VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.10.2001 - 10 S 141/01
Fundstelle
openJur 2013, 11868
  • Rkr:

1. Zur immissionsschutzrechtlichen Beurteilung von Luftverunreinigungen aus dem Betrieb eines Backhauses mit einem holzbefeuerten Backofen.

2. Bei der Beurteilung, ob Immissionen zu Gesundheitsgefahren führen können, sind im Rahmen der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles auch dem - hypothetisch -  Betroffenen zumutbare einfache Schutzvorkehrungen zu berücksichtigen.

Tatbestand

Die Kläger begehren ein Einschreiten gegen Rauch- und Geruchsbelästigungen.

Die Beigeladene betreibt auf der Gemarkung des Stadtteils U. in der B. Straße 54 (Flst.Nr. 30/1) ein Backhaus als kommunale Einrichtung für ihre Einwohner, das 1881 gebaut wurde. Der gemauerte Kamin des Backhauses befindet sich an dessen Ostseite außen und ist ca. 7 m hoch (über Grund). Das Backhaus ist ein Baudenkmal.

Die Kläger sind Eigentümer des westlich des Backhauses gelegenen Grundstücks Flst. Nr. 15, B. Straße Nr. 55, das sie 1967 erworben haben und das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Die Entfernung des Wohnhauses vom Kamin des Backhauses beträgt ca. 14 m. Die das klägerische Grundstück und das Backhaus umgebende Bebauung ist durch Wohnhäuser, landwirtschaftliche (Nebenerwerbs-)Betriebe sowie durch eine Gaststätte geprägt.

Die derzeitige Feuerungsstätte im Backhaus ist ein holzbefeuerter Backofen des Baujahres 1987. Dem Backofen kann eine nicht auf einen Nennwärmeleistungsbereich eingerichtete Feuerungswärmeleistung von 180 kW im Dauerbetrieb je Zeiteinheit zugeführt werden. Die Abgase werden über den gemauerten Kamin an die Atmosphäre abgegeben. Das Brennholz im Backofen wird nicht auf einem Rost unter Zuführung von Verbrennungsluft, sondern auf plan verfugten Steinplatten verbrannt. Die Verbrennungsluft wird über die zeitweise geöffnete Beschickungstür sowie über den Aschesammelraum (teilweise geöffnetes Abdeckblech) über den natürlichen Kaminzug angezogen. Je nach Temperaturdifferenz zwischen Rauchgastemperatur, Kamin- und Außenlufttemperatur ändern sich die Zugverhältnisse des Kamins. Nach den Angaben im Untersuchungsergebnis des TÜV Umwelt Messtechnik GmbH vom 26.09.1994 gelangt ein großer Teil der benötigten Luft nicht an das Brenngut (Holz), weil die Verbrennungsluft nicht zwangsgeführt ist. Die Außenzonen des Brennguts werden mit Luft überversorgt, was zu einem hohen Anteil von Sauerstoff im Rauchgas führt. Der Brennstoffkern und der Brennstoff auf den Steinplatten werden hingegen mit Luft nur unzureichend versorgt. Dadurch kann die benötigte Feuerraumtemperatur von 600° C nur kurzzeitig erreicht werden. Während des Verbrennungsablaufs kommt es zu überhöhten Kohlenmonoxidwerten und zu einer starken Rauchentwicklung, teils wegen der punktuellen Luftmangelzonen, teils wegen des zu kalten Feuerraums. Daher kann von einer nicht vollständigen Verbrennung gesprochen werden. Das Problem liegt nach dem Untersuchungsergebnis in der Auslegung des Feuerraums, welcher nach seiner Hauptfunktion als Backraum gestaltet ist. Nach dem Aufheizen, Ascheentfernen und Säubern wird der Backraum-Feuerraumboden mit Broten (ca. 20 Stück a 1,5 kg) belegt (Backfläche: 2,28 qm, Höhe ca. 0,4 m, Volumen ca. 1 m³). Die Stauhitze der aufgeheizten Steine backt das Brot. Zur Erreichung der benötigten Backraumtemperatur müssen in einem Zeitraum von ca. 40 min 27 kg Holz (trocken) verbrannt werden. Dies entspricht einem mittleren Stundenverbrauch von 41 kg/h.

Am 04.11.1993 beantragten die Kläger beim Landratsamts Rems-Murr-Kreis ein Einschreiten gegen den Betrieb des Backhauses. Zur Begründung machten sie geltend, beim Beheizen des Backhauses breite sich - je nach Witterung und Windverhältnissen - unterschiedlich starker Rauch aus, der häufig in dichten Schwaden austrete und sich vor allem über die Umgebung des Backhauses und auch über ihre Wohnung lege. Der Rauch weise einen teilweise stechenden, beißenden Geruch auf. Ein Öffnen der Fenster verbiete sich vollständig. Die Wohnqualität sei beeinträchtigt. Die gesundheitlichen Wirkungen bei solch starker Rauchentwicklung seien bekannt. Kleidung und Wäsche nähmen den unangenehmen Geruch an. Die Belästigungen seien möglicherweise vermeidbar und ganz sicher zu minimieren bei zeitlich konzentrierter Benutzung des Backofens und Einhaltung gewisser Backzeiten, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Wetterlage und Verwendung geeigneter, trockener Brennstoffe. Auch technische Vorkehrungen, wie beispielsweise die Erhöhung des Kamins, die Veränderung des Rauchaustritts durch geeigneten Aufsatz oder die Reinigung des Rauches, könnten Verbesserungen  erzielen.

Bei Beigeladene schränkte im November 1993 durch Anordnung an alle Backhausbenutzer in U. die Nutzung des Backhauses auf zwei feste Backtage (Mittwoch und Freitag) und einen variablen, vorher an die Kläger bekannt zugebenden Backtag je Woche ein. Für Dorffeste erfolgte keine Backeinschränkung.

