VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.05.1997 - 8 S 2814/96
Fundstelle
openJur 2013, 10479
  • Rkr:

1. § 1 Abs 6 BauGB räumt dem von einer Bauleitplanung Betroffenen ein subjektives Recht auf eine angemessene Berücksichtigung seiner eigenen Belange im Rahmen der Abwägung ein.

2. Der Antragsteller eines Normenkontrollverfahrens besitzt daher die erforderliche Antragsbefugnis, wenn sein Vorbringen eine Verletzung dieses Rechts als möglich erscheinen läßt.

Tatbestand

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin.

Der angefochtene Bebauungsplan, der nach seiner Begründung der Deckung eines dringenden Wohnbedarfs dienen soll, besteht aus zwei Teilen. Das Teilgebiet 1 umfaßt die westlich der K. Straße an einem nach Westen geneigten Hang gelegenen, bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücke Flst.Nrn. 4/3, 4/1 und 4/2 sowie eine Teilfläche des Grundstücks Flst.Nr. 2/1. Im Flächennutzungsplan sind die zusammen 24,8 a großen Grundstücke als Fläche für landwirtschaftliche Nutzung dargestellt. Der Bebauungsplan weist diesen Bereich als allgemeines Wohngebiet aus, womit die vorhandene Bebauung östlich der K. Straße nach Westen erweitert werden soll. Auf den in zwei Reihen angeordneten insgesamt 42 Baufenstern ist die Errichtung von 16 freistehenden Einfamilienhäusern sowie 26 Doppel- und Reihenhäusern geplant. Zur Erschließung der westlichen Gebäudereihe dient eine am westlichen Rand verlaufende Stichstraße, an die sich nach Westen ein 3 bis 4 m breiter, als öffentliche Grünfläche ausgewiesener Geländestreifen anschließt. Das von dem Teilgebiet 1 etwa 600 m entfernte und 15,56 a große Teilgebiet 2 soll zum Ausgleich der im Teilgebiet 1 zu erwartenden naturschutzrechtlichen Eingriffe dienen. Auf einem Teil dieser Fläche ist die "Einrichtung einer geschlossenen Fläche von heimischen, standortgerechten Feld- und Heckengehölzen in Anbindung an einen bestehenden Biotopverbund" vorgesehen. Der übrige Teil soll gärtnerisch als extensive Wiesenfläche mit Strauch- und Baumpflanzungen angelegt werden.

Die Antragsteller sind Eigentümer von mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken, die getrennt durch die K. Straße dem Plangebiet direkt gegenüberliegen.

Dem angefochtenen Bebauungsplan liegt folgendes Verfahren zugrunde: In seiner Sitzung vom 7.10.1992 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin, für die Grundstücke Flst.Nr. 4/1 und 4/2 an der K. Straße einen Bebauungsplan aufzustellen. Gegen den Entwurf des später um das Grundstück Flst.Nr. 4/3 sowie eine Teilfläche des Grundstücks Flst.Nr. 2/1 erweiterten Bebauungsplans, der in der Zeit vom 19.6. bis zum 19.7.1995 und vom 27.11. bis zum 27.12.1995 öffentlich ausgelegt wurde, wandten die Antragsteller in erster Linie ein, daß ihnen durch die geplante Bebauung der bestehende "Panoramablick" genommen werde, wodurch ihre Grundstücke erheblich an Wert verlören. In seiner Sitzung vom 7.2.1996 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung. Die Einwendungen der Antragsteller wurden mit der Begründung zurückgewiesen, einen Rechtsanspruch auf Gewährleistung einer bestehenden Aussichtslage gebe es nicht, weshalb den geltend gemachten Belangen nur ein relativ geringes Gewicht beigemessen werde. Den im südlichen Bereich des Bebauungsplans gelegenen Grundstücken werde zumindest im Bereich der Obergeschosse der sogenannte Panoramablick nicht genommen. Dagegen werde die freie Aussicht der nördlich gelegenen Grundstücke in größerem Maß beeinträchtigt. Eine Reduzierung der Zahl der geplanten Wohngebäude oder eine Verringerung der Gebäudehöhe sei jedoch nicht möglich, weil damit auch eine Verringerung der Wohnfläche verbunden wäre. Das aber widerspräche dem Planungsziel, mit Grund und Boden sparsam umzugehen.

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Genehmigung des Bebauungsplans ging beim Landratsamt am 18.3.1996 ein. Nach Ablauf der Frist des § 6 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 2 BauBG-MaßnahmenG wurde die Durchführung des Genehmigungsverfahrens am 20.6.1996 öffentlich bekanntgemacht.

