OLG Köln, Urteil vom 16.09.1997 - 15 U 70/97
Fundstelle
openJur 2012, 76926
  • Rkr:

Die ,Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland" ist trotz der ,staatlichen Anerkennung" durch den Ministerrat der ehemaligen DDR nicht parteifähig im Sinne von § 50 Abs. 1 ZPO.

Tenor

Die Berufung der Verfügungskläger gegen das am 12. März 1997 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 30/97 - wird zurückgewiesen. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten tragen der Verfügungskläger zu 1) zu 1/4 und die Verfügungsklägerin zu 2) zu 3/4. Im übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten zu tragen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

1.

Die Verfügungsklägerin zu 1) repräsentiert als "die leitende

aufsichtführende Körperschaft" die Zeugen Jehovas in der

Bundesrepublik Deutschland. Die Verfügungsklägerin zu 2) war

jahrelang in der DDR verboten. Der Ministerrat der Deutschen

Demokratische Republik - Amt für Kirchenfragen - übersandte ihr am

14.03.1990 eine Urkunde, in der es heißt (Bl. 97 d.GA.):

"STAATLICHE ANERKENNUNG

Die

"Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas der DDR"

mit Sitz in B., Hauptstadt der Deutschen Demokratischen

Republik, ist staatlich anerkannt.

Mit der staatlichen Anerkennung ist die Religionsgemeinschaft

rechtsfähig und legitimiert, auf der Grundlage des Art. 39 (2) der

Verfassung der DDR ihre Tätigkeit auszuüben"

In dem Begleitschreiben des Ministerrates - Amt für

Kirchenfragen - vom gleichen Tage heißt es u.a. (Kopie Bl. 96

d.GA.):

"Die Gemeinschaft gehört damit zu den über 30 Kirchen und

Religionsgemeinschaften, die in der DDR auf der Grundlage von Art.

39 (2) der Verfassung und weiterer gesetzlicher Bestimmungen der

DDR ihre Tätigkeit selbständig in voller Freiheit ausüben und

Rechtsfähigkeit besitzen".

Die Verfügungsbeklagte veröffentlichte auf ihrer Internetseite

mit der Adresse " ..." als Ankündigung zur

Talkshow "Hans Meiser, Thema: Zeugen Jehovas", die am 21.01.1997

ausgestrahlt werden sollte, am 16.01.1997 und 17.01.1997 folgenden

Text (eidesstattliche Versicherung des Herrn G. G. vom 20.01.1997,

Bl. 7 d.GA.):

"04. 18.01.97 - 24.01.97

D i e n s t a g, 21.01.97

16.00

Hans Meiser

Thema: "Zeugen Jehovas"

Die Führer, die sogenannte "Leitende Körperschaft der Zeugen

Jehovas", erheben den Anspruch, ein eigenes theokratisch

organisiertes Volk mit "richtiger Regierung, richtigen Gesetzen und

richtigen Bürgern" zu repräsentieren. Das Verhalten wird von klein

auf reglementiert (Kindergarten, Schule, Beruf, Freizeit),

Geburtstage und Feste wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten als

heidnische Gebräuche abgelehnt, Sogar gewisse Sportarten und selbst

das Kindersingen sowie Bastelarbeiten der Kinder im Kindergarten

sind verboten. Die Mitgliedschaft in Parteien, Gewerkschaften,

Verbänden oder Vereinen ist nicht gestattet. Jehovas Zeugen sind

angewiesen, sich von der Politik fernzuhalten. Feuerwehr, Rotes

Kreuz, Bundeswehr oder Zivildienst werden als Einrichtung

abgelehnt! Selbst Bluttransfusionen im Notfall sind verboten und

werden als unbiblisch bezeichnet. Óber ihre Erfahrungen berichten

heute ehemalige Zeugen Jehovas."

Die Verfügungskläger haben geltend gemacht, sie seien beide von

den gerügten Behauptungen betroffen. Sie haben behauptet, die von

ihnen beanstandeten Äußerungen seien unwahr. Kindersingen und

Bastelarbeiten im Kindergarten seien nicht verboten, vielmehr

würden Eltern, die Zeugen Jehovas seien, angeregt, die Entwicklung

ihrer Kinder auch durch diese Tätigkeiten zu fördern. Die

Mitgliedschaft in Gewerkschaften, Verbänden oder Vereinen sei nicht

verboten. Die Entscheidung darüber, ob der einzelne Zeuge Jehova

Mitglied in einer der Organisationen sein möchte, sei in dessen

eigene Verantwortung gestellt. Feuerwehr, Rotes Kreuz oder

Zivildienst würden als Einrichtungen nicht abgelehnt. Die Zeugen

Jehovas seien im allgemeinen bereit, Dienste für die Gesellschaft

zu leisten, und es gebe viele Zeugen J., die in einer dieser

Einrichtungen tätig seien.

