BGH, Urteil vom 15.05.2012 - VI ZR 117/11
Fundstelle
openJur 2012, 69207
  • Rkr:
Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. März 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Bundesrepublik Deutschland, seine Tätigkeit als Eiskunstlauftrainer von Soldaten der Sportfördergruppe der Bundeswehr zu dulden.

Der Kläger war bis 1998 Spitzensportler im Eiskunstlauf, zunächst in der DDR, später im wiedervereinigten Deutschland. Zur Zeit ist er erfolgreicher Eiskunstpaarlauftrainer. Er trainiert seit mehreren Jahren Aljona Savchenko und Robin Szolkowy, die zwischen 2004 und 2011 zahlreiche nationale und internationale Erfolge im Eiskunstpaarlauf erzielten.

Die Beklagte fördert Spitzensportler bei der Bundeswehr nach Maßgabe der "Regelung für die Förderung von Spitzensportlern bei der Bundeswehr" vom 3. Juli 1992. Danach werden Spitzensportler nach der Grundausbildung in 1 Sportfördergruppen versetzt. Dort machen die militärische Ausbildung 30 % des Dienstes, das sportliche Training und die Wettkämpfe 70 % aus. Die Pläne für das dienstliche Training und die Wettkämpfe erstellen die Bundestrainer oder die von den Spitzenverbänden beauftragten Trainer, nicht die Beklagte.

Aufgrund seiner Bewerbung vom 23. Mai 2003 war der Kläger seit dem 1. August 2003 Sportsoldat im Dienstrang eines Stabsunteroffiziers im Soldatenverhältnis auf Zeit bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr in der Funktion eines Eiskunstpaarlauftrainers. Mit Bescheid vom 31. März 2006 wurde der Kläger aus dem Soldatenverhältnis entlassen. Er hatte bei seiner Einstellung und bei seiner Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit auf Fragebögen die Fragen nach einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR wahrheitswidrig verneint. Die verwaltungsgerichtliche Klage des Klägers gegen seine Entlassung hatte (bisher) keinen Erfolg.

Nach seiner Entlassung aus der Bundeswehr akkreditierte die Deutsche Eislauf-Union (DEU) als der nationale Fachverband für das Eiskunstlaufen und Eistanzen in Deutschland den Kläger zeitweise nicht mehr als Trainer und lehnte eine Zusammenarbeit mit ihm ab. In der Folge einigten sich der Verband und der Kläger im Rahmen mehrerer gerichtlicher Verfahren, dass dieser als Trainer des genannten Eiskunstlaufpaares tätig blieb. Der Kläger trainierte außerdem auch ausländische Eiskunstlaufpaare. Auf eine Anfrage des Klägers vom 31. Januar 2007 bei dem zuständigen Wehrbereichskommando, ob Bedenken dagegen bestünden, dass er "als Trainer tätig ist, sofern die von ihm trainierten Sportler Angehörige der Sportfördergruppe sind und (er) vom Verband als verantwortlicher Trainer benannt wird", antwortete das zuständige Wehrbereichskommando im September 2007, dass der Befehlshaber in diesem Wehrbereich ein Training der Sportsoldaten seines Kommandos im Dienst durch den Kläger nicht zulassen werde; zur Begründung wurde auf die Entlassungsverfügung 4 vom 31. März 2006 und auf einen Beschwerdebescheid vom 5. Mai 2006 Bezug genommen.

Der Eiskunstpaarläufer Robin Szolkowy war seit Herbst 2003 Sportsoldat auf Zeit im Dienste der Beklagten. Er hielt an dem Kläger als Trainer fest. Da die Deutsche Eislauf-Union für ihn zunächst keinen verantwortlichen Trainer benannte (und für ihn kein Bundestrainer zur Verfügung stand) - was Voraussetzung für den Dienst als Sportsoldat ist -, wurde das Soldatenverhältnis zwischen Robin Szolkowy und der Beklagten nicht mehr verlängert und endete damit im Sommer 2006. Sein Antrag vom 3. September 2009 auf Wiedereinstellung, den die Deutsche Eislauf-Union und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) befürworteten, wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass mit dem Kläger als selbstgewähltem Privattrainer kein Bundestrainer bzw. kein von einem Spitzenverband beauftragter Trainer benannt worden sei.

