BGH, Beschluss vom 12.07.2012 - VII ZB 9/12
Fundstelle
openJur 2012, 70428
  • Rkr:
Tenor

Auf die Rechtsmittel des Streitverkündeten werden der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. Januar 2012 sowie der Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 30. November 2011 aufgehoben.

Der Beitritt des Streitverkündeten auf Seiten der Antragsgegnerin ist wirksam.

Gründe

I.

Der Antragsteller hat zur Feststellung von Mängeln an einem Bauvorhaben, das die Antragsgegnerin in seinem Auftrag ausgeführt hatte, beim Landgericht die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt. Nach der Erwirkung des Beweisbeschlusses hat er dem Rechtsbeschwerdeführer, der als Architekt mit der Planung betraut war, den Streit verkündet. Der Rechtsbeschwerdeführer (im Folgenden: Streitverkündeter) hat in einem persönlich erstellten Schreiben beim Landgericht den Beitritt auf Seiten der Antragsgegnerin erklärt. 1 Das Landgericht hat die Beitrittserklärung als unzulässig zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Streitverkündeten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren, als Streithelfer der Antragsgegnerin zugelassen zu werden, weiter.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die ohne Heranziehung eines anwaltlichen Vertreters abgegebene Beitrittserklärung sei wegen Verstoßes gegen § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO unzulässig. Die Freistellung vom Anwaltszwang in § 486 Abs. 4 ZPO betreffe nur die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens, nicht aber dessen weiteren Betrieb und damit auch nicht die spätere Beteiligung Dritter. Sie sei eine Konzession an das Beweissicherungsinteresse des Antragstellers, das durch etwaige, mit der Beauftragung eines Anwalts verbundene Verzögerungen beeinträchtigt würde. Die gegenteilige Auffassung, nach der § 486 Abs. 4 ZPO für bei dem Landgericht anhängige selbständige Beweisverfahren auch in deren weiterem Verlauf, mithin gleichermaßen für eine Nebenintervention gelte, habe keine tragfähige Grundlage. Vor den Landgerichten sei die anwaltliche Vertretung nach dem Gesetz die Regel, Ausnahmen vom Anwaltszwang verlangten eine klare Anordnung. Daran fehle es, weshalb der Beitritt eines Nebenintervenienten vor den Landgerichten aufgrund einer persönlichen Erklärung in einem selbständigen Beweisverfahren ebenso wenig möglich sei wie in anderen Verfahren. 2 2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

a) Im Ansatz zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Vorschriften über die Nebenintervention und die Streitverkündung (§§ 66 ff. ZPO) im selbständigen Beweisverfahren entsprechend anzuwenden sind (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2009 - VII ZB 3/07, BGHZ 182, 150; Beschluss vom 23. Mai 2006 - VI ZB 29/05, BauR 2006, 1500 = NZBau 2006, 648; Urteil vom 5. Dezember 1996 - VII ZR 108/95, BGHZ 134, 190) und der Beitritt eines Nebenintervenienten nicht nur gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Schriftsatz zu erfolgen hat, sondern er als Prozesshandlung zugleich in der Person des Nebenintervenienten das Vorliegen der allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen, unter anderem auch der Postulationsfähigkeit, erfordert (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - VIII ZB 82/05, BGHZ 165, 358, 361; BeckOK ZPO/Dressler, Stand: April 2012, § 66 Rn. 16). Letzteres ist von Amts wegen festzustellen (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - VIII ZB 82/05, BGHZ 165, 358, 361; BeckOK ZPO/Dressler, Stand: April 2012, aaO und § 71 Rn. 1). Liegen die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen nicht vor, ist die Nebenintervention durch (anfechtbaren) Beschluss zurückzuweisen (BeckOK ZPO/Dressler, Stand: April 2012, aaO, m.w.N.; Musielak/Weth, ZPO, 9. Aufl., § 66 Rn. 13).

b) Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht in dem persönlich erklärten Beitritt einen Verstoß gegen § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO gesehen und deswegen den Beitritt wegen fehlender Postulationsfähigkeit als unzulässig zurückgewiesen.

