VG München, Urteil vom 25.02.2010 - M 22 K 08.203
Fundstelle
openJur 2012, 106302
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

In der Zeit vom 9. Juni 2006 bis 9. Juli 2006 fand in Deutschland die Fußballweltmeisterschaft (WM) statt.

Nach polizeilichen Erkenntnissen war damit zu rechnen, dass die Veranstaltungen von gewaltbereiten Personen aus dem In- und Ausland (sog. Hooligans) zu gewalttätigem Verhalten missbraucht werden sollten.

Zum Schutz der Spiele hatten die zuständigen Behörden ein umfangreiches Sicherheitskonzept auch im Rahmen präventiver Gefahrenabwehr erarbeitet. Unter anderem wurden gegenüber Personen, bei denen aufgrund individualbezogener, konkreter Erkenntnislage von einer Zugehörigkeit zur Hooligan-Szene mit der damit verbundenen Gewaltbereitschaft auszugehen war, Meldeauflagen, Aufenthaltsverbote oder Betretensverbote für neuralgische Bereiche verhängt.

Die Beklagte ist in dieser Weise gegenüber sieben Personen, darunter den Kläger, vorgegangen.

Mit Schreiben vom 11. April 2006 übermittelte das Polizeipräsidium ... (PI ...) - szenekundige Beamte (SKB) - der Beklagten ein sog. „Personagramm“ zum Kläger. Darin heißt es:

„Nachweis der Szenezugehörigkeit

Herr ... hielt sich nachweislich bei den nachfolgend aufgeführten Terminen/ Spielen im Kreis der gewaltbereiten Anhänger des TSV 1860 München auf. Er verkehrt regelmäßig vor und nach den Spielen mit Personen aus dieser Szene. Diese Erkenntnis resultiert aus Wahrnehmungen der SKB München bzw. aus Aktennotizen.

27.08.2000  Pfeddersheim - TSV 1860 München in Ludwigshafen21.07.2001   TSV 1860 München - RKC Waalwijk in Augsburg03.08.2002  Hamburger SV - Manchester City29.10.2003  Alemannia Aachen - TSV 1860 München17.04.2005  TSV 1860 München - 1. FC Saarbrücken08.05.2005  TSV 1860 München - Alemannia Aachen30.07.2005  Sparta Prag - 1. FC Nürnberg12.08.2005  TSV 1860 München - Hansa Rostock09.09.2005  TSV 1860 München - Dynamo Dresden14.10.2005  TSV 1860 München - SC Paderborn26.10.2005  DFB-Pokal-Spiel TSV 1860 München - MSV Duisburg28.10.2005  Regionalligaspiel TSV 1860 München - FC Bayern München II12.02.2006  FC Bayern München - 1. FC NürnbergVerhalten im Veranstaltungsbereich

Am 21. Juli 2001 warf S. während de UI-Cup-Spiels TSV 1860 München - RKC Waalwijk in ... ein Bierglas in den Block der gegnerischen Fans. Das Glas zersprang, Personen wurden nicht getroffen. S. hatte zu diesem Zeitpunkt ein bundesweit wirksames Stadionverbot. Er wurde wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Hausfriedensbruch angezeigt (Az.: ...-...). S. wurde vom AG ... zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,-- € verurteilt).

Am 3. August 2002 kam es anlässlich des Fußballspieles Hamburger SV - Manchester City in Hamburg zu Ausschreitungen zwischen rivalisierenden Hooligans. S. war daran beteiligt und wurde für die Dauer des Spiels in Gewahrsam genommen.

Am 29. Oktober 2003 wurde S. während der DFB-Pokal-Begegnung Alemannia Aachen - TSV 1860 München trotz bestehenden bundesweiten Stadionverbots im Stadion durch SKB aus München identifiziert. Er wurde bis nach Spielende in Gewahrsam genommen und wegen Hausfriedensbruchs angezeigt (Az: ...).

