Die ,Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland" ist trotz der ,staatlichen Anerkennung" durch den Ministerrat der ehemaligen DDR nicht parteifähig im Sinne von § 50 Abs. 1 ZPO.
Die Berufung der Verfügungskläger gegen das am 12. März 1997 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 30/97 - wird zurückgewiesen. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten tragen der Verfügungskläger zu 1) zu 1/4 und die Verfügungsklägerin zu 2) zu 3/4. Im übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten zu tragen. Das Urteil ist rechtskräftig.
1.
Die Verfügungsklägerin zu 1) repräsentiert als "die leitende
aufsichtführende Körperschaft" die Zeugen Jehovas in der
Bundesrepublik Deutschland. Die Verfügungsklägerin zu 2) war
jahrelang in der DDR verboten. Der Ministerrat der Deutschen
Demokratische Republik - Amt für Kirchenfragen - übersandte ihr am
14.03.1990 eine Urkunde, in der es heißt (Bl. 97 d.GA.):
"STAATLICHE ANERKENNUNG
Die
"Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas der DDR"
mit Sitz in B., Hauptstadt der Deutschen Demokratischen
Republik, ist staatlich anerkannt.
Mit der staatlichen Anerkennung ist die Religionsgemeinschaft
rechtsfähig und legitimiert, auf der Grundlage des Art. 39 (2) der
Verfassung der DDR ihre Tätigkeit auszuüben"
In dem Begleitschreiben des Ministerrates - Amt für
Kirchenfragen - vom gleichen Tage heißt es u.a. (Kopie Bl. 96
d.GA.):
"Die Gemeinschaft gehört damit zu den über 30 Kirchen und
Religionsgemeinschaften, die in der DDR auf der Grundlage von Art.
39 (2) der Verfassung und weiterer gesetzlicher Bestimmungen der
DDR ihre Tätigkeit selbständig in voller Freiheit ausüben und
Rechtsfähigkeit besitzen".
Die Verfügungsbeklagte veröffentlichte auf ihrer Internetseite
mit der Adresse " ..." als Ankündigung zur
Talkshow "Hans Meiser, Thema: Zeugen Jehovas", die am 21.01.1997
ausgestrahlt werden sollte, am 16.01.1997 und 17.01.1997 folgenden
Text (eidesstattliche Versicherung des Herrn G. G. vom 20.01.1997,
Bl. 7 d.GA.):
"04. 18.01.97 - 24.01.97
D i e n s t a g, 21.01.97
16.00
Hans Meiser
Thema: "Zeugen Jehovas"
Die Führer, die sogenannte "Leitende Körperschaft der Zeugen
Jehovas", erheben den Anspruch, ein eigenes theokratisch
organisiertes Volk mit "richtiger Regierung, richtigen Gesetzen und
richtigen Bürgern" zu repräsentieren. Das Verhalten wird von klein
auf reglementiert (Kindergarten, Schule, Beruf, Freizeit),
Geburtstage und Feste wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten als
heidnische Gebräuche abgelehnt, Sogar gewisse Sportarten und selbst
das Kindersingen sowie Bastelarbeiten der Kinder im Kindergarten
sind verboten. Die Mitgliedschaft in Parteien, Gewerkschaften,
Verbänden oder Vereinen ist nicht gestattet. Jehovas Zeugen sind
angewiesen, sich von der Politik fernzuhalten. Feuerwehr, Rotes
Kreuz, Bundeswehr oder Zivildienst werden als Einrichtung
abgelehnt! Selbst Bluttransfusionen im Notfall sind verboten und
werden als unbiblisch bezeichnet. Óber ihre Erfahrungen berichten
heute ehemalige Zeugen Jehovas."
Die Verfügungskläger haben geltend gemacht, sie seien beide von
den gerügten Behauptungen betroffen. Sie haben behauptet, die von
ihnen beanstandeten Äußerungen seien unwahr. Kindersingen und
Bastelarbeiten im Kindergarten seien nicht verboten, vielmehr
würden Eltern, die Zeugen Jehovas seien, angeregt, die Entwicklung
ihrer Kinder auch durch diese Tätigkeiten zu fördern. Die
Mitgliedschaft in Gewerkschaften, Verbänden oder Vereinen sei nicht
verboten. Die Entscheidung darüber, ob der einzelne Zeuge Jehova
Mitglied in einer der Organisationen sein möchte, sei in dessen
eigene Verantwortung gestellt. Feuerwehr, Rotes Kreuz oder
Zivildienst würden als Einrichtungen nicht abgelehnt. Die Zeugen
Jehovas seien im allgemeinen bereit, Dienste für die Gesellschaft
zu leisten, und es gebe viele Zeugen J., die in einer dieser
Einrichtungen tätig seien.