aa) Die Frage, ob die Beitrittserklärung nach § 70 Abs. 1 Satz 1 ZPO in einem selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht dem Anwaltszwang unterliegt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. 5 Für die Möglichkeit, einem selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt beizutreten, haben sich unter anderem ausgesprochen: OLG Köln, IBR 2012, 1073 (nur online) und Beschluss vom 15. März 2012 - 3 W 16/12, juris; OLG Stuttgart, BauR 2012, 538; OLG Nürnberg, NJW 2011, 1613 (kritisch hierzu: Ludgen, IBR 2011, 446); Seibel, ibronline-Kurzkommentar Selbständiges Beweisverfahren, Stand: 19. Januar 2012, § 486 Rn. 25; Musielak/Huber, ZPO, 9. Aufl., § 486 Rn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 78 Rn. 42 und § 486 Rn. 4; Leidig, IBR 2008, 490 und Thierau/Leidig, BauR 2008, 1527; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 70 Rn. 1 und § 78 Rn. 28.

Demgegenüber nehmen einen Anwaltszwang unter anderem an: OLG Koblenz, NZBau 2009, 41; Zöller/Herget, aaO, vor § 485 Rn. 4; BeckOK ZPO/Kratz, Stand: April 2012, § 486 Rn. 18; Ulrich, Selbständiges Beweisverfahren mit Sachverständigen, 2. Aufl., Kap. 5, Rn. 220.

bb) Der Senat entscheidet die Rechtsfrage dahin, dass die Beitrittserklärung in einem selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht nicht dem Anwaltszwang unterliegt.

(1) Allerdings folgt dies nicht aus § 486 Abs. 4 ZPO. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nicht, dass für das selbständige Beweisverfahren insgesamt kein Anwaltszwang gilt. Sie regelt lediglich die Antragstellung (Jürgen Thomas in: Das Beweissicherungsverfahren in Bausachen und dessen Neugestaltung, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Baurecht; a.A. OLG Köln, IBR 2012, 1073 (nur online); OLG Stuttgart, BauR 2012, 538; OLG Nürnberg, NJW 2011, 1613; Seibel, ibronline-Kurzkommentar Selbständiges Beweisverfahren, Stand: 19. Januar 2012, § 486 Rn. 25; jeweils mit der Einschränkung, dass nicht vor dem Landgericht mündlich verhandelt wird). 9

(a) Bereits der Wortlaut der Bestimmung erscheint in dem Sinne eindeutig, dass ausschließlich der verfahrenseinleitende Antrag zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden kann. Denn "der Antrag" bezieht sich offenkundig auf den zuvor in § 485 ZPO bereits erwähnten und dort näher erläuterten Antrag; das ist der verfahrenseinleitende Antrag. Diese Terminologie wird in § 487 ZPO fortgeführt.

(b) Dass abweichend davon in § 486 Abs. 4 ZPO ein weitergehendes, untechnisches Verständnis des Begriffs "Antrag" dahin zugrunde zu legen sei, hiermit könnten (unter Umständen mit Ausnahme der mündlichen Verhandlung) alle Handlungen des gesamten selbständigen Beweisverfahrens gemeint sein, lässt sich nicht feststellen.

(aa) Eine historische Auslegung ergibt nur, dass es eine dem § 486 Abs. 4 ZPO entsprechende Regelung bereits vor der im Zuge des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1990 erfolgten Umgestaltung des "Beweissicherungsverfahrens" zum "selbständigen Beweisverfahren" in § 486 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO a.F. gab, die sich ihrerseits bis in die Zivilprozessordnung aus dem Jahr 1877 zurückverfolgen lässt; sie war dort in § 448 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO a.F. enthalten (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 2. Aufl., Band 2, Abteilung 1, S. 55). Eine nähere Begründung dieser Vorschrift enthalten die Gesetzesmaterialien nicht.

