OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2011 - I-24 W 9/11
Fundstelle
openJur 2012, 79044
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - Rechtspflegerin - vom 6. Oktober 2010 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf Grund des Beschlusses der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 29. Juli 2010 sind von der Antragsgegnerin 354,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juli 2010 an den Antragsteller zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Beschwerdewert: 420,84 EUR

Gründe

I.

Der Antragsteller war gewerblicher Zwischenvermieter, der mehrere Wohnungen im Hause D. X.-Str., teils unter eigenem Namen, teils unter anderen Bezeichnungen zum Zwecke der Untervermietung von der Antragsgegnerin, der Eigentümerin, gemietet hatte. Die Antragsgegnerin kündigte mit Schreiben vom 14. Juli 2010 das Mietverhältnis für die Wohnung Nr. 5 fristlos und drohte zugleich an: "Falls Sie die Wohnung nicht bis zum 20.07.2010 geräumt haben, werde ich Sie auf ihre Kosten räumen lassen." Mit Schreiben vom 21. Juli 2010 kündigte sie auch die Mietverhältnisse für die Wohnungen Nrn. 2, 3 und 4 fristlos und drohte zugleich jeweils an: "Falls Sie die Wohnung nicht bis zum 30.07.2010 geräumt haben, werde ich Sie auf ihre Kosten räumen lassen."

Der Antragsteller erwirkte daraufhin am 29. Juli 2010 in dem vorangegangenen Verfahren eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin, es zu unterlassen, die (näher bezeichnete) Wohnung Nr. 2 zu räumen. Die Kosten des Verfahrens wurden der Antragsgegnerin auferlegt.

Mit nahezu gleichlautenden Antragsschriften erwirkte der Antragsteller vor der 13. Zivilkammer des Landgerichts entsprechende einstweilige Verfügungen auch für die Wohnungen Nrn. 3, 4 und 5.

Die Beschlüsse des Landgerichts sind rechtskräftig.

Der Antragsteller hat in dem vorliegenden Verfahren die Festsetzung seiner Auslagen in dem Verfahren auf Erlass der einstweiligen Verfügung beantragt. Dagegen hat sich die Antragsgegnerin mit der Auffassung gewandt, die Antragsteller hätte sie auf Unterlassung der Räumung der vier Wohnungen in einem einzigen Prozess in Anspruch nehmen müssen, um so Kosten zu sparen. Die durch das Vorgehen des Antragstellers verursachten Mehrkosten seien nicht zu erstatten.

Dem hat der Antragsteller entgegengehalten: Die vier Prozesse hätten geführt werden dürfen, weil es sich um verschiedene Wohnungen mit unterschiedlichen Mietverträgen gehandelt habe. Damit hätten verschiedene Streitgegenstände vorgelegen. Außerdem sei zu befürchten gewesen, dass sich eine einheitliche Entscheidung des Gerichts zu seinen Gunsten verzögert hätte oder ganz unterblieben wäre, weil sich die Mietverträge in Details unterschieden hätten.

Das Landgericht hat durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss die dem Antragsteller von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 775,64 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Landgericht - Rechtspflegerin - nicht abgeholfen hat. Die Antragsgegnerin wiederholt ihr bisheriges Vorbringen.

II.

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1, 568 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg.

1.

Das Beschwerdegericht ist zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde befugt. Zwar ist die Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung des Landgerichts gemäß § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO insofern verfahrensfehlerhaft, als diese Entscheidung durch einen Vermerk und schlichte Verfügung vom 18. Januar 2011 getroffen worden ist. Dass nämlich die Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung durch Beschluss zu ergehen hat, entspricht der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (KG KGR Berlin 2008, 204; OLG Stuttgart MDR 2003 110 [111]; OLG Koblenz Rpfleger 1978, 104 [105] zur Nichtabhilfe und Vorlage nach § 11 RPflG a.F.; MünchKomm/Lipp, ZPO, 3. Aufl., § 572 Rn. 10; Zöller/Gummer, ZPO, 27. Aufl. § 572 Rn. 10; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 572 Rn. 9). Der Nichtabhilfebeschluss ist den Parteien nach § 329 Abs. 2 S. 1 formlos mitzuteilen (Musielak/Ball aaO.; MünchKomm/Lipp aaO. Rn. 12). Dieser Auffassung hat sich der Senat schon durch Beschluss vom 29. Oktober 2009 (I-24 W 44/09) angeschlossen (JurBüro 2010, 427). Darauf wird verwiesen.

Der Mangel des Vorlageverfahrens führt jedoch nicht zu einer Unwirksamkeit der Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung (Senat aaO. m.w.N.). Von seiner gleichwohl bestehenden Befugnis, die Sache an das Ausgangsgericht zur ordnungsgemäßen Bescheidung zurückzuverweisen (ebenso: OLG Stuttgart aaO.; KG aaO.; MünchKomm/Lipp aaO.), macht der Senat hier keinen Gebrauch, weil die Sache entscheidungsreif und den Parteien der Eingang der Beschwerde beim Senat bekanntgemacht worden ist.

2.

