LG Köln, Urteil vom 22.06.2011 - 28 O 956/10
Fundstelle
openJur 2012, 80331
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld in Höhe von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren,

zu unterlassen, zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten:

Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe "auf ihn gewartet, mit hochgezogenem Strickkleid"

"Wie üblich habe sie Handschellen und Reitgerte bereitgelegt."

wenn dies geschieht wie auf anonym1.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "L1: L2?".

2. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, den Kläger von der Forderung der P Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 465,90 freizustellen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung EUR 10.000,00 und im Übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger ist Moderator, Journalist und Unternehmer (T AG, Schweiz). Er produzierte und moderierte u.a. die Sendung "O". Sein Privat- und insbesondere sein Liebes- und Intimleben hielt der Kläger vor der Öffentlichkeit verborgen. Er gab keinerlei Informationen zu seinem Privat- und Liebesleben preis und lehnte darauf zielende Anfragen stets ab. Der Kläger war Angeklagter eines vor dem Landgericht Mannheim gegen ihn geführten Strafverfahrens wegen Verdachts der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Er wurde am 00.00.00 festgenommen und befand sich bis zum 00.00.00 in Untersuchungshaft, als das Oberlandesgericht Karlsruhe den gegen ihn bestehenden Haftbefehl aufhob. Die Hauptverhandlung begann am 00.00.00; ein Urteil in dem Strafverfahren gegen den Kläger stand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch aus.

Die Presseberichterstattung über den Fall begann am 00.00.00 mit einem Artikel auf anonym1.de und hält seitdem an. Gegenstand der Berichterstattung ist unter anderem auch das Privat- und Liebesleben des Klägers.

Am 13.06.2010 veröffentlichte die Beklagte auf der von ihr betriebenen Internetseite www.anonym1.de den hier streitgegenständlichen Artikel unter der Überschrift "L1: L2?". Darin heißt es u.a.:

"Der Fall L (51) wird immer pikanter: Laut dem Nachrichtenmagazin "Z" soll jetzt auch ein sichergestellter Tampon die angebliche Vergewaltigung beweisen!

Das Magazin veröffentlichte jetzt neue intime Details über die angebliche Tatnacht.

So heißt es in Bezug auf das Treffen zwischen L und M (37) unter anderem: Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe "auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid".

Und weiter: "Wie üblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt."

(...)."

Wegen der Einzelheiten der Berichterstattung wird auf Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 18 d.A. Bezug genommen.

Diese Informationen stammen aus der Einlassung des Klägers zu den Geschehnissen in der Tatnacht in seiner ersten richterlichen Vernehmung kurz nach seiner Festnahme. Nachdem der Kläger in der Hauptverhandlung von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch machte, wurde das Protokoll dieser Vernehmung am 13.09.2010 im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim in öffentlicher Sitzung verlesen; es enthielt u.a. folgende Passage enthielt:

"Es war dann so, das war das übliche Verfahren bei den Treffen, dass ich geklingelt habe, langsam die Treppe hoch ging, ich die Türe aufmachte, die angelehnt war, und sie wartete dann schon ausgezogen oder in diesem Fall mit schon hochgezogenem Strickkleidchen. In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der einen Hand hatte auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils, wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte."

Mit einstweiliger Verfügung vom 21.06.2010 (28 O 401/10) hat die Kammer der Beklagten untersagt zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten:

Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe "auf ihn gewartet, mit hochgezogenem Strickkleid"

"Wie üblich habe sie Handschellen und Reitgerte bereitgelegt."

wenn dies geschieht wie auf anonym1.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "Der L Krimi: L2?". Das vorliegende Verfahren stellt die Hauptsacheklage zu diesem einstweiligen Verfügungsverfahren dar.

