ArbG Stuttgart, Urteil vom 16.03.2011 - 30 Ca 1772/10
Fundstelle
openJur 2012, 67462
  • Rkr:

1. Im Falle einer diskriminierenden Kündigung kann eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auch dann verlangt werden, wenn keine Kündigungsschutzklage erhoben wird. Der Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG ergreift nicht den Diskriminierungsvorwurf als solchen.

2. Die tätigkeitsneutral nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung gestellte Frage in einem Personalfragebogen ist wegen Verstoßes gegen § 81 SGB IX unzulässig.

3. In einem Personalfragebogen gestellte Fragen, die in unzulässiger Weise auf die Erlangung von Informationen über den Gesundheitszustand und das Vorliegen einer Behinderung des Bewerbers abzielen, können bei einer späteren Kündigung je nach den Umständen des Einzelfalls ein Indiz für eine Benachteiligung wegen Behinderung i. S. d. § 22 AGG darstellen.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 2.500,00 EUR zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger trägt 81,6 %, die Beklagte trägt 18,4 % der Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Arbeitsgerichts Kassel entstandenen Kosten. Diese hat der Kläger allein zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 13.616,73 EUR festgesetzt.

5. Für die Beklagte wird die Berufung zugelassen. Für den Kläger wird die Berufung nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten, seiner früheren Arbeitgeberin, Vergütungs- und Entschädigungsansprüche geltend.

Der am 00.00.1982 geborene, verheiratete, einem Kind unterhaltsverpflichtete, in Kassel wohnhafte Kläger war seit dem 13.10.2009 bei der Beklagten, einem Zeitarbeitsunternehmen, auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 24.09.2009 (Bl. 32 - 40 d.A.) als Gas- und Wasserinstallateur eingestellt.

Der Kläger erlitt im Jahr 2005 einen Kreuzbandriss. Sein verletztes Knie wurde mit einem Kreuzbandimplantat versehen. Es verblieben Einschränkungen bei gewissen, in der Hocke zu verrichtenden Tätigkeiten, bei denen der Kläger eine Kniepolsterung benötigte und bei denen er deutlich langsamer als seine Kollegen arbeiten konnte.

Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens schickte die Beklagte dem Kläger, wie anderen Bewerbern auch, einen von ihr verwendeten formularmäßigen Bewerbungsbogen (Bl. 108 d.A.) zu, den der Kläger unter dem Datum 24.09.2009 handschriftlich ausfüllte und der Beklagten übermittelte. Der ausgefüllte Bewerbungsbogen lautet auszugsweise wie folgt:

Haben Sie eine Kur beantragtX Nein Ja von bis Leiden Sie an einer chronischen KrankheitX Nein Ja an welcher Waren Sie in den letzten 12 Monaten krank Nein X Ja Schulterband-OP6 Monate Schulterbandabriss3fachSind Sie Kriegs-/Schwer-/UnfallbehindertX Nein Ja Sind Sie in der Ausübung ihrerberufl. Tätigkeit in irgendeiner Form behindertX Nein Ja Befinden Sie sich in einem Ermittlungsverfahren X Nein Ja Sind Sie vorbestraft(außer Verkehrsdelikte)X Nein Ja Waren Sie schon einmal bei uns X Nein Ja Es ist mir bekannt, dass unwahre Angabenzur Lösung eines möglichen späteren Arbeitsverhältnisses führen können.Dies ist kein Arbeitsvertrag

Als der Kläger sich am 08.11.2009 auf dem Weg zu seiner Einsatzstelle bei der Fa. M. befand, rutschte er beim Aussteigen aus dem ICE auf dem Bahnsteig aus und fiel hin. Dabei schlug eines seiner Gepäckstücke seitlich auf das Knie, das er sich im Jahr 2005 verletzt hatte. Der Kläger war wegen dieses Wegeunfalls vom 08.11.2009 bis 29.11.2009 arbeitsunfähig krank geschrieben.

Vom 30.11.2009 bis 04.12.2009 setzte die Beklagte den Kläger erneut bei der Fa. M. und ab 07.12.2009 bei der Fa. F. ein, wo der Kläger am 18.12.2009 -wie regelmäßig freitags- 5 Stunden arbeitete. Am 21.12.2009 musste der Kläger seine Arbeit auf einer Baustelle der Fa. F. im Laufe des Tages wegen Schmerzen im operierten Knie einstellen. Sowohl im Büro der Fa. F. als auch der Personaldisponentin der Beklagten, Frau L., teilte der Kläger in Telefonaten am 21.12.2009 mit, dass er wegen starker Knieschmerzen ins Krankenhaus gefahren worden sei und dass es sich voraussichtlich um einen Kreuzbandriss handele.

