OLG Köln, Beschluss vom 05.07.1996 - 2 W 116/96
Fundstelle
openJur 2012, 75489
  • Rkr:

Stellt das Vollstreckungsgericht die Zwangsvollstreckung aus einem Räumungstitel gemäß § 765 a ZPO für einen bestimmten Zeitraum ein, weil aufgrund vorliegender Gutachten davon auszugehen sei, daß für den Fall einer Zwangsräumung die konkrete Gefahr eines Suizids des Schuldners bestehe, so darf das Landgericht auf die Beschwerde des Gläubigers den Vollstreckungsschutzantrag nicht ohne weiteres mit der Begründung zurückweisen, die Erstattung der Gutachten liege schon einige Zeit zurück, eine Glaubhaftmachung der Suizidgefahr sei nur durch die Vorlage weiterer zeitnäherer Gutachten möglich.

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin vom 12. Juni 1996 wird der Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30. Mai 1996 - 6 T 280/96 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde - an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Gläubiger ist der geschiedene Ehemann der Schuldnerin. Diese

bewohnt mit ihren 1982 und 1983 geborenen ehelichen Kindern und

einer Tochter aus erster Ehe das ehemalige Familienheim, ein

Einfamilienhaus, das im Eigentum des Gläubigers steht. Die

Schuldnerin ist durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts -

B. vom 28. Mai 1991 - - zur Räumung des Hauses binnen drei Monaten

ab Rechtskraft verurteilt worden. Die Zuweisung des Hauses an den

Gläubiger ist damit begründet worden, ein Umzug sei für die

Schuldnerin keine unbillige Härte. Sie habe sich schon während der

zweieinhalb Jahre des Getrenntlebens auf einen geordneten Umzug

vorbereiten können. Demgegenüber sei der Gläubiger nach seinen

wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Finanzierung

des Hauses und den Unterhalt zu tragen. Das Urteil ist, nachdem das

Oberlandesgericht Köln durch Urteil vom 28. April 1992 - - die

Berufung der Schuldnerin zurückgewiesen hat, seit Ende Juli 1992

rechtskräftig. In dem Urteil des Oberlandesgerichts ist ausgeführt,

eine Räumung des Hauses binnen kurzer Frist und dessen

Versteigerung sei dringend erforderlich, um ein weiteres Auflaufen

der Belastungen des bereits überschuldeten Objekts zu vermeiden;

für die Schuldnerin, die Sozialhilfe beziehe, sei die Suche nach

einer Ersatzwohnung binnen kurzer Frist zumutbar.

Die Schuldnerin hat das Grundstück bisher nicht geräumt.

Das Grundstück ist ausweislich der beigezogenen

Zwangsversteigerungsakte mit einer erstrangigen Grundschuld der

Volksfürsorge Versicherung in Höhe von 250.000,00 DM und einer

zweitrangigen Hypothek eines weiteren Gläubigers in Höhe von

78.000,00 DM, ferner mit mehreren Zwangshypotheken des Finanzamtes

belastet. Der Gläubiger, der die eidesstattliche Versicherung

abgegeben hat und mit erheblichen Unterhaltszahlungen im Rückstand

ist, hat die Grundschulden nicht mehr bedient. Der deshalb 1991 von

der V. Versicherung gestellte Antrag auf Zwangsversteigerung ist im

Februar 1994 zurückgenommen worden. Im letzten Versteigerungstermin

hatten die genannten Gläubiger Forderungen in Höhe von 431.116,86

DM und 95.919,02 DM angemeldet. Das Meistgebot betrug 235.000,00

DM. In dem vom Vollstreckungsgericht eingeholten Wertgutachten ist

unter anderem ausgeführt, das Haus sei in schlechtem Zustand und

ungepflegt, die Außenanlagen seien verwildert.

