Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1O. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 21. 12. 1992 - 1O O 432/9O - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.500,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Beiden Parteien wird gestattet, eventuelle Sicherheitsleistungen auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank oder öffentlich rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
Die am 15. 2. 1978 geborene Klägerin nimmt die Beklagten wegen
angeblich fehlerhafter Geburtsleitung und daraus resultierender
Dauerschäden in Anspruch.
Die Geburt der Klägerin erfolgte im Städtischen Krankenhaus S.,
dessen Trägerin die Beklagte zu 1) ist. Der Beklagte zu 2) war dort
als Chefarzt, der Beklagte zu 3) als Oberarzt in der
geburtshilflichgynäkologischen Abteilung tätig.
Die Klägerin wurde als 3. Kind ihrer damals 3Ojährigen Mutter
geboren, die bereits 2 Töchter zur Welt gebracht hatte. Die beiden
voraufgegangenen Geburten hatten eingeleitet werden müssen; die
Kinder wurden aber gesund geboren.
Nachdem als voraussichtlicher Geburtstermin der 2. 2. 1978
errechnet worden war, stellte in der 37./38. Schwangerschaftswoche
der behandelnde Arzt eine Querlage fest und ordnete in der Annahme
einer bevorstehenden Risikogeburt die Krankenhauseinweisung an. Am
11. 1. 1978 suchte die Mutter der Klägerin das Krankenhaus der
Beklagten zu 1) auf, wobei eine Ultraschallaufnahme die Querlage
bestätigte. Die Mutter der Klägerin wurde zunächst wieder nach
Hause entlassen.
Am Abend des 14. 2. 1978 kam es zu einem vorzeitigen
Blasensprung und Fruchtwasserabgang, dies laut Aufzeichnung in dem
Krankenblatt der geburtshilflichen Abteilung seit 19.OO Uhr dieses
Tages, wobei nach dortiger Erklärung klares Fruchtwasser abging.
Gegen 21.OO Uhr wurde die Mutter der Klägerin im Krankenhaus der
Beklagten zu 1) aufgenommen, wo sie in den Kreißsaal verbracht
wurde und dort laut Aufzeichnung im Krankenblatt um 21.25 Uhr
gelagert wurde. In dem Krankenblatt befinden sich zum Geburtsablauf
folgende Angaben:
21.25 Uhr: CTG: 1 Wehe in 15 Minuten, HT anfangs silent, nach
Weckversuch o. B. 14O bis 16O ppm
U.S. (Ultraschall): siehe Befund
22.4O Uhr: 1O mg Valium
15.12. 6.OO Uhr: FHF 15O ppm - undulat, vereinzelte
Kontraktionen, Befund unverändert,
8.OO Uhr nach Einlauf: Oxytocintropf (5 Tropfen),
8.1O Uhr MM 2 - 3 cm, weich, Kopf gut im BE, Oxytocintropf,
9.2O Uhr Muttermund 3 cm weich. VT Kopf fest im BE.
11.OO Uhr Kopfelektrode, Muttermund 4 cm, Kopf fest im BE
eingeengte HT.
11.5O Uhr EPA 8 ml Carbostesin, O,5 %, eingeengter HT,
Dezelerationen.
12.OO Uhr MIBU = 7,28.
12.5O Uhr 8 ml Carbostesin, Muttermund 4 - 5 cm weich, MIBU
7,32.
13.4O Uhr Oxytocintropf an
14.15 Uhr EPA, Muttermund 5 cm (Wirkung der ersten EPA
unzureichend 8 ml Carbostesin)
15.4O Uhr Muttermund vollständig, Beginn der Preßwehen
15.48 Uhr Spontangeburt eines lebensfrischen reifen Mädchens aus
1. HHL. Im Geburtsverlaufprotokoll befindet sich die Angabe, daß
die Nabelschnur einen Knoten aufwies. Die Apgarwerte wurden mit
nach einer Minute 8, nach drei Minuten 9 und nach fünf Minuten 1O
angegeben. Eine Analyse des Blutes der Nabelschnurarterie erfolgte
nicht.
Im einzelnen stellte sich deshalb der Geburtsverlauf nach
Maßgabe der vorstehend zitierten Eintragungen wie folgt dar:
Das Ergebnis der Ultraschalluntersuchung nach Lagerung im
Kreißsaal ist unter den Parteien streitig. Am Morgen des 15. 2.
1978 leiteten die behandelnen Ärzte um 8.OO Uhr die Geburt mit
einer Tropfinfusion von zunächst 5 Tropfen Oxytocin ein. Um 8.3O
Uhr wurde die Dosis auf 8 Tropfen, ab 8.45 Uhr auf 1O Tropfen
erhöht. Die CTG - Befunde zeigten nach 8.3O Uhr einen Basaltonus
von 3O mmHG und eine Wehenamplitude von 2O mmHG an. Um 9.2O Uhr
wurde die Oxytocin-Dosis auf 12 Tropfen erhöht. Um 9.45 Uhr wurde
sie noch einmal auf 2O Tropfen gesteigert.
Um 11.OO Uhr zeigten die CTG-Aufzeichnungen eingeengte Herztöne
des Kindes an; daraufhin legte der Assistenzarzt Dr. N. eine
Elektrode an den Kopf des Kindes zur Ableitung eines EKG an. Um
11.5O Uhr wurde der Mutter der Klägerin eine Epiduralanästhesie von
8 ml Carbostesin O,5 % verabreicht. Die CTG-Befunde zeigten
eingeengte Herztöne und Dezelerationen an. Aus diesem Grund führte
Dr. N. eine Mikroblutuntersuchung aus der Kopfschwarte des Kindes
durch, die einen pH-Wert von 7,28 ergab. Bei der Mutter der
Klägerin zeigten die CTG-Aufzeichnungen einen Basaltonus von 5O
mmHG an. Um 12.15 Uhr stellten die Geburtshelfer den Oxytocintropf
ab, und der Beklagte zu 3) verabreichte der Mutter der Klägerin um
12.5O Uhr eine zweite Epiduralanästhesie von 8 ml Carbostesin O,5
%, weil die erste nur unzureichend wirkte. Nachfolgend führte der
Beklagte zu 3) eine weitere Mikroblutuntersuchung durch, die einen
pH-Wert von 7,32 erbrachte. Zu diesem Zeitpunkt lag eine gute
Wehentätigkeit mit einer Wehenamplitude von über 3O mmHG vor. Um
13.4O Uhr legte ein anderer Arzt den Oxytocintropf wieder an. Nach
14.OO Uhr erhielt die Mutter der Klägerin eine weitere
Epiduralanästhesie in der gleichen Dosis wie zuvor.
Nachdem die CTG-Aufzeichnungen nach der letzten
Mikroblutuntersuchung noch einmal 6O Spätdezelerationen angezeigt
hatten, begannen um 15.4O Uhr die Preßwehen und kam es um 15.48 Uhr
zur Spontangeburt der Klägerin, wobei ein echter Nabelschnurknoten
vorlag. Klägerin und Nabelschnur waren blaufarben. Im Krankenblatt
der Mutter der Klägerin befindet sich zum Ablauf der Gravidität
noch die Angabe, daß die Mutter der Klägerin wegen Angstneurose
seit längerem Tavor, ein Benzodiazepinderivat, nehme. Die Klägerin
hatte ein Geburtsgewicht von 3.23O Gramm und eine Länge von 53 cm.
Bei ihrer Entlassung am 23. 2. 1978 wies sie ein Gewicht von 3.21O
Gramm auf. Im Krankenblatt der Klägerin finden sich unter dem 16.
2. als Angaben des untersuchenden Arztes zu Inspektion, Palpation,
Auskultation, Neurologie sämtlich die Angabe: "ohne Befund." Unter
dem 21. 2. 1978 befindet sich zur Haut die Angabe "gelblich". Zu
den sonstigen Inspektionen die Angabe ohne Befund, zu den
Palpationsbefunden hinsichtlich der Fontanellen die Angabe dr. S.
klein, ansonsten alles ohne Befund dies ebenfalls hinsichtlich der
Auskultation und der Neurologie. Im übrigen wird zur
Abduktionsprüfung lediglich vermerkt, daß eine Abspreizhemmung und
eine Muselhypotonie bestehe, weshalb die Klägerin breit zu wickeln
sei. Unter dem 23. 2. 1978, dem Entlassungstag, findet sich zu
sämtlichen Untersuchungen die Angabe "ohne Befund." Jedenfalls im
Oktober 1978 verweigerte die Klägerin die Nahrungsaufnahme, weshalb
die Eltern mit ihr das Kinderkrankenhaus in W. aufsuchten, wo man
ihnen mitteilte, es liege eine frühkindliche Hirnschädigung
vor.