Mit Schreiben vom 21.12.2009 (Bl. 147 d.A.), dem Kläger am 22.12.2009 per Einwurfeinschreiben zugestellt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der vereinbarten Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit laut unserem Arbeitsvertrag fristgerecht zum 30.12.2009, ersatzweise zum nächstmöglichen Termin. Mit weiterem Schreiben vom 21.12.2009 (Bl. 135 d.A.) bat die Personaldisponentin L. den Kläger um Unterzeichnung und Rücksendung eines beigefügten, von der Arbeitgeberseite nicht unterzeichneten Arbeitsvertragsformulars (Bl. 136 - 144 d.A.), das ein zum 01.03.2010 zu begründendes Arbeitsverhältnis der Parteien mit im Wesentlichen -außer des Wegfalls einer ab dem 7. Beschäftigungsmonat zum Tragen kommenden Erhöhung der Auslösung um 50 Cent pro Stunde- den bisherigen vertraglichen Arbeitsbedingungen zum Gegenstand hatte.

Die Beklagte zahlte dem Kläger für den Monat Dezember 2009 einen Vorschuss in Höhe von 600,00 EUR netto und führte für ihn Sozialversicherungsabgaben in Höhe 276,02 EUR ab. Weitere Zahlungen für den Monat Dezember 2009 erfolgten nicht. Der Kläger griff die Kündigung vom 21.12.2009 nicht gerichtlich an. Er schickte das ihm übersandte Arbeitsvertragsformular im Hinblick auf die bei ihm seit 21.12.2009 bis jedenfalls 16.02.2011 durchgehend bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht unterschrieben an die Beklagte zurück.

Am 15.02.2010 erhob er gegen die Beklagte beim Arbeitsgericht Kassel Klage zunächst mit dem Antrag, an ihn Vergütung für den Monat Dezember 2009 in Höhe von 1.134,00 EUR netto nebst Rechtshängigkeitszinsen zu bezahlen. Mit Schreiben vom 24.02.2010, der Beklagten am selben Tag per Telefax und am 26.02.2010 per Post zugegangen, machte der nunmehrige Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten Entschädigungsansprüche nach dem AGG geltend.

Mit Beschluss vom 04.03.2010 (Bl. 9 d.A.) hat das Arbeitsgericht Kassel den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Stuttgart verwiesen. Mit Schriftsatz vom 16.03.2010, bei Gericht am 22.03.2010 eingegangen, hat der Kläger seine Klage um einen Anspruch auf billige Entschädigung in Geld nach § 15 AGG erweitert und als angemessene Entschädigungssumme einen Betrag von 10.000,00 EUR genannt.

Der Kläger trägt vor:

Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden und einem Stundenlohn von 8,00 EUR stehe ihm für den Monat Dezember 2009 ein Entgelt von 1.288,00 EUR zu. Zusätzlich könne er nach § 7 des Arbeitsvertrags Fahrtgeld in Höhe von 171,44 EUR und Auslöse in Höhe von 806,25 EUR verlangen.

Mit Antrag Ziffer 1 würden geltend gemacht: 1.079,68 EUR + 171,44 EUR + 806,25 EUR abzüglich des geleisteten Vorschusses in Höhe von 600,00 EUR = 1.457,37 EUR brutto.

Er erhalte -wie bereits dargelegt- monatlich 1.079,68 EUR. Für die Monate Januar und Februar 2010 sei ihm aufgrund der ihn wegen seiner Behinderung diskriminierenden Kündigung ein Lohnanspruch in Höhe von 2.159,36 EUR brutto entgangen.

Ferner stehe ihm deshalb eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Er habe bereits bei seiner Einstellung auf seinen Knieschaden hingewiesen. Seine Knieverletzung stelle sich als Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78 und auch des engeren Behinderungsbegriffs in § 2 Abs. 1 SGB IX dar. Die Beklagte habe ihn in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Kenntnisnahme von der Operationsbedürftigkeit und in der Annahme, dass die Verletzung nicht nur von kurzer Dauer sein werde, gekündigt. Die Kündigung sei zumindest auch wegen seiner Behinderung erfolgt. Der Geschäftsführer der Beklagten sei in der Vergangenheit bereits mehrfach durch behinderte Menschen diskriminierende und erniedrigende Maßnahmen aufgefallen. Wegen der Einzelheiten des Vortrags des Klägers wird insoweit auf Bl. 83 f und 88 d.A. verwiesen. Im Telefonat vom 21.12.2009 habe er Frau L. u.a. mitgeteilt, dass er am 14.01.2010 einen OP-Termin habe, bei dem das Knie, das bereits ein Implantat enthalte, erneut operiert werden müsse. Frau L. habe die Krankmeldung des Klägers entgegen genommen und den Geschäftsführer der Beklagten über den Inhalt des Telefonats unterrichtet, woraufhin sich dieser ihr gegenüber sinngemäß wie folgt geäußert habe: Am Knie hat er´s wieder? Bei dem dauert eine Kniegeschichte bestimmt lange. Der ist doch frühestens im April wieder einsatzfähig. Solange zahl ich den aber nicht. Dem schicken wir eine Kündigung. Er kann sich im April nochmal melden. Schicken Sie einen neuen Arbeitsvertrag mit. Ich rede gleich noch mit der Buchhaltung.

Der in allen möglichen Formen nach Behinderungen und körperlichen und gesundheitlichen Einschränkungen fragende Bewerbungsbogen stelle ein Indiz für eine Benachteiligung von Behinderten dar.

