Bayerisches LSG, Urteil vom 24.02.2010 - L 12 EG 85/09
Fundstelle
openJur 2012, 106238
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil desSozialgerichts München vom 30. Juni 2008 aufgehoben, soweit derKlage stattgegeben wurde, und diese auch insoweit abgewiesen.

II. Die notwendigen Auslagen der Klägerin in beiden Instanzensind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung von Elterngeld für den Zeitraum vom 18. Juni 2007 bis zum 12. Juli 2007.

Die Klägerin ist chinesische Staatsangehörige. Am 2007 brachte sie das Kind zur Welt, für das ihr das alleinige Sorgerecht zusteht. Am 18. Juni 2007 erhielt die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs.1 S.1 Nr.3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Zuvor war sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis wegen Studiums nach § 16 AufenthG gewesen. Danach war eine unselbständige Erwerbstätigkeit auf 90 Tage im Jahr begrenzt.

Ihr Antrag auf Gewährung von Bundeselterngeld vom 6. Juni 2007 war mit Bescheid vom 12. Juni 2007 unter Hinweis auf das Fehlen eines elterngeldberechtigenden Aufenthaltsstatuts zunächst abgelehnt worden.

Gegen die Ablehnung erhob die Klägerin Widerspruch und legte nach deren Erhalt die Aufenthalterlaubnis vom 18. Juni 2007 vor.

Daraufhin erließ der Beklagte am 9. Juli 2007 einen Teilabhilfebescheid und gewährte Bundeselterngeld ab dem 13. Juli 2007 bis zum 12. Mai 2008 in Höhe von monatlich 300 €. Zwar liege seit dem 18. Juni 2007 eine elterngeldberechtigende Aufenthaltserlaubnis vor. Elterngeld werde aber nur für volle Lebensmonate gezahlt. Der dem 18. Juni 2007 folgende Lebensmonat beginne am 13. Juli. Für den 13. März 2007 bis zum 12. Juli 2007 könne kein Elterngeld gewährt werden.

Der Widerspruch wurde im Übrigen mit Bescheid vom 14. September 2007 zurückgewiesen.

Gegen die Verweigerung des Elterngeldes im Zeitraum vom 13. März 2007 bis 12. Juli 2007 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben. Sie hat ausgeführt, dass die erteilte Aufenthaltserlaubnis zurückwirke und ihr Elterngeld deshalb ab der Geburt des Kindes zustehe. Dies deshalb, weil die Aufenthaltsvoraussetzungen bereits zum Zeitpunkt der Geburt vorgelegen hätten.

Mit Urteil vom 30. Juni 2008 verurteilte das Sozialgericht München den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, Elterngeld bereits ab dem 18. Juni 2007 zu gewähren. Im Übrigen - für den Zeitraum 13. März bis 17. Juni - hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass das Elterngeld ab dem Zeitpunkt der Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen zu gewähren sei. Zwar sehe § 4 Abs.2 S.1 BEEG vor, dass das Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate gezahlt werde. Dies berühre jedoch nicht den Grundsatz, wonach ein Anspruch bei Vorliegen sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen entstehe. Die Notwendigkeit, eine gegebenenfalls tageweise Berechnung des Elterngeldes vorzunehmen, entstehe im Übrigen auch dann, wenn in einem Lebensmonat eines Kindes auf das Elterngeld anzurechnende Zahlungen wie Mutterschaftsgeld etc. geleistet würden. Auch lasse § 4 Abs.4 BEEG nicht den Schluss zu, dass ein Anspruch auf Elterngeld erst mit dem Beginn des zeitlich darauf folgenden nächsten Lebensmonats entstehe. Vielmehr habe der Gesetzgeber für den Fall der Erfüllung von Anspruchsvoraussetzungen auf die Schaffung einer dem § 4 Abs.4 BEEG entsprechenden Regelung gerade verzichtet. Andererseits stehe vor dem 18. Juni 2007 kein Elterngeld zu, weil auf den Besitz der Aufenthaltserlaubnis abzustellen sei.

Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen. Allerdings informiert die Rechtsbehelfsauskunft darüber, dass gegen das Urteil die Berufung zulässig sei (S 68-Inland).

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt.

Jedoch hat der Beklagte mit dem Ziel der Aufhebung der Verurteilung zur Leistung im Zeitraum 18. Juni bis 12. Juli 2007 Berufung eingelegt, die unter dem Aktenzeichen L 12 EG 35/08 geführt worden ist. Im Termin am 24. Juni 2009 hat der Beklagte diese Berufung im Hinblick auf ihre Nichtzulassung und das Nichterreichen der Berufungssumme zurückgenommen und gleichzeitig Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt (L 12 EG 54/09 NZB). Der Senat hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14. September 2009 stattgegeben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. Juni 2008 zugelassen.

In der Sache hat der Beklagte auf sein Vorbringen zu L 12 EG 35/08 Bezug genommen. Dort war ausgeführt worden, dass Elterngeld nach § 4 Abs.2 S.1 BEEG in Monatsbeträgen nur für ganze Lebensmonate des Kindes gezahlt werden könne. Daraus ergebe sich, dass die Anspruchsvoraussetzungen von Anfang an, d.h. während des gesamten Anspruchsmonats im Sinne des Lebensmonats vorliegen müssten. Fehle eine Anspruchsvoraussetzung auch nur für einen Tag, bestehe für den gesamten Lebensmonat des Kindes kein Anspruch (sog. Lebensmonatsprinzip). Insoweit sei der Grundanspruch, letztlich das Stammrecht betroffen. § 3 BEEG, der eine Anrechnungsvorschrift enthalte, betreffe die Anspruchshöhe. Auch bei einer Minderung des Zahlbetrages auf 0 EUR werde das Stammrecht auf Elterngeld nicht vernichtet.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. Juni 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil zur streitigen Rechtsfrage für zutreffend.

Der Senat hatte die Klägerin mit Schreiben vom 2. Juli 2009 umfassend über die prozessuale Lage, die Möglichkeit der Stellung eines PKH-Antrags und die zu entscheidenden Fragen aufgeklärt.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte, der Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Gründe

Die zugelassene Berufung des Beklagten erweist sich als begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Elterngeld im Zeitraum vom 18. Juni bis 12. Juli 2007. Daher war das Urteil des Sozialgerichts vom 30. Juni 2008 aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs.1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) seit Geburt des Kindes erfüllt waren. Das in § 1 Abs.7 BEEG enthaltene Tatbestandsmerkmal des Besitzes einer qualifizierten Aufenthaltserlaubnis erfüllt die Klägerin erst seit dem 18. Juni 2007. Über die Leistungsgewährung ab der Geburt bis zum 17. Juni 2007 hat das Sozialgericht rechtskräftig zuungunsten der Klägerin entschieden.

Nachdem die genannten Anspruchsvoraussetzungen seit dem 18. Juni 2007 erfüllt erscheinen, vermögen nur eine negative Anspruchsvoraussetzung, eine spezielle Anspruchsentstehungsvorschrift oder eine auf den Beginn des folgenden Lebensmonats hinausschiebende spezielle Fälligkeitsregelung die Entstehung eines Leistungsanspruchs bzw. eines Zahlungsanspruchs zu verhindern. Denn nach § 40 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, vorbehaltlich abweichender spezieller Regelungen (vgl. § 37 SGB I), sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Sie sind gem. § 41 SGB I, vorbehaltlich spezieller Regelung, auch mit ihrem Entstehen fällig.