Das Landratsamt Rems-Murr-Kreis lehnte mit Bescheid vom 10.11.1993 ein Einschreiten gegen die Beigeladene mit der Begründung ab, die getroffene Backzeitenregelung unter Berücksichtigung der vorherrschenden Windrichtung seien zum Schutze der Kläger gegen schädliche Umwelteinwirkungen ausreichend.

Den Widerspruch der Kläger wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Bescheid vom 11.01.1995 mit der Begründung zurück, eine konkrete Gefahr von Gesundheitsschäden bestehe durch den Backhausbetrieb nicht. Die Immissionsgrenzwerte der VDI 2310 würden auch in der unmittelbaren Nachbarschaft des Backhauses nicht überschritten. Die Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg habe in einem ähnlichen Falle nachgewiesen, dass die Schadstoffimmissionen (SO2 NO2, CO, Partikel, Phenol und Formaldehyd) selbst in der Anheizphase und in einem Umkreis von 5 m von der Emissionsquelle die Grenzwerte der VDI 2310 deutlich unterschritten. Der Kamin entspreche den Anforderungen der DIN 18160.1 (04.81) - Hausschornsteine, Anforderungen, Planung und Ausführung -, was die Schornsteinhöhe über Dach anbelange.

Die Kläger haben am 14.02.1995 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 24.05.1995 einen der vorläufigen Regelung dienenden Vergleich geschlossen, in dem sich die Beigeladene auch gegenüber den Klägern verpflichtete, das Backhaus in den Wochen mit ungeraden Zahlen nur an höchstens 1 Tag (Freitag), in den Wochen mit geraden Zahlen nur an höchstens 2 Tagen (Mittwoch, Freitag), in Festwochen (Dorf-, Landfrauen-, Weihnachtsmarkt-, Feuerwehr- und Gesangsvereinsfest) auch an einem weiteren Tag zu nutzen oder nutzen zu lassen.

Die Kläger haben die getroffene Vereinbarung nicht für auf Dauer ausreichend gehalten und das Verfahren am 17.12.1997 wieder angerufen.

Sie haben beantragt, den Bescheid des Rems-Murr-Kreises vom 10.11.1993 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 11.01.1995 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Beklagte ist den Klagen entgegengetreten und hat im Wesentlichen ausgeführt, Gesundheitsgefahren und erheblichen Belästigungen durch betriebsbedingten Rauch lägen für die Kläger nicht vor.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat vorgetragen, sie werde auch weiterhin den Betrieb des Backhauses nur in dem im Vergleich vom 24.05.1995 bezeichneten Umfang nutzen oder nutzen lassen.

Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines lufttechnischen Gutachtens, das die TÜV Ecoplan Umwelt GmbH am 24.01.1999 erstattet und am 14.04.1999 ergänzt hat. In der mündlichen Verhandlung vom 01.12.1999 vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Sachverständige K. das Gutachten weiter erläutert.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 01.12.1999 - 16 K 7313/97 - die Klagen abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Betrieb des Backhauses in dem durch die gemeindliche Benutzungsordnung festgelegten zeitlichen und in dem auf "gutes trockenes Holz" als Brennstoff beschränkten Umfange sei nicht geeignet, Gesundheitsschäden für die Kläger herbeizuführen. Dies habe der Sachverständige K. in Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens eindeutig ausschließen können. Eine erhebliche Belästigung durch Luftverunreinigungen in Form von olfaktorisch oder visuell wahrnehmbaren Geruchsstoffen durch den Betrieb des Backhauses liege ebenfalls nicht vor. Da in der TA Luft Immissionswerte zur Konkretisierung der Schutzpflicht bei Geruchsimmissionen nicht festgelegt worden seien, verwerte das Gericht die Geruchsimmissionsrichtlinie, die zur Konkretisierung der Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen in der Verwaltungspraxis herangezogen werde, als antezipiertes Sachverständigengutachten zur Konkretisierung der allgemeinen gesetzlichen Anforderungen an die Erheblichkeit. Die Geruchsimmissionsrichtlinie sei auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen wie das Backhaus sinngemäß anzuwenden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme werde der für die vorzunehmenden Regelfallbeurteilung maßgebende Immissionswert von 10 v.H. (0,10) nicht überschritten. Die Voraussetzungen für die Vornahme der nach der Richtlinie möglichen Einzelfallbeurteilung lägen nicht vor. Schließlich hätten die Kläger das Grundstück in Kenntnis des Backhausbetriebs erworben. Der hundertjährige Backhausbetrieb habe Vorrang gegenüber den gegenläufigen Interessen der Kläger. Denn in die Abwägung könnten auch die Sozialadäquanz und die Herkömmlichkeit der Betätigung sowie zeitliche Prioritäten eingestellt werden. Dieses Urteil ist den Klägern am 16.12.1999 zugestellt worden.

Am 13.01.2000 haben die Kläger die Zulassung der Berufung beantragt. Der Senat hat mit Beschluss vom 12.01.2001 - 10 S 179/00 - die Berufung der Kläger zugelassen. Der Beschluss wurde den Klägern am 22.01.2001 zugestellt.

Die Kläger haben - innerhalb der beantragten und gewährten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - die Berufung am 13.03.2001 begründet und sich im Wesentlichen auf die bisherigen Schriftsätze nebst Anlagen und Beweisantritte bezogen. Ergänzend führen sie aus: Die Beeinträchtigungen lägen an den Backtagen nach wie vor vor. Es werde auf das Gutachten des TÜV vom 26.09.1994 verwiesen, in dem die starke Rauchentwicklung aus sachverständiger Sicht dargestellt werde. Das Gutachten vom 24.01.1999 müsse korrigiert werden. Es sei ein weiteres Gutachten einzuholen. Die Geruchsimmissionsrichtlinie sei ein durchaus fundierter Leitfaden zur Ermittlung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Gerüche. Schädliche Umwelteinwirkungen, insbesondere die beschriebenen psychischen Probleme, die mit dem derzeitigen Betrieb und der derzeitigen Rauchentwicklung einher gingen, könnten nicht durch eine Benutzungsregelung beseitigt werden. Denn dadurch werde nur die Häufigkeit der Beeinträchtigungen reduziert, nicht aber deren äußerst nachteilige Wirkung auf ihre Gesundheit verhindert. Es seien technische Maßnahmen zu ergreifen, um die derzeit vorhandene Rauch- und Geruchsbelästigung zu beseitigen.

