OLG München, Beschluss vom 07.01.2010 - 31 Wx 154/09
Fundstelle
openJur 2012, 105763
  • Rkr:
Tenor

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 22. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die nachlassgerichtliche Genehmigung eines Grundstücksverkaufs durch den Nachlasspfleger.

Die verwitwete, kinderlose Erblasserin ist am 14.2.2008 im Alter von 88 Jahren verstorben. Sie hatte keine Geschwister. Die als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Personen sind noch nicht ermittelt. Für die unbekannten Erben ist eine Verfahrenspflegerin bestellt.

Es liegt ein notarielles Testament vom 29.5.2006 vor, in dem der Beteiligte zu 1 zum Alleinerben eingesetzt wird, sowie ein handschriftliches Testament vom 23.1.2007, mit dem die Erblasserin ihr Hausgrundstück den Beteiligten zu 2 und 3 zuwendet. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie forensische Psychiatrie, war die an Demenz leidende Erblasserin bei der Errichtung beider Testamtente nicht testierfähig.

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus dem stark sanierungsbedürftigen, teilweise vermieteten Hausgrundstück der Erblasserin, dessen Wert in einem Verkehrswertgutachten auf rund 210.000 € beziffert wurde, sowie Bankguthaben in Höhe von rund 19.000 €. Es bestehen fällige, dinglich gesicherte Verbindlichkeiten aus Privatdarlehen in Höhe von über 80.000 €, deren genaue Höhe streitig ist. Der Nachlasspfleger hat sie im Nachlassverzeichnis mit 83.000 € berücksichtigt, während der Gläubiger sie – ausgehend von einem höheren Zinssatz – mit rund 100.000 € beziffert hat.

Mit Vorbescheid vom 11.8.2009 kündigte das Nachlassgericht entsprechend dem Antrag des Nachlasspflegers die Genehmigung des Grundstücksverkaufs zum Preis von mindestens 230.000 € an. Die Verfahrenspflegerin für die unbekannten Erben befürwortete die Genehmigung. Die Beteiligten zu 2 und 3 legten Beschwerde ein, die das Landgericht mit Beschluss vom 22.10.2009 zurückwies. Mit der weiteren Beschwerde wendet sich die Beteiligte zu 2 weiterhin gegen die Genehmigung des Verkaufs, der nach ihrem Vortrag nicht dem Willen der Erblasserin entspricht.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Das Nachlassgericht habe zu Recht die Genehmigung der Grundstücksveräußerung angekündigt, denn dabei handle es sich um eine erforderliche Maßnahme der Vermögensverwaltung durch den Nachlasspfleger. Der Nachlasspfleger solle zwar den Erben in erster Linie den Nachlass in seinem ursprünglichen Zustand erhalten. Er habe jedoch jedenfalls dann Nachlassgläubiger zu befriedigen, wenn dies zur ordnungsmäßigen Verwaltung und Erhaltung des Nachlasses geboten sei, etwa um Schäden, unnötige Prozesse und Kosten zu vermeiden. Reiche das freie Vermögen dafür nicht aus, dürfe sich der Nachlasspfleger auch durch die Veräußerung einzelner Gegen-stände die Mittel zur Befriedigung beschaffen. Dieser Fall sei gegeben. Die Bankguthaben der Erblasserin reichten nicht aus, um auch nur annähernd die fällige Forderung erfüllen zu können; das zu veräußernde Grundstück stelle den wesentlichen Wert des Nachlasses dar. Außerdem sei ein hoher Sanierungsaufwand notwendig, der ebenfalls nicht aus den flüssigen Mitteln getragen werden könne. Der von dem Interessenten gebotene Preis liege rund 10 % über dem vom Sachverständigen festgestellten Verkehrswert. Auch sei die Darlehensforderung durch Grundschuld abgesichert, die zwar möglicherweise materiell-rechtlich nicht bestehe, jedoch nach wie vor im Grundbuch eingetragen sei. Bei einer Zwangsversteigerung würde voraussichtlich ein geringerer Betrag erzielt als bei dem beabsichtigten freihändigen Verkauf. Demgegenüber müsse das immaterielle Interesse an einem Verbleiben des Anwesens im Nachlass zurückstehen. Bei der vorliegenden wirtschaftlichen Situation könne diesem Wunsch der Erblasserin keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht zu beanstanden.