Unter dem 28. 1. 198O forderten die Eltern der Klägerin die
Beklagte zu 1) zur Herausgabe von Geburtsbericht und sonstigen
Unterlagen hinsichtlich der Geburt auf. Mit Schreiben vom 6. 2.
198O übersandte ihnen der Beklagte zu 2) den Geburtsbericht und
Ablichtungen aus dem Krankenblatt. Ferner bot er Einsichtnahme in
die Papierstreifen der CTG-Aufzeichnungen an. Unter dem 13. 3. 198O
stellten die Eltern der Klägerin dem Beklagten zu 2) weitere Fragen
zum Verlauf der Geburt, die der Beklagte zu 2) mit Schreiben vom
11. 4. 198O beanwortete.
Unter dem 29. 12. 1987 schrieb der damalige Bevollmächtigte der
Klägerin die Beklagte zu 1) an und forderte sie auf, ihm Kopien
aller Behandlungsunterlagen zu fertigen, die er am 7. 1. 1988
erhielt. Nachfolgend erhielt er auch die Originale der
CTG-Aufzeichnungen, wobei er feststellte, daß die Aufzeichnungen
für die Zeit von 1O.1O Uhr bis 11.4O Uhr nicht vorhanden waren. Ein
im Auftrag der Eltern der Klägerin erstelltes Gutachten von Dr. Z.
kam zu dem Ergebnis, daß es sich bei der Erkrankung mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine während der Geburt
erworbene hypoxische Gehirnschädigung handele.
Die Klägerin, die an schweren geistigen und körperlichen
Behinderungen leidet und laut Bescheid des Versorgungsamtes Köln
vom 15. 5. 199O zu 1OO % behindert und schwer pflegebedürftig ist,
hat behauptet, ihre Leiden beruhten auf Behandlungsfehlern im
Rahmen der Entbindung. Die Ultraschalluntersuchung am Abend des 14.
2. 1978 habe eine Schräglage ergeben, weshalb es als Fehler zu
werten sei, daß ihre Mutter nach der stationären Aufnahme 13
Stunden ohne geburtshilfliche Maßnahmen verblieben sei. Am Morgen
des 15. 2. 1978 seien die fetalen Herzfrequenz-Muster eingeengt
undulatorisch bis silent gewesen. Nach den Werten der
CTG-Aufzeichnungen habe bei ihrer Mutter eine hypertone
Wehenschwäche vorgelegen. Die Einleitung mit Oxytocin sei deswegen
kontraindiziert gewesen. Um 9.5O Uhr hätten der Assistenzarzt Dr.
N. und die Hebamme die Mutter der Klägerin für 5O Minuten alleine
in einem Raum zurückgelassen und dabei fehlerhaft die
Oxytocininfusion nicht abgestellt. Auch nachfolgend sei die
Oxytocinzufuhr nicht kontrolliert erfolgt. In der Zeit von 9.5O Uhr
bis 1O.4O Uhr müsse es zu erheblichen pathologischen
CTG-Veränderungen gekommen sein. Wahrscheinlich habe eine komplette
Sauerstoffnot bei der Klägerin vorgelegen. Ab 11.4O Uhr hätten die
CTG-Aufzeichnungen einen hoch pathologischen Zustand angezeigt, der
ein sicheres Indiz für Sauerstoffnot des Feten gewesen sei. Deshalb
hätte der Geburtsvorgang abgebrochen werden müssen. Die Anzahl der
Spätdezelerationen nach der zweiten Mikroblutuntersuchung habe weit
über der zu tolerierenden Grenze gelegen. Die erneute Anlegung des
Oxytocintropfes um 13.4O Uhr sei fehlerhaft gewesen, da der
Basaltonus ohnehin in einem erhöhten Bereich gelegen habe. Wenn die
Beklagten eine Spontangeburt angestrebt hätten, hätte in
regelmäßigen Abständen von 3O Minuten eine Mikroblutuntersuchung
durchgeführt werden müssen. Die Verabreichung dreier
Epiduralanästhesien sei eine Óberdosierung gewesen. Ursache für die
Verzögerung der Geburt sei möglicherweise ein Wirbelsäulenschaden
bei der Mutter gewesen. Es wäre Aufgabe der Beklagten gewesen, alle
Gründe für den verzögerlichen Geburtsvorgang und damit auch die
Möglichkeit einer Sectio zu überprüfen.
Auch nach der Geburt sei es zu Behandlungs- und Diagnosefehlern
gekommen. Unmittelbar nach der Geburt hätten die Ärzte das Blut der
Nabelschnuraterie analysieren müssen. Ein behandlungsbedürftiger
Sauerstoffmangel sei zu diesem Zeitpunkt feststellbar gewesen. Dann
hätten möglicherweise Maßnahmen zur Verhinderung der Schäden
ergriffen werden können. Nach der Geburt sei sie trinkfaul, extrem
schläfrig und ruhig gewesen, was ebenfalls Symptome für einen
voraufgegangenen Sauerstoffmangel gewesen seien, die zu einer unter
Umständen noch möglichen Behandlung hätten führen müssen. Aufgrund
der Behandlungsfehler leide sie unter disharmonischer
psychomotorischer Retardierung. Sie sei auf die Benutzung eines
Rollstuhls angewiesen und könne sich nicht alleine fortbewegen.
Deshalb sei ihr ein Schmerzensgeld zuzuerkennen. Als Schaden
materieller Art seien monatliche Pflegekosten in Höhe von 3.OOO,OO
DM in Ansatz zu bringen, für die Vergangenheit seit dem 12.
Lebensjahr 5.OOO,OO DM Pflegekosten monatlich.
Die Klägerin hat beantragt,
1.)
die Beklagten als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an sie ein Teilschmerzensgeld von 45.OOO,OO DM zu
zahlen;
2.)
die Beklagten als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an sie für den bisher angefallenen Sachschaden einen
Teilbetrag von 5.OOO,OO DM zu zahlen;
3.)
feztzustellen, daß die Beklagten
verpflichtet sind, ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen, der aus
Anlaß der Geburt am 15. 2. 1978 entstanden ist.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben ärztliche Behandlungsfehler bestritten und
vorgetragen, die Ultraschalluntersuchung am Abend des 14. 2. 1978
habe eine Schädellage des Kindes ergeben. Eine Einleitung der
Geburt sei zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen, da mit
einer komplikationslosen Entwicklung hätte gerechnet werden dürfen.
Es habe eine spärliche Wehentätigkeit bestanden, der Muttermund sei
noch nicht eröffnet gewesen. Die Herztöne hätten zunächst einem
Schlafzustand entsprochen und hätten auf einen Weckversuch in
regelrechter Weise angesprochen. Die Applikation von Oxytocin und
die Steigerung der Dosis seien sachgerecht gewesen. Eine hypertone
Weheschwäche habe nicht vorgelegen. Ein erhöhter Basaltonus sei
nicht erkennbar gewesen. Es habe auch eine ununterbrochene
Óberwachung durch CTG vorgelegen. Es habe keine Notsituation in
Form eines kompletten Sauerstoffmangels gegeben. Es seien lediglich
eingeengte Herzstöne festzustellen gewesen, die keinen
pathologischen Befund darstellten. Auch seien zeitnahe
Mikroblutuntersuchungen durchgeführt worden, die eine gute fetale
Sauerstoffversorgung bewiesen hätten. Angesichts der guten
Blutwerte sei ein gravierender Zustand von
Sauerstoffunterversorgung im vorangegangenen Zeitraum
auszuschließen. Für einen Wirbelsäulenschaden der Mutter und
hierauf beruhende Erschwerung des Geburtsablaufes habe es keine
Anhaltspunkte ergeben. Nach der Geburt sei eine Analyse des Blutes
der Nabelschnurarterie nicht indiziert gewesen. Die Blaufärbung der
Klägerin sei nicht ungewöhnlich und nur von kurzer Dauer gewesen,
und die Klägerin habe auch normale Apgarwerte aufgewiesen.
Ferner haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben.
Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, die Beklagte zu 1) habe auf
die Geltendmachung der Einrede der Verjährung verzichtet. Außerdem
liege keine Verjährung vor, weil ihre Eltern erst spät von der
Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen Geburtsfehlern und Schäden
der Klägerin Kunde erhalten hätten.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten
der Sachverständigen Prof. Dr. S. nebst Zusatzgutachten Prof. Dr.
Z. sowie des Sachverständigen Prof. Dr. J..
Durch Urteil vom 21. 12. 1992, auf das wegen aller Einzelheiten
Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben und
zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Ursache für die
gesundheitliche Schädigung der Klägerin liege nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme möglicherweise in einem schuldhaften ärztlichen
Versagen der Beklagten zu 2) und/oder zu 3). Eindeutige
Feststellungen zu der Ursächlichkeit seien indessen nicht möglich.
Dies gehe jedoch zu Lasten der Beklagten, weil nach dem Gutachten
des Sachverständigen Prof. Dr. J. ein Fehlverhalten der Beklagten
zu 2) und 3) bei der Leitung des Geburtsverlaufes anzunehmen sei,
das möglicherweise als grob zu qualifizieren sei und die Ursache
für die Hirnschädigung der Klägerin darstelle.
Nach dem Sachverständigen Prof. Dr. J. sei es nämlich jedenfalls
ärztlich unvertretbar gewesen, die Mutter der Klägerin weiterhin
mit dem Medikament Oxytocin über den Dauertropf zu behandeln,
nachdem im CTG Auffälligkeiten eingetreten seien. Daß es bei dieser
Fehlbehandlung zu einer acidotischen Schädigung der Klägerin
gekommen sei, sei eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich.
Gegen dieses am 8. 1. 1993 zugestellte Urteil haben die
Beklagten am 5. 2. 1993 Berufung eingelegt und diese am 5. 5. 1993
- nach Fristverlängerung bis zu diesem Tage - begründet.
Mit ihrer Berufung begehren die Beklagten die Abweisung der
Klage und wiederholen hierzu unter Vertiefung ihr erstinstanzliches
Vorbringen. Ergänzend machen sie geltend, eine Haftung der
Beklagten zu 2) und 3) scheide schon von vornherein aus. Die Mutter
der Klägerin habe - wie unstreitig ist - keine Wahlleistungen
gewünscht und deshalb mit dem Beklagten zu 2) keinen Vertrag
geschlossen. Dieser sei auch nicht persönlich mit der Geburt der
Klägerin befaßt gewesen. Der Beklagte zu 3) sei an der Geburt nur
insoweit beteiligt gewesen, als er die beiden
Mikroblutuntersuchungen um 12.OO Uhr und 12.5O Uhr vorgenommen
habe. Im übrigen sei der Beklagte zu 3) - wozu die Beklagten im
einzelnen vortragen - sorgfältig ausgewählt und fortlaufend
überwacht worden.
Etwaige deliktische Ansprüche seien ohnehin verjährt, da die
Eltern der Klägerin offenkundig schon 198O von der Ursächlichkeit
eines bei der Geburt begangenen Behandlungsfehlers für deren
Hirnschaden ausgegangen seien; denn mit dieser Begründung hätten
sie die Herausgabe aller Unterlagen verlangt und die Beklagten um
ergänzende Erklärungen gebeten. Ihnen sei auch - wie unstreitig ist
- ausdrücklich angeboten worden, die CTG-Aufzeichnungen in der
Klinik einzusehen.
Ein Behandlungsfehler sei bei der Geburt der Klägerin nicht
begangen worden. Die Schlußfolgerungen des Sachverständigen Prof.
Dr. J., das CTG sei über weite Strecken auffällig und immer wieder
pathologisch gewesen, lasse eine nähere Begründung vermissen und
berücksichtige außerdem nicht, daß Normabweichungen nicht unbedingt
pathologische Ursachen haben müßten, da solche Schwankungen sehr
häufig auf Ungenauigkeiten des Aufzeichnungsverfahrens, vor allem
noch im Jahr 1978, zurückzuführen seien und die
Frequenzschwankungen auf den Kindsbewegungen und auf den Wehen bei
der Mutter beruhten.
Da die Mikroblutuntersuchungen im Bereich der Norm gelegen
hätten, habe folglich keine Sauerstoffnot bestanden. Der
Sachverständige habe auch nicht ausreichend berücksichtigt, daß der
Oxytocin-Dauertropf immerhin zwischen 12.5O Uhr und 13.4O Uhr
abgestellt gewesen sei. Es wäre auch keineswegs sinnvoll gewesen,
die Mikroblutuntersuchungen fortlaufend wiederholen zu lassen, und
dazu noch von einem anderen Arzt, obwohl der Beklagte zu 3) über
große Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt habe.
Von einem groben Behandlungsfehler könne erst recht keine Rede
sein. Die Auffassungen des Landgerichts, das Fehlen eines
CTG-Streifens beweise einen groben Fehler, sei rechtlich nicht
haltbar. Es liege nicht einmal ein Dokumentationsmangel vor; im
übrigen könnte aus einem bloßen Dokumentationsversäumnis nicht auf
einen Behandlungsfehler als Schadensursache geschlossen werden.
Außerdem sei nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S.
ein Geburtsschaden ganz unwahrscheinlich. Dabei habe Prof. S. nicht
einmal berücksichtigt, daß es sich nach dem Zusatzgutachten des
Sachverständigen Prof. Dr. Z. hier um eine pränatale hypoxische
Hirnschädigung handeln müsse.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen
Urteils die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Beklagten Vollstreckungsnachlaß
gegen Sicherheitsleistung zu bewilligen, die auch durch
Bankbürgschaft erbracht werden kann.
Die Klägerin beantragt,
1.
die Berufung kostenpflig
zurückzuweisen,
2.
für den Fall der Anordnung einer
Sicherheitsleistung der Klägerin nachzulassen, diese auch durch
Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder
Genossenschaftsbank zu erbringen.
Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches
Vorbringen und macht ergänzend geltend, eine Haftung der Beklagten
zu 2) und 3) ergebe sich jedenfalls daraus, daß sie einem
offensichtlich unerfahrenen Assistenzarzt, der nicht einmal
Facharzt gewesen sei (Dr. N.), über erhebliche Zeiträume die
eigenverantwortliche Betreuung ihrer Mutter überlassen hätten, ohne
eine ausreichende Óberwachung und Kontrolle sicherzustellen.
Den mit der Geburt und Entbindung befaßten Ärzten seien schwere
Behandlungsfehler anzulasten. Óber die von dem Sachverständigen
Prof. Dr. J. festgestellten Versäumnisse hinaus sei ihnen
vorzuwerfen, trotz der nicht regelrechten Entwicklung des
Muttermundes keinen Kaiserschnitt vorgenommen und nach der
Entbindung eine Temperaturmessung sowie im Hinblick darauf, daß die
Nabelschnur verdickt und weiß gewesen sei, eine Untersuchung des
Blutes der Nabelschnurarterie unterlassen zu haben. Zudem hätten,
nachdem den behandelnden Ärzten zumindest eine Muskelhypotonie
aufgefallen sei, weitere ärztliche Untersuchungen veranlaßt werden
müssen. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche auch für einen
Ursachenzusammenhang zwischen groben Behandlungsfehlern und
eingetretener Schädigung. Es sei nicht richtig, daß sich nach der
Geburt keine Auffälligkeiten gezeigt hätten. Vielmehr sei sie fast
immer im Halbschlaf geblieben, habe schwere Trinkschwierigkeiten
gezeigt und auffällig viel geschrien. Der Sachverständige Prof. Dr.
S. habe auch fälschlicherweise die Epilepsie, die mit dem
Geburtsschaden in keinem Zusammenhang stehe, in seine Bewertung
einbezogen. Die von dem Sachverständigen Prof. Dr. Z. getroffene
Feststellung hinsichtlich der periventrikulären Leukomalazie sei
falsch; vielmehr sei auch der morphologische Befund mit einer
perinatalen Hirnschädigung vereinbar.
Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat die Klägerin ferner
vorgetragen, sie habe bereits unmittelbar nach der Geburt
Verhaltsauffälligkeiten gezeigt, die für eine intrapartale
hypoxische Schädigung sprächen. Ferner lasse sich einem unmittelbar
nach der Geburt gefertigten Foto eine Delle an der linken Schläfe
entnehmen. Ersichtlich sei sie während des Geburtsvorgangs aufgrund
ungünstiger anatomischer Verhältnisse im Geburtskanal über eine
Dauer von 7 Stunden im Beckeneingang verblieben, wobei der Kopf
deformiert worden sei und der Druck auf die Hirnhemisphäre die
Hirnschädigung ausgelöst habe. Die aus dem Foto ersichtliche Delle
weise auf eine Einklemmung im Promotorium hin. Nach festgestellter
Querlage hätten die Beklagten an ein enges Becken denken müssen.
