Bayerischer VGH, Beschluss vom 06.08.2008 - 4 CE 08.2070
Fundstelle
openJur 2012, 93883
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. Juli 2008 - RN 3 E 08.1215 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die ...halle (im folgenden: Halle) ist eine öffentliche Einrichtung der Antragsgegnerin, die diese nach ihrem Mietvertragsmuster bei Bedarf auch hälftig überlässt.

Der Antragsteller, der örtliche Kreisverband der NPD, begehrt die Überlassung der halben Halle, um dort oder hilfsweise auf einer Freifläche vor der Halle am 9. August 2008 eine Veranstaltung zur Landtagswahl am 28. September 2008 durchführen zu können. Nach der Ankündigung auf seiner Homepage sollen bei dieser "Wahlveranstaltung im Raum Passau" der Spitzenkandidat der NPD zum niederbayerischen Bezirkstag, der JN-Landesvorsitzende und der Fraktionsvorsitzende der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern Reden halten.

Nachdem der Antragsteller im April 2008 um Zusendung der freien Termine für 2008 und 2009 gebeten und von der Antragsgegnerin zur Antwort erhalten hatte, wegen vorgesehener Sanierungsarbeiten könnten nur kurzfristig Veranstaltungstermine vergeben werden, beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 7. Juli 2008 die Überlassung der halben Halle am o.g. Termin. Die Antragsgegnerin lehnte dies wegen geplanter Sanierungsarbeiten ab.

Der Antragsteller beantragte beim Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung und wies darauf hin, dass die Antragsgegnerin bei einer (fingierten) Anfrage einer Firma für den gleichen Termin grundsätzlich vermietungsbereit gewesen sei. Für den Fall einer negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Juli 2008 bei der Antragsgegnerin die Nutzung der Freifläche an der Halle und bezog diesen Antrag in das vorläufige Rechtsschutzverfahren ein. Der Gemeinderat der Antragsgegnerin lehnte in seiner Sitzung vom 29. Juli 2008 die Überlassung der Freifläche ab.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 30. Juli 2008 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Antragsteller kein Anordnungsanspruch zustehe. Dieser ergebe sich bezüglich des Hauptantrags nicht aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 GO i.V.m. § 5 ParteiG. Für den Antragsteller als Untergliederung einer politischen Partei bestehe kein Anspruch auf die Benutzung der Halle, da sich eine solche Nutzung außerhalb des (konkludent festgelegten) Widmungszwecks bewege. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass die Durchführung parteipolitischer Veranstaltungen vom Widmungszweck der Halle umfasst sei. Nach der eigenen Darstellung der Antragsgegnerin auf deren Homepage sei die Halle für Veranstaltungen und Ausstellungen, für Märkte, Betriebsfeiern und Bälle die wichtigste kulturelle und gesellschaftliche Begegnungsstätte der Gemeinde. Schwerpunkt seien damit kommerzielle Veranstaltungen sowie Feiern. Nach der durch diese Vergabepraxis ausgestalteten konkludenten Widmung werde die Halle politischen Parteien nicht zur Durchführung parteipolitischer Veranstaltungen zur Verfügung gestellt, so dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Überlassung der Halle geltend machen könne. Dieser öffentlich dokumentierte Widmungszweck stehe mit der durch die Antragsgegnerin belegten Praxis der Hallenvergabe in den letzten Jahren in Einklang. Aus den vorgelegten Übersichten zu den Belegungstagen der Jahre 2004 bis 2008 ergebe sich, dass die Halle ausschließlich für festliche (Bälle, Partys, Festivals, Hochzeiten, Konzerte etc.) und kommerzielle Veranstaltungen (Flohmärkte, Messen etc.) genutzt worden sei. Die Durchführung parteipolitischer Veranstaltungen - zumal mit überörtlichem Charakter - lasse sich diesen Übersichten nicht entnehmen. Der Gewerkschaftsveranstaltung im Jahr 2005 komme kein parteipolitischer Charakter zu. Sollten in der Vergangenheit in der Halle parteipolitische Veranstaltungen durchgeführt worden sein, wäre diese Praxis durch den nunmehr eingeschränkten Widmungszweck überlagert worden. Eine nachträgliche Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis sei auch durch konkludentes Handeln möglich.

Der Hilfsantrag sei abzulehnen, weil die Freifläche vor der Halle als Parkplatz für Hallenbesucher und insbesondere in der Badesaison für Besucher des benachbarten gemeindlichen Freibads diene. Von diesem Widmungszweck sei das Abhalten einer Wahlveranstaltung nicht umfasst, so dass sich aus Art. 21 Abs. 5 GO kein Anspruch auf die Nutzung der Freifläche ergebe.

Außerhalb der Widmung sei nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung denkbar, der sich nur im Fall der Ermessensreduzierung auf Null zu einem Zulassungsanspruch verdichten könne. Diesbezüglich seien entsprechende Umstände nicht glaubhaft gemacht worden.

Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde vom 31. Juli 2008 macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass die Antragsgegnerin bis zur Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ausschließlich mit angeblich notwendigen Hallensanierungsarbeiten argumentiert habe. Dass die angestrebte Nutzung der seit 1971 bestehenden Halle außerhalb ihres angeblichen, dem Antragsteller nicht bekannten Widmungszwecks liege, sei für den Antragsteller nicht erkennbar gewesen. Er verwies darauf, dass in der Halle der Antragsgegnerin die DVU und die Republikaner politische Veranstaltungen abgehalten hätten und nahm auf im Internet gespeicherte Artikel der Zeitschrift "Der Spiegel" vom 13. Februar 1989 sowie vom 16. Juli 1990 Bezug. Es könne nicht festgestellt werden, zu welchem Zeitpunkt seither eine konkludente Widmungsänderung eingetreten sei. Ein sachlicher Grund, warum gerade politische Veranstaltungen in der Halle ausgeschlossen sein sollten, sei nicht ersichtlich. Da politische Parteien durch das Grundgesetz und das Parteiengesetz zur maßgeblichen Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes berufen seien und es sich beim Antragsteller um eine Untergliederung einer politischen Partei handele, sei eher zu schließen, dass selbstverständlich auch Parteien diese öffentlichen Einrichtungen nutzen dürften, die anderen Vereinen und Gruppierungen offenstünden. Das Verwaltungsgericht öffne willkürlicher Verwaltungspraxis Tür und Tor und breche mit dem verwaltungsrechtlichen Grundsatz, dass grundsätzlich erlaubt sei, was nicht verboten sei. Die Antragsgegnerin hätte eine entsprechende Satzung erlassen müssen, wenn sie - aus welchen Gründen auch immer - gerade politischen Parteien die Nutzung der Halle versagen wolle.

Sollte sich der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts anschließen, sei dessen Beschluss zumindest im Kostenausspruch in Anwendung von § 155 Abs. 4 VwGO abzuändern.

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hat Belegungspläne der Halle für die Zeit ab 1999 vorgelegt.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich am Verfahren beteiligt; er hält die Beschwerde für unbegründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Die vom Antragsteller in seiner Beschwerde vom 31. Juli 2008 vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zu keiner anderen Beurteilung.

Ein Anspruch auf Benutzung einer öffentlichen Einrichtung besteht nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 GO i.V.m. § 5 ParteiG nur, soweit sich die beabsichtigte Nutzung im Rahmen der Zweckbestimmung der Einrichtung hält. An den Widmungsakt sind dabei nach ständiger Rechtsprechung des Senats keine förmlichen Voraussetzungen zu stellen. Zwar kann die Widmung durch Satzung oder Beschluss des Gemeinderats ausgesprochen werden. Es genügt indes auch eine durch die Vergabepraxis geformte konkludente Widmung (BayVGH vom 11.12.1968 BayVBl. 1969, 102; vom 21.1.1988 BayVBl. 1988, 497; zuletzt vom 13.6.2008 Az. 4 CE 08.726).

Für nachträgliche Erweiterungen oder Einschränkungen der Widmung gelten keine anderen Anforderungen. So kann etwa der durch die Vergabepraxis gegenüber einem Gemeinderatsbeschluss erweiterte Widmungsumfang einer öffentlichen Einrichtung durch Änderung der Vergabepraxis auf den ursprünglichen Widmungszweck zurückgeführt werden (vgl. VGH BW vom 29.10.1997 DVBl 1998, 780). Die nachträgliche Änderung der Widmung, insbesondere die Einschränkung einer früheren großzügigeren Verwaltungsübung ist grundsätzlich zulässig und kann ebenfalls durch konkludentes Verhalten erfolgen, wenn ab einem gewissen Zeitpunkt allgemein so verfahren und nicht nur in Einzelfällen willkürlich von der bisherigen Praxis abgewichen wird (Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern, Anm. 4 zu Art. 21 GO).

Gemessen an diesem Maßstab ist die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Antragsgegnerin die Halle 1989 für eine Parteiwahlveranstaltung zur Europawahl sowie 1990 für eine Parteitagsveranstaltung zur Verfügung gestellt hat, nicht zu beanstanden. Denn diese Vergabepraxis, die die konkludente Widmung der Halle mit ausgeformt hat, wurde nicht fortgeschrieben und damit die Nutzungsberechtigung entsprechend reduziert. Die Antragsgegnerin hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren insoweit Belegungsübersichten für die Jahre 2004 mit 2008 in Vorlage gebracht und mit Telefax vom 30. Juli 2008 - vom Antragsteller unwidersprochen - erklärt, dass nach Durchsicht der Belegungspläne und Mietverträge der letzten zehn Jahre weder eine örtliche Parteiveranstaltung (Wahlkundgebung) noch eine überörtliche Parteiveranstaltung in der Halle stattgefunden habe. Dieses Vorbringen wurde im Beschwerdeverfahren durch die Vorlage der Belegungspläne für die Zeit ab 1999 gestützt. Damit kann auch keine Rede davon sein, dass die Antragsgegnerin den aktuellen Nutzungsantrag zum Anlass genommen hätte, um für die Zukunft die Widmung einzuschränken. Eine Verpflichtung, den Antrag nach dem Widmungsumfang von 1990 zu behandeln (vgl. BVerwG vom 28.3.1969 BayVBl. 1969, 355/356), besteht nicht. Ein Verstoß der Antragsgegnerin gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 5 ParteiG liegt offensichtlich nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Für die beantragte Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Kostenentscheidung ist kein Raum, denn § 155 Abs. 4 VwGO ist nur anzuwenden, wenn die Kosten durch Verschulden eines Beteiligten verursacht worden sind. Die Begründung des Rechtsmittels zeigt indes, dass die Kosten des Rechtsstreits auch dann entstanden wären, wenn die Antragsgegnerin die Hallennutzung von Anfang an unter Bezug auf die Zweckbestimmung der Halle und nicht zunächst wegen Sanierungsarbeiten versagt hätte. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).