OLG München, Beschluss vom 05.08.2010 - 31 Wx 001/10
Fundstelle
openJur 2012, 110277
  • Rkr:
Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Festsetzung des Geschäftswerts bleibt vorbehalten.

Gründe

I.

Der Erblasser ist am 11.9.2008 im Alter von 78 Jahren verstorben. Er war in einziger Ehe verheiratet mit L. F.. Die Ehe wurde rechtskräftig geschieden. Aus ihr ist der Beteiligte zu 2 hervorgegangen. Seit 1967 lebte der Erblasser in Lebensgemeinschaft mit der Beteiligten zu 1. Aus dieser Verbindung sind keine Kinder hervorgegangen.

Am 15.7.1975 verfasste der Erblasser folgendes Testament:

„(Ort), den 15.7.1975        Testament        Im Falle meines Todes setze ich (Erblasser) Frau E. (= Beteiligte zu 1) zur Alleinerbin all dessen ein, was ich besitze und sich im Haus (Ort) befindet. Ferner gehört ihr im Falle meines Todes mein ganzes Bargeld und mein Sparvermögen. Dies ist deshalb mein letzter Wille, weil Frau E. (= Beteiligte zu 1) die einzige Frau ist die mir jemals Gutes getan hat. Für meine geschiedene Frau L. F. (Ort) bzw. meinen Sohn P.F. (= Beteiligter zu 2) habe ich eine Lebensversicherung abgeschlossen, ferner einen Bausparvertrag. Die Policen befinden sich im Haus (Ort).        Dies ist das einzige von mir bei vollem Bewusstsein verfasste Testament.        (Ort), 15.7.1975                                                  (Unterschrift).“Am 14.10.1984 verfasste der Erblasser ein weiteres Testament:

„(Ort), den 14.10.1984        Testament        1. Ich (Erblasser) setze hiermit Frau E. (= Beteiligte zu 1) zu meinem Alleinerben ein.        2. Zum Ersatzerben bestimme ich den Neffen von Frau E. (= Beteiligte zu 1), Herrn A. N. (Ort).        (Unterschrift).“Die Beteiligte zu 1 hat am 16.3.1979 ebenfalls ein eigenhändiges Testament errichtet, in dem sie den Erblasser zu ihrem Alleinerben im Falle ihres Todes eingesetzt hatte. Der Erblasser und die Beteiligte zu 1 erwarben 1984 jeweils einen Hälfteanteil an einer Eigentumswohnung in der O.-Straße in A.; den Anteil des Erblassers an der Wohnung kaufte die Beteiligte zu 1 im Dezember 2005. Des Weiteren kauften der Erblasser und die Beteiligte zu 1 im Jahre 1995 eine Eigentumswohnung in E.. Der Protokollierungstermin fand bei Notar E. in A. am 28.8.1995 statt.

Am 11.9.1995 errichtete der Erblasser zwei Testamente:

„Testament        Eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen. Vermächtnisweise erhält F.E. (= Beteiligte zu 1), meine Lebensgefährtin, meinen Anteil an der Eigentumswohnung mit Tiefgaragenstellplatz in E. (Ort)        (Ort) 11.9.1995                                                 (Unterschrift)“        „Testament        Eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen. Vermächtnisweise erhält F.E. (= Beteiligte zu 1), meine Lebensgefährtin, meinen Anteil an der Eigentumswohnung in A. (Ort).        (Ort) 11.9.1995                                                  (Unterschrift).“Die Beteiligte zu 1 beruft sich auf das Testament vom 14.10.1984 und beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist. Der Beteiligte zu 2 ist dem entgegen getreten. Er ist der Auffassung, dass der erste Satz in dem Testament vom 11.9.1995 nur dahingehend ausgelegt werden könne, dass sich der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung dieser Testamente nicht schlüssig gewesen sei, wen er als Erben einsetzen wolle, oder ob er - wie geschehen - keine Verfügung mehr treffen und damit gewollt habe, dass sein Sohn gesetzlicher Erbe würde und selbst, wenn er den Gedanken, die Beteiligte zu 1 als Erbin noch einzusetzen, noch nicht ganz aufgegeben habe, auf jeden Fall frei sein wollte, dies noch zu entscheiden. Bei Abfassung dieser Testamente habe der Erblasser jedenfalls nicht gewollt, dass die Beteiligte zu 1 Erbin werden sollte und habe dies zum Ausdruck gebracht, was gleichzeitig die Aufhebung des früheren Testaments beinhalte.