Die 2-Monatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG sei gewahrt. Er habe frühestens am 25.12.2009 Kenntnis von der Kündigung erlangt. Ein früherer Zugang durch Einwurf in seinen Briefkasten sei unerheblich, weil die positive Kenntnis von der Benachteiligung maßgeblich sei. Die Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG betreffe im Übrigen nur Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG, er könne seinen Anspruch aber auch auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 7 AGG stützen, da § 7 AGG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sei. Positive Kenntnis vom Beweggrund für die Kündigung habe er erst in einem nach Durchführung des Gütetermins im vorliegenden Verfahren geführten Telefonat mit Frau L. am 14.04.2010 erlangt, vorher habe allenfalls eine diesbezügliche Vermutung bestanden. Als angemessene und abschreckende Sanktion sei eine Entschädigungszahlung von 10.000,00 EUR anzusehen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.457,37 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.01.2010 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.159,36 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus auf 1.079,68 EUR seit dem 04.02.2010 und auf weitere 1.079,68 EUR seit dem 04.03.2010 zu bezahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine billige Entschädigung in Geld zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor:

Der Kläger habe an 14 Tagen im Dezember 2009 insgesamt 128,75 Stunden gearbeitet. Ihm stehe eine Anfahrtspauschale in der geltend gemachten Höhe von 171,44 EUR zu, allerdings kein Auslöseanspruch.

Sie habe das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger in der Probezeit kündigen müssen, da sie für diesen überraschend ab Januar 2010 keine Beschäftigung mehr gehabt habe. Hätte sich der Kläger nicht mehr in der Probezeit befunden, wäre ihm aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden. Die Auftragslage der Beklagten habe sich zur damaligen Zeit erheblich verschlechtert gehabt. Da sie mit dem Kläger grundsätzlich zufrieden gewesen sei, habe man ihm die Wiedereinstellung zum 01.03.2010 angeboten. Dies zeige, dass die Kündigung nicht im Zusammenhang mit der Person des Klägers gestanden habe, sondern lediglich wegen betrieblicher Gründe erfolgt sei. Anlass der Kündigung sei nicht die Erkrankung des Klägers gewesen. Selbst wenn -was weiterhin bestritten werde- die Kündigung im Zusammenhang mit der Krankheit des Klägers gestanden hätte, liege keine Benachteiligung im Sinne des AGG vor. Dem Geschäftsführer der Beklagten als juristischem Laien sei im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht bekannt gewesen, dass es sich beim Krankheitsbild des Klägers um eine Behinderung im Sinne des AGG handeln könnte.

Im Kammertermin vom 15.09.2010 hat die Beklagte vorgetragen:

Die Fa. F. habe den Einsatz des Klägers zum 18.12.2009 beendet. Die Fa. F. habe sich über die schlechte Arbeitsleistung des Klägers beschwert.

Die Vorschriften des AGG seien auf die Kündigung vom 21.12.2009 nicht anwendbar, vielmehr hätte der Kläger gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erheben müssen. Es werde bestritten, dass der Kläger erst einige Tage nach deren Zugang von der Kündigung Kenntnis erlangt habe.

Ausweislich der Eintragungen im Bewerbungsbogen habe der Kläger bei der Einstellung nicht auf seine Kniebeschwerden hingewiesen. Motivation der Fragestellungen im Bewerbungsbogen sei lediglich festzustellen, ob der potentielle Mitarbeiter den Anforderungen der Arbeitstätigkeit gewachsen sei. Es stehe dem Arbeitgeber frei, Fragen aller Art in einem Einstellungsfragebogen zu formulieren. Ob diese Fragen zulässig seien oder nicht, stehe auf einem anderen Blatt. Bei einzelnen unzulässigen Fragen stehe es dem Arbeitnehmer frei, auf diese nicht oder unwahr zu antworten, wodurch der Arbeitnehmer hinreichend geschützt sei. Einen Schadensersatzanspruch wegen Benachteiligung hätte der Kläger allenfalls geltend machen können, wenn er auf dem Bewerbungsbogen eine Behinderung angegeben hätte und die Beklagte ihn allein aufgrund dieser der Arbeitstätigkeit nicht entgegenstehenden Behinderung nicht eingestellt hätte. Es sei auch zu berücksichtigen, dass sie dem Kläger mit der Kündigung ein neues Vertragsangebot unterbreitet habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften vom 12.04.2010, 15.09.2010 und 16.02.2011 verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugin S. L.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 172 d.A. Bezug genommen.

Gründe

A

Die Klage hat teilweise Erfolg. Sie ist hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 1 unzulässig (dazu unter A I. der Entscheidungsgründe), hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 2 zulässig, aber unbegründet (dazu unter A II. der Entscheidungsgründe) und hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 3 zulässig und teilweise begründet (dazu unter A III. der Entscheidungsgründe).

I.