Der Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, es bestünde keine
Wiederholungsgefahr, da es sich bei der angegriffenen Internet-
seite nur um einen Hinweis auf den voraussichtlichen Inhalt einer
konkreten Fernsehsendung gehandelt habe und die nach Ausstrahlung
der Sendung nicht mehr verlautbart werde. Weiterhin hat sie
ausgeführt, die angegriffenen Behauptungen seien in ihrem
Aussagekern wahrheitsgemäß. Es gebe kein allgemeines Verbot des
Inhalts, daß Kindersingen und Bastelarbeiten im Kindergarten
verboten sei, jedoch führten die vielen Verbote der Sekte dazu, daß
den Kindern faktisch das Singen einer so großen Anzahl von
bekannten Kinderliedern untersagt sei, daß dies einem generellen
Verbot gleichkomme. Auch die Durchführung von Bastelarbeiten sei
für die Kinder erheblich eingeschränkt. Aus der inneren Struktur
und den Glaubensgrundsätzen der Verfügungskläger ergebe sich, daß
eine Tätigkeit in Gewerkschaften, Verbänden oder Vereinen zumindest
nicht erwünscht sei. Dasselbe gelte für die Organisationen wie
Feuerwehr und Rotes Kreuz. Zudem hätten die Zeugen Jehovas in der
Vergangenheit sowohl Wehr- als auch Zivildienst abgelehnt. Daß der
Zivildienst seit dem Erscheinen der Ausgabe "Der W." vom 01.05.1996
plötzlich keinen zwingenden Grund mehr darstelle, aus der
Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, können nur in dem
Zusammenhang gesehen werden, daß die Verfügungsklägerin zu 2) es
anstrebe, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu
werden.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 12.03.1997 (Bl. 52 ff.
d.GA.), auf das wegen aller weiteren Einzelheiten verwiesen wird,
die Verfügungsbeklagte zur Unterlassung folgender Äußerungen über
den Verfügungskläger zu 1) verurteilt:
"Kindersingen und Bastelarbeiten im Kindergarten sind für Kinder
von Zeugen Jehovas verboten."
"Die Mitgliedschaft in ..., Gewerkschaften, Verbänden oder
Vereinen ist nicht gestattet."
Im übrigen hat es den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Verfügung zurückgewiesen und insoweit ausgeführt, daß der Antrag
der Verfügungsklägerin zu 2) bereits deshalb unzulässig sei, da sie
keine Parteifähigkeit besitze. Der weitergehende Antrag des
Verfügungsklägers zu 1) sei unbegründet, da es sich um eine von dem
Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckte Wertung handele, die die
Grenzen der Zulässigkeit nicht überschreite.
Hiergegen wenden sich die Verfügungskläger mit ihrer Berufung.
Die Verfügungsklägerin zu 2) vertritt die Auffassung, sie besitze
aufgrund der ihr durch den Ministerrat der DDR am 14.03.1990
erteilten Anerkennung als Religionsgemeinschaft die volle
Rechtsfähigkeit. Beide Verfügungskläger machen geltend, bei der
Behauptung "Feuerwehr, Rotes Kreuz oder ... Zivildienst werden als
Einrichtung abgelehnt" handele es sich um eine Tatsachenbehauptung,
die mit Mitteln des Beweises überprüft werden könne.
2.
a)
Die Berufung ist zulässig. Auch die Verfügungsklägerin zu 2)
kann Berufung einlegen. Nach der Rechtsprechung ist das
Rechtsmittel einer Partei, die sich dagegen wendet, daß sie in der
Vorinstanz zu Unrecht als parteiunfähig behandelt worden ist, ohne
Rücksicht darauf zulässig, ob sie die sonst für die Prozeßfähigkeit
erforderlichen Voraussetzungen aufweist (z.B. BGH, NJW 1990, 1734
ff. (1735); OLG Köln, OLGR 1997, 197 f. (197)).
b)
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Landgericht hat
zu Recht den weitergehenden Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Verfügung zurückgewiesen. Die von der Berufung hiergegen
vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere
Beurteilung.
aa)
Der Antrag der Verfügungsklägerin zu 2) ist unzulässig. Die
Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland besitzt
nicht die von Amts wegen zu prüfende Parteifähigkeit. Die
Parteifähigkeit der nach dem Recht der DDR gebildeten Vereinigungen
ist seit dem 03.10.1990 ausschließlich nach dem Recht der
Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen (KG, KGR 1993, 178 f.