Die Antragsteller haben am 11.10.1996 ein Normenkontrollverfahren eingeleitet mit dem Antrag,

den Bebauungsplans der Antragsgegnerin vom 7. Februar 1996 für nichtig zu erklären.

Sie machen geltend: Dadurch, daß das Landratsamt die Genehmigung durch Verstreichen der Frist habe eintreten lassen, sei der Sinn des Genehmigungsverfahrens umgangen worden. Der Bebauungsplan verstoße gegen die Verpflichtung zur erneuten umfassenden Auslegung. Er sei ferner nichtig, da der Gemeinderat F., der mit den Veräußerern eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks verwandt sei, an nahezu allen vor dem Satzungsbeschluß gefaßten Beschlüssen des Gemeinderats teilgenommen habe. Auch sei der Plan nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt, in dem das Plangebiet als landwirtschaftliche Nutzfläche dargestellt sei. Die Voraussetzungen für einen vorzeitigen Bebauungsplan seien nicht gegeben. Insbesondere werde bestritten, daß ein dringender Bedarf an der Schaffung neuer Wohnflächen gegeben sei. Infolge der mit den bisherigen Eigentümern der im Plangebiet gelegenen Grundstücken geschlossenen Kaufverträge habe eine objektive Abwägung nicht mehr erfolgen können. Da einer der Verkäufer der Antragsgegnerin damit gedroht habe, vom Vertrag zurückzutreten, falls der Bebauungsplan nicht bis zum 1.1.1996 genehmigt und rechtskräftig sei, habe die Antragsgegnerin nicht mehr unabhängig planen können. Es komme hinzu, daß die Antragsgegnerin selbst durch den Weiterverkauf der Grundstücke einen Millionengewinn erzielen wolle. Durch die Kette der vier kasernenartigen Reihenhäuser würden sie, die Antragsteller, ihres Panoramablicks völlig beraubt. Ihnen selbst sei durch die Bebauungspläne eine eingeschossige Bauweise mit Hanggeschossen vorgeschrieben worden. Auch seien ihnen zur Erhaltung des Panoramablicks Flachdächer zur Auflage gemacht worden. Sie könnten daher aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verlangen, daß die Antragsgegnerin die gleichen Grundsätze anwende und nicht extrem abweichende Gebäudehöhen und Satteldächer erlaube. Geschädigt seien sie auch durch die unvertretbare Verkehrsanbindung, die dazu führe, daß in der K. Straße in Zukunft dauergeparkt werde, wodurch ihre Garageneinfahrten und - ausfahrten behindert würden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie erwidert: Der von den Antragstellern genannte Stadtrat sei in der Tat befangen gewesen. Er habe aber deshalb an dem Satzungsbeschluß nicht mitgewirkt. Der Bebauungsplan sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 8 Abs. 2 BauGB ungültig. Zwar stelle der (noch) rechtsverbindliche Flächennutzungsplan das Plangebiet als landwirtschaftliche Nutzfläche dar. Nach § 1 Abs. 2 S. 1 BauGB-MaßnahmenG könne jedoch ein der Deckung eines dringenden Wohnbedarfs der Bevölkerung dienender Bebauungsplan auch aufgestellt werden, bevor der Flächennutzungsplan geändert bzw. ergänzt sei, sofern die geordnete städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets nicht beeinträchtigt werde. Die Voraussetzungen für die Aufstellung eines in diesem Sinn "vorzeitigen" Bebauungsplans seien gegeben. Die im Rahmen des § 1 Abs. 6 BauGB zu berücksichtigenden Abwägungskriterien seien in jeder Hinsicht beachtet worden. Die von ihr abgeschlossenen Kaufverträge enthielten keinerlei Klauseln, die zu einer planungsrechtlich unzulässigen Vorabbindung führen könnten. Wie sich aus der Planbegründung sowie der Sitzungsvorlage ergebe, habe sie die Belange der Antragsteller in die Abwägung eingestellt. So habe sie von allen Wohnanwesen der Antragsteller Geländeschnitte anfertigen lassen, um eine etwaige Beeinträchtigung des "Panoramablicks" durch die Verwirklichung des Bebauungsplans prüfen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Bebauungsplanakten verwiesen.

Gründe

Die Anträge sind zulässig und begründet.