Auf Antrag der V. Versicherung ist 1992 die Zwangsverwaltung für

das Grundstück angeordnet worden (). Aufgrund der Bemühungen des

Zwangsverwalters zahlt der Sozialhilfeträger, bei dem die

Schuldnerin Sozialhilfe bezieht, eine regelmäßige

Nutzungsentschädigung von monatlich 1000,00 DM. Auf Veranlassung

der Volksfürsorge Versicherung betrieb der Zwangsverwalter erstmals

im Oktober 1993 die Räumungsvollstreckung. Seither hat die

Schuldnerin in vorhergehenden Verfahren fünf Anträge nach § 765 a

ZPO gestellt (), die zum Teil Erfolg hatten und eine Räumung bisher

verhindert haben. Die Schuldnerin beruft sich seit 1994 darauf, bei

einer Zwangsräumung und der Einweisung in eine

Obdachlosenunterkunft bestehe die konkrete Gefahr eines Suizids.

Dies wird in einem psychiatrischen Gutachten vom 11. April 1994,

das das Amtsgericht in der Sache ...eingeholt hat, und in von der

Schuldnerin vorgelegten Attesten vom 8. Februar 1994 und 4. Juli

1995 bestätigt.

Am 20. Juli 1995 hat die Schuldnerin ihr Anliegen in der Sendung

"Schreinemakers Live" vorgetragen. Mit Schreiben vom 6. Juli 1995

hat der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen der

Schuldnerin auf deren Anschreiben vom 7. und 19. Mai 1995

geantwortet. Ferner ist zugunsten der Schuldnerin eine

Unterschriftensammlung veranstaltet worden, in der ein Beschluß des

Amtsgerichts vom 3. Juli 1995 - - als "unmenschlich" bezeichnet

wird, mit dem das Amtsgericht einen Schutzantrag der Schuldnerin

zurückgewiesen hat, weil Auflagen des Gerichts nicht erfüllt worden

waren.

Mit Schriftsatz vom 8. Mai 1996 hat die Schuldnerin im

vorliegenden Verfahren erneut einen Räumungsschutzantrag gestellt

und diesen mit der fortbestehenden Suizidgefahr und damit

begründet, daß sich ein Käufer für das Grundstück ge-

funden habe, der bereit sei, mit ihr einen langfristigen

Mietvertrag zu schließen. Der Gläubiger ist dem Schutzantrag unter

Berufung auf die behauptete Unrichtigkeit der Angaben der

Schuldnerin und die immer weiter auflaufenden Schulden bei

Weiternutzung des Grundstücks entgegengetreten. Das Amtsgericht hat

dem Antrag im Hinblick auf die fortbestehende Suizidgefahr durch

Beschluß vom 10. Mai 1996 stattgegeben. Auf die dagegen gerichtete

sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Landgericht durch die

angefochtene Entscheidung den Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben.

Es hat ausgeführt, daß die vorgetragenen Gründe nicht glaubhaft

gemacht seien.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der

Schuldnerin.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft (§ 793 Abs. 2

ZPO), sie ist auch form- und fristgerecht (§§ 569, 577 ZPO)

eingelegt worden. Die Schuldnerin ist neu und selbständig beschwert

568 Abs. 2 Satz 2 ZPO), weil das Landgericht auf die

Erstbeschwerde des Gläubigers die dem Räumungsschutzantrag der

Schuldnerin stattgebende Entscheidung des Amtsgerichts vom 10. Mai

1996 aufgehoben hat. Daß das Landgericht den Räumungsschutzantrag

im Tenor der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich

zurückgewiesen hat, steht der Annahme, die Schuldnerin sei neu

beschwert, nicht entgegen, da jedenfalls der Begründung zu

entnehmen ist, daß der Antrag zurückgewiesen werden sollte.

Die weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen

Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Die Entscheidung des Landgerichts ist verfahrensfehlerhaft

ergangen. Sie berücksichtigt nicht in ausreichendem Maße die

Aufklärungspflichten, die dem Gericht aufgrund des

Verfassungsgebots des Rechts auf Leben und körperliche

Unversehrtheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem

Prinzip der Verhältnismäßigkeit obliegen, wenn ein

Räumungsschuldner geltend macht, bei einer Zwangsräumung bestehe

für ihn eine konkrete Suizidgefahr.

Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die

Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des §

765 a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem

Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu

berücksichtigen. Eine unter Beachtung dieser Grundsätze

vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten

Einzelfällen dazu führen, daß die Vollstreckung auch für einen

längeren Zeitraum einzustellen ist. Ergibt die erforderliche

Abwägung, daß die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden,

unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden

Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich wesentlich

schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die

Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende

staatliche Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das

Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen. Es

kann erforderlich sein, Beweisangeboten des Schuldners hinsichtlich

seines Vorbringens, ihm drohten schwerwiegende

Grundrechtsbeeinträchtigungen, besonders sorgfältig nachzugehen

(BVerfGE 52, 214, 220; BVerfG NJW 1991, 3207; 1994, 1272; 1719 f).

Gegebenenfalls hat sich das Vollstreckungsgericht oder das

Beschwerdegericht bei den gegebenen konkreten Anhaltspunkten für

eine auf psychischer Erkrankung beruhenden Suizidgefahr bei einer

Zwangsräumung durch Einholung ärztlicher - gegebenenfalls

amtsärztlicher Gutachten - sicheren Aufschluß über die Art der

Erkrankung des Schuldners und über die darauf beruhenden Folgen bei

einer Zwangsräumung zu verschaffen (KG NJW-RR 1995, 848). Dies hat

auch der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. NJW 1993,

2248, 2249) nicht in Frage gestellt.

Den genannten Grundsätzen wird die angefochtene Entscheidung

nicht gerecht. Das Landgericht begründet seine Entscheidung damit,

daß die Schuldnerin die weiterbestehende Suizidgefahr nicht

glaubhaft gemacht habe, weil sie kein weiteres Attest aus neuerer

Zeit vorgelegt habe. Das Gutachten der Ärztin des Gesundheitsamtes

..., Frau E.-W., stamme vom 11. April 1994, das des

Nervenarztes Dr. P. vom 4. Juli 1995. Die jetzt abgegebene

eidesstattliche Versicherung, daß die Suizidgefahr fortbestehe,

ersetze kein ärztliches Gutachten.

Mit dieser Begründung kann die Schuldnerin nicht als

beweisfällig behandelt werden. Diese Begründung des Landgerichts

verkennt den Inhalt der vorliegenden Gutachten bzw. Atteste und den

Umfang seiner Aufklärungspflicht.

Schon in dem Attest des Dr. G. vom 8. Februar 1994 wird die

Schuldnerin als hochgradig suizidgefährdet beurteilt.

Die Ärztin für Psychiatrie E.-W. hat in ihrem Gutachten vom 11.

April 1994 zur Person der Schuldnerin unter anderem ausgeführt:

"In ihrem psychischen Erleben lassen

ihr die bestehenden Tatsachen und Sachverhalte keine Möglichkeit,

aus eigener Kraft und Initiative eine für sie akzeptable Lösung zu

erarbeiten. Ihre Zukunftsaussichten schätzt sie selber als durch

die Umstände bedingt hoffnungslos ein, ohne die Aussicht noch auf

ein selbstbestimmtes Leben.

Die einzige ihr noch mögliche

Bestätigung und Sinngebung für sich selbst erscheint ihr die "gute"

Erziehung der Kinder.

Im Rahmen ihrer

Persönlichkeitsentwicklung und den dabei erworbenen persönlichen

Wertmaßstäben ist der ihr durch die Ereignisse um die Scheidung und

die damit verbundenen finanziellen Probleme zugemutete "soziale

Abstieg zur Sozialhilfeempfängerin", schon eine ständige Bedrohung

ihres Selbstwertgefühls und ihrer psychischen Stabilität. Sie

konnte sich in der Vergangenheit nur damit arangieren, solange es

ihr gelang nach außen hin und vor allem für ihre Kinder noch die

Fassade eines geordneten Heimes aufrecht zu erhalten.