Angesichts dessen hätte sich eine Sectio aufdrängen müssen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die beiderseitigen
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluß vom 15. 11.
1993 (Bl. 638 d. A.), 14. 2. 1996 (Bl. 878 d.A.) und 4. 7. 1996
(Bl. 945 d.A.).
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Dr. K. (Gynäkologe)
vom 28. 12. 1994 (Bl. 666 f. d.A.) Prof. Dr. S. (Neuropädiater) vom
13. 4. 1996, (Bl. 885 d.A.) nebst Zusatzgutachten Prof. Dr. Z.
(Neuroradiologe) vom 3O. 4. 1996 (Bl. 913 f. d.A.) verwiesen sowie
ferner auf die weiteren Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S.
vom 3O. 7. 1996 (Bl. 948 d. A.) sowie das Protokoll der mündlichen
Anhörung des erstinstanzlichen Sachverständigen Prof. Dr. J.
(Gynäkologe) sowie des Dr. K. (Gynäkologe) vom 29. 11. 1995 (Bl.
8O4 f. d.A.) Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache
Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
Eine Gesamtwürdigung der eingeholten gutachterlichen
Stellungnahmen läßt bereits eine eindeutige Feststellung von
Behandlungsfehlern anläßlich der Geburt der Klägerin nicht zu.
Zwar hat der erstinstanzliche Sachverständige Prof. Dr. J.
angenommen, die CTG-Befunde seien "eigentlich niemals" in einem
idealen Normbereich, sondern stets auffällig, häufig pathologisch
gewesen; wenn sie silent gewesen seien, Spätdezelerationen gezeigt
und einen hohen Basistonus gehabt hätten, seien sie sogar stark
pathologisch gewesen. Hieraus hat Prof. J. zwei Fehlervorwürfe
hergeleitet: Das Anlegen eines Oxytocin-Dauertropfes sei bei einem
pathologischem CTG kontraindiziert und fehlerhaft; der
Oxytocin-Dauertropf bei einem pathologischen CTG führe sicher zur
weiteren Beeinträchtigung des Ungeborenen. Es hätte vielmehr über
einen längeren Zeitraum beobachtet werden müssen, ob sich die
kindlichen Herztöne ohne Oxytocin-Tropf erholten, und wenn auch das
nicht der Fall gewesen wäre, hätte bei einem 5 cm geöffneten
Muttermund eine Schnittentbindung durchgeführt werden müssen. Bei
diesem pathologischen CTG hätten außerdem die
Mikroblutuntersuchungen häufiger erfolgen müssen, und zwar vor
allem auch durch verschiedene Ärzte, da bei den
Mikroblutuntersuchungen die Abnahme problematisch sei. Dabei hat
der Sachverständige auch entgegen der Annahme der Beklagten seine
Angabe, das CTG sei häufig pathologisch gewesen, durchaus näher
erläutert, indem er unter anderem auf Spätdezelerationen
hingewiesen hat. Andererseits fehlen jedoch in seinem Gutachten
genaue zeitliche Einordnungen der verschiedenen kritischen Phasen
der CTG-Aufzeichnungen. Auch Angaben über die Anzahl der
Spätdezelerationen hat das erstinstanzliche Gutachten von Prof. Dr.
J. nicht enthalten, wobei dieser auch keine nachvollziehbare
Begründung dafür gegeben hat, warum ein Oxytocin-Dauertropf
vorliegend kontraindiziert war und inwieweit die Gabe
wehenfördernder Mittel "sicher zur weiteren Beeinträchtigung des
Ungeborenen" geführt habe. Auch einen Grund für seine Forderung
nach häufigeren Mikroblutuntersuchungen hat Prof. J. mit Ausnahme
eines Hinweises auf "dieses pathologische CTG" nicht angeführt.
Dabei hat er auch unberücksichtigt gelassen, daß immerhin zwei um
12.OO Uhr und 12.5O Uhr vorgenommene Mikroblutuntersuchungen Werte
im Normbereich ergeben hatten. Außerdem war im Hinblick auf dieses
Gutachten nicht nachvollziehbar, weshalb allein wegen der
Schwierigkeit der Blutabnahme solche Untersuchungen durch
verschiedene Ärzte durchgeführt werden müßten, wobei zu
berücksichtigen ist, daß der Oberarzt persönlich und nicht etwa ein
Assistenzarzt die beiden Mikroblutuntersuchungen durchgeführt hat.
Vermögen angesichts dieser Unklarheiten die Ausführungen des
erstinstanzlichen Sachverständigen Prof. Dr. J. schon nicht ohne
weiteres zu überzeugen, so stehen ihm zusätzlich auch die
Darlegungen des in zweiter Instanz beauftragten gynäkologischen
Sachverständigen Dr. K. entgegen, der unter insbesondere
eingehender Auswertung des rekonstruierten CTGs zu dem Ergebnis
gelangt ist, daß der Oxytocin-Tropf zum richtigen Zeitpunkt
angelegt und zutreffend dosiert worden ist, wobei die im
CTG-Streifen bis 9.4O Uhr abzulesende Wehenfrequenz hiermit
korrespondiert habe. In diesem Zusammenhang hat er darauf
hingewiesen, daß das CTG bis zu diesem Zeitpunkt, also bis 9.4O
Uhr, eingeschränkt undulatorisch bis undulatorisch gewesen sei. Es
seien zwar vereinzelt Dezelerationen vorhanden gewesen, die jedoch
als variabel und nicht sehr schwerwiegend einzustufen seien und an
eine Nabelschnurproblematik denken ließen. Das bis 1O.3O Uhr
vorliegende weitergeschriebene CTG habe keine Veränderungen
gezeigt, die zu einer Änderung der Oxytocin-Zufuhr hätten
Veranlassung geben müssen. Zwar sei ab 1O.3O Uhr bis 11.45 Uhr ein
CTG-Streifen nicht vorhanden; angesichts der Normwerte der beiden
Mikroblutuntersuchungen von 12.OO Uhr und 12.5O Uhr könne aber
davon ausgegangen werden, daß es angesichts der Verbesserung des
ph-Wertes dem Kind auch in der Zeit vor der Blutentnahme und der
Mikroblutuntersuchung nicht schlecht gegangen sein und es sich
insbesondere nicht in einer Sauerstoffmangelsituation befunden
haben könne. Auch die Wiederaufnahme der Oxytocin-Zufuhr nach deren
zeitweiliger Unterbrechung könne nicht als fehlerhaft gewertet
werden. Da nach Absetzen des Oxytocin-Tropfes die spontane
Wehentätigkeit zunächst unverändert gewesen sei, könne hieraus
nicht geschlossen werden, daß durch Abstellen des Oxytocin-Tropfes
sich das pH in der tropffreien Zeit nur deswegen verbessert habe.
Da aber nach Bekanntwerden des zweiten pH-Wertes die Wehentätigkeit
wieder eindeutig zu gering gewesen sei, habe in der Erwartung eines
weiteren Geburtsfortschrittes nach Anlegen der zweiten
Epiduralanästhesie keine Kontraindikation gegen eine weitere
Oxytocingabe bestanden. Nach der zweiten Mikroblutuntersuchung sei
die Herzfrequenz von zunächst durchschnittlich nur 15O Schlägen auf
165 angestiegen sei mit Spitzenwerten vereinzelt von 175 und die
Dezelerationen weiterhin variabel geblieben. Deshalb sei es
jedenfals aus der Sicht des Jahres 1978 nicht als elementarer
geburtshilflicher Fehler zu werten, daß keine weiteren
Mikroblutuntersuchungen durchgeführt worden seien. Aus heutiger
Sicht würde man bei einem CTG mit solchen Dezelerationen sicher in
halbstündigen Abständen weitere Mikoblutuntersuchungen durchführen.
Dies könne jedoch nicht bezogen auf das Jahr 1978 gefordert werden.
Außerdem wäre jedenfalls auch in der letzten Stunde vor der Geburt
keine Azidose nachzuweisen gewesen, wenn man solche weiteren
Mikroblutuntersuchungen durchgeführt hätte, weil das CTG in dieser
Zeit wieder normalisiert habe.