1. Die Anträge sind gemäß § 47 Abs. 1 S. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Die Antragsteller besitzen insbesondere die erforderliche Antragsbefugnis, und zwar sowohl nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO in seiner bisher geltenden Fassung als auch nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO in der Fassung des am 1.1.1997 in Kraft getretenen 6. VwGOÄndG. Die Frage, ob die Neufassung des § 47 Abs. 2 VwGO auch auf bereits anhängige Normenkontrollverfahren Anwendung findet (so die Ansicht des OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.1.1997 - 7a D 70/93.NE) oder ob dies mangels einer hinreichend deutlichen gesetzlichen Anordnung ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, Urt. v. 14.2.1997 - 20 N 96.2462 -, DVBl. 1997, 663; sowie Lotz, BayVBl. 1997, 257/265), bedarf daher keiner Entscheidung.

a) Nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO in seiner bis zum 1.1.1997 geltenden Fassung konnte einen Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat. Was die Anfechtung von Bebauungsplänen betrifft, ist ein derartiger Nachteil nach ständiger Rechtsprechung (grundlegend BVerwG, Beschl. v. 9.11.1979 - 4 N 1.78 -, BVerwGE 59, 87) gegeben, wenn der Antragsteller durch den angegriffenen Bebauungsplan negativ in einem Interesse betroffen wird, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieses Bebauungsplans als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung berücksichtigt werden mußte. Der Wunsch der Antragsteller, von ihrem an einem Hang gelegenen Grundstück auch weiterhin die Aussicht auf den Bodensee sowie die Alpen auf dem gegenüberliegende Schweizer Ufer genießen zu können, ist ein solches Interesse. Dem steht nicht entgegen, daß sich weder aus Art. 14 GG noch aus anderen Rechtsnormen ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf Fortbestand einer Aussichtslage herleiten läßt, da die als Abwägungsmaterial beachtlichen privaten Belange nicht auf die sich aus anderen Vorschriften ergebenden subjektiven Rechte beschränkt sind. Einzustellen sind vielmehr alle mehr als nur geringfügigen schutzwürdigen Interessen, die von der Planung betroffen sind (vgl. zuletzt BVerwG, Beschl. v. 15.5.1996 - 11 VR 3.96 -, UPR 1996, 353). Dazu gehört auch das Interessen des Nachbarn an der Beibehaltung des bisherigen, ihn tatsächlich begünstigenden Zustands (BVerwG, Beschl. v. 9.2.1995 - 4 NB 17.94 -, ZfBR 1995, 216 u. Beschl. v. 20.8.1992 - 4 NB 3.92 -, NVwZ 1993, 468).

b) Nach dem nunmehr geltenden Recht ist für die Antragsbefugnis erforderlich, daß der Antragsteller geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder ihre Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Antragsbefugnis der Antragsteller ist auch danach zu bejahen. Zwar besitzen sie, wie eben erörtert, kein Recht auf Fortbestand der bisher gegebenen Aussichtslage. Ihr Interesse an der Beibehaltung des derzeitigen Zustands gehört jedoch zu dem notwendigen Abwägungsmaterial. Die Antragsteller haben daher einen Anspruch auf angemessene Berücksichtigung dieses Belangs im Rahmen der von der Antragsgegnerin vorzunehmenden Abwägung. Dieses Recht wird durch den angefochtenen Bebauungsplan möglicherweise verletzt. Das genügt, um die Antragsbefugnis zu bejahen.

Die Frage, ob § 1 Abs. 6 BauGB, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind, dem von der Planung Betroffenen ein subjektives Recht auf gerechte Berücksichtigung seiner Interessen im Rahmen der Abwägung gibt, ist allerdings umstritten. Nach ständiger Rechtsprechung räumen die dem § 1 Abs. 6 BauG entsprechenden Vorschriften der Fachplanungsgesetze (z.B. §§ 17 Abs. 1 S. 2 FStrG, 18 Abs. 1 S. 2 AEG, 14 Abs. 1 S. 2 WaStrG) dem von der Planung Betroffenen ein solches Recht ein (vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 14.2.1975 - 4 C 21.74 -, BVerwGE 48, 56, 66; Urt. v. 18.3.1993 - 4 C 80.79 -, BVerwGE 67, 74; Urt. v. 14.4.1989 - 4 C 31.88 -, BVerwGE 82, 17; Urt. v. 27.11.1996 - 11 A 100.95 -, UPR 1997, 149, 150; kritisch aber Gaentzsch, Festschrift für Schlichter, S. 524). Im Anschluß hieran ist das BVerwG in seinem Beschluß vom 28.7.1994 - 4 B 94.94 (NVwZ 1995, 598) - auch im Rahmen der Bauleitplanung von einem subjektiven Recht aller Planbetroffenen auf eine gerechte Berücksichtigung ihrer Interessen als selbstverständlich ausgegangen. Dies steht jedoch im Widerspruch zu anderen, älteren Entscheidungen des gleichen Gerichts. In seinem Urteil vom 29.7.1977 - IV C 51.75 (BVerwGE 54, 211) - hat das BVerwG den Standpunkt vertreten, daß sich aus § 1 Abs. 4 und 5 BBauG 1960 keine Ansprüche auf die hinreichende Berücksichtigung bestimmter eigener Belange herleiten liessen (ebenso zu § 1 Abs. 6 BauGB Beschl. v. 16.12.1992 - 4 B 202.92 -, Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 4 sowie OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.1.1997, a.a.O). Dies wird in der genannten Entscheidung damit begründet, daß subjektive Rechte bei Verwaltungsakten die Handhabe lieferten, deren (notfalls gerichtliche) Aufhebung zu erreichen. Einer solchen Aufhebung bedürfe es aber bei Bebauungsplänen nicht, da ein abwägungsfehlerhafter Bebauungsplan schon aus sich heraus nichtig sei. Ein subjektives Recht "auf Abwägung" hätte daher bei Plänen, die - wie Bebauungspläne - als Rechtssätze erlassen würden, eine ganz andere Funktion als gegenüber Plänen von Verwaltungsaktqualität.