Dem gegenüber gab die Beteiligte zu 1 an, dass die frühere Erbeinsetzung durch die Testamente vom 11.9.1995 nicht aufgehoben werden sollte. Im Laufe des Notartermins hätten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 nachgefragt, wie man verhindern könne, dass der Beteiligte zu 2 letztlich im Falle des Todes des Erblassers an dem Wert der Wohnungen Teil haben könne. Die Beteiligte zu 1 habe eine Aussage des Notars notiert und der Erblasser habe sodann zu Hause die nachfolgenden Testamente errichtet. Die frühere Erbeinsetzung sollte durch die Testamente vom 11.9.1995 nicht aufgehoben werden. Bei dem Notartermin hätten sie und der Erblasser in Erinnerung gehabt, dass sie sich in getrennten Testamenten jeweils gegeneinander als Erben eingesetzt hätten. Von den früheren Testamenten habe der Notar keine Kenntnis gehabt. Die Formulierung „eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen“ sei vom Notar übernommen worden, ohne damit zum Ausdruck zu bringen, dass die früheren Erbeinsetzungen nicht mehr Bestand haben sollten. Zu den früheren Erbeinsetzungen sollten die Vermächtnisse lediglich unterstützend hinzukommen, um eine irgendwie geartete Beteiligung des Beteiligten zu 2 zu verhindern.

Nach Anhörung des Beteiligten zu 2 und der Einholung einer schriftlichen Aussage des Notars E. wies das Nachlassgericht mit Beschluss vom 1.4.2009 den Antrag der Beteiligten zu 1 zurück. Gegen den Beschluss legte die Beteiligte zu 1 Beschwerde ein. Das Nachlassgericht hörte nochmals die Beteiligte zu 1 an und half schließlich mit Beschluss vom 20.7.2009 der Beschwerde nicht ab. Mit Beschluss vom 22.12.2009 hob das Landgericht nach erneuter Anhörung der Beteiligten zu 1 den Beschluss des Nachlassgerichts auf und wies dieses an, der Beteiligten zu 1 einen Erbschein zu erteilen, in welchem sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausgewiesen ist. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Maßgebend für die Erbfolge sei das Testament vom 14.10.1984, in dem der Erblasser die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin eingesetzt habe. Die Testamente vom 11.9.1995 stünden dem nicht entgegen. Sie enthielten zusätzlich Vermächtnisse für die Beteiligte zu 1. Solche Vorausvermächtnisse könnten auch dem alleinigen Erben zugewendet werden, obgleich niemand sein eigener Gläubiger und Schuldner sein könne. Gleichwohl würden sie nach herrschender Meinung als Vermächtnis gelten und seien als solche zu behandeln. Dem Testament vom 4.10.1984 stünden auch nicht die Formulierungen in den Testamenten vom 11.9.1995 entgegen, soweit der Erblasser darin erklärt habe, „eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen“. Der Notar und seine Mitarbeiter hätten sich an den konkreten Termin nicht erinnern können. Er habe das geschildert, was üblicherweise in einem Notariat erklärt werde, wenn Käufer gemeinsam Grundbesitz erwerben und eine erbrechtliche Problematik sich ergäbe. Man müsse hier von der Aussage der Beteiligten zu 1 ausgehen, die sich an den Termin erinnern könne. Der Erblasser und die Beteiligte zu 1 hätten dem Notar nicht mitgeteilt, dass sie sich gegenseitig bereits als Alleinerben in getrennten Testamenten erklärt hätten. Beide hätten aber gewusst, dass diese Erbeinsetzungen vorlagen. Der Schluss im angefochtenen Beschluss, dass der Umstand, dass überhaupt eine Vermächtnisanordnung bezüglich zweier Wohnungen zugunsten der Beteiligten zu 1 getroffen worden sei, nur einen Sinn ergäbe, weil sich der Erblasser nicht mehr der früheren Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten bewusst gewesen sei, sei keineswegs zwingend. Die Kammer folge vielmehr der Aussage der Beteiligten zu 1, dass eine Teilhabe des Beteiligten zu 2 an den Wohnungen ausgeschlossen werden sollte. Die Formulierung des Notars „eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen“ sei übernommen worden, ohne ihr den Sinn zu geben, dass die gegenseitigen Erbeinsetzungen damit in Wegfall kommen würden. Diese Auslegung sei so naheliegend auf der Grundlage der Aussage der Beteiligten zu 1, dass in der Formulierung kein Aufhebungswille zu sehen sei. Im vorliegenden individuellen Fall habe der Erblasser mit der Formulierung einen juristischen Ausdruck gebraucht, ohne die Erbeinsetzung abbedingen zu wollen. Es müsse hierzu beachtet werden, dass der Notar mit dem Kauf einer Immobilie beauftragt gewesen sei und nicht um eine erbrechtliche Beratung gebeten worden sei. Dies unterscheide den vorliegenden Fall etwa von dem Tatbestand der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 14.12.2004 (Z 2005, 364). Insgesamt gehe die Kammer davon aus, dass der Erblasser mit den Formulierungen keineswegs die Erbeinsetzung im früheren Testament angetastet haben wollte.