Die Kläger beantragen zuletzt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1.12.1999 - 16 K 7313/97 - zu ändern, den Bescheid des Landratsamts Rems-Murr-Kreises vom 10.11.1993 sowie den Widerspruchbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 11.1.1995 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen gegenüber anzuordnen, ihr Backhaus im Ortsteil U. so zu betreiben, dass sie keinen schädlichen Umwelteinwirkungen durch Rauchgasimmissionen ausgesetzt werden;

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über ihren Antrag auf Einschreiten gegen die Rauchgasimmissionen aus dem Backhaus der Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie führt aus, die im verwaltungsgerichtlichen Vergleich vom 24.05.1995 vereinbarte Betriebszeitenregelung sei in die Neuregelung der Backzeiten übernommen worden. Diese würden auch uneingeschränkt eingehalten, in Wirklichkeit sogar erheblich unterschritten. Es sei auch die eindeutige Anordnung ergangen, nur gutes und trockenes Holz zu verwenden. Im Übrigen werde auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Die Akten des Landratsamts Rems-Murr-Kreis (2 Hefte) und des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - 16 K 7313/97 - (3 Hefte) und - 16 K 731/95 - (1 Heft) liegen dem Senat vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf sie und auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Gründe

Die vom  Senat zugelassene, form- und fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO) und auch sonst zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklagen zu Recht abgewiesen. Die Kläger können vom Beklagten weder die Anordnung betriebsbeschränkender Maßnahmen nach § 24 BImSchG gegenüber der beigeladenen Gemeinde verlangen, noch haben sie einen Anspruch auf Neubescheidung ihres hierauf gerichteten Antrags.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der - drittschützenden - Vorschrift des § 24 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG nicht erfüllt sind. Denn die durch den zugelassenen Backhausbetrieb auf dem Grundstück der Kläger hervorgerufenen Luftverunreinigungen (Rauch, Ruß, Staub und Geruchsstoffe) sind nicht als schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 und 4 BImSchG zu beurteilen. Sie sind bei dem Betrieb, wie er in dem gerichtlichen Vergleich vom 24.05.1995 festgelegt worden ist und durch entsprechende Benutzungsanordnung der Beigeladenen begrenzt wird, sowie aufgrund der Beschränkung des Brennstoffes auf "gutes trockenes Holz" nach Art, Ausmaß und Dauer nicht geeignet, Gefahren (siehe 1.), erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen (siehe 2.) für die Kläger herbeizuführen.

1.  Die bei dem Betrieb des Backhauses - einer nicht genehmigungsbedürftigen und nicht gewerblichen Zwecken dienenden Anlage  (§§ 22 Abs. 1 Satz 3, 3 Abs. 5, 4 BImSchG i.V.m. der 4. BImSchVO) - entstehenden und über dessen Kamin freigesetzten Luftverunreinigungen sind, soweit sie als Immissionen zum Wohnhaus der Kläger gelangen, nicht geeignet, Gesundheitsgefahren hervorzurufen. Eine über erhebliche Belästigungen, d. h., Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens, hinausgehende Gesundheitsschädigung im immissionsschutzrechtlichen Sinne ist gegeben, wenn durch unmittelbare Einwirkung luftverunreinigender Stoffe funktionelle oder morphologische Veränderungen des menschlichen Organismus auftreten, die die natürliche Variationsbreite signifikant überschreiten (Feldhaus, BImSchR, § 3 Anm. 7, 9; Jarass, BImSchG, 4. Auf. 1999, § 3 RdNr. 36; Landmann/Rohmer/Kutscheidt, Umweltrecht I, § 3 RdNr. 11; VDI-Richtlinie 2310, Maximale Immissionswerte, September 1974, Präambel Ziff. 3; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.09.1993 - 10 S 1735/91 -, VBlBW 1994, 238 = BImSchG-Rspr § 24 Nr. 31= DVBl 1994, 354 = UPR 1994, 280). Die die Pflicht zum immissionsschutzrechtlichen Einschreiten auslösende Gefahr einer Gesundheitsschädigung liegt vor, wenn der Eintritt des Schadens im Sinne eines Krankheitszustandes aufgrund der konkreten Umstände hinreichend wahrscheinlich ist, ohne jedoch unmittelbar bevorstehen zu müssen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.09.1993, a.a.O.). Eine derartige konkrete Gefahr hält der Senat mit dem Beklagten und der Beigeladenen für nicht gegeben.

Zunächst sprechen die im bisherigen Verfahren eingeholten sachverständigen Äußerungen gegen eine solche Gefahr. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat in seinem Widerspruchsbescheid vom 11.01.1995 ausgeführt, die Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg habe in einem ähnlichen Fall nachgewiesen, dass die Schadstoffimmissionen (SO2, NO2, CO, Partikel, Phenol und Formaldehyd) selbst in der Anheizphase und in einem Umkreis von 5 m von der Emissionsquelle die Grenzwerte der VDI 2310 deutlich unterschritten. Diese Einschätzung hat der Sachverständige Dipl. Ing. K. erstinstanzlich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.04.1999 zu seinem Gutachten vom 24.01.1999 bestätigt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Emissionsstruktur bei der Holzverbrennung aus der Literatur (vgl. Bauer/Baumbach, Beeinflussung der Schadstoffemissionen bei der Holzverbrennung in Zentralheizkesseln; Fortschrittsberichte der VDI-Zeitschriften Reihe 15 Nr. 31) hinreichend bekannt sei und nach den beim Ortstermin gewonnenen Erkenntnissen auch bei dem hier in Rede stehenden Backhaus und seiner Feuerungsanlage anzutreffen sei. Die Kläger, deren Wohnhaus ca. 14 m vom Schornstein des Backhauses als Emissionsquelle entfernt ist, haben insoweit eingewandt, eine Messung der konkreten Emissionen sei nicht erfolgt. Damit aber haben die Kläger keine durchgreifenden Zweifel an der Bewertung der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg sowie an der Einschätzung des vom Verwaltungsgericht beigezogenen Gutachters aufgezeigt. Der Senat sieht deshalb auch keinen Anlass, den Schadstoffgehalt der beim Backhausbetrieb entstehenden Emissionen weiter aufzuklären.

Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang vortragen, die in § 6 Abs. 1 Nr. 2 der 1. BImSchVO bezeichneten Grenzwerte für staubförmige Emissionen im Abgas (0,15 g/cbm) und Emissionen von Kohlenmonoxid (4 g/cbm), jeweils bezogen auf einen Volumengehalt an Sauerstoff im Abgas von 13 v.H., könnten nicht eingehalten werden, legen sie nicht dar, worauf sich ihre Behauptungen stützen. Messergebnisse haben die Kläger insoweit nicht vorgelegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Behauptungen gegeben. Im übrigen übersehen die Kläger, dass die Emissionswerte in § 6 1. BImSchVO auf das Backhaus nicht anwendbar sind. Denn nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 1. BImSchVO gelten die §§ 4 bis 18 nicht für Feuerungsanlagen, die dazu bestimmt sind, Güter durch unmittelbare Berührung mit heißen Abgasen zu trocknen oder Speisen durch unmittelbare Berührung mit heißen Abgasen zu backen oder in ähnlicher Weise zuzubereiten (siehe hierzu auch § 2 Nr. 10b 1. BImSchVO). Unter diese Feuerungsanlagen fällt ersichtlich auch das Backhaus der Beigeladenen. Vor allem verkennen die Kläger insoweit, dass § 24 und § 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG auf schädliche Umwelteinwirkungen abstellen, also nach § 3 Abs. 1 BImSchG nur Immissionen erfassen, nicht aber Emissionen nach § 3 Abs. 3 BImSchG. § 22 BImSchG regelt allein die Schutzpflicht des Betreibers; Vorsorgeanforderungen werden durch diese Vorschrift nicht aufgestellt, so dass es auf die Frage, ob der Backhausbetrieb mit Emissionen verbunden ist, die nach dem Stand der Emissionsminderungstechnik (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) vermieden werden können, im vorliegenden Verfahren nicht ankommt.

Auch das Vorbringen der Kläger in der Berufungsverhandlung, insbesondere die Klägerin zu 2. leide an Augenbrennen, Atemnot und Hustenreiz, wenn sie dem Rauch ausgesetzt sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Kläger haben weder in dem seit 1993 andauernden Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren diese nunmehr geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die Ursächlichkeit der Rauchimmissionen substantiiert dargelegt. Erst recht haben sie nicht vorgetragen, dass die vom Backhaus herrührenden Rauchimmissionen bleibende Gesundheitsschäden verursacht hätten oder in Zukunft verursachen würden.

Im Rahmen der Prüfung, ob die Rauchgasimmissionen geeignet sind, Gesundheitsgefahren herbeizuführen, ist vorliegend auch von wesentlicher Bedeutung, dass nach den Angaben der Kläger die Beschwerden nur dann auftreten, wenn sie dem Rauch unmittelbar ausgesetzt sind. Insoweit hat der Senat zwar keine Zweifel daran, dass das Einatmen von Rauchgasen aus Holzverfeuerung zu den von den Klägern beschriebenen Beschwerden führen kann. Bei der Beurteilung, ob Immissionen zu Gesundheitsgefahren i.S. von § 24 Satz 1 i.V.m. §§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, 3 Abs. 1 BImSchG führen können, ist jedoch nicht auf diese - hypothetische - Betrachtung abzustellen. Vielmehr sind die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles entscheidend (siehe hierzu auch Landmann/Rohmer/ Kutscheidt, Umweltrecht Bd. I, Stand März 1999, BImschG § 3 Rd.10 u. 10a; Jarass, BImSchG, 4. Aufl. 1999 § 3 Rd. 24). Insoweit ist hier von maßgebender Bedeutung, dass die Kläger den bisweilen auftretenden Rauchimmissionen nicht schutzlos ausgeliefert sind. Die Kläger haben eingeräumt, dass durch das Schließen der Fenster ein Eindringen des Rauches in ihre Wohnung weitgehend verhindert wird. Diese einfache Schutzmaßnahme, die auch keine zusätzlichen technischen oder finanziellen Aufwendungen erfordert, ist den Klägern im Hinblick auf Art, Ausmaß und Dauer (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG) der beanstandeten Rauchimmissionen zumutbar: Die Nutzung des Backhauses ist nach Abschluss des gerichtlichen Vergleiches vom 24.05.1995 und dessen Umsetzung durch die Benutzungsanordnung der Beigeladenen - im Gegensatz zu den vorhergehenden Jahren - nur noch in einem sehr beschränkten Umfang zulässig, nämlich in den Wochen mit ungeraden Zahlen nur an höchstens einem Tag (Freitag), in den Wochen mit geraden Zahlen nur an höchstens zwei Tagen (Mittwoch, Freitag). Mit dieser Regelung sind pro Jahr höchstens 76-78 Backtage gestattet, wobei die - allerdings nur wenigen - Festtage, an denen die Nutzung des Backhauses an einem weiteren Tag zugestanden ist, noch hinzuzurechnen sind. Ferner hat sich nach Umsetzung dieser Benutzungsregelung gezeigt, dass in den Jahren 1996 bis zur Berufungsverhandlung - wie die vom Beklagten vorgelegten Statistiken ergeben - die zulässigen Backtage in keinem Jahr völlig ausgeschöpft wurden. Vielmehr ist eine deutliche Unterschreitung zu verzeichnen. Von den im Durchschnitt möglichen 76 Backtagen pro Jahr wurden durchschnittlich nur 45 Backtage genutzt. Weiterhin ist bei der Frage der Zumutbarkeit des kurzfristigen Fensterschließens zu berücksichtigen, dass die von den Klägern beanstandeten Rauchimmissionen an einem Backtag - wenn überhaupt - nicht während der gesamten Nutzungszeit auftreten, sondern im ungünstigsten Fall auf die maximal zwei Stunden dauernde Anheizphase beschränkt sind. Bei mehreren Backvorgängen an einem Backtag - die vorgelegten Statistiken zeigen, dass in der Regel lediglich zwei Backvorgänge stattfinden -  ist zudem nach dem ersten Backvorgang eine - weitere - Anheizphase von 2 Stunden nur dann anzunehmen, wenn der Backofen zuvor völlig erkaltet ist. Auch im Hinblick auf die Anzahl der Backvorgänge an den Backtagen sind die Jahresstatistiken aufschlussreich. Während 1997 und 1998 89 bzw. 92 Backvorgänge aufgeführt sind, ist in den Jahren 1999 bis 2001 ein deutlicher Rückgang der Backvorgänge auf 58,65 und 40 Backvorgänge festzustellen. Zudem führt auch nicht jede Anheizphase zwangsläufig zu einer Zuwehung des Rauches auf das klägerische Grundstück; dies geschieht vielmehr grundsätzlich nur bei Ostwind oder sonstigen ungünstigen Ausbreitungsverhältnissen. Schließlich sind die Backtage - auch soweit es sich um solche anlässlich von Dorffesten handelt - im voraus festgelegt. Deshalb und  auch wegen der räumlichen Nähe können sich die Kläger auf die Nutzung des Backhauses einstellen. Zur Vermeidung gesundheitlicher Beschwerden ist es ihnen daher zumutbar, bei Auftreten der Rauchentwicklung unter ihnen ungünstigen Windverhältnissen ihre Fenster kurzfristig geschlossen zu halten. Da die Nutzung des Backhauses ausschließlich während des Tages erfolgt, bleibt eine kontinuierliche Belüftung der Schlafzimmer während der Nachtzeit stets gewährleistet.