Ob dieser Begründung durch die Anpassung der Antragsbefugnis an die Regelung der Klagebefugnis in § 42 Abs. 2 VwGO ihre Grundlage entzogen worden ist (so Dürr in NVwZ 1996, 109), kann dahinstehen, da ihr der Senat unabhängig davon nicht zu folgen vermag. Ob eine bestimmte Vorschrift nur objektiv-rechtliche Bedeutung besitzt oder für einen bestimmten Personenkreis auch subjektive Rechte begründet, ergibt sich nicht aus den Vorschriften der VwGO, die lediglich die prozessuale Durchsetzung solcher Rechte regelt, sondern aus dem jeweiligen materiellen Recht. Daraus, daß § 47 VwGO keine dem § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO entsprechende Regelung enthält und daher - vorbehaltlich der §§ 214, 215 BauGB - jeder Rechtsverstoß zur Nichtigkeit eines Bebauungsplans führt, kann folglich nichts für das in Rede stehende Problem hergeleitet werden. Allgemein anerkannten Grundsätzen folgend ist vielmehr zu fragen, ob die Verpflichtung, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gerecht abzuwägen, nur im Interesse der Allgemeinheit besteht oder zugleich den Schutz von Individualinteressen bezweckt (vgl. zu diesem Ansatz etwa BVerwG, Urt. v. 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, DÖV 1987, 296, Urt. v. 15.7.1987 - 4 C 56.83 -, BVerwGE 78,40 und Urt. v. 3.7.1987 - 4 C 41.86 -. RdL 1988, 83). Diese Frage kann für die Bauleitplanung vernünftigerweise nicht anders beantwortet werden als für das Fachplanungsrecht. Wie die ausdrückliche Einbeziehung der privaten Belange zeigt, ist hier wie dort auch der Schutz der privaten Interessen der von der Planung Betroffenen bezweckt und damit eine drittschützende Zielrichtung anzuerkennen.

Für die Anerkennung einer drittschützenden Wirkung des Abwägungsgebots im Bauplanungsrecht ebenso wie im Fachplanungsrecht spricht auch, daß nach § 17 Abs. 3 FStrG der für den Bau oder die wesentliche Änderung einer Bundesfernstraße erforderliche Planfeststellungsbeschluß durch einen Bebauungsplan ersetzt werden kann. Gleiches gilt nach § 37 Abs. 4 StrG für den Bau oder die wesentliche Änderung von Landesstraßen. Verneint man ein Recht auf fehlerfreie Abwägung der eigenen Belange in der Bauleitplanung, hätte dies zur Konsequenz, daß ein von einem Straßenbauvorhaben Betroffener im Fall einer straßenrechtlichen Planfeststellung eine angemessene Berücksichtigung seiner Belange beanspruchen und dies verwaltungsgerichtlich durchsetzen könnte, im Fall einer Planung derselben Straße durch Bebauungsplan dagegen nicht. Für eine solche unterschiedliche Behandlung der von der Planung Betroffenen gibt es angesichts des nahezu gleichen Wortlauts der jeweiligen Vorschriften - §§ 17 Abs. 1 S. 2 FStrG, 37 Abs. 6 StrG einerseits, § 1 Abs. 6 BauGB andererseits - keine sachliche Rechtfertigung.

Die Annahme, daß § 1 Abs. 6 BauGB ein subjektives Recht der Planbetroffenen auf angemessene Berücksichtigung ihrer eigenen Belange begründet, wird nicht dadurch gehindert, daß nach § 2 Abs. 3 BauGB kein Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans besteht (in dieser Richtung aber Gaentzsch, a.a.O., S. 526, sowie OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.1.1997, a.a.O. S. 9 UA). Daraus, daß der einzelne keinen Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans hat, kann nicht auf das Nichtbestehen von Ansprüchen im Rahmen eines von der Gemeinde einmal eingeleiteten Aufstellungsverfahrens geschlossen werden. Im übrigen gibt es auch im Fachplanungsrecht keinen Anspruch eines Dritten auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.1980 - 4 C 24.77 -, NJW 1981, 239).