In diesem Rechtsstreit hat der Kläger zuletzt begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihn als Eiskunstlauftrainer von Soldaten der Sportfördergruppe, Disziplin Paarlauf, zu dulden, sofern Sportsoldaten ihn als Trainer haben oder wählen, er vom Spitzenverband beauftragt ist und der DOSB seine Tätigkeit befürwortet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte auf die Berufung des Klägers antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil vom 29. März 2011 (Brandenburgisches Oberlandesgericht - 6 U 66/10) in juris veröffentlicht ist, führt im Wesentlichen aus:

Das in der Berufungsinstanz verfolgte Leistungsbegehren des Klägers sei unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs der Beklagten in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers berechtigt (§ 823 Abs. 1, §§ 31, 89, 1004 Abs. 1 BGB). Die Beklagte greife in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers ein, wenn sie nicht dulde, dass der Kläger Sportsoldaten trainiere. Die Beklagte könne sich hierfür auf rechtfertigende Umstände bzw. die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht berufen.

Das Verhalten der Beklagten stelle einen betriebsbezogenen Eingriff in den geschützten betrieblichen Bereich des Klägers dar. Der Kläger sei, seitdem er nicht mehr Sportsoldat sei, selbstständiger Trainer und Lehrer und erziele mit dieser Tätigkeit Einkünfte. Er übe zu Erwerbszwecken die Tätigkeit als Eiskunstlauftrainer freiberuflich aus. Auch Angehörige freier Berufe könnten sich auf den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB berufen.

Das Verhalten der Beklagten stelle einen unmittelbaren betriebsbezogenen Eingriff dar. Der Umstand, dass die Beklagte ein Training von Sportsoldaten durch den Kläger nicht dulde oder dulden werde, stelle eine zielgerichtete Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen des Klägers zu seinen Auftraggebern dar. Die Beklagte habe zweifelsfrei die Absicht, einem Sportsoldaten, der bei dem Kläger trainieren wolle, dies zu untersagen und ein entsprechendes Verhalten entweder disziplinarrechtlich durchzusetzen oder aber ihn, wenn er 9 sich nicht daran halten wolle, aus der Sportfördergruppe zu entlassen, ferner einen Sportler nicht in die Sportfördergruppe aufzunehmen, wenn er beim Kläger trainieren sollte. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie sich Sportsoldaten gegenüber anders verhalten werde, als sie es dem Kläger gegenüber angekündigt habe.

Es spreche alles dafür, dass auf Seiten der Sportsoldaten, die in der Disziplin Eiskunstlauf trainierten, und auch auf Seiten der sportlichen Spitzenverbände ein Interesse bestehe, dass der Kläger als Trainer von Sportsoldaten tätig werde. Er trainiere die mit Abstand erfolgreichsten deutschen Sportler im Eiskunstlauf. Der Kläger müsse nicht im Einzelnen darlegen, welches Mitglied der Sportfördergruppe konkret an ihn herangetreten sei. Es reiche aus darzulegen, dass es sich bei den Sportsoldaten potentiell um solche Athleten handele, durch deren Training der Kläger Einkünfte erzielen könnte, und dass dafür, dass er hier Aufträge erhalten könnte, eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche bzw. dass seine Aussichten auf Aufträge nicht rein hypothetischer Natur seien.