Diese Feststellung überzeugt insbesondere vor dem Hintergrund
der weiteren Erläuterung des Sachverständigen, daß dann auch für
den Zeitraum zwischen der zweiten Blutgasanalyse und der letzten
Stunde vor der Geburt kein wesentlich von der Norm abweichender
pH-Wert zu erwarten gewesen wäre, weil ein Fet nicht in der Lage
sei, ohne Änderung der äußeren Umstände (also z. B. das
vollständige Abstellen der Wehen durch Wehenhemmung) eine durch
einen pH-Wert nachgewiesene metabolische Azidose bis zum Zeitpunkt
der Geburt wieder selbständig zu korrigieren. Vor diesem
Hintergrund erscheinen auch die weiteren Ausführungen des
Sachverständigen überzeugend, wonach das CTG zwar ein sehr
zuverlässiger Marker ist, daß es dem Kind gut geht, wenn das CTG
unauffällig ist, daß andererseits jedoch ein auffälliges CTG oder
auch ein pathologisches CTG nicht zwingend bedeutet, daß es dem
Kind unbedingt schlecht geht oder es in einer
Sauerstoffmangelsituation ist. Weitere geburtshilfliche Maßnahmen,
insbesondere die Indikation zu einer Kaiserschnittentbindung werden
erst dann erforderlich, wenn auch die Mikroblutuntersuchungen den
Hinweis auf eine Mangelversorgung des Feten geben. Eben dies war
ausweislich der Normwerte der Mikroblutuntersuchungen jedoch gerade
nicht der Fall, weshalb auch den Ausführungen des Sachverständigen
zu folgen ist, wonach der sich bessernde zweite pH-Wert zutreffend
erwarten ließ, daß die Geburt mit einem lebensfrischen Kind vaginal
beendet werden konnte und zu einer Schnittentbindung keine
Indiation bestand.
Daß sich aus dem fehlenden CTG für die Zeit von 1O.1O Uhr bis
11.4O Uhr keine Hinweise auf eine fehlerhaft unberücksichtigt
gelassene Sauerstoffuntersorgung des Feten herleiten lassen, ergibt
sich aus den weiteren überzeugenden Ausführungen von Dr. K., wonach
es ganz unwahrscheinlich ist, daß aufgrund der vorliegenden
CTG-Aufzeichnungen und nach dem Geburtsverlauf geschlossen werden
könne, daß das fehlende CTG in der fraglichen Zeit so pathologisch
gewesen wäre, daß andere Maßnahmen als die getroffenen erforderlich
geworden wären.
Damit hat der Sachverständige Dr. K. im Ergebnis den Einwand der
Beklagten bestätigt, wonach die Abweichung von der Norm im CTG
nicht notwendig pathologische Ursachen haben müsse und insbesondere
auch auf Ungenauigkeiten dieses Aufzeichnungsverfahrens - zumal im
Jahr 1978 - zurückgeführt werden könne. Zudem hätten sich nur
Veränderungen in Form verminderter Frequenzschwankungen und eines
leichten Abfalls unter die Grundfrequenz gezeigt, die im
Zusammenhang mit Kindsbewegungen oder mit Wehen der Mutter
gestanden hätten. Ebenfalls bestätigt hat der Sachverständige Dr.
K. im Ergebnis den Einwand der Beklagten, gegen eine
Sauerstoffunterversorgung spreche insbesondere, daß im
unmittelbaren Anschluß an eine vom Sachverständigen Prof. Dr. J.
als deutlich silent und pathologisch bezeichnete CTG-Phase ab 11.4O
Uhr zwei Mikroblutuntersuchungen vorgenommen worden seien, deren
Werte im Bereich der Norm gelegen hätten. Auch der Rüge des
Sachverständigen Prof. Dr. J., das Belassen des
Oxytocin-Dauertropfes sei fehlerhaft gewesen, hat der
Sachverständige Dr. K. im Einklang mit dem Vortrag der Beklagten
überzeugend entgegengehalten, der Tropf sei zwischen 12.15 Uhr und
13.4O Uhr abgestellt gewesen, und gerade die in dieser Zeit
vorgenommene zweite Mikroblutuntersuchung habe eine
Sauerstoffunterversorgung der Klägerin ausgeschlossen.
Gegen die Annahme von Behandlungsfehlern anläßlich der
Geburtsleitung spricht auch das Ergebnis der mündlichen Anhörung
der Sachverständigen Prof. Dr. J. und Dr. K. vor dem Senat. Beide
waren sich hierbei einig darin, daß der vorzeitige Blasensprung
zwar eine Risikogeburt definiert habe, daß es aber durchaus üblich
sei, nach einem solchen vorzeitigen Blasensprung bei
geburtsunreifem Befund 12 Stunden zuzuwarten, bis die Geburt
eingeleitet wird. Dies sei zur damaligen Zeit, als Prostaglandine
noch nicht zur Verfügung gestanden hätten, überwiegend üblich
gewesen, nämlich nicht sofort, sondern erst später einzuleiten.
Einig waren sich die beiden Sachverständigen auch darin, daß es
zwar nach dem CTG-Ergebnissen der Klägerin unter der Geburt
zeitweise "nicht gut" gegangen sein könnte, daß andererseits das
zweitweise pathologische CTG allerdings durch die nachfolgend
durchgeführten zwei unauffälligen Mikroblutuntersuchungen wieder
relativiert wurde und es außerdem nicht tunlich ist, fortlaufend in
kurzen Abständen solche Mikroblutuntersuchungen durchzuführen, weil
hierbei immerhin mit einer Lanzette kleine Schnitte in den Kopf des
Feten vorgenommen werden, aus denen Blut abgesaugt wird. Zwar wären
nach übereinstimmender Bekundung beider Sachverständiger hier
angesichts des auch nach der zweiten Blutuntersuchung weiterhin
jedenfalls leicht pathologischen CTGs weitere
Mikroblutuntersuchungen sinnvoll gewesen, dies insbesondere aus
heutiger Sicht, jedoch zeige der gute unauffällige postpartale
Zustand der Klägerin bei verbessertem CTG unmittelbar vor der
Geburt, daß keine ernsthaften Sauerstoffmangelzustände unter der
Geburt eingetreten sein könnten.
Auch in diesem Punkt waren sich die Sachverständigen einig, die
anläßlich dieser mündlichen Anhörung übereinstimmend erklärt haben,
daß es heute als gesichert anzusehen ist, daß ein schwerer
Sauerstoffmangel unter der Geburt sich darin zeigt, daß ein Kind in
der Neugeborenenperiode einen schwerkranken Eindruck macht,
wohingegen ohne eine solche Brückensymptomatik in der Regel ein
Sauerstoffmangelschaden nicht bejaht werden könne.
Daß aus der Delle an der Schläfe der Klägerin keine Rückschlüsse
auf Fehler im Geburtsverlauf gezogen werden können, haben sowohl
Prof. Dr. J. als auch Dr. K. als auch Prof. Dr. S. bestätigt. Prof.
Dr. J. sowie Dr. K. haben zu dem ihnen im Termin vor dem Senat
vorgelegten Foto erklärt, daß von ihnen nicht zu beurteilen sei, ob
überhaupt eine Schädigung des Schädels, wie sie von der Klägerin
geltend gemacht werde, vorgelegen habe. Die Ödeme im Bereich der
Augen und eine gewisse Verschobenheit des Gesichtsschädels haben
beide nicht für Anzeichen irgendwelcher Besonderheiten im
Geburtsverlauf gehalten und sich im übrigen außerstande gesehen,
aus dem vorgelegten Foto irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Prof. Dr.
S. hat zu dem Foto ausgeführt, er könne diesem keinesfalls
entnehmen, daß die Klägerin unter der Geburt geschädigt worden sei.