Am 30. Juli 2005 wurde S. bei einer Grenzkontrolle in einem Bus der Nürnberger Problemfanszene angetroffen. Der Bus war unterwegs zum Auswärtsspiel des 1. FC Nürnberg gegen Sparta Prag. S. wurde von den dortigen Polizeikräften in Gewahrsam genommen, um eine tätliche Auseinandersetzung mit Prager Hooligans zu verhindern.

Am 12. Februar 2006 kam es im Vorfeld der Begegnung FC Bayern München - 1. FC Nürnberg zu einer Drittortauseinandersetzung zwischen den jeweiligen Hooligan-Gruppen in der Münchner Innenstadt. Auf einem Überwachungsvideo einer nahegelegenen U-Bahnstation konnte S. kurz nach der Tatzeit identifiziert werden.

Sonstige Erkenntnisse

Am 29. Oktober 1997 entwendete S. Waren im Wert von ca. 13,-- € aus einem Geschäft (Az.: ...). Das Verfahren wurde nach § 45 I JGG eingestellt.

Am 5. März 1999 wurde S. wegen Verwendens verfassungsfeindlicher Kennzeichen angezeigt, da er ein sog. Keltenkreuz auf einen Finger tätowiert hatte, was bei einer Verkehrskontrolle bemerkt wurde (Az.: ... Das Verfahren wurde nach § 45 I JGG eingestellt.

Am 22. April 2000 beging S. eine gefährliche Körperverletzung, indem er bei einem Diskobesuch in München gemeinschaftlich auf eine Person einschlug (Az.: ...). Das Verfahren wurde nach § 170 II StPO eingestellt.

Am 14. Januar 2001 wurde S. in einer größeren Personengruppe angetroffen, die äußerlich der Skinhead-/Hooliganszene zuzuordnen war. Die Mitglieder dieser Gruppe führten teilweise dicke Handschuhe und Mundschutz mit und wollten sich augenscheinlich gegenseitig schlagen, was durch die Polizei verhindert werden konnte. Ein Zusammenhang mit einem konkreten Fußballspiel bestand nicht.

Bisherige Maßnahmen

Gewalttäter-Sport-Einträge:

Am 21. September durch PI Nürnberg-Süd, SKB wegen Gewahrsamnahme im Vorfeld einer Schlägerei am 30. Juli 2005 (Löschdatum: 30.7.2010, Az.: ...).

Am 12. August 2002 durch PP Hamburg ZD 64 wegen Gewahrsamnahme im Vorfeld der Begegnung Hamburger SV - Manchester City, 3. August 2002 (Löschdatum: 2.8.2007, Az.: ...).

Am 8. Dezember 2003 durch PP Aachen, PI 2, SKB wegen Hausfriedensbruch während der Begegnung Alemannia Aachen - TSV 1860 München, 29. Oktober 2003 (Löschdatum: 28.10.2008, Az.: ...).

Am 5. April 2006 durch K 124 wegen Auseinandersetzung vor der Begegnung TSV 1860 München - Dynamo Dresden, 9. September 2005 (Löschdatum: 8.9. 2010, Az.: ...).

Stadionverbot:

Gegen S. wurde ein bundesweit wirksames Stadionverbot gültig bis 31. Dezember 2008 verhängt.

Meldeauflagen (inaktuell):

Anlässlich des Länderspiels Slowakei - Deutschland in Bratislava am 3. September 2005 wurde durch das KVR München gegen S. eine Meldeauflage ausgesprochen. Bei der Zustellung wurde den Polizeibeamten nicht geöffnet, obwohl offensichtlich eine Person in der Wohnung war (Licht brannte, Person blickt durch Türspion). Er kam der Meldeauflage letztlich jedoch nach.

ED-Behandlung:

S. wurde am 27. Januar 2003 durch das K 312 des PP München erkennungsdienstlich behandelt. TBV-Nr.: ...

Aktuell anhängige Verfahren:

Am 9. September 2005 kam es im Zusammenhang mit einem Fußballspiel zu einer Schlägerei zwischen den rivalisierenden Hooligan-Gruppen von TSV 1860 München und Dynamo Dresden an einer Münchner U-Bahnstation (Az.: ...), an der auch S. beteiligt war. Das Verfahren wird derzeit bei der Staatsanwaltschaft München I bearbeitet.