Der Verfügungsbeklagte hat vorgetragen, es bestünde keine

Wiederholungsgefahr, da es sich bei der angegriffenen Internet-

seite nur um einen Hinweis auf den voraussichtlichen Inhalt einer

konkreten Fernsehsendung gehandelt habe und die nach Ausstrahlung

der Sendung nicht mehr verlautbart werde. Weiterhin hat sie

ausgeführt, die angegriffenen Behauptungen seien in ihrem

Aussagekern wahrheitsgemäß. Es gebe kein allgemeines Verbot des

Inhalts, daß Kindersingen und Bastelarbeiten im Kindergarten

verboten sei, jedoch führten die vielen Verbote der Sekte dazu, daß

den Kindern faktisch das Singen einer so großen Anzahl von

bekannten Kinderliedern untersagt sei, daß dies einem generellen

Verbot gleichkomme. Auch die Durchführung von Bastelarbeiten sei

für die Kinder erheblich eingeschränkt. Aus der inneren Struktur

und den Glaubensgrundsätzen der Verfügungskläger ergebe sich, daß

eine Tätigkeit in Gewerkschaften, Verbänden oder Vereinen zumindest

nicht erwünscht sei. Dasselbe gelte für die Organisationen wie

Feuerwehr und Rotes Kreuz. Zudem hätten die Zeugen Jehovas in der

Vergangenheit sowohl Wehr- als auch Zivildienst abgelehnt. Daß der

Zivildienst seit dem Erscheinen der Ausgabe "Der W." vom 01.05.1996

plötzlich keinen zwingenden Grund mehr darstelle, aus der

Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, können nur in dem

Zusammenhang gesehen werden, daß die Verfügungsklägerin zu 2) es

anstrebe, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu

werden.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 12.03.1997 (Bl. 52 ff.

d.GA.), auf das wegen aller weiteren Einzelheiten verwiesen wird,

die Verfügungsbeklagte zur Unterlassung folgender Äußerungen über

den Verfügungskläger zu 1) verurteilt:

"Kindersingen und Bastelarbeiten im Kindergarten sind für Kinder

von Zeugen Jehovas verboten."

"Die Mitgliedschaft in ..., Gewerkschaften, Verbänden oder

Vereinen ist nicht gestattet."

Im übrigen hat es den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen

Verfügung zurückgewiesen und insoweit ausgeführt, daß der Antrag

der Verfügungsklägerin zu 2) bereits deshalb unzulässig sei, da sie

keine Parteifähigkeit besitze. Der weitergehende Antrag des

Verfügungsklägers zu 1) sei unbegründet, da es sich um eine von dem

Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckte Wertung handele, die die

Grenzen der Zulässigkeit nicht überschreite.

Hiergegen wenden sich die Verfügungskläger mit ihrer Berufung.

Die Verfügungsklägerin zu 2) vertritt die Auffassung, sie besitze

aufgrund der ihr durch den Ministerrat der DDR am 14.03.1990

erteilten Anerkennung als Religionsgemeinschaft die volle

Rechtsfähigkeit. Beide Verfügungskläger machen geltend, bei der

Behauptung "Feuerwehr, Rotes Kreuz oder ... Zivildienst werden als

Einrichtung abgelehnt" handele es sich um eine Tatsachenbehauptung,

die mit Mitteln des Beweises überprüft werden könne.