(178)). Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig
ist.
Der Verfügungsklägerin zu 2) als Religionsgemeinschaft fehlt
indes diese Rechtsfähigkeit. Sie ist keine Körperschaft des
öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5
WRV. Diese Rechtsstellung hat die Verfügungsklägerin zu 2) weder
nach der vorgenannten Verfassungsbestimmung noch durch die
"Staatliche Anerkennung" seitens des Ministerrates der Deutschen
Demokratischen Republik erlangt.
Gemäß dem durch Art. 140 GG in das Grundgesetz übernommenen Art.
137 Abs. 5 Satz 1 der WRV bleiben die Religionsgemeinschaften
Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie solche bisher
waren. Nach Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV sind "anderen
Religionsgemeinschaften" auf Antrag die gleichen Rechte zu
gewähren, "wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl der
Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten". Vor Inkrafttreten der
Weimarer Reichsverfassung war die Verfügungsklägerin zu 2) keine
"Körperschaft des öffentlichen Rechts". Auch nachträglich ist ihr
auf Antrag dieses Recht nicht gewährt worden. So haben die Zeugen
Jehovas es in der Vergangenheit aus Glaubensgründen stets
abgelehnt, "bei einer weltlichen Instanz" um die Verleihung von
Körperschaftsrechten nachzusuchen (BVerfG, NJW 1965, 2339 f.
(2339); OVG Berlin, NVwZ 1996, 478 ff. (479)).
Mit Urkunde des Ministerrats der Deutschen Demokratischen
Republik - Amt für Kirchenfragen - vom 14.03.1990 ist der
Verfügungsklägerin zu 2) schon deshalb nicht der Status einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden, weil eine
derartige Rechtsform dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht der
Deutschen Demokratischen Republik fremd war (VG Berlin, Urteil vom
25.10.1993, 27 A 214.93). So enthielt die Verfassung der Deutschen
Demokratischen Republik vom 06.04.1968 (GBl. I S. 199) in der
Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der
Deutschen Demokratischen Republik vom 07.10.1974 (GBl. I S. 425)
keine ähnliche Bestimmung wie Art. 137 Abs. 5 WRV. Demzufolge
stellt die am 14.03.1990 vom Ministerrat der Deutschen
Demokratischen Republik - Amt für Kirchenfragen - abgegebene
Erklärung keine Verleihung von Körperschaftsrechten dar (VG Berlin,
a.a.O.; OVG Berlin, NVwZ 1996, 478 ff. (479)).
Ebensowenig hat die Verfügungsklägerin die Rechtsstellung einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts aufgrund des am 29.09.1990 in
Kraft getretenen Kirchensteuergesetzes der Deutschen Demokratischen
Republik (Gesetz zur Regelung des Kirchensteuer- wesens, Anl. II
Kap. IV Abschn. I Nr. 5 des Einigungsvertrags [BGBl. II, 1194]) -
DDR-KirchStG - erworben. Den Regelungen des DDR-KirchStG, welches
gemäß Art. 9 Abs. 5 des Einigungsvertrags vom 31.08.1990 (BGBl. II,
889) als Landesrecht in den neuen Bundesländern fortgilt, kommt in
bezug auf den Körperschaftsstatus kein rechtsbegründender Charakter
zu. Die Verleihung von Körperschaftsrechten durch Legislativakt
widerspräche dem Grundverständnis des Staatskirchenrechts,
insbesondere der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des
kirchenrechtlichen Selbstbestimmungsrechts (OVG Berlin, NVwZ 1996,
478 ff. (479)). Denn wie es im Ermessen der Religionsgemeinschaften
steht, die Organisationsform des rechtsfähigen oder
nichtrechtsfähigen Vereins zu wählen, so steht es ihnen auch frei,
ob sie die Rechtsstellung einer Körperschaft erwerben wollen
(BVerfG, NJW 1965, 2339).