Gefährderansprache / Reiseerkenntnisse:

Eine Gefährderansprache mit Herrn S. wird in naher Zukunft von szenekundigen Beamten durchgeführt. Die dabei erlangten Erkenntnisse werden nachgereicht.

Prognose:

Herr S. ist nach wie vor ein aktiver Angehöriger der Münchner Hooligan-Szene. Bevor das Stadionverbot erlassen wurde, besuchte er regelmäßig Spiele des TSV 1860 München. Aufgrund der oben angeführten Erkenntnisse ist anzunehmen, dass er die FIFA-WM 2006 zum Anlass nehmen wird, bundesweit inmitten der Münchner Hooligans Gewalttaten gegen Personen und Sachen zu verüben.“

Mit Schreiben vom 11. Mai 2006 und vom 17. Mai 2006 wurde der Kläger zu den beabsichtigten Maßnahmen gegen ihn gehört. Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums ... sei der Kläger dem gewaltbereiten Personenkreis zuzurechnen, welcher regelmäßig bei Fußballspielen in Erscheinung trete. Es seien auch fünf deliktische Auffälligkeiten des Klägers gemeldet worden.

Am 26. Mai 2006 äußerte der Kläger, er stehe zwar in der Datei „Gewalttäter Sport“, er sei aber kein „aktiver Hooligan“. Er habe nicht vor - und hatte dies auch nicht -, ein Spiel der deutschen oder sonstigen Nationalmannschaft zu besuchen. Durch die Meldeauflagen befürchte er Verdienstausfall, er behalte sich eine Schadensersatzklage gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG mit Durchgriff auf den handelnden Beamten vor.

Mit Bescheid vom ... 2006 ergingen gegenüber dem Kläger folgende Anordnungen:

„1. Meldeauflage :

Sie haben sich unter Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises täglich vom 8. Juni 2006 bis einschließlich 10. Juli 2006, jeweils zwischen 7.00 Uhr und 9.00 Uhr morgens sowie jeweils zwischen 17.00 Uhr und 19.00 Uhr abends bei der für Sie örtlich zuständigen Polizeidienststelle (PI ..., ..., ...) zu melden.

Sollten Sie sich an einem dieser Meldetermine aus zwingenden Gründen nicht bei Ihrer zuständigen Polizeidienststelle in München persönlich melden können, sprechen Sie das weitere Verfahren bereits im Vorfeld mit dem Kreisverwaltungsreferat (siehe Briefkopf) oder mit der zuständigen Polizeidienststelle ab. Die Hinderungsgründe sind hierbei nachzuweisen.

2. Betretungsverbote :

Es wird Ihnen untersagt, während der gesamten Dauer der Fußballweltmeisterschaft (vom 9. Juni 2006 bis einschließlich 9. Juli 2006)

- den public-viewing-Bereich im Olympiapark plus angrenzender Bereiche (siehe Anlage 1) sowie

- den Bereich Fanbotschaften Marienhof (siehe Anlage) 2

zu betreten.

Diese Verbote gelten jeweils von 8.00 Uhr bis 3.00 Uhr des Folgetages.

Die darunterliegenden U- und S-Bahn-Bereiche sind ausgenommen. Die als Anlagen beigefügten Pläne sind Bestandteil des Bescheides.

3. Betretungsverbot:

Es wird Ihnen untersagt, an den Spieltagen 9. Juni 2006 (Eröffnungsspiel), 14. Juni 2006, 18. Juni 2006, 21. Juni 2006, 24. Juni 2006 (Achtelfinale) und 5. Juli 2006 (Halbfinale) den Bereich des FIFA WM-Stadions ‚Allianz-Arena’ (siehe Anlage 3) zu betreten. Der als Anlage beigefügte Plan ist Bestandteil dieses Bescheides.