Der Kläger sei Trainer für Spitzensportler im Eiskunstlauf. Die potentiellen Kunden des Klägers stünden angesichts der Tatsache, dass alle Spitzensportler - außer dem vom Kläger trainierten Eiskunstlaufpaar - in diesem Bereich Sportsoldaten seien, im Dienst der Beklagten. Der Sache nach verschließe die Beklagte dem Kläger einen Markt an Nachfragern, weil Sportsoldaten nur unter Inkaufnahme empfindlicher wirtschaftlicher Nachteile seine Leistungen in Anspruch nehmen könnten. Die Nachfrager der Leistungen des Klägers seien die Sportsoldaten, sofern sie ihn direkt entlohnen sollten, bzw. auch die Spitzenverbände, sofern diese beabsichtigen, den Kläger für das Training von Sportsoldaten zu bezahlen. 13 Die Beklagte, die ihr Rechtsverhältnis zum Kläger durch die fristlose Entlassung beendet habe, setze mit der von ihr mit der vorliegenden Klage angegriffenen Maßnahme ihre Entscheidung, sich von dem Kläger zu trennen, mit Wirkung sowohl gegenüber den bei ihr tätigen Sportsoldaten als auch gegenüber den Spitzenverbänden des Sports durch. Die Frage, ob hierin ein klassischer Boykott oder ein einfacher Boykott zu sehen sei, müsse nicht abschließend entschieden werden. Jedenfalls stelle das Verhalten der Beklagten einen zielgerichteten Eingriff in die Erwerbsmöglichkeiten des Klägers dar, weil Sportsoldaten, die ihre durch den Soldatenstatus begründete Existenzsicherung nicht verlieren wollten, beim Kläger nicht trainieren könnten.

Nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien sehe der Senat die Verhaltensweise der Beklagten nicht als gerechtfertigt an.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte, seine Tätigkeit als Eiskunstlauftrainer von Sportsoldaten unter den im Tenor des Berufungsurteils genannten Voraussetzungen nicht zu behindern, ohne Rechtsfehler bejaht.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das vom Kläger beanstandete Verhalten der Beklagten einen Eingriff in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt und daher zu unterlassen ist (§ 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB). 15 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt, gewährt. Das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb wird durch § 823 Abs. 1 BGB nicht nur in seinem eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen ist, vor unmittelbaren Störungen bewahrt. Unter dem Begriff des Gewerbebetriebes im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist alles das zu verstehen, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt, also nicht nur Betriebsräume und -grundstücke, Maschinen und Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände und Warenvorräte, sondern auch Geschäftsverbindungen, Kundenkreis und Außenstände. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb von der Rechtsprechung gewährten und nach und nach erweiterten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben (Senatsurteil vom 9. Dezember 1958 - VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65, 69 f.). Das Recht am Unternehmen ist dabei nicht auf Gewerbebetriebe im handelsrechtlichen Sinn beschränkt, sondern steht auch den Angehörigen freier Berufe zu (MünchKommBGB/ Wagner, 5. Aufl., § 823 Rn. 192 mwN).

Danach trifft die Auffassung des Berufungsgerichts zu, dass der Kläger sich, sofern seine Tätigkeit als freier Sporttrainer, der mit dieser Tätigkeit Einkünfte erzielt, in Frage steht, grundsätzlich gegen eine Beeinträchtigung seines Unternehmens nach § 823 Abs. 1 BGB unter Berufung auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zur Wehr setzen kann. 19 2. Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb, gegen welche § 823 Abs. 1 BGB Schutz gewährt, sind nur diejenigen, die irgendwie gegen den Betrieb als solchen gerichtet also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen (Senatsurteil vom 9. Dezember 1958, aaO, S. 74). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur einzelne Geschäftsaktivitäten des Unternehmens beeinträchtigt werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 - I ZR 207/80, NJW 1983, 2195, 2196).