Dieser letzte Halt wird für sie durch

das Eigenheim symbolisiert, das für sie den Lebensmittelpunkt, das

"Letzte was ihr geblieben ist", darstellt. Der drohende Verlust

gerade dieses Hauses bedeutet für sie die Konfrontation mit dem

Scheitern ihres Lebenskonzeptes, von ihr erlebt als völliges

Versagen in der Gesellschaft und insbesondere auch vor ihren

Kindern, denen sie nicht länger Schutz und Hilfe und wenigstens ein

"geordnetes Heim" bieten könne. Ihr Leben verlöre in der Bilanz

jeglichen Sinn, alle Bemühungen um einen geordneten Lebensrahmen

wären ad absurdum geführt und hoffnungslos, der Freitod somit noch

die einzig verbleibende Möglichkeit. Auch die Kinder "wären

vielleicht dann ohne sie und ihre unzureichende Möglichkeiten sie

vor der grausam erlebten Realität zu schützen sogar besser

dran".

Zusammenfassend ist zu sagen, daß wie obige Ausführungen

darlegen, bei Frau H. eine erheblich erhöhte Suizidgefahr besteht

und ein Suizid nicht auszuschließen ist, wenn die Räumung des

Hauses wirklich durchgeführt wird.

Einer Hilfe, im Sinne medizinischer Maßnahmen, sind enge Grenzen

gesetzt. Eine zwangsweise stationäre Behandlung in einer

psychiatrischen Fachklinik würde im psychischen Erleben von Frau H.

an den äußeren Umständen keinerlei Änderung zum Positiven bewirken,

sie noch zusätzlich sozial stigmatisieren im Sinne von "für

verrückt erklärt". Es stünde zu befürchten, daß dies ihre

Verzweiflung und bestehende Suizidalität eher noch steigern

würde.

Auch einer medikamentösen Behandlung scheint die vorliegende

Problematik nicht zugänglich, da bei Frau H. weder eine endogene

Psychose noch eine hirnorganische Veränderung vorliegt deren

Symptomatik einer wahnhaften Verzerrung und realitätsinadäquater

Verarbeitung eine medikamentöse Beeinflußung ermöglichen würde.

Eine psychotherapeutische Einflußnahme auf ihre psychische

Befindlichkeit wäre zu erwägen, um auf lange Sicht hin Frau H. bei

der Akzeptanz ihres Schicksals zu unterstützen. Ein derartiger

Prozeß erfordert aufgrund der vorliegenden Problematik einen

längeren Zeitraum, über dessen Dauer prospektiv keine verbindlichen

Angaben zu machen sind."

Der Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. med. Dipl. Psych. P.

hat in seinem nervenärztlichen Attest vom 4. Juli 1995 eine

chronische depressive Belastungsreaktion mit latenter Suizidgefahr,

die bei einer Zwangsräumung manifest werden kann, festgestellt.