Antrag Ziffer 1:

Hinsichtlich Antrag Ziffer 1 ist der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 S. 2 ZPO, was insoweit zur Unzulässigkeit der Klage führt. Der Kläger hat drei Einzelpositionen, die jeweils unterschiedliche Streitgegenstände betreffen, zusammen gerechnet, nämlich Fahrtgeld in Höhe von 171,44 EUR, Auslöse in Höhe von 806,25 EUR und 1.079,68 EUR, die wahrscheinlich als Vergütung für Dezember 2009 gezahlt werden sollen, und vom Gesamtbetrag den gezahlten Vorschuss in Höhe von 600,00 EUR abgezogen. Damit ist nicht mehr ersichtlich, worüber das Gericht entscheiden soll. Der Kläger hat nicht vorgetragen, wie sich der Betrag aus 1.079,68 EUR errechnet, also aus welchem Rechtsgrund (z.B. geleistete Arbeit, Annahmeverzug, Feiertagsvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) Zahlungen für welchen Zeitraum in welcher Höhe verlangt werden. Der Vortrag steht auch im Widerspruch zu den sonstigen, allerdings auch nicht näher substantiierten Darlegungen des Klägers, wonach er für Dezember 2009 Entgelt in Höhe von 1.288,00 EUR brutto beanspruchen könne. Weiterhin scheinen auch Brutto- und Nettobeträge vermischt worden zu sein. Auf die Mangelhaftigkeit der Darlegungen hat das Gericht mit Verfügung vom 10.03.2010, 04.05.2010 und 03.01.2011 hingewiesen. Diese hat der Kläger unbeachtet gelassen, weshalb die Klage als unzulässig abzuweisen war (vgl. BAG, 21.03.1978 -1 AZR 11/76- BAGE 30, 189; BGH, 27.10.1999 -VIII ZR 184/98- NJW 2000, 958; LAG Baden-Württemberg, 29.06.1995 -6 Sa 27/95- LNR 1995, 28197).

II.

Antrag Ziffer 2:

Die Klage ist insoweit zulässig, aber unbegründet.

1. Die Kammer hat Antrag Ziffer 2 so verstanden, dass der Kläger hiermit einen Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG geltend macht, den er der Höhe nach mit entgangener Vergütung für die Monate Januar und Februar 2010 in Höhe von jeweils 1.079,68 EUR beziffert. Der Klagegegenstand ist damit hinreichend bestimmt.

2. Die Klage ist insoweit aber unschlüssig und damit unbegründet.

Grundsätzlich umfasst der Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG, für den die §§ 249 ff BGB gelten, nach § 252 BGB auch den entgangenen Gewinn und mithin das entgangene Arbeitsentgelt (BAG, 19.08.2010 -8 AZR 530/09- NZA 2010, 1412). Es ist aber nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund dem Kläger für den Fall des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses für die Monate Januar und Februar 2010 Zahlungsansprüche in welcher Höhe zugestanden hätten. Der Kläger hat trotz des gerichtlichen Hinweises in der Verfügung vom 03.11.2010, in der auch darauf hingewiesen wurde, dass Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur bis zum -mitzuteilenden- Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums geschuldet würde, keine weiteren Ausführungen zur Anspruchsbegründung gemacht.

III.

Antrag Ziffer 3:

1. Der Antrag ist zulässig. Der Kläger hat eine billige Entschädigung in Geld verlangt und als angemessenen Betrag 10.000,00 EUR angegeben. Dies ist für die hinreichende Bestimmtheit des Klageantrags ausreichend, wenn die Bestimmung der Höhe des Anspruchs wie hier von billigem Ermessen oder einer gerichtlichen Schätzung abhängt (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG, Nr. 4; 24.04.2008 -8 AZR 257/07- AP Nr. 2 zu § 33 AGG = EzA 611a BGB 2002, Nr. 6; 15.02.2005 -9 AZR 635/03- BAGE 113, 361).

2. Der Antrag ist auch teilweise begründet. Dem Kläger war gemäß § 15 Abs. 2 AGG eine billige Entschädigung in Höhe von 2.500,00 EUR zuzusprechen, weil ihn die Beklagte durch ihre Kündigung vom 21.12.2009 unzulässigerweise wegen seiner Behinderung benachteiligt hat.

a) Der sachliche Anwendungsbereich des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ist eröffnet. § 2 Abs. 4 AGG, der seinem Wortlaut nach bestimmt, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten, steht dem Entschädigungsanspruch des Klägers nicht entgegen, auch wenn dieser seinen Anspruch darauf stützt, dass ihn die Kündigung der Beklagten vom 21.12.2009 wegen seiner Behinderung benachteiligt habe.

