Jahr 2006 einmal eine Untersuchung durch eine Fachfirma veranlasst, die keine Mängel an der Eindeckung sowie am Dachunterbau ergeben habe, reicht hierzu – wie die Kammer in der mündlichen Verhandlung am 23.05.2011 dargelegt hat – nicht. Denn erstens ist schon zweifelhaft, ob die Untersuchung genau genug war, weil ansonsten wohl das schadhafte Dachfenster aufgefallen wäre. Zum anderen erforderten die Privatgutachten von März und August 2007 eine Überprüfung des Daches im Jahr 2007. Etwaige Untersuchungen aus dem Vorjahr reichen hierfür nicht, weil zwischen ihnen und dem Gutachten einige Zeit vergangen war, in der Schäden hätten entstehen können.

c) Der Anspruch aus § 21 IV WEG ist entgegen der Meinung des Amtsgerichts nicht verjährt.

(1) Es gilt die reguläre Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB. Die Frist beginnt gemäß § 199 I BGB am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Kläger von den anspruchsbegründenden Umständen und dem Anspruchsgegner Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

(2) Kenntnis hat der Kläger von dem schadhaften Dachflächenfenster als Ursache der Feuchtigkeitsschäden und dem daraus resultierenden Bedarf, das umliegende Dach zu prüfen, erst durch die Gutachten aus dem Jahr 2007 erlangt. Bei Klageerhebung im Jahr 2010 war demnach Verjährung noch nicht eingetreten.

Von einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers schon 2006 kann nach Ansicht der Kammer nicht ausgegangen werden. Eine solche kann vorliegen, wenn der Geschädigte, der sich Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe hätte beschaffen können, die auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit nicht ausnutzt (Palandt/Ellenberger, 70. Aufl., § 199 Rz. 40). Hier brauchte es aber relativ teurer Gutachten, um die Ursachen der Problematik aufzuklären und also durchaus nennenswerter Mühen des Klägers. Im übrigen war es sachgerecht, jedenfalls nicht grob fahrlässig, dass der Kläger auf die erste Mängelanzeige durch seinen Mieter im Juni 2006 nicht sofort die Gutachten in Auftrag gab, sondern noch einige Zeit damit zuwartete. Es war eben nicht ausgeschlossen, dass die Feuchtigkeit allein auf einem falschen Lüftungsverhalten des Bewohners beruhte und sich das Problem somit bei größerer Aufmerksamkeit des Mieters von allein lösen würde.

d) In der Rechtsfolge hielt es die Kammer für erforderlich, den entsprechenden Klageantrag in diesem Punkt dahingehend zu präzisieren, dass es um die Überprüfung der um das Dachfenster gelegenen Dachdämmung und Dachabdichtung geht. Genau diese Bauteile hat der Gutachter konkret angesprochen. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung hiergegen keine Einwände erhoben.

2. Im übrigen ist die Berufung des Klägers unbegründet.

a) Ein Anspruch des Klägers auf eine Erneuerung der Dachbauteile, deren Mangelhaftigkeit bei der noch vorzunehmenden Überprüfung des Daches durch die Gemeinschaft möglicherweise zutage treten könnte, besteht derzeit nicht. Es ist momentan vollkommen unklar, zu welchem Ergebnis die Untersuchung der Dachdämmung und –abdichtung im Umfeld des undichten Fensters führt. Folglich kann im Moment auch noch nicht abgesehen werden, ob und ggf. welcher Instandsetzungsbedarf insoweit vorhanden ist. Bei dieser unklaren Sachlage kann die Gemeinschaft nicht gemäß § 21 IV WEG verpflichtet werden, einer etwaig erforderlichen Erneuerung von Bauteilen schon jetzt – blanko – zuzustimmen.

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Erneuerung des Dachflächenfensters.

Zwar liegt auch insoweit aus den dargelegten Gründen keine Verjährung vor. Der Anspruch des Klägers aus §§ 21 IV, 21 V Nr. 2 WEG besteht jedoch nicht, weil nach § 6 I a) bb) der Gemeinschaftsordnung die Behebung des Mangels des Dachfensters dem Kläger, nicht der Gemeinschaft obliegt.