2.

a)

Die Berufung ist zulässig. Auch die Verfügungsklägerin zu 2)

kann Berufung einlegen. Nach der Rechtsprechung ist das

Rechtsmittel einer Partei, die sich dagegen wendet, daß sie in der

Vorinstanz zu Unrecht als parteiunfähig behandelt worden ist, ohne

Rücksicht darauf zulässig, ob sie die sonst für die Prozeßfähigkeit

erforderlichen Voraussetzungen aufweist (z.B. BGH, NJW 1990, 1734

ff. (1735); OLG Köln, OLGR 1997, 197 f. (197)).

b)

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Landgericht hat

zu Recht den weitergehenden Antrag auf Erlaß einer einstweiligen

Verfügung zurückgewiesen. Die von der Berufung hiergegen

vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere

Beurteilung.

aa)

Der Antrag der Verfügungsklägerin zu 2) ist unzulässig. Die

Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland besitzt

nicht die von Amts wegen zu prüfende Parteifähigkeit. Die

Parteifähigkeit der nach dem Recht der DDR gebildeten Vereinigungen

ist seit dem 03.10.1990 ausschließlich nach dem Recht der

Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen (KG, KGR 1993, 178 f.

(178)). Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig

ist.

Der Verfügungsklägerin zu 2) als Religionsgemeinschaft fehlt

indes diese Rechtsfähigkeit. Sie ist keine Körperschaft des

öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5

WRV. Diese Rechtsstellung hat die Verfügungsklägerin zu 2) weder

nach der vorgenannten Verfassungsbestimmung noch durch die

"Staatliche Anerkennung" seitens des Ministerrates der Deutschen

Demokratischen Republik erlangt.

Gemäß dem durch Art. 140 GG in das Grundgesetz übernommenen Art.

137 Abs. 5 Satz 1 der WRV bleiben die Religionsgemeinschaften

Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie solche bisher

waren. Nach Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV sind "anderen

Religionsgemeinschaften" auf Antrag die gleichen Rechte zu

gewähren, "wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl der

Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten". Vor Inkrafttreten der

Weimarer Reichsverfassung war die Verfügungsklägerin zu 2) keine

"Körperschaft des öffentlichen Rechts". Auch nachträglich ist ihr

auf Antrag dieses Recht nicht gewährt worden. So haben die Zeugen

Jehovas es in der Vergangenheit aus Glaubensgründen stets

abgelehnt, "bei einer weltlichen Instanz" um die Verleihung von

Körperschaftsrechten nachzusuchen (BVerfG, NJW 1965, 2339 f.

(2339); OVG Berlin, NVwZ 1996, 478 ff. (479)).

Mit Urkunde des Ministerrats der Deutschen Demokratischen

Republik - Amt für Kirchenfragen - vom 14.03.1990 ist der

Verfügungsklägerin zu 2) schon deshalb nicht der Status einer

Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden, weil eine

derartige Rechtsform dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht der

Deutschen Demokratischen Republik fremd war (VG Berlin, Urteil vom

25.10.1993, 27 A 214.93). So enthielt die Verfassung der Deutschen

Demokratischen Republik vom 06.04.1968 (GBl. I S. 199) in der

Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der

Deutschen Demokratischen Republik vom 07.10.1974 (GBl. I S. 425)

keine ähnliche Bestimmung wie Art. 137 Abs. 5 WRV. Demzufolge

stellt die am 14.03.1990 vom Ministerrat der Deutschen

Demokratischen Republik - Amt für Kirchenfragen - abgegebene

Erklärung keine Verleihung von Körperschaftsrechten dar (VG Berlin,

a.a.O.; OVG Berlin, NVwZ 1996, 478 ff. (479)).

Ebensowenig hat die Verfügungsklägerin die Rechtsstellung einer

Körperschaft des öffentlichen Rechts aufgrund des am 29.09.1990 in

Kraft getretenen Kirchensteuergesetzes der Deutschen Demokratischen

Republik (Gesetz zur Regelung des Kirchensteuer- wesens, Anl. II

Kap. IV Abschn. I Nr. 5 des Einigungsvertrags [BGBl. II, 1194]) -

DDR-KirchStG - erworben. Den Regelungen des DDR-KirchStG, welches

gemäß Art. 9 Abs. 5 des Einigungsvertrags vom 31.08.1990 (BGBl. II,

889) als Landesrecht in den neuen Bundesländern fortgilt, kommt in

bezug auf den Körperschaftsstatus kein rechtsbegründender Charakter

zu. Die Verleihung von Körperschaftsrechten durch Legislativakt

widerspräche dem Grundverständnis des Staatskirchenrechts,

insbesondere der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des

kirchenrechtlichen Selbstbestimmungsrechts (OVG Berlin, NVwZ 1996,

478 ff. (479)). Denn wie es im Ermessen der Religionsgemeinschaften

steht, die Organisationsform des rechtsfähigen oder

nichtrechtsfähigen Vereins zu wählen, so steht es ihnen auch frei,

ob sie die Rechtsstellung einer Körperschaft erwerben wollen

(BVerfG, NJW 1965, 2339).