Die Kammer folgt der Auffassung des LAG Bremen (29.06.2010 -1 Sa 29/10- NZA-RR 2010, 510; zustimmend: Ley BB 2010, 2512), wonach im Falle einer diskriminierenden Kündigung eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auch dann verlangt werden kann, wenn keine Kündigungsschutzklage erhoben wird. Der Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG ergreift nicht den Diskriminierungsvorwurf als solchen (Wenckebach AuR 2010, 499, 503). Bereits nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 AGG ist davon auszugehen, dass damit die Überprüfung der Wirksamkeit einer Kündigung gemeint ist, nicht aber auf der Verletzung von Persönlichkeitsrechten basierende Entschädigungsansprüche. Auch die Gesetzesgeschichte und der Zweck des AGG, die europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien umzusetzen, sprechen für diese Auffassung (vgl. i.E.: LAG Bremen, 29.06.2010 -a.a.O.-; zustimmend: Wenckebach AuR 2010, 499, 502; anderer Ansicht: LAG Köln, 01.09.2009 -7 Ta 184/09- LAGE Nr. 10 zu § 15 AGG). Auch der 8. Senat des BAG scheint dieser Auffassung zuzuneigen. Er hat die Frage bisher letztlich dahingestellt sein lassen können, aber ausgeführt, dass die Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG in solchen Fällen jedenfalls nicht systemwidrig erscheine (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 4).

b) Gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 AGG kann der Kläger wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Tatbestandsvoraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG. Dies stellt zwar § 15 Abs. 2 AGG nicht ausdrücklich klar, es ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 4; 22.01.2009 -8 AZR 906/07, AP Nr. 1 zu § 15 AGG = EzA AGG § 15 Nr. 1).

Gemäß § 7 Abs. 1 Hs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale benachteiligt werden. § 7 Abs. 1 AGG knüpft an die in § 1 AGG angeführten Merkmale an. Der Kläger beruft sich auf das Merkmal der Behinderung.

Da für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt sein muss, ist ein Kausalzusammenhang erforderlich. Dieser ist dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen in § 1 AGG genannten oder mehrere der in § 1 AGG aufgeführten Gründe anknüpft und dadurch motiviert ist. Ausreichend ist, wenn das verbotene Merkmal Teil eines Motivbündels ist (BAG, 17.12.2009 -8 AZR 670/08- AP Nr. 2 zu § 7 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 6; 24.04.2008 -8 AZR 257/07- AP Nr. 2 zu § 33 AGG = EzA § 611a BGB 2002 Nr. 6). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG, 19.08.2010 -8 AZR 530/09- NZA 2010, 1412).

Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter Indizien und vermuten bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist (BAG, 20.05.2010 -8 AZR 287/08 (A)- NZA 2010, 1006). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat (BAG, 19.08.2010 -8 AZR 530/09- NZA 2010, 1412; LAG Niedersachsen, 12.03.2010 -10 Sa 583/09- LAGE Nr. 11 zu § 15 AGG).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein Entschädigungsanspruch des Klägers gegeben.

aa) Der Kläger beruft sich darauf, dass die Beklagte ihn wegen seiner Behinderung gekündigt habe.

Nach der Gesetzesbegründung entspricht der Begriff der Behinderung des AGG den sozialrechtlich entwickelten Definitionen nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX und § 3 BGG. Danach sind Menschen behindert, wenn deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG, Nr. 4). Dabei ist der Begriff der Behinderung im Sinne des AGG nicht an einen bestimmten Grad der Behinderung geknüpft. Der Begriff erfasst alle Funktionsstörungen, die ein Hindernis für die Teilhabe der betreffenden Person am Berufsleben bilden (LAG Baden-Württemberg, 06.09.2010 -4 Sa 18/10- juris).

bb) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 22.12.2009 wegen seiner Kreuzbandverletzung und der dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigung als behindert im Sinne dieser Definition anzusehen war. Es genügt, dass der Geschäftsführer der Beklagten, auf dessen Veranlassung die Kündigung des Klägers erfolgte, vom Vorliegen einer Behinderung beim Kläger ausging. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG liegt auch dann vor, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals nur annimmt. § 7 Abs. 1 S. 1 AGG verbietet auch den Versuch am untauglichen Objekt. Macht sich der Benachteiligende Vorstellungen über das Vorliegen eines Benachteiligungsgrundes, kann dies genügen, um den Entschädigungsanspruch auszulösen (BAG, 17.12.2009 -8 AZR 670/08- AP Nr. 2 zu § 7 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 6).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten das Vorliegen einer Behinderung beim Kläger annahm, als er dessen Kündigung anordnete. Nach der Aussage der Zeugin L., an deren Wahrheitsgemäßheit kein Anlass zu Zweifeln besteht und auch von der Beklagten nicht geltend gemacht werden, gab Frau L. am 21.12.2009 an den Geschäftsführer der Beklagten das weiter, was ihr der Kläger telefonisch mitgeteilt hatte, nämlich dass er erneut wegen des im November 2009 erlittenen Wegeunfalls, der wiederum auf dem Kreuzbandriss aus dem Jahr 2005 beruhte, arbeitsunfähig erkrankt sei und ein OP-Termin im Januar 2010 bevorstehe. Der Geschäftsführer der Beklagten äußerte dann, dass dies beim Kläger sicherlich eine lange Geschichte sei und noch drei bis vier Monate dauern werde. Der Geschäftsführer wusste von Frau L., dass der Kläger im Jahr 2005 an einem Kreuzbandriss operiert worden war, wegen desselben Leidens schon im November 2009 drei Wochen arbeitsunfähig erkrankt war und jetzt wiederum für -so seine Prognose- zumindest drei bis vier Monate ausfallen würde. Tatsächlich ist der Kläger seit Dezember 2009 und somit inzwischen über ein Jahr durchgehend arbeitsunfähig. Damit ging der Geschäftsführer der Beklagten davon aus, dass der Kläger wegen eines körperlichen Leidens schon längere Zeit ausgefallen war und nunmehr wiederum längere Zeit ausfallen würde. Nach nationalem wie nach europarechtlichem Verständnis muss die einen Krankheitswert überschreitende Funktionsbeeinträchtigung samt der damit verbundenen Teilhabedefizite am Gesellschafts- bzw. Berufsleben von einer gewissen Dauer sein (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 4). Die Kammer geht weiterhin davon aus, dass dem Geschäftsführer bewusst war, dass die erheblichen Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers und die aus einem Knieleiden im Berufsfeld des Klägers als Gas- und Wasserinstallateur zwangsläufig resultierenden Einschränkungen bei knieenden Tätigkeiten geeignet waren, die Vermittlungschancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt, vor allem in der Zeitarbeitsbranche, zu vermindern. Unerheblich ist, ob dem Geschäftsführer die Definition des Behinderungsbegriffs nach dem AGG geläufig war oder nicht. Jedenfalls im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre war für den Geschäftsführer erkennbar, dass der Kläger als behindert einzustufen ist.