Der Kläger macht geltend, die Mitteilung angeblicher Einzelheiten aus seinem Sexual- und Intimleben verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, woraus sich entsprechend § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB ein Unterlassungsanspruch ergebe. Durch die Schilderung über Vorgänge aus dem Sexualbereich würde der engste, letzte und unantastbare Bereich seiner Persönlichkeit berührt, ein Bereich, der vor Eingriffen Dritter absolut geschützt sei, hinsichtlich dessen der Kern der Menschenwürde betroffen sei und in dem eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht möglich sei. Ein etwaiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit spiele für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berichterstattung keine Rolle, da die Rechtswidrigkeit allein und bereits aus dem Eingriff in den Menschenwürdekern folge. Darüber hinaus bestehe aber an den streitgegenständlichen Äußerungen auch kein öffentliches Berichterstattungsinteresse, denn es gehe nur um die Darstellung von Details aus seinem Intimbereich. In dem streitgegenständlichen Bericht solle die Mitteilung intimer Details allein die Neugier und den Voyeurismus der Zuschauer befriedigen, weshalb sich die Beklagte nicht auf den Deckmantel der Pressefreiheit berufen könne. Eine andere Betrachtungsweise ergebe sich schließlich nicht aus dem Umstand, dass das Protokoll der Vernehmung des Klägers im Rahmen der Hauptverhandlung verlesen worden sei. Dieser Umstand habe keinen Einfluss auf die nach wie vor eintretende Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine solche Äußerung. Die Anwendung des § 254 StPO im Rahmen der Hauptverhandlung löse die Details nämlich nicht aus der Intimsphäre hinaus in eine andere Sphäre. Auch spielten die Einzelheiten der streitgegenständlichen Äußerung für die vorgeworfene Tat keine Rolle, so dass auch nicht ausnahmsweise doch eine Berichterstattung zulässig sei.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, sie könne sich auf die Zulässigkeit der Verdachtsberichterstattung berufen. Die Berichterstattung erfolge auf der Grundlage des eingeleiteten Strafverfahrens gegen den Kläger und sei angesichts dessen Prominenz und der dem Kläger vorgeworfenen strafrechtlich relevanten und moralisch fragwürdigen Verhaltensweisen zulässig, da sie vor diesem Hintergrund zur kritischen Meinungsanonym1ung geeignet sei. Auch seien die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt eingehalten, eine präjudizielle Berichterstattung liege nicht vor. Dies ergebe sich auch unmittelbar aus dem streitgegenständlichen Bericht. Des Weiteren handele es sich um einen Tatvorwurf von gravierendem Gewicht, um den Verdacht einer Straftat, die zum Zeitgeschehen gehöre. Die Berichterstattung sei überdies wahrheitsgemäß und behandele die eigene Aussage des Klägers vor dem Ermittlungsrichter. Sie betreffe insoweit den unmittelbaren Sachverhalt des Strafverfahrens, an dem ein hohes Berichterstattungsinteresse bestehe. Es handele sich um einen der spektakulärsten Strafprozesse der letzten Jahre, der nicht zuletzt auch deswegen in allen Medien thematisiert werde, weil die "Hauptverteidiger" des Klägers selbst sehr umfangreich zu dem Prozessgeschehen öffentlich Stellung nähmen.

Es überwiege deshalb das öffentliche Interesse an der Berichterstattung die mit ihr einhergehende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, der schon früher wegen seiner Arbeit als Meteorologe und Wettermoderator als prominente Person im Blickfeld der Öffentlichkeit gestanden habe. Schließlich sei der innerste oder Kernbereich der Persönlichkeit des Klägers überhaupt nicht betroffen, da der gegen ihn gerichtete Strafvorwurf dem Bereich der Sexualstraftaten angehöre. Der Kläger selbst habe schließlich die aufgeführten Aussagen zur Verteidigung gegen die ihm vorgeworfene Straftat gemacht; insofern handele es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen nicht nur um Informationen zu allgemeinen Vorlieben, sondern um den eigentlichen Vorwurf der Vergewaltigung und die zentrale Einlassung des Klägers hierzu.

Jedenfalls sei die Berichterstattung über die Details nach Verlesung des Vernehmungsprotokolls des Klägers im laufenden Strafverfahren zulässig. Im Übrigen bestehe auch ein erhebliches öffentliches Interesse daran, wie der Abend der mutmaßlichen Tat abgelaufen ist. Dabei sei auch von Interesse, dass man offensichtlich davon ausgegangen sei, dass der einvernehmliche sexuelle Kontakt auch gewisse Gewaltanwendungen beinhalten könnte - ein Umstand, der den Kläger hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Straftaten entlaste, da es für das mutmaßliche Opfer ein Leichtes sei, hinterher zu behaupten, Sex und Gewaltanwendung seien doch nicht einvernehmlich erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die von ihnen eingereichten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Abzuweisen war sie nur insoweit, als der Kläger Zinsen auf den Feststellungsanspruch begehrt.