4. Aufenthaltsverbot:

Es wird Ihnen untersagt, sich an den Spieltagen 9. Juni 2006 (Eröffnungsspiel), 21. Juni 2006 (Vorrundenspiel), 24. Juni 2006 (Achtelfinale) und 5. Juli 2006 (Halbfinale) in den in den Anlagen 4, 5, 6, 7 aufgeführten Bereichen der Münchner Altstadt - Fußgängerbereich - aufzuhalten. Die als Anlagen beigefügten Pläne sind Bestandteil dieses Bescheids.

5. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1., 2., 3. und 4. dieses Bescheides wird angeordnet.

6. Für den Fall, dass Sie gegen eine oder mehrere der unter den Ziffern 1., 2., 3. und 4. dieses Bescheides ausgesprochenen Anordnungen verstoßen, wird jeweils ein Zwangsgeld von 1.000,-- € fällig.

7. Die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) haben Sie zu tragen.

8. Die Gebühr für diesen Bescheid wird auf 75,-- € festgesetzt. Die Auslagen für die Zustellung (5,07 €) haben Sie ebenfalls zu erstatten.

Auf die ausführliche Begründung des 20-seitigen Bescheides, der sich wesentlich auf das übersandte Personagramm stützt, wird verwiesen.

Eilrechtsschutz wurde gegen den Bescheid nicht geltend gemacht.

Gegen den Bescheid erhob der Bevollmächtigte des Klägers am ... 2006 Widerspruch und begründete diesen damit, dass die Anordnungen nicht verhältnismäßig und deshalb rechtswidrig seien. Nachdem die angekündigte ausführliche Begründung auch nach vier Wochen nicht erfolgte, legte die Beklagte die Sache der Widerspruchsbehörde vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom ... 2006 , zugestellt am ... 2006, stellte die Regierung von ... das Widerspruchsverfahren in der Hauptsache ein, wies den Widerspruch im Übrigen zurück, legte dem Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf und setzte Gebühren in Höhe von 50,-- € fest. Die Hauptsache sei wegen Erledigung durch Zeitablauf einzustellen gewesen, die Kosten habe der Kläger deswegen zu tragen, weil der Widerspruch aus den zutreffenden Gründen des Ausgangsbescheids insgesamt ohne Erfolg geblieben wäre.

Am 12. Januar 2007 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte:

I. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten (Az.: ...) vom ... 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von ... (Az.: ...) vom ... 2006, zugestellt am ... 2006, rechtswidrig war.

II. Der Bescheid der Beklagten (Az.: ...) vom ... 2006 wird in Nrn. 7 und 8 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von ... (Az.: ...) vom ... 2006, zugestellt am ... 2006, wird in Nrn. 2., 3., 4.1 und 4.2 aufgehoben.

Die Klage wurde am 1. März 2007 begründet. Der Kläger habe ein Interesse an der begehrten Feststellung, weil auch in Zukunft in München Fußball-Länderspiele ausgetragen würden und außerdem im Jahr 2008 die Fußball-EM in Österreich und der Schweiz ausgetragen werde, weswegen zu befürchten sei, dass der Kläger erneut Adressat gleichartiger Bescheide werde. Die Tatsachenbasis des Bescheides sei falsch. Das Stadionverbot habe nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Eintragung in der Datei „GTS“ habe bei der Gefahrenprognose nicht verwendet werden dürfen. Die verhängten Maßnahmen seien außerdem unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 5. April 2007 beantragte die Beklagte

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Zugehörigkeit des Klägers zur gewaltbereiten Hooligan-Szene sei durch die detaillierten polizeilichen Erkenntnisse belegt. Das bundesweite Stadionverbot habe bei Bescheidserlass sehr wohl bestanden; es sei erst am 19. Oktober 2006 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben worden. Die Eintragung in der Datei „GTS“ habe berücksichtigt werden dürfen; die Eintragung sei aber davon abgesehen nur eines von vielen Indizien für die Gefährlichkeit des Klägers gewesen.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2009, zugestellt am 14. Oktober 2009, forderte das Gericht den Bevollmächtigten des Klägers gemäß § 92 Abs. 2 VwGO auf, innerhalb von zwei Monaten substantiiert zur Klageerwiderung der Beklagten Stellung zu nehmen.