Eine solche Annahme sei vielmehr spekulativ. Schädelasymmetrien
nach der Geburt seien speziell bei mechanisch auffälligen
Geburtsverläufen so häufig, daß man aus ihnen unter gar keinen
Umständen auf eine intracranielle Verletzung schließen dürfe. Schon
gar nicht könne er aufgrund solch lokaler Eindellung auf eine so
globale, so umfassende Hirnschädigung schließen, wie sie bei der
Klägerin vorliege. Nur wenn in diesem Fall keine andere als eine
linkstemporal lokalisierte Hirnschädigung mit ausschließlich
fokalen neurologischen Symptomen vorläge, wäre eine solche
Möglichkeit diskutabel. Man müsse allerdings darauf hinweisen, daß
sogar sogenannte Pingpong-Depressionen des Schädels, die nach der
Geburt röntgenologisch dargestellt werden könnten, in der
Geburtshilfe seit vielen Jahrzehnten bekannt seien und
bekanntermaßen eine gute Prognose hätten. Wenn im übrigen diese
Schädelasymmetrie und eine sich ggf. darunter verbergende
Impressionsfraktur des Schädels so schwere Folgen gehabt haben
sollte, wie sie für den vorliegenden Fall angenommen werden müßten,
um das schwere Restschadenssyndrom bei der Klägerin zu erklären,
dann hätten bei ihr schwere Anpassungsstörungen an das extrauterine
Leben (prolongierte Asphyxie) und schwere neurologische
Durchgangssyndrome als Hinweiszeichen auf die akute postnatale
Encephalopathie festgestellt werden müssen. Gerade für die gröberen
Impressionsfrakturen gelte, daß solche Kinder in der
Neugeborenenperiode krampften und daß sie aufgrund ihres schweren,
durch die Impressionsfraktur entstandenen Hirnödems dramatische
Verläufe der Neugeborenenperiode aufwiesen, sämtlich Umstände, die
bei der Klägerin nicht vorgelegen haben.
Auch die von der Klägerin in der Berufungsinstanz weiter
erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe hinsichtlich der Geburtsleitung
sind durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. So hat die
Klägerin geltend gemacht, es hätte eine Schnittentbindung
durchgeführt werden müssen, zumal sich der Muttermund in der Zeit
von 12.5O Uhr bis 14.5O Uhr nicht nennenswert weiter geöffnet habe.
Hierzu hatte der ersintanzliche Sachverständige Prof. Dr. J.
lediglich bemerkt, es hätte, wenn sich nach längerer Beobachtung
die kindlichen Herztöne nicht erholt hätten, bei einem 5 cm
geöffneten Muttermund eine Schnittentbindung durchgeführt werden
sollen. Diesen Ausführungen ist aber nur zu entnehmen, daß eine
Schnittentbindung vorher nicht indiziert war. Den Vorwurf der
Klägerin hat aber der Sachverständige Dr. K. überzeugend widerlegt,
der hierzu ausgeführt hat, da die zunächst angelegten
Epiduralanästhesien offensichtlich nur unvollständig gewirkt
hätten, sei es bei der unkoordinierten Wehentätigkeit auch nicht
besonders auffällig, daß sich der Muttermund zunächst nicht
nennenswert weiter geöffnet habe. Ein Grund für eine
Schnittentbindung habe sich hieraus nicht ableiten lassen, zumal
der sich bessernde zweite pH-Wert die Geburt eines lebensfrischen
Kindes durch vaginale Entbindung habe erwarten lassen. Nach der
Chronologie des CTG und der unauffälligen Mikroblutuntersuchungen
sei es auch unwahrscheinlich, daß im Geburtsverlauf eine so
gravierende Sauerstoffunterversorgung anzunehmen gewesen sei, daß
diese Veranlassung zu einer Schnittentbindung hätte sein müssen.
Auch der Sachverständige Prof. Dr. J. hat anläßlich seiner
mündlichen Anhörung vor dem Senat erklärt, daß die Frage einer
Schnittentbindung oder aber der Entscheidung für eine vaginale
Entbindung durchaus auch im Einzelfall vom "Temperament" des
tätigen Arztes abhänge und hat in Einklang mit Dr. K. angenommen,
daß es vorliegend jedenfalls nicht unverständlich sei, daß im Fall
der Klägerin keine Schnittentbindung vorgenommen sei. Man hätte im
Fall der Klägerin angesichts der CTG-Entwicklung einerseits und der
Möglichkeit der Durchführung weiterer Mikroblutuntersuchungen
andererseits zwar auch anders, nämlich per Schnittentbindung,
vorgehen können; dies bedeute aber nicht, daß man das bei der
Klägerin gewählte Vorgehen als fehlerhaft bezeichnen können,
jedenfalls sei es kein unverständlicher Fehler gewesen zu
versuchen, die Geburt vaginal zu beendigen, zumal insbesondere die
Tatsache des vorzeitigen Blasensprungs die Infektionsgefahr für
eine Sectio erhöht hätte und im übrigen die unauffälligen
Mikroblutergebnisse zu der Annahme berechtigt hätten, daß es zu
einem normalen Geburtsablauf und zur Geburt seines lebensfrischen
Kindes kommen werde.
Die weiteren Fehlervorwürfe postpartaler Behandlungsfehler sind
ebenfalls von den Sachverständigen nicht bestätigt worden. Die
Klägerin hat insoweit behauptet, das Blut der Nabelschnuraterie
hätte untersucht werden müssen, weil die Nabelschnur verdickt und
weiß gewesen sei. Prof. Dr. J. hat bereits in seinem
erstinstanzlichen Gutachten darauf hingewiesen, daß das Versäumen
der Analyse des Blutes aus der Nabelschnur im Jahr 1978 kein
vorwerfbarer Fehler gewesen sei. Dies hat auch der Sachverständige
Dr. K. in seinem schriftlichen Gutachten bestätigt, in dem er
darauf hingeweisen hat, daß einerseits die pH-Bestimmung aus dem
Blut der Nabelschnurarterie des Neugeborenen völlig unabhängig vom
Zustand der Nabelschnur durchgeführt werde, so daß die Behauptung,
daß die Nabelschnur der Klägerin verdickt und weiß gewesen sei, für
die gestellte Frage ohne Bedeutung sei; die Untersuchung des
pH-Wertes im Nabelschnurblut sei 1978 jedenfalls bei einem als
unauffällig befundeten Neugeborenen, wie es vorliegend bei der
Klägerin der Fall war, keineswegs Standard gewesen, so daß sich aus
dem Unterlassen dieser Maßnahme kein Fehlervorwurf herleiten
lasse.
Soweit die Klägerin ferner beanstandet hat, daß eine
Temperaturmessung unterblieben und versäumt worden sei, wegen der
feststellten Muskelhypotonie eine weitere ärztliche Untersuchung zu
veranlassen, haben auch diese Vorwürfe keine Bestätigung seitens
des Sachverständigen gefunden. Dr. K. hat in seinem schriftlichen
Gutachten darauf hingewiesen, daß ohne klinischen Hinweis auf
Fieber eine Temperaturmessung nach der Geburt nicht unbedingt
erforderlich sei.
Fehlt es demzufolge bereits am Nachweis von - insbesondere
schweren - Behandlungsfehlern, so ist darüber hinaus nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme als bewiesen anzusehen, daß die
schweren gesundheitlichen Dauerschäden der Klägerin nicht auf einer
Sauerstoffmangelversorgung unter der Geburt beruhen, sondern ihre
Ursache in einer vorgeburtlichen Hirnschädigung während der
Schwangerschaft haben.
Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. J. in seinem in erster
Instanz erstatteten schriftlichen Gutachten noch gemeint, der
Oxytocin-Dauertropf bei einem pathologischen CTG führe "sicher zur
weiteren Beeinträchtigung des Ungeborenen"; er hat dies jedoch
seinerzeit nicht näher begründet und für den konkreten Fall der
Klägerin auch nicht die Feststellung getroffen, daß der Hirnschaden
der Klägerin auf die Oxytocingabe zurückzuführen sei, welche
Beurteilung auch nicht in das Fachgebiet des Gynäkologen, sondern
ausschließlich in dasjenige des Neonatologen bzw. Neuropädiaters
fällt. Außerdem ist der Sachverständige Prof. Dr. J. von dieser
Annahme anläßlich seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat
weitgehend abgerückt, wenn er dort ausgeführt hat - dies in
Óbereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. K. - auch für ihn sei
die Tatsache von Bedeutung, daß die Klägerin weder reanimiert
werden mußte noch auch sonst deutliche Zeichen eines schwerkranken
Zustandes aufgewiesen habe und sich im Gegenteil während des
Klinikaufenthaltes im Anschluß an die Geburt im wesentlichen normal
entwickelt habe, wobei es heute als gesichert anzusehen sei, daß
ein schwerer Sauerstoffmangel unter der Geburt sich darin zeige,
daß ein Kind in der Neugeborenenperiode in einen schwerkranken
Zustand sei.