Der Verfügungsklägerin zu 2) ist auch nicht die Rechtsfähigkeit

deshalb zuzubilligen, weil sie ein Rechtsanspruch auf Verleihung

der Körperschaftsrechte hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in

seiner Entscheidung vom 26.06.1997, 7 C 11.96, rechtskräftig

festgestellt, daß der Verfügungsklägerin zu 2) kein Anspruch gemäß

Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV auf Anerkennung als

Körperschaft des öffentlichen Rechts zusteht. Die

verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Verleihung der

Körperschaftsrechte liegen nicht vor, da die Verfügungsklägerin zu

2) dem demokratisch verfaßten Staat nicht die für eine dauerhafte

Zusammenarbeit unerläßliche Loyalität entgegenbringt.

Die nunmehr von der Verfügungsklägerin zu 2) gegen diese

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eingelegte

Verfassungsbeschwerde (vgl. NJW 1997, Heft 36 S. XLIV) führt zu

keiner anderen Beurteilung. Insoweit kann sich die

Verfügungsklägerin zu 2) nicht darauf berufen, daß sie bis zur

endgültigen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht als

"Körperschaft sui generis" anzusehen sei. Die Parteifähigkeit gemäß

§ 50 Abs. 1 ZPO knüpft in der Regel an eine bestehende

Rechtsfähigkeit und nicht an eine erst noch zu erlangende an. Eine

eingelegte Verfassungsbeschwerde hat zudem auf die Rechtskraft

einer gerichtlichen Entscheidung so lange keinen Einfluß, wie das

Bundesverfassungsgericht diese nicht gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG

aufgehoben hat.

Soweit teilweise in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt

ist, daß auch die Vorform bestimmter juristischer Personen

zumindest partiell parteifähig ist (vgl. allgemein: MK-Lindacher,

ZPO, § 50, Rdnr. 11 ff.; Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, § 50

Rdnr. 6 jeweils mit weiteren Nachweisen), lassen sich diese

Grundsätze vorliegend nicht übertragen. Begründet wird die

Vorverlagerung der Parteifähigkeit damit, daß die werdenden

juristischen Personen zwar Gebilde eigener Art, jedoch bereits

weitgehend durch die angestrebte Rechtsform vorgeprägt sind (z.B.

Vor-AG bzw. Vor-GmbH; vgl. MK-Lindacher, ZPO, § 50, Rdnr. 12

m.w.N.).

Demgegenüber steht hinsichtlich der Verfügungsbeklagten zu 2)

bereits die angestrebte Rechtsform letztlich noch nicht fest. So

führt diese selber aus (Bl. 91 d.GA.), daß ihre Rechtsform noch in

Klärung begriffen sei und sie in der DDR einen eigenen Rechtsstatus

besessen habe, der in der Rechtsordnung der Bundesrepublik

Deutschland nicht existiere und sie deshalb gezwungen sei, sich

eine Rechtsform zu geben, die die Rechtsordnung der Bundesrepublik

Deutschland vorsehe.

Soweit die Verfügungsklägerin zu 2) durch die "staatliche

Anerkennung" als "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in der

DDR" durch den Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik -

Amt für Kirchenfragen - vom 14.03.1990 (Bl. 97 d.GA.) die

Rechtsfähigkeit und die Legitimation erhielt, auf der Grundlage des

Art. 39 Abs. 2 der Verfassung der DDR ihre Tätigkeit auszuüben, so

kann sie hieraus nicht eine allgemeine Rechtsfähigkeit in der

Bundesrepublik Deutschland herleiten.

Die Verfügungsklägerin zu 2) besaß ausschließlich nach dem

Rechtssystem der DDR die Rechtsfähigkeit zur Ausübung ihrer

Tätigkeit als Religionsgemeinschaft in Óbereinstimmung mit der

Verfassung und den Gesetzen der DDR. Insoweit räumt auch die

Verfügungsklägerin zu 2) ein, daß die von der Regierung der DDR

anerkannte Rechtsform der "Religionsgemeinschaft" keiner der im

Recht der Bundesrepublik Deutschland vorgesehenen Rechtsformen von

Vereinigungen zugeordnet werden kann. Mit dem Inkrafttreten des

Einigungsvertrages vom 31.08.1990 (BGBl. II, 889) - am 03.10.1990 -

hat die Verfügungsklägerin ihre durch den Ministerrat der DDR

verliehene staatliche Anerkennung und die damit verbundenen Rechte

verloren.