cc) Der Kläger hat zwei Indizien vorgetragen und bewiesen, die eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen.

(a) Sämtliche sieben im Bewerbungsbogen der Beklagten verwendeten Fragen zum Gesundheitszustand und zum Vorliegen einer Behinderung sind unzulässig. Dem Arbeitgeber wird ein Fragerecht nur insoweit zugestanden, als er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage für das Arbeitsverhältnis hat. Dieses Interesse muss objektiv so stark sein, dass dahinter das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts und an der Unverletzbarkeit seiner Individualsphäre zurücktreten muss. Dementsprechend richtet sich der Umfang des Fragerechts des Arbeitgebers hinsichtlich bestehender Krankheiten danach, ob diese im Zusammenhang mit dem einzugehenden Arbeitsverhältnis stehen (BAG 07.06.1984 - 2 AZR 270/83 - AP Nr. 26 zu § 123 BGB = EzA § 123 BGB Nr. 24). Hierbei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Zulässig sind Fragen nach einer schweren oder chronischen Erkrankung, die Einfluss auf die vorgesehene Arbeitsleistung haben kann (Kittner/Zwanziger-Becker, Arbeitsrecht 3. Aufl., § 29 RdNr. 46). Damit sind die Fragen nach irgendeiner chronischen Krankheit und den Krankheiten der letzten 12 Monate unzulässig, ebenso die nach einer beantragten (also möglicherweise nicht bewilligten) Kur (BAG a.a.O.; Kittner/Zwanziger-Becker a.a.O.; MüArbR/Buchner, 3. Aufl., § 30 RdNr. 283 f.). Es liegt auf der Hand, dass der Arbeitgeber beispielsweise kein schützenswertes Interesse hat zu erfahren, ob und ggfs. woran sein Arbeitnehmer in den letzten 12 Monaten erkrankt war. Gleiches gilt für die Kriegs- oder Unfallbehinderung (vgl. BAG 05.10.1995 - 2 AZR 923/94 - BAGE 81, 120). Die einzige Frage, die in Richtung eines schützenswerten Arbeitgeberinteresses zielt, ist die, ob der Arbeitnehmer in der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit in irgendeiner Form behindert sei. Auch diese Frage ist jedoch zu weit gefasst, soweit sie auch vorübergehende und geringfügige Beeinträchtigungen erfasst. Auch die ganz pauschal und damit tätigkeitsneutral nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung gestellte Frage ist wegen Verstoßes gegen § 81 SGB IX unzulässig (LAG Hessen, 24.03.2010 -6/7 Sa 1373/09- juris; Messingschlager, NZA 2003, 301; Düwell, BB 2006, 1741, 1743; Gravenhorst, jurisPR-ArbR 4/2011, Anm. 5). Als Vermutungstatsachen für einen Zusammenhang mit der Behinderung kommen alle Pflichtverletzungen in Betracht, die der Arbeitgeber begeht, indem er Vorschriften nicht befolgt, die zur Förderung der Chancen der schwerbehinderten Menschen geschaffen wurden (BAG, 17.08.2010 -9 AZR 839/08 -NJW 2011, 550); dies ist bezüglich des hier vorliegenden Verstoßes gegen § 81 SGB IX der Fall.

Mit der Formulierung im Bewerbungsbogen der Beklagten wird auch Druck auf dem Arbeitnehmer aufgebaut, um eine wahrheitsgemäße Beantwortung zu erreichen. Es wird nicht etwa darauf hingewiesen, dass es sich um Fragen handele, zu deren Beantwortung der Arbeitnehmer nicht verpflichtet sei, sondern es erfolgt der Hinweis, dass unwahre Angaben zur Lösung eines möglichen späteren Arbeitsverhältnisses führen könnten, es wird also -rechtlich unzutreffend- damit gedroht, dass Falschangaben zur Kündigung oder Anfechtung des Arbeitsvertrags berechtigen könnten.