1. Durch die streitgegenständliche Berichterstattung wird der Kläger rechtswidrig in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Ihm steht daher aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

a) Der Kläger ist für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert, da er namentlich genannt wird und erkennbar über seine Person und das gegen ihn laufende Strafverfahren berichtet wird. Die Beklagte ist passivlegitimiert, da sie für die Inhalte der Beiträge auf der von ihr betriebenen Internetseite www.anonym1.de verantwortlich ist.

b) Es liegt ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers vor. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit jeweils positiv festzustellen (Palandt/Sprau, BGB, 69. Auflage, § 823 Rn. 95 m.w.N.). Stehen sich als widerstreitende Interessen - wie vorliegend - die Meinungsfreiheit (Art. 5 I GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2, 1 GG) gegenüber, kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung im Regelfall maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Dabei müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, unwahre dagegen nicht. Allerdings wird vorliegend die Wahrheit der berichteten Äußerungen nicht angegriffen. Jedoch können auch wahre Berichte das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dann verletzen, wenn die Darstellung einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (vgl. BVerfG NJW 2009, 3357). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen, obschon sie wahr sind, geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfG a.a.O.).

Eine Berichterstattung kann in diesem Zusammenhang auch deshalb unzulässig sein, weil sie in nicht hinnehmbarer Weise in die Privatsphäre der betroffenen Person eingreift, die Schutz vor unbefugter, insbesondere öffentlicher Kenntnisnahme genießt (Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Anonym1berichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 5 Rn. 35). Die Privatsphäre erfasst sachlich alle Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich gilt, wie etwas Auseinandersetzungen mit sich selbst, vertrauliche Kommunikation unter Eheleuten oder aber der Bereich der geschlechtlichen Begegnung zwischen Menschen (BVerfG NJW 2000, 1051, 1022 - Caroline von Monaco). Die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität gehören dabei zur Intimsphäre einer Person, die als engster Bereich der Entfaltung der Persönlichkeit den stärksten Schutz gegen eine öffentliche Erörterung bietet (Burkhardt in Wenzel a. a. O. Kap. 5 Rn. 47 f.). Ist eine Information der Intimsphäre zuzuordnen, genießt diese wegen ihrer Nähe zur Menschenwürde grundsätzlich absoluten Schutz vor den Einblicken der Öffentlichkeit (BVerfG NJW 2000, 2189; NJW 2009, 3357, 3359). Die Frage, ob ein Vorgang dem Kernbereich der Entfaltung der Persönlichkeit zuzuordnen ist, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakter hat und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (BVerfG NJW 2009, 3357, 3359). Die Begehung einer Straftat unter Verletzung des Rechts eines anderen auf sexuelle Selbstbestimmung vermittelt dem Straftäter indes nicht das Recht, mit seiner Tat allein gelassen zu werden, weil sie auch intime Züge tragen kann. Der Bereich der Sexualität gehört dann nicht zwangsläufig und in jedem Fall zum Kernbereich der Persönlichkeit, wenn mit ihr ein gewalttätiger Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit des Opfers einhergeht. Auch die weiteren Umstände der Tat, insbesondere die Beziehung des Täters zu seinem Opfer, zählen dann nicht zu seiner absolut geschützten Intimsphäre (BVerfG NJW 2009, 3357, 3359). Das Interesse der Öffentlichkeit an einer aktuellen Berichterstattung über eine schwere Straftat rechtfertigt es in diesem Fall vielmehr, in identifizierender Weise über den Täter und seine Tat zu berichten. Dies schießt auch Berichte über sein persönliches Leben ein, "soweit deren Inhalt in unmittelbarer Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld des Täters wesentlich erscheint" (BVerfG a. a. O.; NJW 1973, 1226, 1231 - Lebach I).

Gemessen an diesen Grundsätzen, die im Falle einer Verdachtsberichtserstattung erst recht als Grenzen einer zulässigen Berichterstattung zu berücksichtigen sind, stellen die Äußerungen in dem von der Beklagten am 13.06.2010 auf ihrer Internetseite anonym1.de veröffentlichten Beitrag unter der Überschrift "Der L Krimi: L2?" nach umfassender Abwägung einen unzulässigen Eingriff in die Intimsphäre des Klägers dar. Dabei waren die streitgegenständlichen Äußerungen als zusammenhängendes Ganzes unter Berücksichtigung des Kontextes und der Begleitumstände zu würdigen (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Anonym1-berichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 4 Rn. 1).