Eine solche spezielle Anspruchsentstehungsnorm liegt in Gestalt des § 4 Abs.2 S.1 BEEG vor. Danach wird Elterngeld in Monatbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Der reine Wortlaut lässt sich als Fokussierung der Leistungsgewährung auf den der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 1 BEEG folgenden Lebensmonats interpretieren. Diese Auslegung erscheint jedoch nicht zwingend. Denn die Ausgestaltung einer Leistung als monatliche oder lebensmonatliche Leistung bedeutet begrifflich nicht zwingend einen Ausschluss einer Zahlung für Teilmonate. Wird beispielsweise in einem Arbeitsvertrag eine monatliche Entgeltzahlung vereinbart, bedeutet dies nur eine Festlegung des Entgeltabrechnungszeitraums. Dies heißt nicht, dass bei Arbeitsbeginn im Monatsverlauf ein Entgeltanspruch ausgeschlossen werden soll.

26Der Senat interpretiert § 4 Abs.2 S.1 BEEG aufgrund einer systematischen Betrachtung mit den weiteren Normen des Bundeselterngeldgesetzes gleichwohl als spezielle Regelung zu § 40 SGB I, die den Leistungsanspruch nicht bereits mit Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen, sondern erst mit dem darauf folgenden Lebensmonatsbeginn entstehen lässt.

Zunächst ist auf § 2 Abs.1 S.1 BEEG hinzuweisen. Danach wird Elterngeld in Höhe von 67 % des (...) durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit (...) für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Hieraus lässt sich bereits der Schluss ziehen, dass ein Wegfall einer Einkommenserzielung eben keinen Anspruch für Restmonate entstehen lässt. Dieser Befund wird durch § 6 BEEG erhärtet. Danach wird das Elterngeld im Laufe des Monats gezahlt, für den es bestimmt ist. Die einer Person zustehenden Monatsbeträge werden auf Antrag in jeweils zwei halben Monatsbeträgen ausbezahlt, so dass sich der Auszahlungszeitraum verdoppelt.

Dies spricht dafür, dass das Abstellen auf Lebensmonate nicht nur die Bestimmung von Abrechnungszeiträumen zum Inhalt hat, sondern ein Regelungskonzept fixiert, das Ansprüche für Teilmonate ausschließt.

Wenn man vor diesem normativen Hintergrund dann zu einer Beleuchtung der inneren Systematik des § 4 BEEG ansetzt, ergibt sich deutlich , dass § 4 Abs.2 S.1 BEEG nicht eine bloße Festlegung des Leistungsabrechnungszeitraum ausspricht. Denn der Regelung in § 4 Abs.2 BEEG folgt diejenige des Absatzes 4, die die Rechtsfolgen des Wegfalls von Anspruchsvoraussetzungen normiert. Danach lässt der Wegfall einer Anspruchsvoraussetzung den Anspruch nicht sofort, sondern erst zum Ende des Monats entfallen, womit der jeweilige Lebensmonat gemeint ist. Die Zusammenschau der beiden Absätze spricht dafür, dass die Regelung zum Wegfall einer Anspruchsvoraussetzung normsystematisch einer Regelung folgt, die die Rechtsfolgen des entgegengesetzt positiven Sachverhalts der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen regeln will. Dies bedeutet aber, dass § 4 Abs.2 S.1 BEEG, über die Festlegung des Abrechnungszeitraums hinaus, auch den Zahlungsanspruch selbst erst mit Beginn des nächsten Lebensmonats entstehen lässt.

Der Senat sieht § 4 Abs.2 S.1 BEEG daher als gem. § 37 SGB I zulässige spezielle Regelung zu § 40 SGB I an, die den Anspruch nicht mit Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 BEEG, sondern erst mit Beginn des folgenden Lebensmonats entstehen lässt. Nachdem § 4 Abs.4 BEEG ausdrücklich auf den Anspruch i.S.d. Leistungsanspruch als solches abstellt, kann nicht angenommen werden, dass ihr Pendant eine bloße spezielle Fälligkeitsregelung sein soll. Die zahlungslose Erfüllung des Stammrechts führt somit zu keinem Anspruchsverbrauch.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und stützt sich auf die Erwägung, dass die Klägerin in beiden Instanzen unterlegen ist.

Im Hinblick auf die Grundsätzlichkeit der Rechtsfrage hat der Senat die Revision zugelassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).

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