(1) § 6 I a) bb) der Gemeinschaftsordnung regelt in Abweichung von § 21 I, V Nr. 2 WEG, dass die Instandhaltung und Instandsetzung namentlich der Außenfenster in einer Sondereigentumseinheit vom jeweiligen Sondereigentümer auf eigene Rechnung vorzunehmen ist. Eine derartige Modifizierung der § 21 I, V Nr. 2 WEG durch Vereinbarung ist gemäß § 10 II 2 WEG zulässig (Spielbauer/Then, WEG, § 21 Rz. 1; Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 27 Rz. 19).

(2) § 6 I a) bb) der Gemeinschaftsordnung ist nach Ansicht der Kammer so auszulegen, dass davon auch die Pflicht zur Beseitigung anfänglicher Mängel, also insoweit auch die Pflicht zur ordnungsgemäßen Erstherstellung des Fensters auf den Sondereigentümer verlagert wird. Um letztere geht es hier, weil nach den Erkenntnissen des Privatgutachters das Dachfenster von vornherein nicht für die ordnungsgemäße Belüftung der Küche geeignet und also von Anfang an konstruktionsbedingt mangelhaft war.

(a) Nach herrschender Meinung soll allerdings eine Regelung wie die vorliegende, durch die die Instandsetzung einzelner Bestandteile des Gemeinschaftseigentums einem Sondereigentümer auferlegt wird, nicht eine erstmalige Herstellung des Gemeinschaftseigentums erfassen (BayObLG ZMR 1996, 574; NJOZ 2003, 402; OLG München NZM 2007, 369; Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 21 Rz. 88 a.E.; Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 16 Rz. 16; Drabek in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 21 Rz. 134; einschränkend KG ZMR 2009, 135: „im Zweifel“).

(b) Die Kammer teilt diese Rechtsauffassung in Bezug auf die vorliegende Bestimmung der Gemeinschaftsordnung nicht.

Der Regelungsgehalt der im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ist durch objektiv-normative Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist also der Wortlaut und der Sinn, wie er sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BGH NJW 2004, 3413, 3415 f.; KG ZMR 2009, 135; Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 10 Rz. 27).

Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass auch die erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Dachfensters, d.h. auch die Behebung eines anfänglichen Mangels an selbigem von § 6 I a) bb) der Gemeinschaftsordnung erfasst wird.

(aa) Dafür spricht der Wortlaut.

Demnach wird die „Instandsetzung“ der Außenfenster dem einzelnen Eigentümer aufgebürdet. Nach allgemeiner Meinung stellt aber die erstmalige Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands des Gemeinschaftseigentums eine Instandsetzung im Sinne des § 21 V Nr. 2 WEG dar (BGH NJW 2007, 1952, 1953; BayObLG NJW 1981, 690; NJW-RR 1989, 1293; Spielbauer/Then, WEG, § 21 Rz. 52; Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 21 Rz. 89; Vandenhouten in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 21 Rz. 64; Drabek in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 21 Rz. 192).

Der Bestimmung des § 6 Gemeinschaftsordnung ist jedoch nicht ansatzweise zu entnehmen, dass der Rechtsbegriff der Instandsetzung in einem vom Gesetz (§ 21 V Nr. 2 WEG) abweichenden Sinn gemeint sein sollte.

(bb) Dafür, dass § 6 der Gemeinschaftsordnung auch die erstmalige Herstellung umfasst, spricht auch die Systematik.

Die Regelung nimmt ausdrücklich nur den Außenanstrich von der Überwälzung der Instandsetzungspflichten bezüglich der Fenster auf den einzelnen Eigentümer aus, um eine einheitliche Außenansicht zu gewährleisten. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass weitere Ausnahmen zu dem statuierten Grundsatz nicht gewollt sind, d.h., dass von dem Außenanstrich abgesehen alle Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bezüglich der Fenster der Sondereigentümer erledigen soll.

(cc) Bestätigt wird dies durch Sinn und Zweck der Regelung.