Soweit die Kläger behaupten, bereits der Anblick der schwarzen Rauchwolken aus dem Backhaus könne psychische Gesundheitsschäden hervorrufen, führt auch dies nicht zum Erfolg der Klagen. Sollte es sich hierbei nicht um eine Schutzbehauptung handeln, so kann den Klägern jedenfalls zugemutet werden, sich von der Rauchentwicklung während der relativ seltenen und kurzen Phase des Anfeuerns und des Abbrands abzuwenden.

2.  Die mit dem zeitlich begrenzten Backhausbetrieb  verbundenen Immissionen in Form von Luftverunreinigungen stellen - unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefahr - für die Kläger auch keine erheblichen Nachteile oder Belästigungen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 3 Abs. 1, 2 und 3 BImSchG dar. Dies gilt insbesondere auch für die mit der Verbrennung von Holz einhergehenden Geruchsimmissionen.

Bewertungsmaßstab für Geruchsimmissionen ist nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz die Schädlichkeit ihrer Einwirkungen, die das Gesetz bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BImSchG annimmt. Die Frage, wann Geruchsbelästigungen, die nach dem Vorbringen der Kläger im Vordergrund stehen, nach dieser Vorschrift konkret als erheblich anzusehen sind, lässt das Gesetz hingegen offen. Sie ist, wenn anderweitige rechtlich verbindliche Festlegungen von Grenzwerten fehlen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.11.1994, NVwZ 1995, 993 = UPR 1995, 108 = DVBl 1995, 514 = NuR 1996, 29), unter tatrichterlicher Wertung anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten (BVerwG, Urt. v. 19.01.1989, BVerwGE 81, 197; Beschl. v. 27.01-1994, NVwZ-RR 1995, 6).

Die aufgrund von § 48 BImSchG als Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift erlassene Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft - TA Luft - vom 27.02.1986 (GMBl. S. 95, 202) hat keine Immissionswerte zur Konkretisierung der Schutzpflicht bei Geruchsimmissionen festgelegt. Sie enthält auch kein standardisiertes Mess- und Beurteilungsverfahren hinsichtlich geruchsintensiver Stoffe. Auch eine Sonderfallprüfung nach Nr. 2.2.1.3. TA Luft führt im Ergebnis nicht weiter als die angesprochene wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände.

Dagegen stellt die vom Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI) im Mai 1999 beschlossene Geruchsimmissionsrichtlinie - GIRL - zur Erfassung und Bewertung von Geruchsimmissionen messtechnische Regeln zur Konkretisierung des Begriffs der Erheblichkeit auf. Sie legt erstmals auch Immissionswerte fest (zur Entstehungsgeschichte der GIRL und ihrer Systematik vgl. Hansmann, Rechtsprobleme bei der Bewertung von Geruchsimmissionen, NVwZ 1999, 1158; Gablenz, Geruchsimmissionen auf Grundstücken, ZMR 2000, 499; Perschau, Geruchsfreisetzungen und Geruchsbewertungen im Bereich der Landwirtschaft aus immissionsschutzrechtlicher Sicht, UPR 1998, 248; Kothe, Rechtliche Beurteilung von Gerüchen, NuR 1998, 240; Koch, Geruchsimmissions-Richtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz, Immissionsschutz 1997, 6). Allerdings stellen die Regelungen der GIRL einschließlich der Richtwerte für Geruchsimmissionen keine rechtlich verbindliche Festlegungen dar. Die GIRL ist insbesondere keine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 15.02.1988, NVwZ 1988, 824; Urt. v. 10.01.1995, NVwZ 1995, 994 = DVBl. 1995, 516; Beschl. v. 21.03.1996, NVwZ-RR 1996, 498 = UPR 1996, 306; Urt. v. 28.01.1999, NVwZ 1999, 651 = BayVBl 1999, 408; Urt. v. 20.12.1999, BayVBl 2000, 729; Uerpmann, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, BayVBl 2000, 705). Sie wurde allerdings in Baden-Württemberg durch Erlass vom 25.11.1994 behördenverbindlich eingeführt, doch hat dieser Einführungserlass selbst nicht die Bedeutung einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift.