Der Verfügungsklägerin zu 2) ist auch nicht die Rechtsfähigkeit
deshalb zuzubilligen, weil sie ein Rechtsanspruch auf Verleihung
der Körperschaftsrechte hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in
seiner Entscheidung vom 26.06.1997, 7 C 11.96, rechtskräftig
festgestellt, daß der Verfügungsklägerin zu 2) kein Anspruch gemäß
Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV auf Anerkennung als
Körperschaft des öffentlichen Rechts zusteht. Die
verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Verleihung der
Körperschaftsrechte liegen nicht vor, da die Verfügungsklägerin zu
2) dem demokratisch verfaßten Staat nicht die für eine dauerhafte
Zusammenarbeit unerläßliche Loyalität entgegenbringt.
Die nunmehr von der Verfügungsklägerin zu 2) gegen diese
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eingelegte
Verfassungsbeschwerde (vgl. NJW 1997, Heft 36 S. XLIV) führt zu
keiner anderen Beurteilung. Insoweit kann sich die
Verfügungsklägerin zu 2) nicht darauf berufen, daß sie bis zur
endgültigen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht als
"Körperschaft sui generis" anzusehen sei. Die Parteifähigkeit gemäß
§ 50 Abs. 1 ZPO knüpft in der Regel an eine bestehende
Rechtsfähigkeit und nicht an eine erst noch zu erlangende an. Eine
eingelegte Verfassungsbeschwerde hat zudem auf die Rechtskraft
einer gerichtlichen Entscheidung so lange keinen Einfluß, wie das
Bundesverfassungsgericht diese nicht gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG
aufgehoben hat.
Soweit teilweise in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt
ist, daß auch die Vorform bestimmter juristischer Personen
zumindest partiell parteifähig ist (vgl. allgemein: MK-Lindacher,
ZPO, § 50, Rdnr. 11 ff.; Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, § 50
Rdnr. 6 jeweils mit weiteren Nachweisen), lassen sich diese
Grundsätze vorliegend nicht übertragen. Begründet wird die
Vorverlagerung der Parteifähigkeit damit, daß die werdenden
juristischen Personen zwar Gebilde eigener Art, jedoch bereits
weitgehend durch die angestrebte Rechtsform vorgeprägt sind (z.B.
Vor-AG bzw. Vor-GmbH; vgl. MK-Lindacher, ZPO, § 50, Rdnr. 12
m.w.N.).
Demgegenüber steht hinsichtlich der Verfügungsbeklagten zu 2)
bereits die angestrebte Rechtsform letztlich noch nicht fest. So
führt diese selber aus (Bl. 91 d.GA.), daß ihre Rechtsform noch in
Klärung begriffen sei und sie in der DDR einen eigenen Rechtsstatus
besessen habe, der in der Rechtsordnung der Bundesrepublik
Deutschland nicht existiere und sie deshalb gezwungen sei, sich
eine Rechtsform zu geben, die die Rechtsordnung der Bundesrepublik
Deutschland vorsehe.
Soweit die Verfügungsklägerin zu 2) durch die "staatliche
Anerkennung" als "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in der
DDR" durch den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik -
Amt für Kirchenfragen - vom 14.03.1990 (Bl. 97 d.GA.) die
Rechtsfähigkeit und die Legitimation erhielt, auf der Grundlage des
Art. 39 Abs. 2 der Verfassung der DDR ihre Tätigkeit auszuüben, so
kann sie hieraus nicht eine allgemeine Rechtsfähigkeit in der
Bundesrepublik Deutschland herleiten.
Die Verfügungsklägerin zu 2) besaß ausschließlich nach dem
Rechtssystem der DDR die Rechtsfähigkeit zur Ausübung ihrer
Tätigkeit als Religionsgemeinschaft in Óbereinstimmung mit der
Verfassung und den Gesetzen der DDR. Insoweit räumt auch die
Verfügungsklägerin zu 2) ein, daß die von der Regierung der DDR
anerkannte Rechtsform der "Religionsgemeinschaft" keiner der im
Recht der Bundesrepublik Deutschland vorgesehenen Rechtsformen von
Vereinigungen zugeordnet werden kann. Mit dem Inkrafttreten des
Einigungsvertrages vom 31.08.1990 (BGBl. II, 889) - am 03.10.1990 -
hat die Verfügungsklägerin ihre durch den Ministerrat der DDR
verliehene staatliche Anerkennung und die damit verbundenen Rechte
verloren.