Mit Fax vom 14. Dezember 2009 bestritt der Bevollmächtigte des Klägers mit Nichtwissen, dass es überhaupt eine Münchner Hooligan-Szene gebe bzw. im Jahr 2006 noch gegeben habe. Der Kläger habe damit jedenfalls nichts zu tun. Das bundesweite Stadionverbot hätte von der Beklagten eigenständig auf seine Rechtmäßigkeit geprüft werden müssen. Die Datei „GTS“ sei mangels entsprechender Rechtsgrundlage unbeachtlich.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2010, verwiesen.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Das Feststellungsbegehren ist bereits unzulässig, da das gemäß § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom ... 2006 und des Widerspruchsbescheides vom ... 2006 fehlt.

Die in der Klagebegründung vom 1. März 2007 geltend gemachte Wiederholungsgefahr - eine von der Rechtsprechung anerkannte Fallgruppe des Feststellungsinteresses bei vergangenen Rechtsverhältnissen (statt aller siehe Sodan/Ziekow, VwGO, 2010, § 43 Rd.Nr. 73 ff.) - liegt nicht vor. Diese Fallgruppe ist anzunehmen, wenn die hinreichend konkrete Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (siehe Sodan/Ziekow, VwGO, 2010, § 43 Rd.Nr. 91 mit weiteren Hinweisen aus der Rechtsprechung). Davon kann hier keine Rede sein. Die Gefahrenprognose der Beklagten basierte auf den spezifischen Gegebenheiten der Fußball-WM 2006 in Deutschland und der darauf bezogenen allgemeinen und individuellen polizeilichen Lagebeurteilung. Die Prognose lässt sich deshalb nicht ohne Weiteres auf andere Fußballspiele in Deutschland oder anderen Ländern übertragen. Jedes Spiel erfordert seine eigene Risikoeinschätzung. Die Unbegründetheit der Befürchtungen des Klägers zeigt sich schon darin, dass es seit dem Bescheid vom ... 2006 zu keinen weiteren ähnlichen Anordnungen gegen ihn gekommen ist.

Ein Rehabilitierungsinteresse - eine weitere anerkannte Fallgruppe des Feststellungsinteresses - ist nicht gegeben. Dieses Interesse wurde nicht einmal hinreichend dargetan (zu dieser Notwendigkeit siehe Sodan/Ziekow, VwGO, 2010, § 43 Rd.Nr. 73 unter Hinweis auf BVerwGE 53, 135, 137 f.). Im gesamten seit Mitte 2006 laufenden Behörden- und Gerichtsverfahren wurde dieses Interesse mit keinem Wort auch nur thematisiert. Erst in der mündlichen Verhandlung vom ... 2010 wurde das Interesse rein schlagwortartig geltend gemacht, und dies erst, nachdem das Gericht auf das bisherige völlige Schweigen der Klägerseite zu diesem Punkt hingewiesen hatte. Dieses Vortragsverhalten hat nichts mit einem dem Kläger obliegenden substantiellen Nachweise dieses Interesses zu tun.

Im Übrigen bliebe das Feststellungsbegehren, so es - wie nicht - zulässig wäre, in der Sache ohne Erfolg, da die streitgegenständlichen Bescheide rechtmäßig waren und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt haben, § 113 Abs. 1 VwGO.

Die gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Maßnahmen hat die Beklagte zutreffend auf Art. 7 Abs. 2 Ziff. 1 und 3 LStVG gestützt. Nach Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 LStVG können die Sicherheitsbehörden bei fehlender anderweitiger gesetzlicher Ermächtigung im Einzelfall Anordnungen, die in die Rechte anderer eingreifen, zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden (Nr. 1) und/oder um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung zum öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen (Nr. 3). Art. 7 Abs. 4 LStVG schränkt die vorgenannte Befugnis der Sicherheitsbehörden allerdings dahin ein, dass Maßnahmen der Behörden auf Grund von Art. 7 Abs. 2 Satz 2 LStVG nicht die Freiheit der Person und die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 13 GG, Art. 102 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 3 BV) einschränken dürfen (siehe auch BayVGH vom 23.4.1999, 24 CS 98.3551).