Gegen die Heranziehung der GIRL als eines zwar nicht verbindlichen, aber fachlich tragfähigen Regelungswerks zur Bestimmung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen der hier zu beurteilenden Art erheben sich gleichwohl Bedenken. Diese ergeben sich zunächst daraus, dass die GIRL nur genehmigungsbedürftige Anlagen (§ 4 BImSchG) betrifft und in erster Linie für Industrieanlagen entwickelt worden ist. Deshalb stellt sich die Frage, ob das Regelungskonzept der GIRL, insbesondere weil der Definition der Geruchsstunde der Dauerbetrieb von Anlagen zugrunde liegt, auch auf kurzfristig emittierende Kleinanlagen - wie dies bei dem Backhaus der Fall ist - zugeschnitten ist. Fraglich ist auch, ob die GIRL, bei deren Immissionswerten es sich um relative Häufigkeiten der Geruchsstunden handelt, andere wesentliche Parameter wie Intensität und Charakter (Lästigkeit) der Gerüche hinreichend berücksichtigt und damit geeignet ist, insoweit die Anforderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes umfassend wertend auszufüllen (vgl. zur Kritik an der GIRL Krause/Munak, Bestimmung von Geruchsimmissionen, Landtechnik 1995, 268; Sächs. OVG, Beschl. v. 15.07.1998, Sächs. VBl. 1998, 292). Diesen Bedenken braucht der Senat indessen nicht weiter nachzugehen, da sowohl die Anwendung der GIRL ([a];vgl. zur grundsätzlichen Anwendbarkeit OVG Niedersachsen, Beschl. v. 26.03.1997 - 6 M 674/97 -; OVG Nordrhein-Westfalen, NK-Urt. v. 25.509.2000, RdL 2001, 64 = AgrarR 201, 297) als auch die bei ihrer Nichtanwendung gebotene wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände [b] dazu führt, dass die vom Backhaus der Beigeladenen herrührenden Immissionen nicht als erheblich im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG anzusehen sind.

a) Das vom Verwaltungsgericht eingeholte lufttechnische Gutachten des TÜV Ecoplan vom 24.01.1999 - ergänzt durch die gutachterliche Äußerung vom 14.04.1999 - ist unter Zugrundelegung der GIRL und der darin vorgesehenen Regelfallprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass der für die Erheblichkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG grundsätzlich maßgebende Immissionswert (IW) der Tabelle I für Wohn- und Mischgebiete (Nr. 3.1 GIRL) von 10 v.H. (0,10) durch den nach der Betriebszeitenregelung begrenzten Backhausbetrieb nicht überschritten wird. Diese Berechnung erscheint hinreichend konservativ. Die Gutachter sind zunächst erkennbar zugunsten der Kläger davon ausgegangen, dass wegen der räumlichen Nähe zur emittierenden Anlage deren Emissionen gleichzeitig die auf die Klägern einwirkenden Immissionen darstellen. Des Weiteren haben die Gutachter - wiederum ersichtlich zugunsten der Kläger - bei der Berechnung der Geruchsstunden angenommen, dass an einem Backtag vier Backvorgänge stattfinden und eine Immissionsbelastung von 10 Stunden besteht. Diese Vorgehensweise begünstigt die Kläger deshalb, da es zu Immissionen unstreitig nur während der Anheizphase kommt. Wie bereits unter 1. ausgeführt, wurden in den Jahren 1997 bis 2001 (Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung) weniger als vier Backvorgänge an einem Backtag durchgeführt. Die Annahme von insgesamt 8 Stunden Anheizphase bei vier Backvorgängen ist gleichfalls den Klägern günstig. Denn hierbei wird außer Acht gelassen, dass die starke Rauchentwicklung insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass eine Anfeuerung bei einem völlig erkalteten Backofen und Kamin stattfindet. Dies ist jedoch bei vier aufeinanderfolgenden Backvorgängen - auch wenn diese über den Tag verteilt sind - nicht der Fall.

Ob sich die Gutachter bei der Untersuchung der Immissionsbelastung zu Unrecht auf die Regelfallbeurteilung nach der GIRL beschränkt haben, wie die Kläger meinen,  kann der Senat  unerörtert lassen. Denn auch unter Berücksichtigung der Sonderfallbeurteilung nach Nr. 5 der GIRL führt der Backhausbetrieb nicht zu Immissionen, die den Klägern nicht mehr zumutbar sind. Nach Nr. 5 Abs. 1 Buchst. b GIRL können Art und Intensität der Geruchsimmissionen, die bei der Regelfallbeurteilung unberücksichtigt bleiben, Anlass für eine Sonderfallprüfung bieten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass wegen der außergewöhnlichen Verhältnisse hinsichtlich Art (Ekel oder Übelkeit auslösende Gerüche) und Intensität der Geruchseinwirkung trotz Einhaltung der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden. Anhaltspunkte hierfür liegen nicht vor. Im Übrigen sind die nach Nr. 5 II GIRL im Einzelfall abzuwägenden bedeutsamen Umstände ersichtlich im Wesentlichen mit den Kriterien identisch , die bei der nachfolgenden Gesamtbetrachtung im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung zu berücksichtigen sind.