Die massive Häufung solcher Fragen, die in unzulässiger Weise auf die Erlangung von detaillierten Informationen über den Gesundheitszustand und das Vorliegen einer Behinderung abzielen, stellt ein Indiz dafür dar, dass die Kündigung vom 21.12.2009 durch die Behinderung des Klägers, von deren Vorliegen der Geschäftsführer am selben Tag erfahren hatte -der Vortrag des Klägers, er habe schon im Einstellungsgespräch auf Knieprobleme hingewiesen, ist unsubstantiiert und damit unbeachtlich und im Hinblick auf die erfolgten schriftlichen Angaben im Bewerbungsbogen auch eher fernliegend-, jedenfalls mit motiviert war. Diese Indizwirkung wird durch den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Bekanntwerden der langwierigen Verletzung des Klägers am 21.12.2009 und der postwendenden Reaktion des Geschäftsführers der Beklagten, der noch am selben Tag eine Kündigung ausstellen ließ, die dem Kläger bereits am Folgetag zugestellt wurde, verstärkt. Zwar knüpft die Kündigungserklärung als solche als gestaltende Willenserklärung nicht an ein Diskriminierungsmerkmal an. Insoweit können aber etwa die Kündigungsmotivation oder die der Kündigungsentscheidung zugrunde liegenden Überlegungen durchaus Anhaltspunkte für eine Relation der Erklärung zu einem Merkmal nach § 1 AGG sein. Auf solche kann aus der Kündigungsbegründung oder aus anderen äußeren Umständen geschlossen werden (BAG, 22.10.2009 -8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 4).

(b) Es kann dahingestellt bleiben, ob dies allein genügen würde, um eine Glaubhaftmachung einer Benachteiligung wegen einer Behinderung im Sinne des § 22 AGG annehmen zu können. Im vorliegenden Fall kommt nämlich noch hinzu, dass der Geschäftsführer zu seiner Personaldisponentin L., wie diese glaubhaft bekundet hat, gesagt hat, die Kniegeschichte dauere beim Kläger lang und so lange zahle er den Kläger nicht. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die Kündigung des Klägers nicht krankheitsbedingt motiviert gewesen sei. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Konstellation, die dem BAG in seinem Urteil vom 22.10.2009 (8 AZR 642/08- AP Nr. 2 zu § 15 AGG = EzA § 15 AGG Nr. 4) zur Entscheidung vorlag. In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber sich auf eine krankheitsbedingte Kündigung berufen und der Kläger konnte für die Behauptung einer behinderungsbedingten Kündigung keine weiteren Hilfstatsachen vortragen. Insofern ist dem BAG zuzustimmen, dass allein das Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals für die Annahme eines Kausalzusammenhangs mit einer ausgesprochenen Kündigung nicht ausreicht (ebenso: Löw BB 2010, 643; jurisPR-ArbR 14/2010, Anm.: 4, Stuntz). Wenn aber der Geschäftsführer der Beklagten nach eigenem Bekunden gekündigt hat, weil er annahm, der Kläger werde längere Zeit erkranken und er wolle ihn solange nicht zahlen, er damit aber nicht wegen der Krankheit des Klägers gekündigt hat, liegt nahe, dass die Kündigung wegen der Behinderung erfolgt ist.

(c) Gegen eine durch die Behinderung des Klägers motivierte Kündigung spricht nicht, dass dem Kläger zeitgleich mit der Kündigung ein neuer Arbeitsvertragsentwurf übersandt wurde. Dieser war von der Beklagtenseite nicht unterzeichnet und damit für die Beklagte nicht verbindlich. Auch das beigefügte Anschreiben war nur von der Personaldisponentin L. unterzeichnet und stellt rechtlich kein bindendes Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags dar. Der Beklagten wäre es damit rechtlich immer noch ohne Weiteres möglich gewesen, den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem späteren Zeitpunkt zu verweigern. Außerdem würde selbst der Abschluss eines Arbeitsvertrages zu einem späteren Zeitpunkt nicht zwingend gegen eine Diskriminierungsabsicht sprechen, da Sinn eines solchen Vorgehens beispielsweise sein könnte, den Eintritt des Sonderkündigungsschutzes des Klägers im Hinblick auf § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX hinauszuschieben.d)

aa) Da der Kläger somit Indizien vorgetragen hat, die jedenfalls in ihrer Gesamtschau (zu deren Erforderlichkeit vgl. BAG, 24.04.2008 -8 AZR 257/07- AP Nr. 2 zu § 33 AGG = EzA § 611 a BGB 2002, Nr. 6) eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen, wäre es nunmehr Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und ggfs. zu beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat, sie also ausschließlich aus Gründen gekündigt hat, die nichts mit der Behinderung des Klägers zu tun haben (BAG, 17.08.2010 -9 AZR 839/08- NJW 2011, 550). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es auf eine Benachteiligungsabsicht nicht an (BAG, 19.08.2010 -8 AZR 530/09- NZA 2010, 1412).