Der Senat verkennt nicht, daß die vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO bezweckte Beschränkung der Antragsbefugnis bei Anerkennung eines subjektiven Rechts "auf Abwägung" in der Bauleitplanung kaum erreicht wird, da sich in diesem Fall für die Normenkontrolle von Bebauungsplänen zumindest keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem bisherigen Rechtszustand ergeben. Hierauf wurde jedoch schon während des Gesetzgebungsverfahrens von verschiedener Seite hingewiesen. Auch kann dies nicht zu einem anderen Verständnis des § 1 Abs. 6 BauGB führen. Das eigentlich Unbefriedigende an der bisherigen und derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung der Normenkontrolle von Bebauungsplänen ist im übrigen nicht die Regelung der Antragsbefugnis, sondern das Fehlen einer § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO entsprechenden Bestimmung. Das zeigt gerade der vorliegende Fall in aller Deutlichkeit.

2. Die Anträge haben auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Bebauungsplan ist nichtig.

a) Die von den Antragstellern gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen des Bebauungsplans erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Einen Verfahrensfehler stellt es insbesondere nicht dar, daß der Gemeinderat der Antragsgegnerin zusammen mit seinem am 8.11.1995 gefaßten Beschluß, den überarbeiteten Bebauungsplanentwurf erneut auszulegen, bestimmt hat, daß Bedenken und Anregungen nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen vorgebracht werden können. Ein solches Vorgehen läßt § 3 Abs. 3 S. 1 2. Halbsatz BauGB ausdrücklich zu. Die im Hinblick auf die durch die Straßen- und Kanalplanung notwendig gewordenen Änderungen des - in der Zeit vom 19.6. bis zum 19.7.1995 ausgelegten - Planentwurfs (Höherlegung der Erdgeschoßfußbodenhöhen im Bereich der geplanten Erschließungsstraße, Verzicht auf einen Bauplatz im Bereich der Einmündung der Erschließungsstraße in die K. Straße) wurden in der Bekanntmachung der erneuten Auslegung im einzelnen aufgeführt. Für die hiervon Betroffenen war es daher ohne weiteres möglich, die Änderungen des Plans mit ihren Auswirkungen festzustellen und dagegen gegebenenfalls Bedenken geltend zu machen.

Die Mitwirkung des Gemeinderats F. an verschiedenen dem Satzungsbeschluß vorangegangenen Beschlüssen des Gemeinderats führt ebenfalls nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplans. Zwar wird auch von der Antragsgegnerin eingeräumt, daß der genannte Gemeinderat F. wegen seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Veräußerern eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks befangen und daher gemäß § 18 Abs. 1 GemO von einer Mitwirkung an den Beratungen und Entscheidungen des Gemeinderats ausgeschlossen gewesen sei. Für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Bebauungsplans ist jedoch allein der Satzungsbeschluß maßgebend. Auf die Rechtmäßigkeit der anderen während des Verfahrens gefaßten Beschlüsse kommt es daher jedenfalls im Grundsatz nicht an (ständige Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs, vgl. etwa 18.12.1995 - 3 S 3406/94 -, PBauE § 3 BauGB Nr. 13). An dem in der Sitzung vom 7.2.1996 gefaßten Satzungsbeschluß hat der betreffende Gemeinderat nicht mitgewirkt. Für eine "Infizierung" des nachfolgenden Verfahrens durch die diesem Beschluß vorangegangenen Beschlüsse (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 15.4.1987 - 4 N 8.87 -, BVerwGE 79, 200 = PBauE § 10 BauGB Nr. 3) sieht der Senat keine Anhaltspunkte.

b) Der angefochtene Bebauungsplan ist ferner nicht deshalb nichtig, weil das Plangebiet im Flächennutzungsplan derzeit noch als Fläche für landwirtschaftliche Nutzung dargestellt ist. Nach seiner Begründung soll der angefochtene Plan der Deckung eines dringenden Wohnbedarfs der Bevölkerung dienen. Gemäß § 1 Abs. 2 BauGB-MaßnahmenG kann ein solcher Bebauungsplan auch aufgestellt werden, bevor der Flächennutzungsplan geändert oder ergänzt worden ist, sofern die geordnete städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Eine solche Beeinträchtigung ist im vorliegenden Fall nicht zu befürchten. Gegenteiliges wird auch von den Antragstellern nicht behauptet. Darauf, ob die Antragsgegnerin die Voraussetzung des § 1 Abs. 2 BauGB-MaßnahmenG, daß durch die Aufstellung des Bebauungsplans ein dringender Wohnbedarf der Bevölkerung gedeckt wird, richtig beurteilt hat, kommt es nicht an, da die sich aus einer etwaigen Fehlbeurteilung ergebende Verletzung der Vorschriften über das Verhältnis des Bebauungsplans zum Flächennutzungsplan gemäß § 9 Abs. 1 BauGB-MaßnahmenG für die Rechtswirksamkeit des angefochtenen Plans unbeachtlich wäre.

c) Der von der Antragsgegnerin beschlossene Bebauungsplan beruht jedoch auf einer nicht ordnungsgemäßen Abwägung. Dies zieht seine Nichtigkeit nach sich.

Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die Beachtung dieses Gebots ist nach ständiger Rechtsprechung (grundlegend BVerwG, Urt. v. 5.7.1974 - 4 C 50.72 -, BVerwGE 45, 309) gerichtlich nur darauf überprüfbar, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden mußte, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Diesen Anforderungen wird die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nicht gerecht.

Die Abwägung der Antragsgegnerin ist allerdings nicht bereits deshalb zu beanstanden, weil sie vor dem Satzungsbeschluß mit den Eigentümern der im Plangebiet gelegenen Grundstücke Kaufverträge abgeschlossen hat. Die Ansicht des Antragstellers, daß die Antragsgegnerin wegen dieser Verträge nicht mehr frei in ihrer Abwägung gewesen sei, trifft nicht zu. In den Verträgen haben sich vielmehr beide Seiten für den Fall ein Rücktrittsrecht vorbehalten, daß ein Bebauungsplan nicht innerhalb einer bestimmten Frist "bestandskräftig erstellt ist". Eine wie auch immer geartete Planungsbindung läßt sich auch dem übrigen Inhalt der geschlossenen Verträge nicht entnehmen. Die Antragsgegnerin war daher trotz dieser Verträge nach wie vor "Herrin ihrer Entschlüsse".

Die Behandlung der mit der Beeinträchtigung des bestehenden "Panoramablicks" begründeten Einwendungen der Antragsteller durch den Gemeinderat der Antragsgegnerin läßt einen Abwägungsfehler ebenfalls nicht erkennen. Der Gemeinderat hat diese Einwendungen mit der Begründung zurückgewiesen, daß es einen Anspruch auf Gewährleistung einer bisherigen Aussichtslage nicht gebe, die Bebauung aber gleichwohl unter größtmöglicher Schonung des Ausblicks der bestehenden Gebäude entwickelt worden sei. Eingeräumt wird allerdings, daß die freie Aussicht der im Norden gelegenen Grundstücke - zu denen die den Antragstellern 5-8 gehörenden Grundstücke H. R. 1 und 2 sowie K. Straße 76 und 78 gehören - in größerem Maße beeinträchtigt werde. Die Antragsgegnerin hat es jedoch nicht für vertretbar gehalten, das Niveau der in diesem Bereich geplanten Häuser tiefer zu legen, da dann die Garagen und Stellplätze nicht oder nur schwer (von der K. Straße) anfahrbar wären. Auch eine Reduzierung der Zahl der Wohngebäude oder der Gebäudehöhe hat die Antragsgegnerin verworfen, weil dies eine Verringerung der Wohnfläche bedeute, was dem Planungsziel, mit Grund und Boden sparsam umzugehen, widerspreche. Gegen diese Argumentation ist ebensowenig etwas einzuwenden wie gegen den ergänzenden Hinweis, daß die Bauweise im Gebiet des Bebauungsplans mit Grundstücksgrößen von über 1.000 qm nicht mehr zeitgemäß sei und die Konzentration der baulichen Nutzung auf eine geringere Grundfläche gleichzeitig eine stärkere Höhenentwicklung verlange.

Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung leidet jedoch an einer unzutreffenden Einschätzung des durch ihre Planung hervorgerufenen Konflikts zwischen dem geplanten Wohngebiet und der Nutzung des unmittelbar angrenzenden, dem Antragsteller des Parallelverfahrens 8 S 2181/96 gehörenden Grundstücks für den (Intensiv-)Obstbau. In seinem in diesem Verfahren ergangenen Urteil vom gleichen Tag hat der Senat insoweit ausgeführt:

"Der vom Antragsteller praktizierte Obstbau erfordert in erheblichem Umfang den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die im Spritzverfahren mit Sprühnebel ausgebracht werden. Die Zahl der in der Zeit von März bis September erforderlichen Spritzdurchgänge wird von vom Antragsteller auf etwa 20 beziffert, was sich mit den Angaben des in der mündlichen Verhandlung gehörten Vertreters der Landesanstalt für Pflanzenschutz deckt. Wie der Vertreter der Landesanstalt für Pflanzenschutz ferner bestätigt hat, tritt bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln - bedingt durch das angewendete Verfahren - zwangsläufig eine Abtrift auf mit der Folge, daß ein Teil der versprühten Mittel auf die Nachbargrundstücke gelangt. Diese Abtrift kann nach seinen Angaben bis zu 50 m, in Einzelfällen auch bis zu 100 m reichen.

