BVerfG, Beschluss vom 13.02.2003 - 2 BvQ 3/03
Fundstelle
openJur 2012, 132876
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt mit der Behauptung, sie befinde sich in einem durch Zahlungsunfähigkeit verursachten Staatsnotstand, eine einstweilige Anordnung gegen das Landgericht Frankfurt am Main - 21. Zivilkammer. Dieses hat für den 14. Februar 2003 einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt, mit der möglicherweise einer Zahlungsklage im Urkundsprozess gegen die Antragstellerin stattgegeben werden soll.

I.

1. Die Antragstellerin ist seit Jahren mit erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert. Mit dem Gesetz Nr. 25.561 über den öffentlichen Notstand und die Reform des Wechselkurssystems vom 6. Januar 2002 erklärte sie den "öffentlichen Notstand auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem Gebiet" (§ 1). Gleichzeitig wurde die Exekutive ermächtigt, ein Wechselkurssystem zu bestimmen, das den Wechselkurs zwischen dem argentinischen Peso und ausländischen Währungen festlegt (§ 2). Ferner wurde der Exekutive die Befugnis erteilt, die Umstrukturierung laufender Verbindlichkeiten, die durch das neue Währungssystem berührt werden, zu regulieren (§ 1 Nr. 4). Auf der Grundlage der daraufhin erlassenen Verordnung 256/2002 vom 6. Februar 2002 zur Umstrukturierung der Verbindlichkeiten und Schuldenzahlung der argentinischen Regierung setzte die Antragstellerin ihren Auslandsschuldendienst aus, um in Verhandlungen eine Umschuldung zu erreichen.

2. Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind Inhaber mehrerer Schuldverschreibungen der DM-Anleihe 1996/2005 (Wertpapierkennnummer 135 475) der Antragstellerin. Auf der Grundlage der Anleihebedingungen, die eine Kündigung für den Fall vorsehen, dass die Antragsstellerin ihre Zinszahlungsverpflichtungen nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit erfüllt, stellten die Kläger des Ausgangsverfahrens im April 2002 ihre Inhaberschuldverschreibungen zuzüglich aufgelaufener Zinsen fällig und zahlbar. Ihren Zahlungsanspruch gegen die Antragstellerin machen die Kläger des Ausgangsverfahrens in einem Urkundsprozess vor dem Landgericht Frankfurt am Main - 21. Zivilkammer (Az. 2-21 O 294/02) geltend. Die Antragstellerin hat sich in den Anlagebedingungen der Gerichtsbarkeit jedes deutschen Gerichts mit Sitz in Frankfurt am Main unterworfen und zudem auf ihre Immunität verzichtet. Der Gegenstandswert des Verfahrens beträgt insgesamt etwa € 1.533.000,00.

3. Die Antragstellerin hat im Ausgangsverfahren beantragt, die Klage abzuweisen. Die Antragstellerin macht geltend, dass die Rückzahlung der Schuldverschreibungen zuzüglich Zinsen im Zusammenhang mit dem in Argentinien herrschenden Notstand und der Zahlungsunfähigkeit des Staates zu sehen sei. Sowohl nach den Regeln des Völkerrechts wie auch nach denen des internationalen Privatrechts seien die Ansprüche der Kläger im Ausgangsverfahren derzeit suspendiert.

4. Das Landgericht hat über die Klage im Ausgangsverfahren am 5. Dezember 2002 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Mit Beschluss vom selben Tag hat es Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf Freitag, den 14. Februar 2003, 12:00 Uhr, bestimmt.

II.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen eine drohende Vereitelung der zur Beseitigung ihres angeblichen Staatsnotstandes erforderlichen Umschuldungsverhandlungen durch den unmittelbar drohenden Erlass von Zahlungstiteln durch deutsche Gerichte. Sie beruft sich auf die Verletzung ihres Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4, Art. 20 GG, auf ihr Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Unterlassen einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG und auf die gewohnheitsrechtlich anerkannte völkerrechtliche Notstandsregel.