Diesen Ausführungen der Ärzte ist zu entnehmen, daß der

psychische Zustand, in dem sich die Schuldnerin zur

Untersuchngszeit befand, nicht vorübergehender Natur war und daß

auch keine alsbaldige Änderung zu erwarten ist. Die Schuldnerin hat

zudem dargelegt und glaubhaft gemacht, daß sie verschiedene Ärzte

aufgesucht hat, die eine Behandlung abgelehnt haben, und daß eine

Behandlung bei der zur Behandlung bereiten Dr. med. Z. 15.000,00 DM

kosten werde, die sie, die Schuldnerin, von ihrer Sozialhilfe nicht

bezahlen könne und die auch nicht vom Sozialhilfeträger übernommen

würden (so bereits teilweise in dem Verfahren AG B.). Unter diesen

Umständen erschließt sich nicht ohne weiteres, daß die Schuldnerin

in der Lage sein könnte, die vom Landgericht geforderten aktuellen

ärztlichen Gutachten beizubringen, und daß diese von dem bereits

mehrfach begutachteten Befund abweichen könnten. Jedenfalls ist es

- insbesondere unter den dargestellten verfassungsrechtlichen

Vorgaben - nicht gerechtfertigt, nachdem das Amtsgericht die

vorliegenden Gutachten für ausreichend angesehen hatte, der

Schuldnerin vorzuhalten, keine aktuellen Gutachten vorgelegt zu

haben, ohne vor der Entscheidung über die Erstbeschwerde auf die

Notwendigkeit solcher Gutachten hinzuweisen. Das Landgericht hätte

der Schuldnerin entsprechende Auflagen machen und notfalls eine

Begutachtung anordnen müssen. Dies wird nun nachzuholen sein. Erst

wenn die weitere Begutachtung zu anderen Ergebnissen führt als die

bisherigen oder wenn die Schuldnerin ihre Mitwirkung - etwa bei

einer vom Gericht angeordneten Untersuchung - verweigert, ferner

wenn sich aus sonstigen Gründen eine Veränderung der bisherigen

Beurteilungsgrundlage ergibt, können daraus weitere Schlüsse

gezogen werden.

Verfahrensfehlerhaft ist auch die Feststellung des Landgerichts,

die Schuldnerin habe ihren Vortrag, es sei jetzt ein

Kaufinteressent für das Haus vorhanden, der bereit sei, mit ihr

einen längerfristigen Mietvertrag zu schließen, nicht glaubhaft

gemacht. Die vom Landgericht vermißte Bestätigung des

Kaufinteressenten ist bereits mit Schriftsatz vom 9. Mai 1996 an

das Amtsgericht zur Akte gereicht worden (Bl. 22, 23 d.A.). Sofern

dem Landgericht diese nicht ausreichend erschien, hätte darauf

hingewiesen werden müssen.

Für den Fall, daß die noch anzustellenden Ermittlungen eine

konkrete Suizidgefahr oder eine ausreichende Wahrscheinlichkeit der

Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses mit einem neuen Eigentümer

nicht ergeben sollte, weist der Senat die Schuldnerin vorsorglich

auf folgendes hin:

Unter den genannten Prämissen kann ihr Verhalten nicht länger

hingenommen werden. Nicht die auf einseitiger Sachdarstellung der

Schuldnerin und Betroffenheit beruhenden Sympathiekundgebungen von

Fernsehmoderatoren, Ministerpräsidenten und einzelnen Bürgern,

sondern die Rechtsordnung und deren neutrale Befolgung durch die

Justiz bestimmen den Gang des Verfahrens. Das Schicksal jeden

Räumungsschuldners ist bedauerlich, muß aber bei strikter Befolgung

der Rechtsordnung hingenommen werden. Die Schuldnerin teilt ihr

Schicksal mit vielen anderen, denen weniger Publicity zuteil

geworden ist, die ihre Situation aber schließlich haben meistern

können. Das starre Verhalten der Schuldnerin ist umso weniger zu

billigen, als sie - worauf bereits die Gerichte im

Familienverfahren hingewiesen haben - dadurch dem Gläubiger, sich

selbst - nach ihrem Vortrag haftet sie für die Forderungen aus den

Grundpfandrechten mit - und eventuell auch noch ihren Kindern

hunderttausende Deutsche Mark an auflaufenden Grundschuld- und

Hypothekenzinsen aufgebürdet hat und aufbürdet, für die schon jetzt

durch eine Zwangsversteigerung oder einen Verkauf des Grundstücks

unmöglich ausreichende Mittel erzielt werden können. Der bestehende

Zustand muß daher, soweit dies ohne die greifbare Gefährdung des

Lebens und der Gesundheit der Schuldnerin als möglich erscheint, so

schnell wie möglich beendet werden.

Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten, da

noch nicht feststeht, ob die Erstbeschwerde des Gläubigers ohne

Erfolg bleibt oder ob die Kosten des Verfahrens der Schuldnerin

aufzuerlegen sind (vgl. Senat NJW-RR 1995, 1163).

Beschwerdewert: 2.500,00 DM

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