Dies bedeutet zwar nicht, daß die Verfügungsklägerin zu 2) ab

diesem Zeitpunkt überhaupt keine Parteifähigkeit mehr besitzt. Ihr

jetziger Rechtsstatus ist vergleichbar mit den anderen

abzuwickelnden Einrichtungen der ehemaligen DDR. Insoweit

entspricht es einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, eine begrenzte

Parteifähigkeit zu bejahen, soweit noch Abwicklungsbedarf besteht

(vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, § 50 Rdnr. 28 b); BGH, MDR 1995, 529

f. (529) für die Rechtsanwaltskollegien der ehemaligen DDR).

Vorliegend macht die Verfügungsklägerin zu 2) indes keine Ansprüche

geltend, die mindestens mittelbar im Zusammenhang mit ihrer

Abwicklung zu sehen sind.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus Art. 19 des

Einigungsvertrages. Diese Bestimmung betrifft die vor dem

Wirksamwerden des Beitritts ergangenen Verwaltungsakte der DDR. Es

bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob es sich bei der vom

Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik - Amt für

Kirchenfragen am 14.03.1990 abgegebenen Erklärung überhaupt um eine

Entscheidung der öffentlichen Verwaltung im Sinne von Art. 19 des

Einigungsvertrags handelt. Wenn man - entsprechend der Ansicht der

Verfügungsklägerin zu 2) - diese Frage bejaht, so besteht die

Wirkung der staatlichen Anerkennung zunächst ausschließlich darin,

daß die Regierung der DDR die Verfügungsklägerin zu 2) für das

Gebiet der früheren DDR als Religionsgemeinschaft anerkannte und

ihr auf der Grundlage von Art. 39 Abs. 2 der Verfassung der DDR das

Recht einräumte, ihre Tätigkeit in Óbereinstimmung mit der

Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der DDR auszuüben. Da

Art. 39 Abs. 2 der Verfassung der DDR nicht in Anlage II zu Art. 9

des Einigungsvertrags als fortbestehendes Recht aufgeführt wird,

ist mit Inkrafttreten des Einigungsvertrages die Wirkung der

staatlichen Anerkennung entfallen.

bb)

Dem Verfügungskläger zu 1) steht unter keinem rechtlichen

Gesichtspunkt ein Anspruch auf Unterlassung der noch im Streit

befindlichen Äußerung zu. Die auf der von der Verfügungsbeklagten

gestalteten Internetseite mit der Adresse:

"..." veröffentlichte Äußerung:

"Feuerwehr, Rotes Kreuz, Bundeswehr oder Zivildienst werden als

Einrichtungen abgelehnt"

fällt in den Schutzbereich des Grundrechts der freien

Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Grenze der

Zulässigkeit wird nicht überschritten.

Ob eine Äußerung als "Tatsachenbehauptung" oder Meinungsäußerung

("Werturteil") einzustufen ist, hängt entscheidend davon ab,

inwieweit die Aussage einer Óberprüfung auf ihre Richtigkeit mit

den Mitteln des Beweises zugänglich ist (z.B.: BGH, GRUR 1988, 25

f. (26)). Dies richtet sich nicht allein nach dem Wortlaut und der

äußeren Form, in die die Veröffentlichung gekleidet ist, sondern

auch nach ihrem Inhalt, so wie sie in ihrem Gesamtzusammenhang von

den angesprochenen Verkehrskreisen - hier die Teilnehmer des

Internets - verstanden wird (vgl. allgemein: BGH, GRUR 1972, 435

ff. (439); BGH, GRUR 1980, 309 f. (310); BGH, GRUR 1988, 25 ff.

(27)). Dabei ist der Begriff der Meinung im Interesse eines

wirksamen Grundrechtsschutzes indes weit zu verstehen. Sofern eine

Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die

Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt

sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geprägt (BVerfG, NJW

1992, 1439 ff. (1440)). Zwar kann sich auch eine Äußerung, die auf

Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und

soweit sie bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von

konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft.