1. Zur Zulässigkeit des Antrags trägt die Antragstellerin im wesentlichen vor:

a) Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht sei eröffnet, weil im Hauptsacheverfahren sowohl eine Verfassungsbeschwerde als auch ein Vorlageverfahren gemäß Art. 100 Abs. 2 GG statthaft seien. Sie könne sich auf das grundrechtsgleiche Recht auf effektiven Rechtsschutz wie auf das grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Ihre Antragsberechtigung ergebe sich aus ihrer Eigenschaft als Trägerin grundrechtsgleicher Rechte und aus ihrer Beteiligung als Partei an dem gerichtlichen (Ausgangs-)Verfahren. Zwar sei sie im Rahmen des Vorlageverfahrens nicht beschwerdefähig, jedoch sei die Antragstellerin gemäß §§ 13 Nr. 12, 84, 82 Abs. 3 BVerfGG äußerungsberechtigt.

b) Im Hinblick auf die Antragsbefugnis folge aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, dass ihr Rechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht zu gewähren sei, bevor es zu einer Entscheidung des Gerichts mit unter Umständen irreparablen Folgen für die zwingend notwendige Restrukturierung der argentinischen Staatsschulden komme. Die grundrechtsgleiche Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes wirke auch zu Gunsten ausländischer juristischer Personen, weil Prozessgrundrechte für jedes gerichtliche Verfahren gälten. Die Gewährleistungen dienten der Gleichberechtigung der Prozessparteien und gälten damit für jeden Verfahrensbeteiligten. Der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gelte auch für den Urkundsprozess mit der Folge, dass sie den völkerrechtlichen Notstandseinwand nicht erst dann wirksam vorbringen könne, wenn sich der mit der Geltendmachung des Notstands bezweckte Erfolg nicht mehr erreichen lasse.

c) Das Landgericht habe trotz bestehender Zweifel dem Bundesverfassungsgericht die völkerrechtliche Fragestellung nicht vorgelegt, die in dem Ausgangsverfahren entscheidungserheblich sei. Es sei in einem Parallelverfahren (Az. 2-21 O 509/02) mit derselben völkerrechtlichen Problematik konfrontiert gewesen und habe trotz erheblicher Zweifel, ob ein völkerrechtlicher Notstand überhaupt als allgemeines Völkerrecht gemäß Art. 25 GG Wirkungsmacht entfalten könne, das Verfahren fortgesetzt. Obwohl in dem Ausgangsverfahren dieselbe völkerrechtliche Problematik bestehe und auch entscheidungserheblich sei, habe das Gericht statt eines Vorlagebeschlusses für den 14. Februar 2003 einen Termin zur Verkündung eines Urteils bestimmt. Damit verstoße es gegen seine Pflicht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG, bei ernstzunehmenden Zweifeln einen Vorlagebeschluss zu fassen.

d) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei geboten, weil ein stattgebendes Urteil unmittelbar bevorstehe und wahrscheinlich zu einem sogenannten Masseneffekt derart führen werde, dass weitere Gläubiger versuchen würden, ihre Zahlungsansprüche gerichtlich durchzusetzen. Die Antragstellerin habe zu dieser Rechtsschutzmöglichkeit keine Alternative, die rechtzeitig erlangt werden könnte, insbesondere gelte das für ein Berufungsurteil gegen das zu erwartende Urteil. Ferner gebe es keinen eigenständigen Rechtsbehelf gegen eine "Nichtvorlage" unter Verletzung von Art. 100 Abs. 2 GG, da ein solches Unterlassen keine nach außen tretende Entscheidung sondern lediglich ein Element der Entscheidung darstelle.