b) Die unabhängig von der GIRL gebotene wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände richtet sich im Übrigen - orientiert am Maßstab der Zumutbarkeit - nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse (Ortsüblichkeit) bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit, wobei wertende Elemente der Herkömmlichkeit, der sozialen Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz mitbestimmend sein können. Dabei bestimmt nicht nur der notwendige Schutz der betroffenen Nachbarn, sondern auch der Nutzen des beanstandeten Betriebs der Anlage für die Allgemeinheit die Zumutbarkeit des Nachteils bzw. der Belästigung (vgl. zu diesen Kriterien insgesamt BVerwG, Urt. v. 19.01.1989, BVerwGE 81, 197; Beschl. v. 27.01.1994, NVwZ-RR 1995, 6; Urt. v. 30.04.1992, BVerwGE 90, 163 = DVBl. 1992, 1234; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.06.1998, NVwZ-RR 1999, 569 = VBlBW 1998, 424; Urt. v. 08.11.2000, UPR 2001, 193 = VBlBW 2001, 191 = DVBl. 2001, 670; Jarass, BImSchG, 4. Aufl. 1999, § 22 RdNr. 40-44; Landmann/Rohmer/Kutscheidt, a.a.O., § 3 RdNr. 14 - 15d). Bei der Bestimmung der Zumutbarkeit kann auch der Gesichtspunkt der Priorität Berücksichtigung finden. Des Weiteren ist im Rahmen des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme bei Nutzungskonflikten zur Festlegung des Maßes der Zumutbarkeit eine Art Mittelwert nicht nur bei Lärmimmissionen, sondern auch bei Geruchsimmissionen zu bilden, der nicht als arithmetisches Mittel, sondern als "Zwischenwert" zu verstehen ist (BVerwG, Beschl. v. 28.09.1993, NVwZ-RR 1994, 139 = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 119 = BRS 55 Nr. 165). Was zumutbar ist, hängt in diesem Zusammenhang nicht von der Empfindlichkeit der einzelnen Person, sondern davon ab, was von einem verständigen Durchschnittsmenschen in Abwägung der Vor- und Nachteile für alle Betroffenen billigerweise hinzunehmen ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.07.1998, NVwZ 1999, 85 = VBlBW 1999, 65; Landmann/Rohmer/Kutscheid, Umweltrecht I, § 3 BImSchG, RdNr. 15a m.w.N.; Jarass, a.a.O., § 3 RdNr. 38).

Bei Anwendung dieser Maßgaben ist zunächst festzustellen, dass das Backhaus in traditioneller Weise zentral im Ortskern von U., der ca. 300-400 Einwohner hat, steht. Bei der Einordnung der Gebietsstruktur der unmittelbaren Umgebung ist mit den Beteiligten von einer Gemengelage auszugehen, die sowohl wohn- als auch mischgebietstypische Nutzungen aufweist (vgl. zur Gebietsspezifik des Erheblichkeitsbegriffs BVerwG, Urt. v. 24.09.1992, DVBl. 1993, 111 = NVwZ 1993, 983 = UPR 1993, 215; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.11.1994 - 10 S 860/94 -, NVwZ-RR 1995, 509 = GewArch. 1995, 211; Urt. v. 11.03.1997 - 10 S 2815/96 -, NVwZ 1999, 439 = VBlBW 1997, 384; Urt. v. 08.02.2000 - 10 S 72/99 -, VBlBW 2000, 438 = ESVGH 50, 303 = BImSchG-Rspr. § 22 Nr. 138). Da das Backhaus bereits 1881 erbaut worden ist, bildet es ein prägendes Element der Umgebungsbebauung und stellt gleichzeitig im Hinblick auf seine Nutzung eine Immissionsvorbelastung für das Baugebiet dar. Dies wussten auch die Kläger, die bereits vor dem Erwerb ihres jetzigen Wohnhauses in U. gewohnt haben. Das Backhaus wurde seinerzeit auch benutzt. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Kläger, der damalige Ortsbürgermeister habe ihnen gegenüber erklärt, das Brotbacken im Backhaus werde wohl "einschlafen". Allein auf diese Äußerung hin konnten die Kläger jedoch nicht darauf vertrauen, dass die Nutzung des Backhauses vollständig eingestellt werde. Es mag den Klägern zwar einzuräumen sein, dass sie mit einem verstärkten Aufleben der Backhaustradition in der Folgezeit  nicht rechnen mussten. Jedenfalls aber war die Emissionsquelle bereits vorhanden mit der Folge einer reduzierten Schutzwürdigkeit der Kläger. Da das Wohnhaus sehr nahe an der emittierenden Anlage errichtet wurde, liegt die Zumutbarkeitsschwelle als Folge der gebotenen gegenseitigen Rücksichtnahme höher als bei Wohnhäusern in einem reinen Wohngebiet (BVerwG, Urt. v. 23.05.1991, BverwGE 88, 210 = NVwZ 1991, 886 = DVBL 1991, 880; HessVGH, NVwZ 1993, 1005; v. Holleben, DVBl 1981, 904; Jarass, a.a.O., § 3 RdNr. 43). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Beigeladene durch die im April 1995 getroffene Benutzungsregelung - auch im Hinblick auf die vorgeschriebene Verwendung von naturbelassenem "guten und trockenen Holz" als Brennstoff - die wieder aufgenommene Nutzung des Backhauses erheblich eingeschränkt hat. In diesem Zusammenhang ist, worauf der Senat im Rahmen seiner Ausführungen zur Gesundheitsgefahr bereits hingewiesen hat, auch bedeutsam, dass die tatsächliche Frequentierung des Backhauses seit  Erlass der neuen Betriebszeitenregelung die festgelegte Höchstzahl an Backtagen in beachtlichem Maße unterschreitet.