Durch die Regelung soll die Verantwortung für die Außenfenster weitestgehend dem Sondereigentümer übertragen werden. Eine Differenzierung nach anfänglichem und nachträglichem Mangel ist dabei sachlich nicht gerechtfertigt. Denn für die aktuellen Interessen der Parteien macht es keinen maßgeblichen Unterschied, ob Feuchtigkeit eindringt, weil das Fenster von Anfang an marode war oder weil das Fenster erst später marode wurde. Die Beseitigung anfänglicher Baumängel des Gemeinschaftseigentums berührt die Interessen der Wohnungseigentümer in gleicher Weise, wie später, etwa nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, auftretende Mängel (BGH NJW 2007, 1952, 1953). Der Kläger ist indem einen Fall nicht mehr oder weniger schutzwürdig als der andere. Entsprechendes gilt für das Interesse der Beklagten an einer Übertragung der Verantwortung bezüglich des Fensters.

(dd) An dieser Bewertung ändert sich nichts dadurch, dass bezüglich der anfänglichen Baumängel am Gemeinschaftseigentum – im Gegensatz zu nachträglichen Mängeln – möglicherweise Gewährleistungsansprüche sämtlicher Eigentümer gegenüber dem Bauherren bestehen.

Zum einen sind derartige durchsetzbare Ansprüche im vorliegenden Fall schon wegen des Zeitablaufs – die Teilungserklärung datiert vom 14.12.1983 – nicht ersichtlich.

Zum anderen geht es bei § 6 I a) der Gemeinschaftsordnung um einen ganz anderen Regelungsbereich. Bei der Frage der Gewährleistungsrechte geht es um das Außenverhältnis der Eigentümer zum Bauherren. Demgegenüber regelt § 6 I a) der Gemeinschaftsordnung ausschließlich das Innenverhältnis der Eigentümer untereinander und betrifft also letztlich die Frage, wen die Instandsetzungspflicht trifft, wenn das Problem nicht schon durch erfolgreiche Inanspruchnahme des Bauherren gelöst wurde oder gelöst werden konnte.

Die Einbeziehung der erstmaligen Herstellung in § 6 I a) der Gemeinschaftsordnung beschränkt aufgrund dieser unterschiedlichen Regelungsbereiche nicht etwaige Ansprüche gegenüber dem Bauherren. Es ist auch nicht zu befürchten, dass andere Eigentümer, die noch über durchsetzbare Ansprüche gegenüber dem Bauherren verfügen, diese nicht mehr geltend machen, weil die Instandsetzungslast insoweit allein den konkret betroffenen Sondereigentümer trifft. Denn dieser hätte jedenfalls einen Anspruch gegen jene aus dem gemeinschaftsrechtlichen Treueverhältnis, etwaige Ansprüche geltend zu machen oder zumindest an den betroffenen Eigentümer abzutreten bzw. ihn wenigstens zur Geltendmachung zu ermächtigen.

c) Aus dem soeben Gesagten ergibt sich auch, dass der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Erstattung der Gutachterkosten hat. Denn die Gutachterkosten wurden aufgewandt, um das Dachfenster als Schadensursache zu ermitteln. Dieses Fenster auf eigene Rechnung instandzusetzen (und also auch die hierzu erforderlichen Gutachterkosten zu tragen) ist aber nach § 6 I a) bb) der Gemeinschaftsordnung eine Pflicht des Klägers, nicht der Beklagten.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO. Der Kläger obsiegt bezüglich eines von drei Begehren teilweise (nämlich bezüglich der Dachüberprüfung, nicht dagegen bezüglich des Antrags auf eine etwaige Erneuerung dadurch festgestellter mangelhafter Dachbauteile). Die Kammer schätzt den Obsiegensanteil des Klägers deswegen auf etwas weniger als 1/3, mithin auf 25 %.

2. Die Revision war gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO im Tenor ausgesprochenen Umfang zuzulassen. Die Rechtsansicht der Kammer, dass die in § 6 I a) bb) der Gemeinschaftsordnung enthaltene Regelung, wonach die Instandsetzung von Außenfenstern im Bereich einer Sondereigentumseinheit der jeweilige Sondereigentümer auf eigene Rechnung durchführen muss, auch eine erstmalige Herstellung umfasst, weicht von der herrschenden Meinung, namentlich von Entscheidungen des OLG München und des BayObLG für entsprechende Vereinbarungen ab.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht für die Klagepartei auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und für die beklagte Partei auf § 709 ZPO.

4. Die Streitwertfestsetzung erfolgte in der mündlichen Verhandlung.