In den Vorschriften über das Arrestverfahren mit § 920 Abs. 3 ZPO existiert eine Parallelvorschrift, die ebenfalls anordnet, dass der verfahrenseinleitende Antrag zu Protokoll der Geschäftsstelle eingereicht werden kann. Auch § 920 Abs. 3 ZPO war bereits in der Zivilprozessordnung aus dem Jahr 1877 enthalten (§ 800 Abs. 3 ZPO a.F., vgl. Hahn, aaO, S. 96) und wurde damit begründet, dass mit Rücksicht auf die Dringlichkeit des Gesuchs dessen Form so 13 frei wie möglich gestaltet und durch die Zulässigkeit der Erklärung zu Protokoll des Gerichtsschreibers der Anwaltszwang ausgeschlossen sein sollte (vgl. Hahn, aaO, S. 473). Sowohl das Arrestverfahren als auch das Beweissicherungsverfahren haben Eilcharakter. Beide Verfahren haben weitere Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Verfahrensregelungen: Sie sind bzw. waren an besondere Verfahrensvoraussetzungen gebunden, die jeweils in Gefährdungstatbeständen gründen, die in §§ 485 a.F., 916, 935, 940 ZPO Ausdruck gefunden haben; bei beiden reicht Glaubhaftmachung, § 487 Nr. 4, § 920 Abs. 2 ZPO; bei beiden ist eine mündliche Verhandlung nur fakulativ; beide sind besonderen Zuständigkeitsregelungen in dringenden Fällen unterworfen, § 486 Abs. 3, § 942 ZPO. Daher spricht einiges dafür, dass eben diese Erwägung, im Einzelfall könne wegen der besonderen Eilbedürftigkeit nicht genügend Zeit zur Verfügung stehen, für die Einleitung des Verfahrens anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, auch § 448 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO a.F. und dessen Nachfolgeregelungen in § 486 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO a.F. bzw. nunmehr § 486 Abs. 4 ZPO zugrunde liegt. Ein solcher Gesetzgebungszweck rechtfertigt es nicht, zumindest nicht im Allgemeinen, das gesamte selbständige Beweisverfahren bis zu einer etwaigen mündlichen Verhandlung vom Anwaltszwang freizustellen.

(bb) Auch eine teleologische Auslegung führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Insbesondere lassen sich die vom Gesetzgeber im Zuge des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes ins Auge gefassten Ziele hierfür nicht fruchtbar machen. Allerdings soll das "selbständige Beweisverfahren" im Vergleich zum "Beweissicherungsverfahren" nunmehr auch weiteren Zwecken dienen, nämlich insbesondere eine Entlastung der Gerichte und die Förderung der gütlichen Streitbeilegung erreichen (BR-Drucks. 400/88, S. 63 und BT-Drucks. 11/3621, S. 1/2 und 41). Daraus kann jedoch nicht der Wille des Gesetzgebers hergeleitet werden, das selbständige Beweisverfahren unterliege insgesamt nicht dem Anwaltszwang. Insbesondere trifft es nicht zu, dass diese 17 gesetzgeberischen Ziele nur durch die Aussicht, tatsächliche Fragen mit geringerem Kostenaufwand als im streitigen Verfahren zu klären, insbesondere durch Ersparnis von Rechtsanwaltskosten, erreicht werden können (so aber OLG Köln, IBR 2012, 1073 (nur online), ebenso OLG Stuttgart, BauR 2012, 538 und OLG Nürnberg, NJW 2011, 1613). Eine solche Möglichkeit kann hierfür sicherlich förderlich sein. Aber auch die Annahme eines grundsätzlichen Anwaltszwangs im selbständigen Beweisverfahren ist geeignet, die Gerichte zu entlasten und die gütliche Streitbeilegung zu fördern (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 78 Rn. 5). Denn die sachgerechte Beratung der Parteien und Förderung des Verfahrens durch Rechtsanwälte kann zu einer, gerade auch frühzeitigen, Einigung der Parteien beitragen oder sie sogar erst ermöglichen. Wegen dieser gegenläufigen Aspekte lässt sich deshalb aus den genannten Zwecken kein hinreichend deutliches Argument für eine weite Auslegung des § 486 Abs. 4 ZPO ableiten.