Die Behauptung der Kläger, es werde auch beschichtetes Holz verbrannt, ist völlig unsubstantiiert und erscheint dem Senat nicht nachvollziehbar. Gerade die Personen, die Wert auf selbst gebackenes Brot legen und den damit verbundenen Arbeits- und Zeitaufwand in Kauf nehmen, dürften in besonderem Maße von der Schädlichkeit der Verwendung derartigen Holzes wissen. Dies gilt in besonderem Maße bei der Konstruktion des Backofens im Backhaus. Denn die Befeuerung erfolgt nicht in einer gesonderten Kammer. Vielmehr wird das Brot in dem Raum gebacken, in dem zuvor das Holz zur Erreichung der Backhitze verfeuert wurde. Dass der aus der Verbrennung naturbelassenen Holzes herrührende Rauch, eine Folge dieser seit Jahrhunderten gebräuchliche Heizmethode, allgemein einen ekelerregenden oder Übelkeit auslösenden Geruch verursacht, vermag der Senat gleichfalls nicht anzunehmen. Entgegen der Auffassung der Kläger sieht der Senat auch keine Vergleichbarkeit mit Geruchsimmissionen, die von Räuchereien herrühren. Dass im Übrigen die Kläger dem anwehenden Rauch nicht schutzlos ausgesetzt sind, sondern durch einfache Schutzvorkehrungen ein Eindringen des Rauches in ihren Wohnbereich  weitgehend verhindern können, hat der Senat bereits aufgezeigt. Auch ist an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, dass eine Zuwehung der Geruchsimmissionen - wie auch die Kläger einräumen - nicht an jedem Backtag zwangsläufig erfolgt, sondern grundsätzlich nur bei vorherrschendem Ostwind oder sonstigen ungünstigen Wetterlagen. Auch deshalb mindern sich Geruchsbelästigungen hinsichtlich Intensität und Dauer in nicht unerheblicher Weise. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der topographischen Lage des Backhauses im Verhältnis zum Wohngebäude der Kläger. Es ist zwar richtig, dass das Backhaus unterhalb ihres Anwesens liegt, und die Höhe des Kamins nicht die Firsthöhe ihres Wohngebäudes erreicht. Eine kesselartige Situation, die dazu führt, dass der emittierte Rauch - gewissermaßen zwangsläufig - immer auf das Grundstück der Kläger zugeführt wird, liegt jedoch nicht vor. Vielmehr ist die das Backhaus umgebende Bebauung nach dem in der Berufungsverhandlung erörtertem Auszug aus der Flurkarte als offen zu bezeichnen, so dass eine Belästigung durch den anwehenden Rauch in aller Regel nur bei Ostwind oder Windstille angenommen werden kann. Gegenteiliges kann auch den von den Klägern vorgelegten Videoaufnahmen nicht entnommen werden. Weiterhin ist eine Geruchsbelästigung - selbst bei ungünstiger Witterung -  auch nicht während des gesamten Backtages gegeben. Denn eine solche erfolgt - wie der Senat bereits ausgeführt hat - allenfalls während der Anheizphase, wobei auch in dieser Phase die Rauchentwicklung mit zunehmender Erwärmung des Backofens und des Kamins abnimmt. Ohne dass diesem Gesichtspunkt allein entscheidende Bedeutung beizumessen ist, ist auch die - wenn auch in unterschiedlichem Umfang praktizierte - über hundertjährige im Gemeindeinteresse liegende dörfliche Backtradition als Ausdruck der Herkömmlichkeit und Ortsüblichkeit in die Abwägung der widerstreitenden Interessen einzustellen. Sie ist ein Element des sozialen Zusammenlebens der Dorfgemeinschaft (zum Zumutbarkeitskriterium der Sozialadäquanz vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.05.1996, NVwZ 1996, 1001 = NuR 1997, 538 = UPR 1996, 309).

Soweit die Kläger geltend machen, die Rauch- und Geruchsimmissionen hätten zu einem häufigen Mieterwechsel und zu Mietausfällen infolge Mietminderungen geführt, bleibt das Vorbringen zu unsubstantiiert, um das Vorliegen eines erheblichen Nachteils im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG zu begründen. Denn die Kläger konnten keine genauen Angaben zur Häufigkeit des Mieterwechsels machen. Darüber hinaus haben sie nicht dargelegt, ob diese Mieterwechsel - ebenso wie die von Mietern geltend gemachten Mietminderungen - in der Zeit vor der neuen Benutzungsregelung lagen oder danach. Nichts anderes gilt für das Vorbringen der Kläger, wegen der Rauchimmissionen habe der Anstrich ihres Wohnhauses vorzeitig erneuert werden müssen. Eine erhebliche Einschränkung  der Nutzbarkeit ihres Außenwohnbereichs haben die Kläger gleichfalls nicht dargetan. Für den Bereich an der Ostseite ihres Anwesens ist dies schon deshalb wenig nachvollziehbar, weil das Wohnhaus unmittelbar an die Straße grenzt und ein Balkon nicht vorhanden ist. Für den dem Backhaus abgewandten und durch das Wohnhaus selbst geschützten westlichen Außenwohnbereich ist eine Einschränkung allenfalls in seltenen Fällen und nur bei ungünstigen Witterungsbedingungen denkbar. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil es sich um ein ansteigendes Gelände handelt und nichts dafür ersichtlich ist, dass der Rauch bei Ostwind gerade hinter dem Wohngebäude der Kläger "abfällt". Soweit die Kläger vortragen, es sei ihnen an den Backtagen wegen der Geruchseinwirkungen unmöglich, Wäsche aufzuhängen, stellt dies eine bloße Lästigkeit dar.

Unter Würdigung all dieser Umstände ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass der Betrieb des Backhauses nach der geltenden Betriebszeitenregelung sowie mit der Beschränkung auf "gutes trockenes Holz" als Brennstoff keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1, 2 und 4 BImSchG herbeiführt. Denn die mit der Nutzung des Backhauses einhergehenden Nachteile und Belästigungen bleiben unterhalb der Erheblichkeitsschwelle und sind den Klägern daher noch  zumutbar.

Die Berufung der Kläger war deshalb mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 2,  159 Satz 1 VwGO zurückzuweisen. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.