Die geplante Wohnbebauung ist von dem Grundstück des Antragstellers etwa 14 m entfernt und befindet sich damit im Bereich der zu erwartenden Abtrift. Der Abstand des im Süden des Plangebiets geplanten Kinderspielplatzes sowie der Außenwohnbereiche beläuft sich sogar auf nur ungefähr 9 m. Auf die angesichts dieser geringen Abstände mit der Planung der Antragsgegnerin verbundene Problematik haben außer dem Antragsteller auch das Amt für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur T. sowie das Staatliche Gesundheitsamt F. hingewiesen. Die Antragsgegnerin hat diese Bedenken zur Kenntnis genommen, sich jedoch unter Bezugnahme auf die von ihr eingeholte Auskunft der Landesanstalt für Pflanzenschutz vom 26.5.1994 auf den Standpunkt gestellt, daß bei einer bestimmungsgemäßen Verwendung der vom Antragsteller verwendeten Pflanzenschutzmittel nicht mit einer unzumutbaren Belästigung der im Planbereich wohnenden Personen zu rechnen sei. Diese Annahme wird indessen von der genannten Stellungnahme nicht getragen.

Die Landesanstalt für Pflanzenschutz hat sich in ihrer Stellungnahme nicht zu der konkreten Planung der Antragsgegnerin geäußert, sondern nur allgemeine Ausführungen zu der Frage des Abstands zwischen Obst- und Hopfengärten und einer benachbarten Wohnbebauung gemacht. In diesem Zusammenhang wurde von ihr zunächst auf § 15 Abs. 1 PflSchG hingewiesen, wonach sowohl Pflanzenschutzmittel als auch ihre Abtrift keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen haben dürfen. Nur unter dieser Voraussetzung dürfe ein Mittel zugelassen werden. Da das hierfür früher zuständige Bundesgesundheitsamt für ein zugelassenes Mittel keine Mindestabstände festgelegt habe, sei hieraus zu folgern, daß bei sachgerechter und bestimmungsgemäßer Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln gesundheitliche Schädigungen nicht zu erwarten seien. Wie der Verfasser der Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, bezieht sich diese Aussage jedoch lediglich auf die Gefährdung einer durch die Abtriftwolke gehenden Person, d.h. einer Person, die nur einer einmaligen und nur kurzzeitigen Einwirkung ausgesetzt ist. Gesundheitliche Gefahren für in der Nähe der Ausbringungsfläche wohnende Personen, die naturgemäß einer wesentlich häufigeren und längerdauernden Einwirkung ausgesetzt sind, lassen sich nach seinen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vielmehr erst ab einem Abstand von 20 m ausschließen. Noch vorsichtiger ist die der Stellungnahme der Landesanstalt für Pflanzenschutz als Anlage beigefügte Auskunft der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft vom 30.3.1994 formuliert, deren Verfasser lediglich "akute Vergiftungen" ab einem Abstand von 20 m zwischen Behandlungsfläche und Wohngebäuden für unwahrscheinlich hält und bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln - zumal bei einer Raumkultur wie Hopfen - aus Sicherheitsgründen einen Mindestabstand von 50 m zu Wohngebieten vorschlägt.

Die Frage, ob bei den im vorliegenden Fall eingehaltenen Abständen, die immerhin deutlich unter der genannte 20 m-Grenze liegen, Gesundheitsgefahren für die im Planbereich wohnenden Personen zu befürchten sind, ist jedoch letztlich nicht entscheidend, da auf §§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 1 BGB gestützte Abwehransprüche nicht erst bei derartigen Gefahren gegeben sind, sondern schon bei erheblichen, d.h. den Betroffenen unzumutbaren Belästigungen einsetzen (vgl. zum Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung im Sinn des § 906 Abs. 1 BGB BGH, Urt. v. 25.3.1993 - III ZR 60/91 -, BGHZ 122, 76, 78 sowie Urt. v. 20.11.1992 - V ZR 82/91 -, BGHZ 120, 239, 255). Die von der Antragsgegnerin ihrer Abwägung zugrunde gelegte Annahme, daß mit derartigen Belästigungen der künftigen Bewohner bei einer bestimmungsgemäßen Verwendung der Pflanzenschutzmittel durch den Antragsteller nicht zu rechnen sei, hält der Senat nach der zitierten Stellungnahme der Landesanstalt für Pflanzenschutz sowie den dazu von ihrem Verfasser in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen nicht für gesichert. Dies gilt um so mehr, als der sich bereits aus den geringen Abständen ergebende Konflikt zwischen der geplanten Wohnbebauung und der Obstbaumkultur des Antragstellers durch die vorhandenen meteorologischen und topographischen Verhältnisse weiter verschärft wird. Zu berücksichtigen ist zunächst, daß das geplante Wohngebiet östlich des Grundstücks des Antragstellers liegt, weshalb aufgrund der vorherrschenden Winde aus Richtung Westen und Nordwesten mit einer verstärkten Abtrift in Richtung auf dieses Gebiet zu rechnen ist. Ferner wirkt sich der Umstand, daß das Plangebiet hangaufwärts liegt, entgegen der von einem Mitglied des Gemeinderats in der Sitzung vom 7.2.1996 (Niederschrift S. 31) geäußerten Auffassung nicht positiv, sondern negativ aus, da die Abtrift - mit den Worten des Vertreters der Landesanstalt für Pflanzenschutz - "den Hang hinaufgeht".