Dies bedeutet zwar nicht, daß die Verfügungsklägerin zu 2) ab
diesem Zeitpunkt überhaupt keine Parteifähigkeit mehr besitzt. Ihr
jetziger Rechtsstatus ist vergleichbar mit den anderen
abzuwickelnden Einrichtungen der ehemaligen DDR. Insoweit
entspricht es einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, eine begrenzte
Parteifähigkeit zu bejahen, soweit noch Abwicklungsbedarf besteht
(vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, § 50 Rdnr. 28 b); BGH, MDR 1995, 529
f. (529) für die Rechtsanwaltskollegien der ehemaligen DDR).
Vorliegend macht die Verfügungsklägerin zu 2) indes keine Ansprüche
geltend, die mindestens mittelbar im Zusammenhang mit ihrer
Abwicklung zu sehen sind.
Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus Art. 19 des
Einigungsvertrages. Diese Bestimmung betrifft die vor dem
Wirksamwerden des Beitritts ergangenen Verwaltungsakte der DDR. Es
bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob es sich bei der vom
Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik - Amt für
Kirchenfragen am 14.03.1990 abgegebenen Erklärung überhaupt um eine
Entscheidung der öffentlichen Verwaltung im Sinne von Art. 19 des
Einigungsvertrags handelt. Wenn man - entsprechend der Ansicht der
Verfügungsklägerin zu 2) - diese Frage bejaht, so besteht die
Wirkung der staatlichen Anerkennung zunächst ausschließlich darin,
daß die Regierung der DDR die Verfügungsklägerin zu 2) für das
Gebiet der früheren DDR als Religionsgemeinschaft anerkannte und
ihr auf der Grundlage von Art. 39 Abs. 2 der Verfassung der DDR das
Recht einräumte, ihre Tätigkeit in Óbereinstimmung mit der
Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der DDR auszuüben. Da
Art. 39 Abs. 2 der Verfassung der DDR nicht in Anlage II zu Art. 9
des Einigungsvertrags als fortbestehendes Recht aufgeführt wird,
ist mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages die Wirkung der
staatlichen Anerkennung entfallen.
bb)
Dem Verfügungskläger zu 1) steht unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt ein Anspruch auf Unterlassung der noch im Streit
befindlichen Äußerung zu. Die auf der von der Verfügungsbeklagten
gestalteten Internetseite mit der Adresse:
"..." veröffentlichte Äußerung:
"Feuerwehr, Rotes Kreuz, Bundeswehr oder Zivildienst werden als
Einrichtungen abgelehnt"
fällt in den Schutzbereich des Grundrechts der freien
Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Grenze der
Zulässigkeit wird nicht überschritten.
Ob eine Äußerung als "Tatsachenbehauptung" oder Meinungsäußerung
("Werturteil") einzustufen ist, hängt entscheidend davon ab,
inwieweit die Aussage einer Óberprüfung auf ihre Richtigkeit mit
den Mitteln des Beweises zugänglich ist (z.B.: BGH, GRUR 1988, 25
f. (26)). Dies richtet sich nicht allein nach dem Wortlaut und der
äußeren Form, in die die Veröffentlichung gekleidet ist, sondern
auch nach ihrem Inhalt, so wie sie in ihrem Gesamtzusammenhang von
den angesprochenen Verkehrskreisen - hier die Teilnehmer des
Internets - verstanden wird (vgl. allgemein: BGH, GRUR 1972, 435
ff. (439); BGH, GRUR 1980, 309 f. (310); BGH, GRUR 1988, 25 ff.
(27)). Dabei ist der Begriff der Meinung im Interesse eines
wirksamen Grundrechtsschutzes indes weit zu verstehen. Sofern eine
Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die
Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt
sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geprägt (BVerfG, NJW
1992, 1439 ff. (1440)). Zwar kann sich auch eine Äußerung, die auf
Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und
soweit sie bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von
konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft.