Seine Distanzierung von seinem im Jahr 1992 erstatteten ersten
Gutachtens hat der Sachverständige Prof. Dr. J. anläßlich seiner
mündlichen Anhörung vor dem Senat auch deutlich gemacht, als er
ausgeführte, daß sich in den letzten fünf Jahren die Diskussion
über intrapartale hypoxische Hirnschädigungen und
Durchgangssyndrome weiter entwickelt habe.
Zu entsprechenden Ergebnissen, in der Frage der Kausalität, ist
der Sachverständige Dr. K. bereits in seinem Gutachten aus Dezember
1994 gelangt. Dort legt er - unter Beanstandung der Ausführungen
des Sachverständigen Prof. Dr. J. in dessen Erstgutachten - dar, es
gelte heute als gesichertes Wissen, daß bei Fehlen sogenannter
Brückensymptome ein Zusammenhang zwischen interpartaler
Sauerstoffmangelversorgung und Spätschäden eher unwahrscheinlich
sei. Nur die Sequenz: pathologisches CTC / schwere Asphyxie /
Hirnödem / Leukomalazie/ Porenzephalie/ spastische Parese ließen
einen Kausalzusammenhang erwarten. Es finde sich in den
Krankenunterlagen zwar mehrfach die Angabe, daß das Kind schlecht
getrunken habe. Bei Betrachtung der Kinderkurve lasse sich aber
feststellen, daß die Klägerin bei der Entlassung das Geburtsgewicht
trotz der Stillprobleme bereits wieder erreicht habe, also von
einer Trinkschwäche keine Rede sein könne. Auch die dokumentierten
Kindesuntersuchungen wiesen außer der Muskelhypotonie keine
behandlungsbedürftigen Befunde auf.
Mit diesen Feststellungen befindet er sich in Óbereinstimmung
mit den Ausführungen des dem Senat aus einer Vielzahl
vergleichbarer Verfahren als gerade für perinatale
Sauerstoffmangelschäden überaus qualifiziert und sorgfältig
bekannten Sachverständigen Prof. Dr. S., der als Neuropädiater zur
Beantwortung der Kausalitätsfrage hinsichtlich geburtassoziierter
hypoxischischämischer Hirnschäden in besonderem Maße berufen
ist.
Bereits in seinem im Jahr 1991 in erster Instanz erstatteten
Gutachten hat Prof. S. darauf hingewiesen, es sei nicht beweisbar
und eher unwahrscheinlich, daß das Leiden der Klägerin -
psychiatrisches und neurologisches Restschadenssydrom mit Epilepsie
- auf einer perinatalen Hirnschädigung - Asphyxie/Hirntrauma - als
Folge eines Sauerstoffmangels während der Geburt entstanden sei.
Ein solcher Zusammenhang sei aufgrund der gegebenen Faktoren nicht
zu beweisen und nicht einmal als in dieser Abfolge als regelhaft zu
bezeichnen. Bei der gut dokumentierten Zustandsbeurteilung des
Kindes unmittelbar nach der Geburt (Apgarwerte) und dem sehr
störungsfreien postnatalen Vergleich mit gut dokumentierter
neurologischer Untersuchung des Kindes sei es in der Beurteilung ex
post speziell auch für das Jahr 1978 sicher nicht fehlsam gewesen,
daß unmittelbar nach der Geburt keine Blutgasanalyse mit
pH-Wertbestimmungen und anderen Untersuchungen vorgenommen worden
seien. An dieser Feststellung ändere in Anbetracht der fehlenden
Anpassungsstörungen und der guten Entwicklung der Apgarwerte auch
der Nabelschnurknoten und das angeblich zyanotische Aussehen des
Kindes nichts, da letzteres relativiert werde durch die Apgarwerte.
Letztere seien zwar subjektiv aber nicht mehr oder nicht weniger
subjektiv als die Angaben der unmittelbar postnatalen Zyanose.
Diese Feststellungen hat er in seiner in zweiter Instanz
erstatteten gutachtlichen Stellungnahme in nachvollzieh- barer und
überzeugende Weise bestätigt.
Wie bereits in seiner erstinstanzlichen Stellungnahme aus
Oktober 1991 hat Prof. Dr. S. auch in seinen mehrfachen
zweitinstanzlichen Gutachten wiederholt darauf hingewiesen, es
entspreche inzwischen gesicherter Erkenntnis, das akute
Erkrankungen des Nervensystems mit Hirnsubstanzzerstörungen lange
vor der Geburt oft während der ersten Lebensmonate nicht auffielen.
Einmal entstandene Defekte würden jedenfalls bei nicht ganz
vollständiger Untersuchung erst dann offenbar, wenn die
betreffenden Leistungen des Nervensystems auch abgefordert würden,
das Kind also physiologischerweise sitzen, laufen, greifen,
sprechen, denken und sich in bestimmten Verhaltensweisen sinnvoll
solle präsentieren können. So sei auch im vorliegenden Fall gerade
die Tatsache, daß unmittelbar und in den ersten Wochen und Monaten
nach der Geburt eine solche Leistungsstörung des Nervensystems
nicht erkennbar geworden sei, geradezu ein Hinweis darauf, daß die
von ihm computertomographisch nachgewiesene Läsion weit vor der
Geburt entstanden sein müsse. Andererseits sei darauf hinzuweisen,
daß in der akuten Phase der Entstehung eines so schweren
Substanzdefektes und einer so schweren allgemeinen Hirnschädigung
das Kind nicht symptomarm oder sogar symptomlos gewesen sein könne.
Das Neugeborene, welches unter der Geburt oder kurz nach der Geburt
eine schwere Hirnschädigung erfahre, die in ein so schweres
Restschadenssymdrom wie bei der Klägerin einmünde, sei unmittelbar
nach dieser schweren Hirnschädigung für einige Tage oder Wochen
schwer krank. Es träten Krämpfe auf, das Kind habe Atemstörungen
und müsse unter Umständen sogar künstlich beatmet werden; es esse
und trinke nicht und müsse künstlich ernährt werden. Kreislauf- und
Blutdruckregulationen unterlägen immer wieder schweren,
krisenhaften Schwankungen. Kinder mit so schweren subtantiellen
Hirnschädigungen seien in aller Regel für einige Tage
intensivpflichtig. Die im Falle der Klägerin beschriebenen
Apgarwerte, die relativ gut dokumentierten neurologischen Befunde
in der ersten Lebenswoche und die Tatsache, daß die Klägerin in der
Frauenklinik verbleiben und mit der Mutter entlassen werden konnte,
sprächen gegen eine akute schwere Hirnschädigung während der
Geburt. Bei einer weit vor der Geburt gelegenen Hirnschädigung, wie
sie sowohl von ihm als auch von dem neuroradiologischen Gutachter
Prof. Dr. Z. mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werde, sei das
Durchgangssyndrom zum Zeitpunkt der Geburt bereits durchlaufen, und
das Kind erscheine zu diesem Zeitpunkt wenig oder gar nicht abnorm.
Intrauterine Erkrankungen des fetalen Nervensystems verliefen in
der Regel nicht als vitale Notfallsituation, weil einer der
wichtigstens Leistungen des Nervenystems, die Atmung, intrauterin
nicht benötigt werde. Das Kind werde nämlich über die Mutter mit
Sauerstoff versorgt. Ein schwerer Untergang von Hirngewebe mit
ausgedehntem Hirnödem und vielleicht sogar vorübergehend Hirndruck,
welches unmittelbar nach der Geburt unweigerlich zu einer schweren
Beeinträchtigung des Atemzentrums und damit sofort zu einer
lebensbedrohlichen Notfallsituation des Kindes führen würde, bliebe
beim Feten völlig unbemerkt, weil die allgemeine
Sauerstoffversorgung der lebenswichtigen Organe - und lebenswichtig
sei in dieser vitalen Periode das Gehirn gerade noch nicht - völlig
unbeeinflußt bleibe. Schwerst cerebrale Fehlbildungen könnten
während der ersten Schwangerschaftswochen und Monate entstehen,
ohne daß die Schwangerschaft gestört werde und ohne daß beim Feten
erkennbare Notfallsignale aufträten.