Zwar beruht die Berichterstattung der Beklagten auf der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung, die auch Gegenstand der Anklage gewesen ist und nach der Berichterstattung durch Verlesung in die mündliche Verhandlung eingeführt wurde. Diese Einlassung des Klägers hat auch prinzipiell einen unmittelbaren Bezug zum Hergang des Geschehens am Abend des 08.02.2010, da sie dessen Schilderung des vermeintlichen Tatabends enthält und ist damit grundsätzlich von einem Berichterstattungsinteresse gedeckt. Die Darstellung durch die Beklagten beschränkt sich allerdings nicht auf den Kern der Einlassung des Klägers, wonach am Abend des 08.02.2010 zwischen ihm und der Zeugin einvernehmlicher Sexualverkehr stattgefunden habe, sondern teilt im konkreten Zusammenhang lediglich intime Details der Art und Weise des Geschlechtsverkehrs mit.

Es werden die sexuellen Verhaltensweisen zwischen dem Kläger und der Zeugin thematisiert und darüber hinaus auf deren übliches Sexualverhalten generalisiert, so dass sie über das hier völlig in den Hintergrund tretende "Tatgeschehen" hinaus die Intimsphäre des Klägers betreffen. Die konkret angegriffene Berichterstattung beschäftigt sich nicht sachlich und in concreto mit dem Tatgeschehen, sondern in aller erster Linie mit den sexuellen Vorlieben der Protagonisten. Es werden schlagwortartig "neue intime Details" mitgeteilt, die jedoch nicht in einen Zusammenhang eingeordnet werden, der dem Leser die Bedeutung dieser Details für Strafverfahren vermittelt. Insbesondere erfolgt keine Darstellung dergestalt, daß es sich hierbei um die zentrale Einlassung des Klägers in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren handeln soll, die in diametralem Widerspruch zu der Schilderung der Hauptbelastungszeugin steht. Vielmehr werden die Äußerungen lediglich als "neue intime Details", die den Fall L immer "pikanter" werden lassen, benannt und stehen insofern für sich alleine. Die Berichterstattung erschöpft sich in der Mitteilung dieser Details, ohne diese in einen ein überwiegendes öffentliches Interesse begründenden Kontext zu stellen. Das aber führt dazu, daß sie nicht für sich in Anspruch nehmen können, von dem grundsätzlich anzuerkennenden Berichterstattungsinteresse an dem Strafverfahren gegen den Kläger gedeckt zu sein. In der allein zu beurteilenden konkreten Verletzungsform dient die Darstellung vielmehr allein der Befriedigung von Neugier und Sensationslust, indem sie die Details ohne Anbindung an den konkreten Sachverhalt für sich in den Mittelpunkt der Berichterstattung rückt. Die Beklagte berücksichtigt dabei nicht, dass eine Berichterstattung aufgrund des gegen den Kläger erhobenen Tatvorwurfs nicht weiter gehen darf, als dies für eine angemessene Befriedigung des Informationsinteresses erfordert ist (vgl. BVerfG NJW 1973, 1226, 1230 - Lebach I).