Danach beurteilt das Berufungsgericht das vom Kläger beanstandete Verhalten der Beklagten ohne Rechtsfehler als betriebsbezogen. Die Beklagte will nicht dulden, dass Sportler, die von dem Kläger trainiert werden, Sportsoldaten sind. Zutreffend stellt das Berufungsgericht insoweit darauf ab, dass die Beklagte dem Kläger auf dessen Anfrage hin mitgeteilt hat, Generalmajor O. werde es nicht dulden, dass der Kläger Sportsoldaten seines Kommandobereichs im Dienst trainiere. Aus dieser Mitteilung ist nach der bedenkenfreien Feststellung des Berufungsgerichts die Absicht der Beklagten zu entnehmen, einem Sportsoldaten, der bei dem Kläger trainieren wolle, dies zu untersagen und ein entsprechendes Verhalten entweder disziplinarrechtlich durchzusetzen oder aber ihn, wenn er sich nicht daran halten will, aus der Sportfördergruppe zu entlassen. Das Berufungsgericht entnimmt dem ferner zutreffend die Absicht, einen Sportler nicht in die Sportfördergruppe aufzunehmen, wenn er den Kläger als Trainer wählen sollte. Dass die Beklagte gewillt ist, ihre Absicht durchzusetzen, zeigt der Fall des Eiskunstläufers Robin Szolkowy.

Durch dieses Vorgehen wird die Tätigkeit des Klägers als freier Sporttrainer erheblich beeinträchtigt. Das Institut des Sportsoldaten ist ein wichtiger Teil der Förderung von Sportlern durch den deutschen Staat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfolgt die staatliche Sportförderung - neben 21 der Förderung durch die Polizei und durch den Zoll - durch die Bundeswehr. Die Sportsoldaten beziehen einen Sold, leisten nur in geringfügigem Umfang militärischen Dienst und bringen den überwiegenden Teil ihrer Dienstzeit im Training zu. Auf diese Weise erhalten sie ein regelmäßiges Einkommen und eine soziale Absicherung, die es ihnen ermöglicht, ohne auf eine Berufstätigkeit zum Lebensunterhalt angewiesen zu sein, Sport auf hohem Niveau zu betreiben. Der Wintersport ist ein Schwerpunkt dieser Art von Sportförderung. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers wird der Eiskunstlauf in Deutschland nur auf diese Weise gefördert. Alle Spitzensportler in diesem Bereich sind Sportsoldaten mit Ausnahme des Eiskunstlaufpaars, das der Kläger trainiert. Die potentiellen Kunden des Klägers, also die Spitzensportler, auf die er nach seiner Qualifikation als Trainer ausgerichtet ist, stehen mithin jedenfalls zu einem ganz erheblichen Teil im Dienst der Beklagten.

Nach Auffassung der Beklagten dürfen Sportler, die den Kläger als Trainer wählen, dadurch gemaßregelt werden, dass ihnen die Möglichkeit, Sportsoldat zu sein, verwehrt wird, so dass sie nicht in den Genuss der damit verbundenen oben beschriebenen Vorteile kommen und die Kosten für die Beschäftigung des Klägers aus anderweit erzielten Einnahmen finanzieren müssen, soweit ihnen dies überhaupt möglich ist. Mit Recht führt das Berufungsgericht aus, der Sache nach verschließe die Beklagte dem Kläger einen Markt an Nachfragern, weil Sportsoldaten nur unter Inkaufnahme empfindlicher wirtschaftlicher Nachteile seine Leistungen in Anspruch nehmen könnten; die Nachfrager der Leistungen des Klägers sind die Sportsoldaten, sofern sie ihn direkt entlohnen sollten, bzw. auch die Spitzenverbände, sofern diese beabsichtigen, den Kläger für das Training von Sportsoldaten zu bezahlen. 24 Es mag sein, dass den mehrmaligen deutschen Meistern, Europameistern und Weltmeistern Aljona Savchenko und Robin Szolkowy eine solche Finanzierung aus sonstigen Einnahmen möglich ist und der Kläger durch seine Tätigkeit für diese die Einkünfte erzielt, die er auch hätte, wenn Robin Szolkowy Sportsoldat wäre. Zutreffend stellt das Berufungsgericht aber darauf ab, dass das Verhalten der Beklagten einen Abschreckungseffekt auf solche Sportler ausübt, die Spitzenleistungen erst in Zukunft noch erzielen wollen und die auf die Einkünfte als Sportsoldat nicht verzichten können. Diesen wird die Inanspruchnahme des Klägers als internationalem Spitzentrainer faktisch unmöglich gemacht. Dessen Unternehmen wird insoweit erheblich beeinträchtigt. Dass er durch anderweite Trainingstätigkeit gegebenenfalls auskömmliche Erträge erzielen kann, ist nicht entscheidend.

