LAG München, Beschluss vom 08.04.2008 - 6 Sa 764/07
Fundstelle
openJur 2012, 91576
  • Rkr:
Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 23.08.2007 gegen den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht wird für begründet erklärt.

Gründe

I. Der Kläger hat gegen das rechtskräftige Urteil des LAG München vom 03.12.2002 -6(9) Sa 868/90 am 24.08.2007 eine Nichtigkeitsklage erhoben. Als Nichtigkeitsgrund macht er geltend, dass das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, § 579 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO. Die Amtszeit des ehrenamtlichen Richters habe am 28.02.2003 geendet, das Urteil vom 03.12.2002 sei jedoch erst am 25.04.2003 zugestellt worden. Bei Begründung des Urteils seien entgegen § 35 Abs. 2 ArbGG nur zwei Richter tätig gewesen; denn nur zwei Richter hätten die Entscheidungsgründe unterschrieben und die Unterzeichnung des mit Gründen versehenen Urteils sei der letzte Akt der Urteilsfällung. Damit sei das ganze Urteil durch die unvorschriftsmäßige Kammerbesetzung betroffen und müsse vollständig aufgehoben werden.

Mit Schreiben vom 23.08.2007 (BI. 1203 bis 1205 d.A.) hat der Kläger den Vorsitzenden Richter     , der am Urteil vom 03.12.2002 beteiligt war, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

3II. Das Ablehnungsgesuch des Klägers ist begründet. Jedoch besteht nicht bereits ein Ausschlussgrund gem. Art. 6 Abs. 1 EMRK. Nach dieser Bestimmung muss ein Gericht unabhängig und unparteiisch sein und auf Gesetz beruhen. Es muss sich um einen justizförmigen, unabhängigen und unparteiischen Spruchkörper handeln (vgl. Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, S. 119 Rz. 29). Bei einem nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (§ 33) errichteten Landesarbeitsgericht handelt es sich um ein unabhängiges und unparteiisches Gericht und diese Unparteilichkeit wird auch nicht schon dadurch aufgegeben, dass nach § 584 ZPO im Falle einer Nichtigkeitsklage diese von denselben Richtern entschieden wird, die das Urteil erlassen haben, dessen Nichtigkeit geltend gemacht wird. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits entschieden, das aus dem Gebot der Unparteilichkeit kein allgemeiner Grundsatz dahingehend abgeleitet werden kann, dass von der Rechtsmittelinstanz zurückverwiesene Fälle nur von einer mit der Sache noch nicht befassten oder einer anders als bei der ersten Entscheidung besetzten Kammer des zuständigen Gerichts zu entscheiden sind (B 18160/91 vom 5.4.1994, Diennet-F, GH 325-A; siehe ferner Nachweise bei Frohwein-Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, Rz. 131 und Fußnoten 512 und 551). Dies gilt somit auch in den gleichgelagerten Fällen einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage.

Aber auch im deutschen Recht, so in § 41 ZPO, besteht kein gesetzlicher Ausschlussgrund für Richter des Erstverfahrens, die nun über eine Restitutions-oder Nichtigkeitsklage zu entscheiden haben (vgl. BGH NJW 1981, 1273; Stein/Jonas, § 41 ZPO Rz. 19 m.w.N. in Fußnote 46).

5In Betracht zu ziehen ist jedoch nach den Umständen des Einzelfalles eine Besorgnis der Befangenheit eines Richters gemäß § 42 ZPO. Die nochmalige ausschließliche Zuständigkeit des früheren Gerichtes in der ursprünglichen Besetzung mutet allen Beteiligten, insbesondere den Richtern, ein hohes Maß an Disziplin und Selbstkritik und den Parteien ein hohes Maß an Vertrauen in die jetzt erneut amtierenden Richter zu (so Zäller, § 584 ZPO Rz. 2). Hierbei ist aber die Grenze für die Zumutbarkeit für eine Partei überschritten, wenn sie bereits einmal einen der Richter erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Für diesen Fall ist die Besorgnis der Partei durchaus verständlich, dass die Befangenheit des abgelehnten Richters sich auch in dem Wiederaufnahmeverfahren auswirken kann. Für eine erfolgreiche Ablehnung ist nicht erforderlich, dass der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist, schon die Besorgnis der Befangenheit ist ausreichend (vgl. Zäller, § 42 ZPO Rz. 9 m.w.N.). Da der Kläger bereits erfolgreich abgelehnt hat (Beschluss vom 12.10.2006 -4 Sa 533/05) war somit dem Ablehnungsgesuch des Klägers im Rahmen der Nichtigkeitsklage stattzugeben.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Dr. Dunkl                Johann                   Stiegler

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