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die entsprechende Einlassung des Klägers am 15.09.2010 in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Strafgericht verlesen worden ist. Zwar deutet die Einführung eines bestimmten Beweismittels in der Hauptverhandlung darauf hin, dass dieses durch einen der Verfahrensbeteiligten in einen (unmittelbaren) Zusammenhang mit dem Tatvorwurf, sei es entlastend oder aber belastet, gestellt wird. Dies bedeutet jedoch nicht zugleich, dass eine Berichterstattung über den gesamten Inhalt der Hauptverhandlung ohne Rücksicht auf die geschützten Interessen des Angeklagten zulässig wäre. Die Gerichtsöffentlichkeit versteht sich gesetzlich gemäß § 169 GVG als Saalöffentlichkeit, die nicht mit der Öffentlichkeitswirkung einer Berichterstattung in den Medien gleichzusetzen ist (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Anonym1berichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rn. 181). Wesentlicher Inhalt dieses Verfahrensgrundsatzes ist es nicht, der breiten Öffentlichkeit ein wortgetreues Nachempfinden der mündlichen Verhandlung zu ermöglichen. Der Grundsatz der Öffentlichkeit dient vielmehr vor allem dem Schutz der Verfahrensbeteiligten vor einer Geheimjustiz des Staates. Die Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen soll zur Gewährleistung von Verfahrensgerechtigkeit beitragen. Die Information über das Geschehen ist Voraussetzung einer Kontrolle in Verfolgung dieses Zwecks (BVerfG NJW 2001, 1633, 1635). Zwar gewährleistet der Grundsatz der Öffentlichkeit auch die Eröffnung einer Informationsquelle zugunsten der Medien (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Anonym1berichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rn. 181). Eine solche Gewährleistung ist jedoch auch verbürgt, wenn im Einzelfall mit Rücksicht auf die Interessen der Verfahrensbeteiligten nicht jedes Detail aus der mündlichen Verhandlung berichtet werden darf.

Auch ein - unterstellter - Nichtgebrauch von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, zugunsten des Persönlichkeitsrechts von Verfahrensbeteiligten die Öffentlichkeit gemäß § 171 b GVG auszuschließen, lässt nicht einen Schluss auf die Zulässigkeit einer bestimmten Berichterstattung zu. Die Entscheidung, ob die mündliche Verhandlung im konkreten Fall ausgeschlossen werden darf oder muss, folgt nicht den inhaltlich identischen rechtlichen Erwägungen wie die Frage, ob in den Medien über bestimmte Details aus der Privat- oder Intimsphäre berichtet werden darf. Es liegt vielmehr näher, dass die Frage, in welchen Fällen eine Kenntnis von dem Verhandlungsinhalt durch die Öffentlichkeit auszuschließen ist, gemäß § 171b GVG anderen Gesichtspunkten unterliegt als eine maßvolle Beschränkung der Berichterstattung in den Medien aufgrund des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen. Denn wenn bei Berührung der Privat- oder Intimsphäre eines Verfahrensbeteiligten im Strafverfahren jedes Mal die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden müsste, hätte dies eine unverhältnismäßige Einschränkung des Grundsatzes der Öffentlichkeit zur Folge. Demgegenüber stellt es nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein milderes Mittel dar, dort die Öffentlichkeit zuzulassen, auf der anderen Seite jedoch die Frage der medialen Verbreitung einer Information getrennten Grundsätzen zu unterwerfen.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die streitgegenständlichen Äußerungen seien auch deshalb zulässig, weil die Verteidiger des Klägers selbst sehr umfangreich zu dem Prozessgeschehen öffentlich Stellung nähmen, kann dem nicht gefolgt werden. Insoweit hat sie nicht dargelegt, dass Äußerungen zu dem Sexualleben des Klägers und seinen sexuellen Gepflogenheiten Thema derartiger Äußerungen gewesen wären. Der Kammer ist aus anderen Rechtsstreitigkeiten lediglich bekannt geworden, dass sich der Kläger gegen die Ausbreitung seines Sexuallebens in den Medien gewehrt hat.

c) Zudem ist die Wiederholungsgefahr als materielle Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs gegeben. Diese wurde bereits durch die Erstbegehung indiziert (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Anonym1berichterstattung, Kap. 12 Rn. 17 m.w.N.) und ist bislang nicht ausgeräumt. Mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten besteht sie weiterhin.

2. Der Kläger kann des weiteren wegen dieser rechtswidrigen und zumindest auch fahrlässigen Persönlichkeitsrechtsverletzung aus § 823 BGB sowie nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag die Freistellung (§ 257 BGB) von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Diese sind auch der Höhe nach zutreffend berechnet. Hiergegen erinnert auch die Beklagte nichts. Dieser Anspruch ist jedoch nicht zu verzinsen. Ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen setzt gem. § 288 BGB das Bestehen einer Geldschuld voraus. Dass die Beklagte sich mit der Zahlung der Abmahnkosten in Verzug befindet und der Zinsanspruch daher als Schadensersatz geltend gemacht werden könnte, ist weder dargetan noch ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

4. Streitwert: 25.000,00 Euro.