Die Vorschrift des Art. 7 Abs. 4 LStVG stand dem streitgegenständlichen Aufenthaltsverbot nicht entgegen, insbesondere verletzte es nicht das Recht des Klägers aus Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 102 Abs. 1 BV. Aus der systematischen Stellung zwischen Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 GG und der formellen Gewährleistung des Grundrechts in Art. 104 GG, wonach der Begriff der Freiheit der Person i.S. des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG eng auszulegen und nicht als Unterfall der Freizügigkeit, sondern der Freiheitsentziehung zu verstehen ist, folgt, dass Art. 7 Abs. 4 LStVG der streitgegenständlichen Anordnung nicht entgegenstand, weil hierdurch die Freiheit der Person im engeren Sinn nicht tangiert wurde, denn der Kläger wurde nicht generell in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit gehindert, sondern nur daran, bestimmte Orte für nicht legitimierte Zwecke aufzusuchen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 18.2.1999, 24 CS 98.3198 und vom 23.4.1999, 24 CS 98.3551; siehe auch BayVGH vom 9.6.2006, Az.: 24 CS 06.1521 in der von der Anwaltskanzlei des Bevollmächtigten des Klägers vertretenen gleichgelagerten Sache ...).

Als Voraussetzung für den Erlass eines Bescheides nach Art. 7 Abs. 2 LStVG war es nicht erforderlich, dass der Kläger bereits rechtskräftig wegen eines einschlägigen Delikts verurteilt worden ist (BayVGH vom 9.6.2006, a.a.O.). Es musste nur nachvollziehbar feststehen, dass und warum durch die Person des Klägers eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung für die WM bestand.

Zu Recht hatte die Beklagte eine solche Gefahr angenommen. Auf der Grundlage der konkreten und nachvollziehbaren polizeilichen Erkenntnisse durfte die Beklagte in rechtlich korrekter Weise von der Zugehörigkeit des Klägers zur gewaltbereiten Hooligan-Szene ausgehen und den Kläger von daher als Sicherheitsrisiko für die Spiele einstufen.

Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Juni 2006, Az.: 24 CS 06.1521, genügt in solchen Fällen für die Annahme einer Gefahr die Zugehörigkeit einer Person zur Hooligan-Szene. Durch die Zugehörigkeit zu dieser Personengruppe wird die Gewaltbereitschaft dieser Gruppe zumindest psychologisch gefördert. Die von Hooligans begangenen Straftaten haben ein typisches Erscheinungsbild und stellen sich als ein Deliktstyp dar, der aus der homogenen Gruppe heraus initiiert und gesteigert wird. Schon die Gegenwart von Gleichgesinnten trägt zur Gewaltbereitschaft bei. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Bundesgerichtshof als Voraussetzung für ein rechtmäßiges bundesweites Stadionverbot ebenfalls die bloße Zugehörigkeit einer Person zu den genannten Gruppen genügen lässt (BGH vom 30.10.2009, NJW 2010, 534). Entgegen der Sicht des Bevollmächtigten des Klägers durfte sich die Beklagte bei der von ihr anzustellenden Prognose der Gefährdung der WM 2006 durch den Kläger auf die ihr in der Form des Personagramms übermittelten Erkenntnisse der polizeilichen szenekundigen Beamten (SKB) verlassen. Aus der Vielzahl der Einzelerkenntnisse ergibt sich eindeutig die Zugehörigkeit des Klägers zur gewaltbereiten Hooligan-Szene. Die Klägerseite war in der Anhörung bzw. während des Abhilfeverfahrens nach eingelegtem Widerspruch in voller Kenntnis des zur Last gelegten Materials. Damals hat sie aber lediglich die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gerügt, aber nicht die einzelnen Erkenntnisse substantiell in Frage gestellt, sondern lediglich behauptet, der Kläger sei kein „aktiver Hooligan“. Wenn die Beklagte nach diesen Einlassungen den streitgegenständlichen Bescheid erlässt bzw. ihn im Abhilfeverfahren nicht wieder aufhebt, kann darin kein Verstoß gegen die Anforderungen korrekter behördlicher Recherche bei der präventiven Gefahrenabwehr gesehen werden. Die Beklagte war keineswegs verpflichtet - wie es der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung anscheinend fordert - dem polizeilichen Personagramm von vornherein mit Misstrauen zu begegnen und erst nach Durchführung polizeilicher Befragungen der beteiligten Polizeibeamten (SKB’s) zu einem Prognoseurteil zu kommen. Dazu bestand nicht der geringste Anlass. Die Behörde hatte keinen Grund - gerade auch vor dem Hintergrund der Einlassung der Klägerseite selber - an der Korrektheit der schriftlich vorgelegten Erkenntnisse zu zweifeln. Obwohl es bei der gerichtlichen Kontrolle der behördlichen Prognoseentscheidung nur auf den Zeitpunkt des Bescheidserlasses bzw. des Widerspruchsverfahrens ankommt (objektive ex-ante-Sicht im präventiven Bereich), will das Gericht doch festhalten, dass die Klägerseite auch nachträglich außer einer bloßen Negation keine gegen die Seriosität der polizeilichen Erkenntnisse sprechenden Fakten oder auch nur Hinweise ins Feld führen konnte. Insofern sind die Einwände der Klägerseite reine Schutzbehauptungen.