3. Die Revision wendet sich gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass im Streitfall wohl ein "Boykott" der Beklagten gegen den Kläger vorliege. Darauf und auf die Frage, ob ein Boykott "im Rechtssinne" oder ein "einfacher" Boykott vorliegt, kommt es indes nicht an. Ein Eingriff in den Gewerbebetrieb kann auch bei boykottähnlichen Maßnahmen, zu denen das Verhalten der Beklagten im Streitfall zweifellos gehört, vorliegen. Entscheidend ist insoweit nur, dass die unternehmerische Tätigkeit des Betroffenen beeinträchtigt wird. Dabei muss im Auge behalten werden, dass mit der Qualifizierung eines Verhaltens als "Boykott" oder boykottähnlich noch nichts über dessen Rechtswidrigkeit gesagt ist. In einer freien Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung können Boykottaufrufe oder boykottähnliche Maßnahmen vielfach gerechtfertigt sein, wenn sie auf wahre Tatsachen und ausreichend sachlich motivierte Gründe gestützt sind (vgl. MünchKommBGB/Wagner, aaO; Rn. 215 ff.). 25 4. Da danach die objektiven Voraussetzungen für die Annahme eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegen, ist - wie auch im Berufungsurteil geschehen - zu prüfen, ob das Verhalten der Beklagten als rechtswidrig zu qualifizieren ist. Das Recht am Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben (vgl. Senatsurteile vom 13. März 1979 - VI ZR 117/77, BGHZ 74, 9, 14; vom 7. Februar 1984 - VI ZR 193/82, BGHZ 90, 113, 124 f.; vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311, 318 jew. mwN). Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (ähnlich wie beim Persönlichkeitsrecht, vgl. etwa Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 11 - Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 14 - Onlinearchiv II; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12, jeweils mwN).

Hier ergibt die Abwägung, dass das Schutzinteresse des Klägers überwiegt. Dabei sind folgende Umstände von Bedeutung:

a) Es kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte ihre Entscheidung, den Kläger nicht als Trainer von Sportsoldaten zu dulden, auf dessen falsche Angaben bei seiner Einstellung und auch auf seine Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit als solche gestützt hat. Es kann auch unterstellt werden, dass die wahrheitswidrige Verneinung einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit aus soldatenrechtlicher Sicht die Entlassung des Klägers als Sportsoldat gerechtfertigt hat. Diese Umstände können in die Abwägung eingestellt und es kann zugrunde gelegt werden, dass ihre Berücksichtigung entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht entsprechend § 21 Abs. 3 Satz 1 und 3 StUG a.F. ausgeschlossen ist. 27 b) Die Abwägung hat sich nicht daran zu orientieren, welche Maßnahmen die Beklagte gegen eine Beschäftigung des Klägers in ihrem Zuständigkeits- und Direktionsbereich (Bundeswehr) mit Blick auf dessen Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit ergreifen durfte. Der Kläger beanstandet im vorliegenden Rechtsstreit nicht die gegen ihn ergriffenen dienstrechtlichen Maßnahmen. Er beanstandet lediglich, dass die Beklagte eine Tätigkeit verhindert, bezüglich der die von der Beklagten herangezogenen dienstrechtlichen Gesichtspunkte weitgehend zurücktreten, weil es nicht um die militärische Aus- und Weiterbildung, sondern um das "sportliche Training/Wettkampf" der Sportsoldaten geht, für das die Bundestrainer oder die von den Spitzenverbänden beauftragten Trainer verantwortlich sind (vgl. Nr. 13, 16 und 17 der Regelung für die Förderung von Spitzensportlern bei der Bundeswehr vom 17. Mai 1991 - VMBl. 1992, 257). Dieser Bereich ist im System der Sportförderung durch das Institut des "Sportsoldaten" von dem soldatenrechtlichen Direktionsbereich der Beklagten weitgehend getrennt. Die Ausgestaltung des Sporttrainings obliegt den zuständigen Sportverbänden und dem Sportler selbst. Das Training findet in der Regel nicht in der Kaserne, sondern in den Olympiastützpunkten bzw. Leistungszentren der Spitzenverbände im In- und Ausland statt (vgl. Nr. 18 Abs. 1 Satz 1 der vorgenannten Regelung).