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin überhöhte Kosten festsetzen lassen.

a)

Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO hat die unterlegene Partei, hier die Antragsgegnerin, dem Gegner die Kosten zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Maßgeblich ist, inwiefern die entstandenen Kosten von einer verständigen Partei als erforderlich angesehen werden mussten. Dies folgt aus dem zwischen den Parteien bestehenden Prozessrechtsverhältnis, aus dem jede Partei nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Kosten ihrer Prozessführung möglichst niedrig zu halten (BGH ZMR 2009, 442; NJW 2007, 2257; 2007, 1532; 2003, 2992). Dabei ist im Kostenfestsetzungsverfahren durchaus zu prüfen, ob das Führen mehrerer Prozesse an Stelle einer subjektiven Klagehäufung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO war. Es handelt sich dabei nämlich nicht um eine materiellrechtliche Einwendung (so OLG Celle NdsRpfl. 1987, 283), sondern betrifft den Umfang des im Festsetzungsverfahren zu ermittelnden prozessualen Kostenerstattungsanspruchs (so zutreffend OLG Naumburg OLGR Naumburg 2003, 284; KG JurBüro 2001, 99, 100).

b)

Grundsätzlich obliegt es allerdings einem Antragsteller, seine prozessuale Taktik zu bestimmen und einen Gegner, gegen den ihm mehrere Ansprüche zustehen, in einem Prozess in Anspruch zu nehmen oder stattdessen mehrere Klagen zu erheben. Daran ist er allerdings gehindert, wenn es für dieses Vorgehen nachvollziehbare sachliche Gründe nicht gibt, vielmehr die zu Mehrkosten führende Inanspruchnahme ein und derselben Partei in einzelnen Prozessen willkürlich und treuwidrig, mithin rechtsmissbräuchlich erscheint (vgl. OLG Naumburg aaO., OLG München AnwBl. 1994, 527 f.; MDR 2001, 652 f.; KG NJW-RR 1992, 1298; JurBüro 1989, 1697; 2001, 99, 100; OLG Koblenz JurBüro 1990, 58; OLG Düsseldorf JurBüro 1982, 602). Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich die Klage gegen mehrere Bürgen richtet, die gleichartig haften (OLG Naumburg aaO.; OLG Koblenz Rpfleger 1991, 81). Ähnlich liegen die Dinge, wenn im Presserecht von einer Partei auf Grund desselben Lebenssachverhalts gegen mehrere Gegner gleichlautende Untersagungsverfügungen erwirkt werden (KG JurBüro 2001, 99).

Es ist hier ist kein sachlicher Grund des Antragstellers ersichtlich und von ihm auch nicht dargetan (vgl. zur Darlegungslast Schneider MDR 1989, 606, 607), der es erforderlich erscheinen ließ, die Antragsgegnerin für die Unterlassung der Räumung in vier gleich gelagerten Fällen in getrennten Verfahren in Anspruch zu nehmen.

Es liegt ein einheitlicher Lebenssachverhalt vor (vgl. OLG Koblenz JurBüro 1990, 58). Der Antragsteller begehrte von der Antragsgegnerin die Unterlassung, durch verbotene Eigenmacht die fristlosen Kündigungen durchzusetzen. Unerheblich ist die unterschiedliche Größe der im selben Gebäude liegenden Wohnungen. Abgesehen von den sich daraus ergebenden Abweichungen in den Anträgen, haben die Antragsschriften denselben Wortlaut. Die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen sind nahezu identisch.

Mit erheblich voneinander abweichendem Verteidigungsvorbringen der Antragsgegnerin war, wenn überhaupt, nicht zu rechnen. Denn ihre Drohung, die Wohnungen nach dem 20. bzw. 30. Juli 2010 räumen zu lassen, war in den Schreiben der Antragsgegnerin dokumentiert. Der Gerichtsstand war derselbe. Allein die Tatsache, dass über die Wohnungen sich im Detail unterscheidende Mietverträge geschlossen waren, ist unerheblich, weil im Verfahren nur possessorische Einwendungen in Betracht kamen, und rechtfertigt nicht vier Prozesse.

3.

Dies hat zur Folge, dass der Antragsteller Erstattung nur des Betrages verlangen kann, für den die Antragsgegnerin im Falle eines einzigen Rechtsstreits einzustehen hätte. Entsprechend dem Vorbringen der sofortigen Beschwerde, sind die Streitwerte der beiden Prozesse gegen die Antragsgegnerin zu addieren, so dass von einem Streitwert von 40.000,00 EUR auszugehen ist. Danach errechnet sich gemäß Nr. 3100 VV zum RVG eine 1,3 Gebühr in Höhe von 1.172,60 EUR zuzüglich 20 EUR Postpauschale und 19% Umsatzsteuer von 226,59 EUR, mithin ein zu erstattender Betrag von 1.419,19. Damit entfällt auf den vorliegenden Kostenfestsetzungsantrag ein Betrag von 354,80 EUR (gerundet von 354,7985).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht gemäß § 574 ZPO kein Anlass. weil es

um eine Einzelfallentscheidung geht. Die entscheidungserheblichen Grundsatzfragen sind höchstrichterlich geklärt.