2. a) Im Hinblick auf die Begründetheit trägt die Antragstellerin vor, dass der Anordnungsanspruch sich aus einer Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und aus einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergebe. Das Landgericht habe ihren Hinweis auf die Vorlagepflicht willkürlich und ohne Begründung ignoriert.

b) Auch ein Anordnungsgrund sei gegeben. Die übergreifenden Verhandlungen zwischen ihr und den Gläubigern würden schwerpunktmäßig in den kommenden zwölf Monaten stattfinden. Vollstreckungsversuche auf der Grundlage von Urteilen, die gegebenenfalls positiv ausfallen könnten, würden den Umschuldungsprozess und die Sanierung der Staatsfinanzen vereiteln. Es gelte mithin entsprechend den völkerrechtlichen Vorgaben zu vermeiden, dass in diesem Zeitraum der Umschuldungsprozess gestört werde. Es werde den Klägern im Ausgangsverfahren und im Anschluss hieran allen anderen Klägern, die im Wege des Urkundsverfahrens vorgehen sollten, möglich sein, gegen sie weltweit zu vollstrecken. Bei einer zu erwartenden Anzahl von mehreren hundert Verfahren sei dies für sie administrativ ein fast unmögliches Unterfangen. Es bestehe die ernsthafte Gefahr, dass sie bei weltweit zu befürchtenden Vollstreckungsversuchen international handlungsunfähig werden könnte. Die Restrukturierung der Kapitalmarktverbindlichkeiten sei für ihre wirtschaftliche und soziale Lage unabdingbar.

Erginge die einstweilige Anordnung nicht, so würde ihr effektiver Rechtsschutz endgültig verwehrt. Außerdem würde die Völkerrechtsfrage nicht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt und der Klage im Urkundsverfahren stattgegeben werden. Auf Grund der zu erwartenden Nachahmungseffekte hätte dies für die Umschuldungsverhandlungen der Republik Argentinien, mithin für deren wirtschaftliche Situation, schwerwiegende Folgen. Sollte die Verfassungsbeschwerde später erfolgreich sein, so könnte dies den entstandenen Schaden nicht wiedergutmachen. Erginge demgegenüber die einstweilige Anordnung und hätte die Verfassungsbeschwerde später keinen Erfolg, wögen die damit verbundenen Nachteile weit weniger schwer. Die am Ausgangsverfahren beteiligten Kläger könnten als Nachteil allenfalls anführen, dass ein Vorlageverfahren gemäß Art. 100 Abs. 2 GG zu einer Verzögerung der Verfolgung ihrer Ansprüche führen würde. Da die suspendierten Zahlungsansprüche der Kläger jedoch verzinst werden würden, entstünde ihnen durch diese Verzögerung kein wirtschaftlicher Schaden.

III.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig. Die Antragstellerin hat weder ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis noch verfolgt sie mit ihrem Antrag einen prinzipiell zulässigen Regelungsinhalt.

1. a) Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der Antrag in der Hauptsache erwiese sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Kann Letzteres nicht festgestellt werden, muss demnach der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen angesehen werden, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag in der Hauptsache aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag in der Hauptsache aber erfolglos bliebe (vgl. BVerfGE 86, 390 <395>; 88, 173 <179 f.>; 91, 70 <74 f.>; 92, 126 <129 f.>; 93, 181 <186 f.>; 94, 334 <347>; 99, 57 <66>; 104, 23 <28 f.>; stRspr).

b) Das Bundesverfassungsgericht ist allerdings nach den ihm durch Verfassung und Gesetz zugewiesenen Funktionen und seiner gesamten Organisation weder dazu berufen noch in der Lage, einen in gleichem Maße zeit- und sachnahen vorläufigen Individualrechtsschutz zu gewährleisten wie die Fachgerichtsbarkeit. Der ihm übertragene Grundrechtsschutz setzt die Existenz einer die Grundrechte achtenden und schützenden Fachgerichtsbarkeit voraus, die dafür sorgt, dass Grundrechtsverletzungen und deren Folgen im Regelfall ohne Anrufung des Bundesverfassungsgerichts vermieden werden (vgl. BVerfGE 94, 166 <215 f.>).