Daran fehlt es hier aber: Die beanstandete Äußerung gibt eine
subjektive, der Beweisbarkeit sich entziehende Auffassung der
Verfügungsbeklagten über die Einstellung der Zeugen Jehovas
hinsichtlich der angesprochenen Einrichtungen wieder. Dem Leser
werden keine Informationen oder Fakten an die Hand gegeben, die
Äußerung auf ihre Wahrheit hin zu überprüfen. Die Bewertung der von
den Verfügungsklägern eingenommenen kritischen Haltung als
"Ablehnung" der entsprechenden Institutionen enthält keine
Anknüpfung an bestimmte Tatsachen oder Geschehnisse, die die
Einschätzung der Verfügungsbeklagten stützen und einer Óberprüfung
zugänglich machen. Insoweit wird dem Leser der Internetseite
erkennbar überlassen, ob er der Einschätzung des Autors folgen will
oder nicht. Hierdurch unterscheidet sich die vorliegende Äußerung
entscheidend von einer Tatsachenbehauptung. Bei dieser werden dem
Leser konkrete Tatsachen an die Hand gegeben, die eine - zum
Ausdruck gebrachte - Meinung stützen sollen; solche substanzhaltige
Mitteilungen fehlen hier aber. Der tatsächliche Gehalt der Aussage
steht daher auch nicht im Vordergrund. Die inkriminierte Passage
spricht den Leser als eine subjektive Meinung des Autors an und ist
auch als solche für ihn erkennbar.
Der Einstufung der inkriminierten Äußerung als "Werturteil"
steht hier auch nicht entgegen, daß diese mit einem gewissen
"Geltungsanspruch" auf der Internetseite vorgetragen wird. Auch das
"apodiktische" Urteil, das mit einem gewissen Anspruch auf
objektive Geltung vorgetragen wird, bleibt Werturteil und wird als
eine zusammenfassende Würdigung nicht deshalb zu einer
Tatsachenbehauptung.
Die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung werden nicht
überschritten. Eine unzulässige Schmähkritik liegt erst dann vor,
wenn ein sachlicher Bezug fehlt und dem Äußernden eine
Diffamierungsabsicht vorzuwerfen ist, es ihm anstatt um die Sache
um eine vorsätzliche Kränkung des Betroffenen geht (z.B. BGH NJW
1981, 2117 ff. (2119); NJW 1992, 1323 ff. (1324)). Ein klarer,
sachlicher Bezug der beanstandeten Äußerung ist erkennbar. Es
handelt sich um eine Ankündigung des voraussichtlichen Inhalts
einer Talkshow, die die Beklagte am 21.01.1997, gegen 16.00 Uhr, -
ohne die beanstandeten Äußerungen - ausstrahlte und die sich mit
dem Thema "Zeugen Jehovas" befaßte. In dieser Sendung sollten - so
die sich an die inkriminierte Äußerung anschließende Textpassage
der Internetseite - ehemalige Zeugen Jehovas über ihre Erfahrungen
berichten.
Die beanstandete Äußerung ist auch nicht dazu bestimmt gewesen,
den Verfügungskläger zu 1) oder dessen Mitglieder in ihrem Ansehen
herabzusetzen oder zu kränken. Entgegen den Ausführungen des
Verfügungsklägers zu 1) zielt sie nicht darauf ab, die Lehre und
gelebte Glaubenspraxis des Verfügungsklägers zu 1) und dessen
Glaubensangehörigen zu entstellen und zu belegen, daß es sich bei
ihm um eine "gefährliche" Sekte" handelt, die die Gesellschaft
ablehne. Die von der Verfügungsbeklagten angeführte "Ablehnung" der
aufgeführten Institutionen wird weder weiter kommentiert noch als
negativ oder positiv dargestellt.
Die Einschätzung der Verfügungsbeklagten mag aus der Sicht des
Verfügungsklägers zu 1) "falsch" sein. Das allein macht sie aber
noch nicht unzulässig. Insoweit kann es dahingestellt bleiben,
inwieweit der Verfügungskläger zu 1) bzw. seine Mitglieder nunmehr
die ablehnende Haltung hinsichtlich des Zivildienstes ganz oder
teilweise aufgegeben haben.
II.
Die Berufung der Verfügungsklägerin war daher mit der
Kostenfolge des §§ 97 Abs. 1, 100 ZPO zurückzuweisen. Die
Entscheidung ist rechtskräftig, § 545 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren:
Antrag I: 30.000,00 DM (3 x 10.000,00 DM)
Antrag II: 10.000,00 DM
Beschluß des Senates vom 17.06.1997 (Bl. 103 d.GA.)