Diese Darlegungen hat Prof. Dr. S. in seinem Gutachten aus April
1996 unter Einbeziehung und Berücksichtigung zwischenzeitlicher
weiterführender wissenschaftlicher Erkenntnisse dahingehend
erläutert und bekräftigt, daß aufgrund neurer wissenschaftlicher
Untersuchungen davon auszugehen sei, daß die Entstehung eines
irreversiblen Hirnschadens durch Versorgungsstörungen während
Schwangerschaft und Geburt ein dynamischer Prozeß sei, der -
zunächst durchaus noch reversibel - während der Schwangerschaft
seinen Anfang nehme, durch kreislaufphysiologische und
biochemische Kompensationsmechanismen aber zunächst nicht zur
Katastrophe, also nicht zum Untergang von Hirngewebe führe. Unter
der Geburt, unter den Bedinungen des kontrahierenden Uterus und
zumindest zeitweise eingeschränkter Versorgung des Feten könne es
dann unter Umständen zur irreversiblen Hirnschädigung kommen. Auch
solche pränatal beginnenden unter Umständen noch reversiblen, sich
intrapartual fortsetzenden und dann unter Umständen sogar überhaupt
erst durch mangelhafte postnatale Versorgung des Neugeborenen
irreversibel werdenen Hinschäden hätten aber das dargestellte
Prinzip gemeinsam, daß sie unmittelbar postnatal zumindest in der
weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle, also im Regelfall, zu
schweren Anpassungstörungen an das extrauterine Leben und zu
neurologischen Durchgangsyndromen in der Neugeborenenperiode
führten. Mehr noch als im Jahr 1991 seien die Wissenschaftler auf
seinem Fachgebiet heute der Meinung, daß es speziell beim reifen
Neugeborenen geburtassoziierte, also perinatale Hirnschäden
zumindest für den Regelfall nur dann gebe, wenn solche
Anpassungsstörungen an das extrauterine Leben mit prolongierter
postnataler Asphyxie vorhanden seien und wenn neurologische
Durchgangssyndrome mit dramatischen Symptomen wie Atemstillständen,
schweren Tonusanomalien der Muskulatur und Neugeborenenkrämpfe
vorgelegen hätten. Er hat hierbei auf die Bestätigung seiner
Annahme durch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und
Veröffentlichungen hingewiesen, wonach für den Fall der Annahme
einer intrapartalen Hirnschädigung drei Voraussetzungen zwingend zu
fordern sind, nämlich: 1. Hinweise auf eine vitale Mangelversorgung
wie z. B. Anomalien im fetalen CTG oder mekoniumhaltiges
Fruchtwasser, 2. Depression der vitalen Parameter unmittelbar nach
der Geburt, d. h. niedrige Apgarwerte und 3. ein offenkundiges
neurologisches Durchgangssyndrom in der Neugeborenperiode während
der ersten Lebensstunden und Lebenstage, wobei subtile oder
geringfügige neurologische Symptome in der Neugeborenenperiode
nicht ausreichen, sondern diese in stark ausgeprägter Weise
vorliegen müssen. Symptomatische neurologische Durchgangssyndrome
zeigten sich darin, daß die Neugeborenen, komatös seien, krampften,
schwere Tonusstörungen der Muskulatur hätten, nicht atmen, nicht
saugen und nicht schlucken könnten; in der Mehrzahl der Fälle
müßten solche Kinder sondiert oder intravenös ernährt werden und
künstliche Atemhilfen bis hin zur maschinellen Beatmung erhalten
und seien sowohl für Pflegepersonal als auch für die Eltern
unzweideutig erkennbar krank.
Diese Feststellungen hat der Sachverständige vor dem Hintergrund
aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse abschließend dahingehend
bekräftigt, daß die typischen Hinweiszeichen und die weltweit
anerkannten Risikofaktoren, die Kriterien einer geburtsassoziierten
Hinschädigung sind, bei der Klägerin nicht vorgelegen haben. Die
Klägerin habe keine postnatale Asphyxie gehabt, kein intranatale
Azidose, die Klägerin habe keine neurologischen Durchgangsyndrom
gehabt, und das jetzt bei ihr bestehende Restschadenssydrom sei für
die perinatale hypoxischischämische oder traumatische
Hirnschädigung gerade nicht typisch. Unter der Geburt und nach der
Geburt müßten die Zeichen einer hypoxischen Funktionsstörung des
Gehirns deutlich sein, wenn man eine geburtsassoziierte
Gehirnschädigung annehmen wolle. Es sei heute nicht mehr erlaubt,
ohne diese entscheidenden Hinweiszeichen einer Versorgungsstörung
des Gehirns unter der Geburt eine geburtassoziierte
Gehirnschädigung anzunehmen. Solche eindeutigen Brückensymptome
lägen bei der Klägerin nicht vor.
Diese Ausführungen sind überzeugend, und die Klägerin hat ihnen
auch keine durchgreifenden Bedenken entgegenzusetzen vermocht, dies
umsoweniger als sie sich jedenfalls in diesem Punkt mit den
Ausführungen der weiteren Sachverständigen Dr. K. und Prof. Dr. J.
decken.
Keine der von den Eltern der Klägerin hervorgehobenen
gutachterlichen Stellungnahmen der Privatgutachter ist geeignet,
diese fundierten Ausführungen, insbesondere von Prof. Dr. S., zu
widerlegen, zumal dieser Neuropädiater insoweit jedenfalls über die
einschlägigen Fachkenntnisse nicht dagegen die Gynäkologen.
Soweit die Klägerin im Verlauf des Berufungsverfahrens darauf
hingewiesen hat, sie habe schon sogleich nach der Geburt
Auffälligkeiten der von Prof. Dr. S. geforderten Art gezeigt, war
diesem Vorbringen nicht nachzugehen, weil es im eindeutigen
Widerspruch zum voraufgegangenen Vortrag der Klägerin
beziehungsweise zu den zeitnahen Erklärungen ihrer Eltern steht.
Bereits in seinem Gutachten vom 1. 7. 1991 hat nämlich der
Sachverständige Prof. Dr. S. darauf hingewiesen, daß nach Angaben
der Eltern der Klägerin diese erst zwischen dem 7. und 9.
Lebensmonat bemerkt haben, daß das Kind Entwicklungsauffälligkeiten
zeigte, wobei sich diese zunächst in Eßschwierigkeiten geäußert
hätten.
Auch bei ihrer in erster Instanz erfolgten Anhörung vor dem
Landgericht haben die Eltern der Klägerin persönlich erklärt, daß
Auffälligkeiten bei der Klägerin erst mehrere Monate nach der
Geburt aufgetreten seien. Erst im Herbst des Geburtsjahres sei es
zu Trinkschwierigkeiten gekommen. Wörtlich haben sie erklärt: "Nach
der Geburt und der Entlassung aus dem Krankenhaus der Beklagten zu
1) waren wir zunächst der Óberzeugung, wir hätten ein drittes
gesundes Kind, also ein ebenso gesundes Kind wie seine beiden
älteren Schwestern. Erst im Oktober des Jahres 1978 verweigerte P.
jegliche Nahrungsaufnahme." Inwiefern diese Angaben nunmehr
unrichtig sein sollen, hat die Klägerin nicht nachvollziehbar
dargetan, so daß es hierzu keiner weiteren Beweisaufnahme
bedurfte.
Auch einer weiteren Abklärung, der von dem Sachverständigen
Prof. Dr. S. als denkbare Hypothese in den Raum gestellten
Hypophysenschädigung war entbehrlich, weil es jedenfalls an den vom
Sachverständigen auch in einem solchen Fall für erforderlich
erachteten Indexfaktoren fehlt. Der Sachverständigen hat hierzu
nämlich ausdrücklich ausgeführt, auch für eine hypophysäre
Schädigung gelte, daß sie das gesamte Ausmaß der hier vorliegenden
psychoneurologischen Entwicklungsstörung einschließlich des
morphologischen Defektes nicht erklären könne und daß eine
Geburtsschädigung des Gehirns und der Hypophyse wiederum nur dann
angenommen werden dürfe, wenn die Voraussetzungen, die
Indexfaktoren, die Hinweiszeichen, gegeben seien, die er zuvor
wiederholt aufgeführt habe, nämlich die vorstehend mehrfach
erwähnten schweren Durchgangssyndrome.
Im übrigen haben die Eltern der Klägerin sich auch geweigert,
die Klägerin Prof. Dr. S. nochmals vorzustellen, so daß eine
erneute Untersuchung durch diesen zur Abklärung der von ihm
aufgeworfenen Frage einer hypophysären Schädigung ausscheidet.
Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO
abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht
auf §§ 7O8 Ziffer 1O, 711 ZPO.
Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer der Klägerin:
48O.OOO,OO DM (5O.OOO,OO DM plus 8O % von 6OO.OOO,OO DM minus
zuerkannten 5O.OOO,OO DM).