Bei dieser Auslegung ergebe sich, dass die späteren Testamente mit den früheren nicht in Widerspruch stünden (§ 2258 BGB). Der Erblasser sei sich der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 bei dem Notartermin bewusst gewesen. Er habe den Formulierungsvorschlag als Floskel übernommen, ohne ihr einen weiteren Sinn zu geben.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der im Verfahren der weiteren Beschwerde allein möglichen rechtlichen Prüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand. Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Erbfolge nach dem Erblasser aufgrund dessen Testaments vom 14.10.1984 bestimmt.

17Die Testamentsauslegung ist Sache des Tatrichters. Die Überprüfung im Wege der weiteren Beschwerde ist auf Rechtsfehler beschränkt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen oder wesentliche Umstände übersehen wurden (vgl. BGHZ 121, 357/363; BayObLG FamRZ 2002, 269/270; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42; MünchKomm BGB/Leipold 5. Aufl. § 2084 Rn. 157 ff.). Dabei muss die Auslegung des Tatrichters nicht zwingend sein. Es genügt, wenn sie nur möglich ist (BGH FamRZ 1972, 561/562; BayObLG FamRZ 2005, 1933/1934).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Auslegung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Dessen Auslegung, dass die vom Erblasser am 11.9.1995 verfassten Testamente nicht in Widerspruch zu dem Testament vom 14.10.1984 stehen und daher letzteres nicht gemäß § 2258 Abs. 1 BGB aufgehoben wurde, weist keinen Rechtsfehler auf.

a) Ein Widerspruch im Sinne des § 2258 Abs. 1 BGB liegt zum einen dann vor, wenn mehrere letztwillige Verfügungen sachlich nicht vereinbar sind, die getroffenen Anordnungen also nicht nebeneinander Geltung erlangen können, sondern sich gegenseitig ausschließen (BGH NJW 1985, 969). Aber auch bei inhaltlicher Vereinbarkeit mehrerer letztwilliger Verfügungen kann ein Widerspruch dann bestehen, wenn nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen des Erblassers die spätere Verfügung allein und ausschließlich gelten soll, weil der Erblasser mit dem späteren Testament die Erbfolge abschließend und umfassend regeln wollte, sei es insgesamt oder auch nur für einen bestimmten Teilbereich (BGH NJW 1981, 2746; 1985, 969; BayObLG NJW-RR 2002, 1160). Dabei ist es unmaßgeblich, ob der Erblasser bei seiner (späteren) Testierung noch an seine frühere Verfügung überhaupt noch gedacht hat (BayObLG FamRZ 1989, 441).