Daran fehlt es hier aber: Die beanstandete Äußerung gibt eine

subjektive, der Beweisbarkeit sich entziehende Auffassung der

Verfügungsbeklagten über die Einstellung der Zeugen Jehovas

hinsichtlich der angesprochenen Einrichtungen wieder. Dem Leser

werden keine Informationen oder Fakten an die Hand gegeben, die

Äußerung auf ihre Wahrheit hin zu überprüfen. Die Bewertung der von

den Verfügungsklägern eingenommenen kritischen Haltung als

"Ablehnung" der entsprechenden Institutionen enthält keine

Anknüpfung an bestimmte Tatsachen oder Geschehnisse, die die

Einschätzung der Verfügungsbeklagten stützen und einer Óberprüfung

zugänglich machen. Insoweit wird dem Leser der Internetseite

erkennbar überlassen, ob er der Einschätzung des Autors folgen will

oder nicht. Hierdurch unterscheidet sich die vorliegende Äußerung

entscheidend von einer Tatsachenbehauptung. Bei dieser werden dem

Leser konkrete Tatsachen an die Hand gegeben, die eine - zum

Ausdruck gebrachte - Meinung stützen sollen; solche substanzhaltige

Mitteilungen fehlen hier aber. Der tatsächliche Gehalt der Aussage

steht daher auch nicht im Vordergrund. Die inkriminierte Passage

spricht den Leser als eine subjektive Meinung des Autors an und ist

auch als solche für ihn erkennbar.

Der Einstufung der inkriminierten Äußerung als "Werturteil"

steht hier auch nicht entgegen, daß diese mit einem gewissen

"Geltungsanspruch" auf der Internetseite vorgetragen wird. Auch das

"apodiktische" Urteil, das mit einem gewissen Anspruch auf

objektive Geltung vorgetragen wird, bleibt Werturteil und wird als

eine zusammenfassende Würdigung nicht deshalb zu einer

Tatsachenbehauptung.

Die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung werden nicht

überschritten. Eine unzulässige Schmähkritik liegt erst dann vor,

wenn ein sachlicher Bezug fehlt und dem Äußernden eine

Diffamierungsabsicht vorzuwerfen ist, es ihm anstatt um die Sache

um eine vorsätzliche Kränkung des Betroffenen geht (z.B. BGH NJW

1981, 2117 ff. (2119); NJW 1992, 1323 ff. (1324)). Ein klarer,

sachlicher Bezug der beanstandeten Äußerung ist erkennbar. Es

handelt sich um eine Ankündigung des voraussichtlichen Inhalts

einer Talkshow, die die Beklagte am 21.01.1997, gegen 16.00 Uhr, -

ohne die beanstandeten Äußerungen - ausstrahlte und die sich mit

dem Thema "Zeugen Jehovas" befaßte. In dieser Sendung sollten - so

die sich an die inkriminierte Äußerung anschließende Textpassage

der Internetseite - ehemalige Zeugen Jehovas über ihre Erfahrungen

berichten.

Die beanstandete Äußerung ist auch nicht dazu bestimmt gewesen,

den Verfügungskläger zu 1) oder dessen Mitglieder in ihrem Ansehen

herabzusetzen oder zu kränken. Entgegen den Ausführungen des

Verfügungsklägers zu 1) zielt sie nicht darauf ab, die Lehre und

gelebte Glaubenspraxis des Verfügungsklägers zu 1) und dessen

Glaubensangehörigen zu entstellen und zu belegen, daß es sich bei

ihm um eine "gefährliche" Sekte" handelt, die die Gesellschaft

ablehne. Die von der Verfügungsbeklagten angeführte "Ablehnung" der

aufgeführten Institutionen wird weder weiter kommentiert noch als

negativ oder positiv dargestellt.

Die Einschätzung der Verfügungsbeklagten mag aus der Sicht des

Verfügungsklägers zu 1) "falsch" sein. Das allein macht sie aber

noch nicht unzulässig. Insoweit kann es dahingestellt bleiben,

inwieweit der Verfügungskläger zu 1) bzw. seine Mitglieder nunmehr

die ablehnende Haltung hinsichtlich des Zivildienstes ganz oder

teilweise aufgegeben haben.

II.

Die Berufung der Verfügungsklägerin war daher mit der

Kostenfolge des §§ 97 Abs. 1, 100 ZPO zurückzuweisen. Die

Entscheidung ist rechtskräftig, § 545 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren:

Antrag I: 30.000,00 DM (3 x 10.000,00 DM)

Antrag II: 10.000,00 DM

Beschluß des Senates vom 17.06.1997 (Bl. 103 d.GA.)