Auch sonstige Zweckmäßigkeitserwägungen ergeben nicht, dass der Regelungsgehalt des § 486 Abs. 4 ZPO dahin gehen müsse, das selbständige Beweisverfahren weitgehend vom Anwaltszwang zu befreien. Wenn angeführt wird, das selbständige Beweisverfahren sei grundsätzlich nicht auf die Entscheidung von Rechtsfragen, sondern allein auf die Klärung tatsächlicher Fragen gerichtet, weshalb Rechtskenntnisse nicht in gleicher Weise wie im streitigen Verfahren erforderlich seien (so beispielsweise OLG Köln, Beschluss vom 15. März 2012 - 3 W 16/12, Juris, ebenso OLG Nürnberg, NJW 2011, 1613), so steht dem andererseits gegenüber, dass rechtliche Fragen gleichwohl nicht selten eine erhebliche Rolle spielen. Beispielsweise kann es um die Unterscheidung von zulässigen Tatsachen- und unzulässigen Ausforschungs-/Rechtsfragen, um die Verhinderung unzulässiger Überschreitungen des Beweisbeschlusses, um die rechtzeitige Ablehnung eines befangenen Sachverständigen, um eine etwaige verjährungshemmende Ausbringung gegebenen-18 falls erforderlicher (Unter-) Streitverkündungen und um etwaige Möglichkeiten und Konsequenzen der vorzeitigen Beendigung des Verfahrens gehen (vgl. zu alldem Ludgen, IBR 2011, 446). Es liegt auf der Hand, dass für die Beurteilung dieser Fragen die Unterstützung durch einen Rechtsanwalt mindestens sinnvoll ist. Auch wenn die Beteiligten, wenn es - wie häufig - um die Feststellung von Baumängeln geht, typischerweise selbst fachkundig und zu verfahrensdienlichen Stellungnahmen in der Lage sein sollten (so beispielsweise OLG Köln, IBR 2012, 1073 (nur online), ebenso OLG Nürnberg, aaO), kann es sinnvoll sein, grundsätzlich alle vor dem Landgericht zu führenden selbständigen Beweisverfahren, die die unterschiedlichsten Gegenstände und Beteiligten betreffen können, dem Anwaltszwang zu unterwerfen.

(cc) Zuletzt spricht die Gesetzessystematik eher gegen die teilweise vertretene Auffassung, dass in § 486 Abs. 4 ZPO nur eine bestimmte Verfahrenshandlung erwähnt sei, beruhe auf einer Ungenauigkeit oder einem Versehen des Gesetzgebers und dieser habe das gesamte Verfahren vom grundsätzlichen Anwaltszwang vor dem Landgericht ausgenommen wissen wollen. Denn bei anderen Verfahren hat der Gesetzesgeber dort, wo er nicht nur den verfahrenseinleitenden Antrag, sondern auch weitere Verfahrenshandlungen, wie die Stellungnahme des Antragsgegners oder andere Erklärungen vom Anwaltszwang befreien wollte, dies ausdrücklich so angeordnet, vgl. § 117 Abs. 1 Satz 1, § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO bzw. § 569 Abs. 3, § 571 Abs. 4 ZPO. Die Regelung in § 920 Abs. 3 ZPO besagt nichts anderes.

(c) Eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 486 Abs. 4 ZPO auf das gesamte Verfahren mit Ausnahme einer etwaigen mündlichen Verhandlung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dafür fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus den dargelegten Gründen kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber übersehen hätte, dass das gesamte 19 selbstständige Beweisverfahren vor dem Landgericht vom Anwaltszwang freigestellt werden müsste. Ob für einzelne Verfahrenshandlungen eine analoge Anwendung des § 486 Abs. 4 ZPO möglich ist, muss der Senat an dieser Stelle nicht entscheiden.

(2) Die Beitrittserklärung des Nebenintervenienten, durch die er lediglich seine "Beteiligung" an dem selbständigen Beweisverfahren erklärt, unterfällt aus anderen Gründen nicht dem Anwaltszwang.