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht eine sachliche Unvereinbarkeit des Inhalts der Testamente vom 11.9.1995 mit dem des Testaments vom 14.10.1984 verneint. Denn es ist anerkannt, dass auch neben einer Alleinerbeneinsetzung eine weitere Zuwendung in Form eines Vermächtnisses grundsätzlich möglich ist, wobei die weitere Zuwendung dann ein Vorausvermächtnis im Sinne des § 2150 BGB darstellt (BGH NJW 1960, 959; Reimann/Bengel/J. Mayer, Testament und Erbvertrag, 5. Auflage Rn. A 270). Denn wenngleich niemand Gläubiger und Schuldner in eigener Sache sein kann, bietet die zusätzliche Anordnung eines Vermächtnisses besondere Vorteile (z.B. im Hinblick auf §§ 2058, 2110 Abs. 2, § 2372 Abs. 2, vgl. Reimann/Bengel/J. Mayer aaO). Der Einwand des Beschwerdeführers, die Zuwendung eines zusätzlichen Vermächtnisses neben einer Alleinerbenstellung mache keinen erkennbaren Sinn, ist daher grundsätzlich nicht tragend.

c) Es ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht zu dem Schluss gekommen ist, dass die Anordnung der beiden Vermächtnisses zugunsten der Beteiligten zu 1 nur dann einen Sinn ergebe, wenn dem Erblasser die frühere Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 nicht mehr bewusst gewesen sei. Denkbar ist nämlich auch, dass der Erblasser trotz Kenntnis seiner früheren Verfügung infolge der im Zusammenhang mit der Beurkundung des Immobilienerwerbs erteilten Hinweise des Notars fälschlich eine Notwendigkeit angenommen hat, testamentarisch sicherstellen zu müssen, dass die Beteiligte zu 1 nach seinem Tod auf alle Fälle die Immobilien erhält. Ein solcher Schluss ist im Hinblick auf die nach der Stellungnahme des Notars in der Regel vorgeschlagenen erbrechtlichen Regelungen im Falle eines gemeinsamen Immobilienerwerbs - sofern die Beteiligten von der gesetzlichen Erbfolge abweichen wollten - nicht fernliegend, da ein Abschluss eines Erbvertrages von den Beteiligten aus Kostengründen nicht gewollt war und die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments der nicht miteinander verheirateten Immobilienerwerber nicht möglich war.

d) Im Rahmen seiner tatrichterlichen Überzeugungsbildung bezüglich der Kenntnis des Erblassers von der bereits erfolgten Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 konnte sich das Landgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen auf die Angaben der Beteiligten zu 1 stützen. Ohne Erfolg rügt der Beschwerdeführer, das Landgericht habe zu Unrecht die Angaben der Beteiligten zu 1 bezüglich ihrer und des Erblassers Kenntnis von den früheren gegenseitigen Erbeinsetzungen ohne nähere Tatsachenangabe seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Zu Recht weist das Beschwerdevorbringen bereits selbst darauf hin, dass infolge Zeitablaufs die Feststellung näherer Tatsachen hierzu nicht mehr möglich ist. Maßgebend allein kann daher nur die tatrichterliche Überzeugung des Landgerichts hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Angaben der Beteiligten zu 1 über die Kenntnis des Erblassers sein.

Dabei ist es nicht rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung die Angaben der Beteiligten zu 1 als glaubwürdig erachtet hat. Entgegen dem Beschwerdevorbringen musste das Landgericht den Vortrag der Beteiligten zu 1 nicht als widersprüchlich ansehen. Die vom Beschwerdeführer angenommene Notwendigkeit auf die bereits vorliegenden Testamente hinzuweisen, bestand nämlich für den Erblasser und die Beteiligte 1 im Rahmen der Protokollierung eines Immobilienerwerbs gerade nicht. Für die vom Beschwerdeführer behauptete ausdrückliche Frage des Notars nach bereits errichteten Testamenten durch die Beteiligte zu 1 und den Erblasser liegen keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte vor. Der Notar selbst hat bezüglich des Vorgangs keine Erinnerung. Nach Angaben des Notars wird diese Frage im Allgemeinen standardmäßig bei der Errichtung von letztwilligen Verfügungen gestellt, während in Fällen eines gemeinsamen Immobilienerwerbs häufig auf die (allgemeine) erbrechtliche Problematik hingewiesen wird. Die vom Beschwerdeführer behauptete Fragestellung entspricht daher nicht der allgemeinen Verfahrenspraxis des Notars in dem hier vorliegenden Protokollierungstermin eines Immobilienerwerbs. Die vom Notar in seiner Stellungnahme geschilderte Verfahrenspraxis stützt vielmehr die Angaben der Beteiligten zu 1, dass die bereits errichteten Testamente nicht Gesprächsgegenstand im Protokollierungstermin waren. Die nach Angaben der Beteiligten zu 1 vom Notar angeratene Formulierung „eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen“ kann daher - auch unter Zugrundelegung der Stellungnahme des Notars, dass diese Formulierung bei Vorliegen von Erbeinsetzungen in früheren letztwilligen Verfügungen, die aufrecht erhalten werden sollen, in keinem Fall verwendet werde - durchaus erfolgt sein. Denn dieser Ausschluss setzt Kenntnis des Notars vom Vorliegen letztwilliger Verfügungen voraus, was nach den Angaben der Beteiligten zu 1 gerade nicht der Fall war.