bb) Dies ist der Beklagten nicht gelungen. Ihr Vortrag, der Kündigung des Klägers hätten betriebsbedingte Gründe zugrunde gelegen, ist offensichtlich unwahr. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass sie für den Kläger überraschend ab Januar 2010 keine Beschäftigung mehr gehabt habe. Der im Kammertermin vom 16.02.2011 persönlich anwesende Kläger hat geschildert, ohne dass die Beklagte dem widersprochen hätte, dass er am 21.12.2009 noch bei der Fa. F. eingesetzt gewesen sei und seine Arbeitstätigkeit wegen der Schmerzen in seinem Knie eingestellt habe, wovon er die Fa. F. noch am selben Tag informiert habe. Von einem Wegfall der Einsatzmöglichkeit des Klägers kann jedenfalls zum Zeitpunkt der Kündigung keine Rede sein. Die Beklagte hat auch die gerichtliche Aufforderung vom 03.11.2010, im Einzelnen darzulegen, wann und warum die Einsatzmöglichkeit des Klägers bei der Fa. F. geendet hat, unbeantwortet gelassen. Einen irgendwie einleuchtenden Grund für die Probezeitkündigung (zu diesem Erfordernis: BAG, 22.04.2010 -6 AZR 828/08- ZTR 2010, 430; LAG Düsseldorf, 29.06.2010 -1 Sa 29/10- NZA-RR 2010, 510) hat die Beklagte nicht genannt.

e) Der Kläger hat auch die Fristen des § 15 Abs. 4 AGG zur schriftlichen und des § 61 b Abs. 1 ArbGG zur gerichtlichen Geltendmachung seines Entschädigungsanspruchs eingehalten.

aa) Da die Beklagte sich darauf beruft, Ansprüche des Klägers aus § 15 Abs. 2 AGG seien mangels rechtzeitiger Geltendmachung ausgeschlossen, hätte sie darlegen und ggfs. beweisen müssen, dass und wann die Frist zur Geltendmachung in Lauf gesetzt worden ist (BAG, 19.08.2010 -8 AZR 530/09- NZA 2010, 1412). Sie hat nur vorgetragen, dass das Kündigungsschreiben dem Kläger am 22.12.2009 zugegangen ist. Dies ist nicht ausreichend. Entscheidend für den Fristbeginn ist nach § 15 Abs. 4 S. 2 AGG die Kenntniserlangung des Arbeitnehmers von der behaupteten Diskriminierung. Ein früherer Fristbeginn wäre auch mit dem europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz nicht vereinbar (EuGH, 08.07.2010 -C-246/09- NJW 2010, 2713). Für den Kläger war, wie er auch vorgetragen hat, aus dem Kündigungsschreiben nicht ersichtlich, dass die Kündigung durch seine Behinderung motiviert war. Da er entsprechende Kenntnis jedenfalls erst nach den Weihnachtsfeiertagen erlangt hat, war die 2-Monatsfrist noch nicht abgelaufen, als die Beklagte das Geltendmachungsschreiben am 24.02.2010 per Telefax und am 26.02.2010 per Post erhielt.

bb) Die 3-Monatsfrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG ist durch die Erhebung der Klage auf Entschädigung am 22.03.2010 unproblematisch gewahrt.

f) Bei der Festsetzung der Höhe der angemessenen Entschädigung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, die Folgen für den Kläger hinsichtlich seines Persönlichkeitsrechts, der Grad der Verantwortlichkeit der Beklagten, der Anlass und Beweggrund des Handelns der Beklagten, der Sanktionszweck und die damit verbundene abschreckende Wirkung (BAG, 17.08.2010 -9 AZR 839/08- NJW 2011, 550).

Im Fall des Klägers hat die Kammer anspruchsmindernd berücksichtigt, dass dieser bei Ausspruch der Kündigung nur etwas über zwei Monate beschäftigt war und er seit dem 21.12.2009 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt ist. Andererseits war zu berücksichtigen, dass wegen der vorsätzlich begangenen Diskriminierung und im Hinblick auf den Sanktionscharakter und die zu erzielende Abschreckungswirkung ein fühlbarer Entschädigungsbetrag festgesetzt werden musste. Da bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen fraglich erscheint, ob das erzielte Entgelt eine angemessene Rechengröße für eine Entschädigung darstellt (vgl. Wenckebach, AuR 2010, 499, 504), die Obergrenze des § 15 Abs. 2 S. 2 AGG im vorliegenden Fall nicht greift und das Monatseinkommen des Klägers im Hinblick auf die unklare Regelung in § 7 seines Arbeitsvertrags schwer ermittelbar ist, hat die Kammer kein Vielfaches eines Monatseinkommens, sondern den als absoluten Betrag für angemessen erachteten Wert von 2.500,00 EUR festgesetzt.

B

I.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO.

II.

Bei der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil vorzunehmenden Streitwertfestsetzung hat die Kammer für Antrag Ziffer 3 10.000,00 EUR und für die anderen Anträge den jeweils verlangten Forderungsbetrag ohne Zinsen angesetzt.

III.

Die Zulassung der Berufung für die Beklagte beruht auf § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG. Für die Berufung des Klägers ist kein gesonderter Zulassungsgrund ersichtlich.