(a) Die Parteien müssen sich in einem selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht grundsätzlich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, es sei denn, § 486 Abs. 4 ZPO erlaubt in Verbindung mit § 78 Abs. 3 ZPO hiervon eine Ausnahme. Denn das selbständige Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO ist ein Prozess im Sinne der amtlichen Überschrift "Anwaltsprozess" des § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO; Antragsteller und Antragsgegner sind Parteien im Sinne dieser Vorschrift. Wie der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich bei dem selbständigen Beweisverfahren in der Regel um ein kontradiktorisches Verfahren zwischen Antragsteller und Antragsgegner (BGH, Urteile vom 5. Dezember 1996 - VII ZR 108/95, BGHZ 134, 190 und vom 27. Januar 2011 - VII ZR 186/09, BGHZ 188, 128 Rn. 38 f.), das auch durch seine Stellung in Buch 2, Abschnitt 1 der ZPO den Verfahren vor den Landgerichten zugerechnet wird. Das selbständige Beweisverfahren kann zu einer mündlichen Verhandlung führen und mit einem Vergleich enden (§ 491 Abs. 1, § 492 Abs. 3 ZPO). Es handelt sich um einen abgekoppelten, eigenständigen und vorweggenommenen Teil eines etwa nachfolgenden Hauptsacheprozesses. Deshalb ist auch angeordnet, dass seine Ergebnisse im nachfolgenden Hauptsacheverfahren zwingend zu verwerten sind, wenn sich eine der Parteien auf eine Tatsache beruft, über die Beweis erhoben wurde, § 493 Abs. 1 ZPO. Nach Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens kann auf Antrag angeordnet wer-21 den, dass der Antragsteller Klage in der Hauptsache zu erheben hat. Kommt er dem nicht fristgerecht nach, löst das selbständige Beweisverfahren eigenständige Kostentragungspflichten aus, § 494a Abs. 2 ZPO. Zudem hat das selbständige Beweisverfahren materielle Wirkungen, denn es hemmt die Verjährung der Ansprüche, für deren Nachweis die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Tatsachen von Bedeutung sein können, § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - VII ZR 186/09, aaO). Dass auch der Gesetzgeber das selbständige Beweisverfahren als "Anwaltsprozess" im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO angesehen hat, zeigt sich daran, dass er mit § 486 Abs. 4 ZPO eine Ausnahmevorschrift im Sinne des § 78 Abs. 3 ZPO in die Verfahrensvorschriften über das selbständige Beweisverfahren aufgenommen hat. Dessen hätte es nicht bedurft, wenn der Gesetzgeber ohnehin davon ausgegangen wäre, dass das selbständige Beweisverfahren kein "Anwaltsprozess" im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist.

(b) Ein Nebenintervenient ist jedoch nicht uneingeschränkt wie eine "Partei" im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu behandeln.

(aa) Ein Nebenintervenient wird durch einen Beitritt formell nicht zur Partei eines Rechtsstreits. Er ist gegenüber den Parteien insoweit untergeordneter Beteiligter, als er Prozesshandlungen nur wirksam vornehmen kann, soweit diese nicht mit den Erklärungen der unterstützten Hauptpartei in Widerspruch stehen, § 67 ZPO. Ist das der Fall, folgt eben hieraus, dass sich bei Unterbleiben eines Widerspruchs die Befugnisse des Nebenintervenienten mit denjenigen der unterstützten Partei derart überschneiden, dass es nach Sinn und Zweck des § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der sowohl einer geordneten Rechtspflege als auch den Interessen der Parteien dient (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 78 Rn. 5), nicht gerechtfertigt wäre, den Nebenintervenienten in Bezug auf die formalen Anforderungen an die Vornahme von solchen Prozess-23 handlungen, die denjenigen der Parteien entsprechen, anders zu behandeln als die Parteien selbst. Daher unterfallen diejenigen Verfahrens- oder Prozesshandlungen, die der Nebenintervenient für die jeweilige Partei, der er beigetreten ist, vornimmt oder vorzunehmen beabsichtigt, grundsätzlich dem Anwaltszwang gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Insoweit ist der Nebenintervenient einer "Partei" im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO gleichzustellen.