10a) Die Entscheidung des Tatrichters über die Erteilung oder Versagung einer nachlassgerichtlichen Genehmigung für Grundstücksgeschäfte wie das hier vorliegende (§ 1960 Abs. 2, § 1915 Abs. 1, § 1821 Nr. 1 BGB) stellt eine Ermessensentscheidung dar. Das Gericht der weiteren Beschwerde kann sie nur als rechtsfehlerhaft beanstanden, wenn der Tatrichter sich des ihm zustehenden Ermessens nicht bewusst war, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat, bei der Bewertung relevanter Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht oder die Grenzen des Ermessens überschritten hat (vgl. zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung BayObLG NJW-RR 2003, 649/652 m.w.N.; OLG München Rpfleger 2007, 603/604). Solche Fehler liegen nicht vor.

b) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Nachlasspfleger zur Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten berechtigt und gegebenenfalls verpflichtet ist, wenn so Schäden oder unnötige Prozesse und Kosten vermieden werden (h.M., vgl. OLG Schleswig OLG-Report 1998, 358; MünchKommBGB/Leipold 4. Aufl. § 1960 Rn. 53; Soergel/Stein BGB 13. Aufl. § 1960 Rn. 32; Staudinger/Marotzke BGB Stand 2008 § 1960 Rn. 44; Palandt/Edenhofer 69. Aufl. § 1960 Rn.15). Die Nachlasspflegschaft dient zwar grundsätzlich nicht der Befriedigung der Nachlassgläubiger, da sie zum Schutz der Erben angeordnet ist. Ist der Nachlasspfleger aber wie hier mit der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses betraut, so gehört es insbesondere zu seinen Pflichten, den Nachlass zu erhalten und zu verwalten sowie die Vermögensinteressen der künftig festzustellenden Erben wahrzunehmen. Welche Maßnahmen insoweit zweckmäßig sind, entscheidet der Nachlasspfleger nach pflichtgemäßem Ermessen (BGHZ 49, 1/5). In diesem Zusammenhang kann er aus Mitteln des Nachlasses und unter Berücksichtigung der beschränkten Erbenhaftung Verbindlichkeiten des Nachlasses erfüllen, wenn dies zur Erhaltung des Nachlasswertes geboten ist, denn er darf den Nachlass nicht der Gefahr eines aussichtslosen, mit Kosten verbundenen Rechtsstreits aussetzen ( BayObLGZ 1996, 192/196). Dazu kann er auch Nachlassgegenstände veräußern (KG NJW-RR 2007, 1598/1599; OLG Köln ZEV 1997, 210/212).

12c) Das Landgericht ist unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass die Befriedigung der in der Hauptsache unstreitigen Forderung im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung und Erhaltung des Nachlasses geboten und hierfür die Veräußerung des Grundstücks erforderlich ist, das den wesentlichen Vermögensgegenstand darstellt und – wie von der Verfahrenspflegerin der unbekannten Erben hervorgehoben – ohnehin nicht aus den laufenden Erträgen unterhalten werden kann. Es hat dabei auch in Erwägung gezogen, dass nach dem Vortrag der Beschwerdeführer die Erblasserin den Erhalt des Hauses gewünscht hat, und ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser Wunsch der Erblasserin angesichts der wirtschaftlichen Lage des Nachlasses und der drohenden Zwangsversteigerung zurückstehen müsse. Das Landgericht durfte dem Interesse des oder der noch nicht feststehenden Erben an der Vermeidung der mit einer Zwangsversteigerung verbundenen Kosten und Risiken, insbesondere dem eines geringeren Erlöses, den Vorrang einräumen gegenüber den Wünschen der Erblasserin, die mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht in Einklang stehen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst; die Beschwerdeführerin hat kraft Gesetzes die Gerichtskosten ihrer erfolglosen weiteren Beschwerde zu tragen.