c) Auch das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 32 BVerfGG unterliegt deshalb dem Grundsatz der Subsidiarität. Dieser verpflichtet den Antragsteller, vor einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich die allgemein zuständigen Gerichte mit seinem Anliegen zu befassen. Dadurch wird sichergestellt, dass dem Bundesverfassungsgericht in der Regel nicht nur eine abstrakte Rechtsfrage und der Sachvortrag des Beschwerdeführers, sondern auch die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein für die jeweilige Materie zuständiges Gericht unterbreitet werden. Das ist insbesondere dort von Bedeutung, wo die Beurteilung der mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen die Prüfung tatsächlicher und einfachrechtlicher Fragen voraussetzt, für die das Verfahren vor den Fachgerichten besser geeignet ist. Hier wird durch den Subsidiaritätsgrundsatz gewährleistet, dass dem Bundesverfassungsgericht infolge der fachgerichtlichen Vorprüfung der Beschwerdepunkte ein bereits eingehend geprüftes Tatsachenmaterial vorliegt und ihm auch die Fallanschauung und die Rechtsauffassung der sachnäheren Fachgerichte vermittelt werden (vgl. BVerfGE 79, 1 <20>; 86, 382 <386 f.> m.w.N.).

Die Pflicht zur Anrufung der allgemein zuständigen Gerichte besteht ausnahmsweise dann nicht, wenn die angegriffene Regelung den Beschwerdeführer zu Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können, oder wenn die Anrufung dem Beschwerdeführer nicht zuzumuten ist. Kann der mit dem Subsidiaritätsgrundsatz verfolgte Zweck, eine fachgerichtliche Klärung der verfassungsrechtlich relevanten Sach- und Rechtslage herbeizuführen, nicht erreicht werden, ist die vorherige Anrufung der Fachgerichte ebenfalls entbehrlich (vgl. BVerfGE 79, 1 <20> m.w.N.).

d) Der zulässige Inhalt eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird durch den möglichen Streitgegenstand der Hauptsache begrenzt (vgl. BVerfGE 23, 42 <49 f.>). Gegenstand der vorläufigen Anordnung können nur Rechtsfolgen sein, die das Bundesverfassungsgericht - als endgültige - im Verfahren der Hauptsache bewirken könnte. Demnach ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich unzulässig, wenn er auf einen im Verfahren der Hauptsache unzulässigen Regelungsinhalt gerichtet ist (vgl. BVerfGE 7, 99 <105>; 14, 192 <193>; 16, 220 <226>).

2. a) Die Antragstellerin kann sich als Staat vor den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland auf die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG berufen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass sich juristische Personen des öffentlichen Rechts jedenfalls auf die grundrechtsähnlichen Rechte der Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG berufen können (vgl. BVerfGE 61, 82 <104>; 75, 192 <200>). Da sich auch ausländische juristische Personen des Privatrechts auf die grundrechtsähnlichen Rechte des Grundgesetzes berufen können (vgl. BVerfGE 18, 441 <447>; 21, 207 <208>; 23, 229 <236>; 64, 1 <11>), ist es nur folgerichtig, anzunehmen, dass diese Gewährleistungen auch ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts eingeräumt sind.

Ob die Antragstellerin als ausländischer Staat zusätzlich eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG geltend machen kann, kann in dem hier zu beurteilenden Fall jedoch dahinstehen. Denn jedenfalls fehlt es der Antragstellerin an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor Erschöpfung des Rechtswegs.

b) aa) Die Antragstellerin kann ihr Rechtsschutzziel noch wirksam vor den Fachgerichten verfolgen. Sollte es sich bei der erwarteten Entscheidung des Landgerichts am 14. Februar 2003 um ein Endurteil handeln, stünde der Antragstellerin das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 511 ZPO offen. Sollte das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, könnte die Antragstellerin zusätzlich einen Antrag auf Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gemäß § 718 ZPO stellen, der von der Berufungsinstanz vorab zu verhandeln und zu entscheiden wäre. Im Vollstreckungsverfahren hat die Antragstellerin die Möglichkeit, gemäß § 765 a ZPO Vollstreckungsschutz zu beantragen, im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO Einwendungen, wenn auch in den Grenzen des § 767 Abs. 2 ZPO, gegen den festgestellten Anspruch geltend zu machen und schließlich einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 707 Abs. 1 ZPO zu stellen.