(bb) Die Beitrittserklärung ist indes keine Verfahrenshandlung, die der Nebenintervenient für die unterstützte Partei vornimmt oder vorzunehmen beabsichtigt. Die Beitrittserklärung kann nur von ihm vorgenommen werden und es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum im selbständigen Beweisverfahren bereits diese Erklärung dem Anwaltszwang unterfallen sollte. Sinn und Zweck des § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfordern dies jedenfalls nicht.

Zwar hat der Bundesgerichtshof für die Beitrittserklärung zu einem streitigen Verfahren vor dem Landgericht Anwaltszwang angenommen (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1990 - IX ZB 78/90, NJW 1991, 229). Das kann aber darin seine Rechtfertigung finden, dass auch die Parteien eines solchen Rechtsstreits sich an ihm nur mit Hilfe eines Rechtsanwalts beteiligen können. Von untypischen Verfahrenssituationen abgesehen (Versäumnisverfahren), benötigen sie zur Durchführung und zum Abschluss des Rechtsstreits zwingend einen Rechtsanwalt. Bräuchte der Nebenintervenient zu der Beitrittserklärung (noch) keinen Rechtsanwalt, so würde er anders behandelt als die Parteien, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt wäre.

Im Unterschied zu einem streitigen Verfahren vor dem Landgericht ist das selbständige Beweisverfahren dagegen so angelegt, dass es insgesamt typischerweise auch ohne Anwalt durchgeführt werden kann. Für den Antragsteller gilt § 486 Abs. 4 ZPO. Der Antragsgegner muss sich, ohne einen unmit-25 telbaren Rechtsnachteil befürchten zu müssen, nicht aktiv an dem Verfahren beteiligen. Durchführung und Beendigung eines solchen Verfahrens bedürfen keiner weiteren Handlungen der Beteiligten. Eine Vielzahl von selbständigen Beweisverfahren wird in dieser Form, insbesondere auch ohne eine mündliche Verhandlung, durchgeführt und zum Abschluss gebracht. Müsste sich der Streithelfer für die schlichte passive Teilnahme an dem Verfahren, an dem er ein schutzwürdiges Interesse hat, der Hilfe eines Rechtsanwalts bedienen, würden an ihn als untergeordneten Beteiligten daher strengere Anforderungen gestellt als an die Parteien. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Deshalb bedarf ein Nebenintervenient für seine bloße Beteiligung an einem selbständigen Beweisverfahren, die durch die Erklärung des Beitritts auf der Seite einer der Parteien herbeigeführt wird, keines Rechtsanwalts. Er erhält auf diese Weise ebenso wie die von ihm unterstützte Partei die Möglichkeit, das Verfahren zu beobachten, damit er bei Bedarf reagieren kann.

c) Der vom Streitverkündeten in seinem Schreiben vom 17. November 2011 erklärte Beitritt ist deshalb wirksam. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil sie zur Endentscheidung reif ist, § 577 Abs. 5 ZPO. Die angefochtenen Beschlüsse sind aufzuheben. Mangels wirksamer Zurückweisung der Nebenintervention hat der Streitverkündete damit die Stellung und die Befugnisse eines Nebenintervenienten (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - VIII ZB 82/05, BGHZ 165, 358).

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die im Zuge des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens entstandenen Kosten sind Kosten der Nebenintervention und diese wiederum gehören als Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des sich eventuell anschließenden Rechtsstreits (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - V ZB 84/09, BauR 2010, 248 = NZBau 2010, 108 = ZfBR 2010, 129; BGH, Beschluss vom 28 18. Dezember 2002 - VIII ZB 97/02, NJW 2003, 1322). Ansonsten kommt eine Erstattung der Kosten nur aus materiellrechtlichen Gesichtspunkten oder unter den Voraussetzungen des § 494a ZPO in Betracht.

Kniffka Safari Chabestari Eick Halfmeier Leupertz Vorinstanzen:

LG Koblenz, Entscheidung vom 30.11.2011 - 9 OH 18/11 -

OLG Koblenz, Entscheidung vom 09.01.2012 - 5 W 737/11 -