c) Ein überwiegendes Schutzinteresse der Beklagten könnte nur bejaht werden, wenn durch die Tolerierung der Tätigkeit des Klägers als Trainer von Sportsoldaten rechtlich erhebliche Interessen, insbesondere das Ansehen der Bundeswehr in nennenswerter Weise beeinträchtigt sein könnte. Die Behinderung der Berufsausübung des Klägers in dem der Bundeswehr fern liegenden Bereich des sportlichen Trainings müsste aus in der Person des Klägers liegenden, die rechtlich geschützten Interessen der Bundeswehr gefährdenden Gründen als gerechtfertigt erscheinen. Dies ist indes nicht der Fall. 30 aa) Die Tätigkeit des Klägers für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR und die falschen Angaben anlässlich seiner Einstellung als Sportsoldat dürfen keineswegs bagatellisiert werden. Doch liegt dieses Verhalten Jahre zurück. Das Gewicht derartiger Verfehlungen für die heutige Beurteilung der Persönlichkeit nimmt mit zunehmendem Abstand von dem System der DDR ab; Haltung und Leistung nach der Wende können mehr und mehr in den Vordergrund treten.

bb) Der Kläger wurde in das System der Stasi in jungen Jahren verstrickt. Nennenswerten Schaden hat er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht angerichtet.

cc) Nach der Wiedervereinigung war der Kläger zwölf Jahre als Sportsoldat für die Beklagte tätig. Er ist für treue Dienste und überdurchschnittliche Leistungen mehrfach von der Bundeswehr ausgezeichnet worden. Er hat für die Bundesrepublik Deutschland als Sportler und Trainer bedeutende internationale Erfolge erzielt und dadurch für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland Erhebliches geleistet.

dd) Die für den Eislaufsport zuständigen deutschen Spitzenverbände haben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Einwände mehr dagegen, dass der Kläger Spitzensportler trainiert. Die Stasikommission des Deutschen Olympischen Sportbundes hat die Teilnahme des Klägers an den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver befürwortet. Deren damaliger Vorsitzender hat bereits einige Jahre zuvor die Weiterbeschäftigung des Klägers als Trainer befürwortet.

ee) Unter diesen Umständen ist die Beklagte nicht berechtigt, den Kläger vom Training ihrer Sportsoldaten auszuschließen. Eine rechtlich beachtliche Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr dadurch, dass der Kläger als 32 freier Trainer Sportsoldaten trainiert, ist bei unvoreingenommener, vernünftiger Betrachtung nicht ersichtlich und liegt auch angesichts des Werdegangs des Klägers nach der Wende und der für ihn sprechenden positiven Umstände fern.

Galke Zoll Wellner Stöhr von Pentz Vorinstanzen:

LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 10.06.2010 - 13 O 120/10 -

OLG Brandenburg, Entscheidung vom 29.03.2011 - 6 U 66/10 -