Darüber hinaus ist, entgegen der Behauptung der Antragstellerin, keineswegs sicher, dass am 14. Februar 2003 der Klage der Kläger des Ausgangsverfahrens stattgegeben wird. Der Termin zur Verkündung einer Entscheidung eines Gerichts kann grundsätzlich nicht der Anlass für ein Tätigwerden des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes sein, selbst wenn nach dem Eindruck der Parteien und den Äußerungen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung Anzeichen für einen bestimmten Entscheidungsinhalt auszumachen sind.

bb) (1) Die Voraussetzungen für eine Ausnahme liegen nicht vor. Die Erschöpfung des Rechtswegs vor den Fachgerichten ist der Antragstellerin zumutbar. Trotz der für die Antragstellerin negativen Entscheidung des Landgerichts vom 6. Januar 2003, mit der der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung in dem Parallelverfahren zurückgewiesen wurde, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ein entsprechender Antrag im Ausgangsverfahren oder das Ergreifen eines anderen Rechtsbehelfs von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Antragstellerin muss die Gelegenheit nutzen, das Landgericht erneut auf seine Pflicht zur Vorlage entscheidungserheblicher völkerrechtlicher Fragestellungen gemäß Art. 100 Abs. 2 GG hinzuweisen (zur Vorlagepflicht vgl. BVerfGE 23, 288 <320>; 64, 1 <20 f.>; 96, 68 <76 ff.>).

(2) Darüber hinaus besteht in dem hier zu beurteilenden Fall insbesondere keine Notwendigkeit für vorbeugenden Rechtsschutz gegen noch nicht ergangene fachgerichtliche Entscheidungen. Anders als im familienrechtlichen Rückführungsverfahren sind abschließende Entscheidungen der Zivilgerichte für ihre zwangsweise Durchsetzung auf besondere Vollzugshandlungen angewiesen. Dieser Umstand unterscheidet den vorliegenden Fall von der Konstellation, die das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit Rückführungsentscheidungen nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen zu entscheiden hatte (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 1999 - 2 BvQ 4/99 -, NVwZ 1999, S. 980). In den Fällen der Rückführung entscheiden die zuständigen Oberlandesgerichte abschließend und ordnen eine Rückführung unmittelbar an. Die Anordnungen des Oberlandesgerichts werden sofort vollzogen. Der Antragstellerin stehen hingegen weitere Rechtsbehelfe zur Verfügung.

c) Der Antrag ist ferner auf einen unzulässigen Regelungsinhalt gerichtet. Die Antragstellerin hat beantragt, das Landgericht zur Einhaltung seiner Vorlagepflicht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG und zur Aussetzung des Ausgangsverfahrens anzuweisen. Ein solcher Antrag verlässt den Rahmen des § 32 BVerfGG, weil das Bundesverfassungsgericht entsprechende Rechtsfolgen im Verfahren der Hauptsache - in diesem Fall einer Verfassungsbeschwerde - nicht bewirken könnte. Das Verfassungsbeschwerdeverfahren kann regelmäßig erst zu einem Zeitpunkt eingeleitet werden, in dem das fachgerichtliche Verfahren seinen Abschluss gefunden hat. Das Bundesverfassungsgericht könnte im vorliegenden Fall in einem Hauptsacheverfahren eine etwaige Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG feststellen und den betreffenden Hoheitsakt aufheben (vgl. § 95 Abs. 2 BVerfGG). In der Regel wird damit auch die Möglichkeit eröffnet, eine Grundrechtsverletzung auch tatsächlich zu verhindern, wenn die Entscheidung noch nicht vollstreckt wurde (vgl. BVerfGE 94, 166 <214 f.>). Dass die angegriffene Entscheidung nicht vollstreckt wird, kann im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes vor den Fachgerichten erreicht werden, wobei gegen diese Entscheidungen wiederum der außerordentliche Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde unter Einschluss des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 32 BVerfGG eröffnet wäre. Für eine darüber hinaus gehende "Anweisung" der Fachgerichte durch das Bundesverfassungsgericht besteht kein Raum.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.