Soweit sich der Beschwerdeführer generell gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben der Beteiligten zu 1 wendet, läuft dies im Ergebnis auf den Versuch hinaus, seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen. Damit kann er im Verfahren der weiteren Beschwerde keinen Erfolg haben.

25e) Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht der Formulierung „eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen“ kein zwingendes Indiz für einen Aufhebungswillen des Erblassers bezüglich früherer letztwilliger Verfügungen beigemessen hat.

Unabhängig davon, ob der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung seiner Testamente am 11.9.1995 Kenntnis von seinen früheren letztwilligen Verfügungen hatte oder nicht, setzt der Eintritt der Rechtsfolgen des § 2258 Abs. 1 BGB voraus, dass der Erblasser durch seine neue Verfügung die Erbfolge abschließend und umfassend regeln wollte. Ein solcher Wille ergibt sich jedoch nicht zwingend aus der vom Erblasser gewählten Formulierung. Zwar kann durch diese Formulierung eine „positive“ Testierung vom Erblasser in dem Sinne gewollt sein, dass durch diese Verfügung eine die Erbfolge abschließende und endgültige Regelung getroffen werden soll, dabei aber einerseits frühere Verfügungen nicht mehr gelten sollen, andererseits aber vom Erblasser bewusst keine neue Verfügung getroffen wird (ein solcher Testierwille hätte dann zur Folge, dass die Wirkungen des § 2258 Abs. 1 BGB eintreten). Ebenso gut denkbar ist aber auch eine „negative“ Testierung durch den Erblasser dergestalt, dass er durch diese Formulierung lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass sich sein Testierwillen allein auf die Anordnung eines Vermächtnisses beschränkt.

Welchen Inhalt der Erblasser der gewählten Formulierung beigemessen hat, ist nach den Grundsätzen der individuellen Auslegung zu bestimmen. Es ist also der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Dabei darf sich der Tatrichter nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränken, sondern muss auch alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb des Testaments auswerten, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens beitragen können. Dabei geht es nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte (BGH NJW 1993, 256).

Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Landgerichts gerecht. Das Landgericht konnte zu dem Ergebnis gelangen, dass der Erblasser keinen Aufhebungswillen hinsichtlich der früheren Testamente hatte. Dabei konnte es sich als Indiz auf die Aussage der Beteiligten zu 1 stützen, dass die Intention beider Immobilienerwerber war, den Beteiligten zu 2 an den Wohnungen auszuschließen (hierfür würde im Übrigen auch die zeitnahe Errichtung beider Testamente zu dem Protokollierungstermin am 28.8.1995 wie auch der jeweilige Inhalt der Vermächtnisse hindeuten), und daraus den in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Schluss ziehen, dass sich im Nachgang zu dem Protokollierungstermin der Erblasserwille auf die Anordnung der Vermächtnisse beschränkte. Als weiteren Anhaltspunkt hierfür hätte das Landgericht zudem die Formulierung „heute“ heranziehen können, da diese Formulierung den Schluss nahe legt, dass der Erblasser damit betonen wollte, dass sich sein Testierwille an diesem Tage auf die jeweils in Satz 2 nachfolgende Anordnung eines Vermächtnisses beschränkt.

3. Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde kann erst nach der Bewertung des Nachlasses durch das Nachlassgericht erfolgen. Der Geschäftswert entspricht dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers. Dieses liegt in der Differenz der von ihm erstrebten Alleinerbenstellung und des ihm ohnehin zustehenden Pflichtteilsanspruchs. Er beträgt daher ½ des Nachlasswertes.