Bei ihrer Gefahrenprognose durfte die Beklagte auch die Eintragungen des Klägers in der Datei „Gewalttäter Sport“ (GTS) verwerten. Das vom Bevollmächtigten des Klägers herangezogene Urteil des OVG Lüneburg vom 16. Dezember 2008 (DVBl. 2009, 135), wonach es für die Erhebung und Speicherung von Daten in dieser Datei zur Zeit an einer erforderlichen Rechtsverordnung fehle, betrifft eine datenschutzrechtliche Frage, nicht aber die hier relevante Frage, ob die den Eintragungen zugrunde liegenden faktischen Vorgänge zu einer präventiven Prognoseentscheidung herangezogen werden dürfen, was zu bejahen ist, da die Vorgänge als solche nicht unter Verstoß gegen Vorschriften gewonnen wurden. Im Übrigen folgt das Gericht der Auffassung des OVG Lüneburg nicht, sondern lässt wie die vom OVG Lüneburg selbst zitierte andere Auffassung in Rechtsprechung und Literatur die für die Datei GTS bestehende exekutive Errichtungsanordnung nach § 34 BKAG als ausreichende Rechtsgrundlage genügen.

Die Beklagte durfte auch das gegen den Kläger verhängte bundesweite Stadionverbot heranziehen. Dieses Stadionverbot bestand bei Bescheidserlass und wurde erst am 19. Oktober 2006 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Die Beklagte musste nicht in eigener Zuständigkeit die Rechtmäßigkeit dieses Stadionverbots prüfen. Es wäre Sache des Klägers gewesen, dagegen vorzugehen, wenn er damit nicht einverstanden gewesen sein sollte (zum Rechtsschutz gegen Stadionverbote siehe das schon zitierte Urteil des BGH vom 30.10.2009 NJW 2010, 534). Solange dieses Stadionverbot existierte, war die Beklagte nicht gehindert, es als ein Element in ihre Prognoseentscheidung einzustellen.

Die zur Beherrschung der Gefahr angeordneten Maßnahmen sind verhältnismäßig (siehe den schon zitierten Beschluss des BayVGH vom 9.6.2006, Az.: 24 CS 06. 1521 in der Parallelsache Andreas Sonntag).

Das Anfechtungsbegehren hinsichtlich der behördlichen kostenrechtlichen Nebenentscheidungen bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Entscheidungen, die bei Erledigung der Hauptsache ohnehin nur summarisch analog § 161 Abs. 3 VwGO zu überprüfen sind (BayVGH vom 18.10.1993 NVwZ-RR 1994, 548), sind rechtmäßig, da die Grundverfügung nach den obigen Ausführungen rechtmäßig ist.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,-- € festgesetzt(§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).