Die im Bebauungsplan vorgesehene Schutzpflanzung auf einem 3 bis 4 m breiten Streifen am westlichen Rand des Plangebiets ist jedenfalls deshalb nicht geeignet sei, die Abtrift von Pflanzenschutzmitteln in nennenswerter Weise zu verringern, weil, wie der Antragsteller zu Recht einwendet, einer Bepflanzung dieses Streifens mit höherwachsenden Pflanzen die Bestimmungen des Nachbarrechtsgesetz entgegenstehen. Diese Vorschriften werden entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht durch den Bebauungsplan "überlagert oder verdrängt". Zwar besitzen nach § 27 S. 1 NRG die Festsetzungen in einem Bebauungsplan über Böschungen, Aufschüttungen, Einfriedigungen, Hecken- oder Anpflanzungen insoweit den Vorrang, als die nachbarrechtlich notwendigen Abstände nicht eingehalten werden müssen, wenn es die Verwirklichung der planerischen Festsetzungen erfordert. Dies gilt jedoch nach § 27 S. 2 NRG nicht gegenüber landwirtschaftlich genutzten Grundstücken.

Unzumutbare Belästigungen der künftigen Bewohner des Plangebiets durch die Abtrift der vom Antragsteller verwendeten Pflanzenschutzmittel lassen sich somit nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschliessen. Der Antragsteller ist daher dem erheblichen Risiko ausgesetzt, daß gegen ihn seitens der künftigen Bewohner Abwehransprüche erhoben werden und er dadurch in der bisherigen Nutzung seines Grundstücks eingeschränkt wird. Dem läßt sich nicht, wie die Antragsgegnerin meint, entgegenhalten, daß der Antragsteller ohnehin verpflichtet sei, dafür zu sorgen, daß schädliche Chemikalien nicht auf die Nachbargrundstücke gelangen könnten, da diese Pflicht auch dann bestehe, wenn die benachbarten Grundstücke nicht mit Wohngebäuden bebaut seien. Die Antragsgegnerin übersieht damit, daß nach § 906 Abs. 1 BGB der Eigentümer eines Grundstücks die von einem anderen Grundstück ausgehenden Einwirkungen insoweit nicht verbieten kann, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Zur Beurteilung der Wesentlichkeit ist nach der Rechtsprechung des BGH auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers abzustellen, wobei Natur und Zweckbestimmung des betroffenen Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit eine entscheidende Rolle spielen (vgl. u.a. Urt. v. 20.11.1992 - V ZR - 82/91 -, BGHZ 120, 239, 259 sowie Urt. v. 2.2.1984 - V ZR 54/83 -, BGHZ 90, 255, 260). Hiervon ausgehend wurde bisher die Benutzung der im Plangebiet gelegenen Grundstücke durch die Abtrift von Pflanzenschutzmitteln nicht oder jedenfalls nicht wesentlich beeinträchtigt, da die Grundstücke in der Vergangenheit ebenfalls für den Obstbau genutzt worden sind. Nach der infolge des Bebauungsplans zu erwartenden Bebauung der Grundstücke mit Wohnhäusern kann dies dagegen nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden.

Ob und inwieweit sich der vorhandene Konflikt zwischen der geplanten Wohnbebauung und der Obstbaumkultur des Antragstellers durch die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Eintragung von persönlichen Dienstbarkeiten lösen läßt, kann dahinstehen. Nicht ausreichend ist jedenfalls die bloße Absichtserklärung des Gemeinderats der Antragsgegnerin, von den Bauplatzkäufern die Eintragung solcher - im übrigen nicht näher spezifizierter - Dienstbarkeiten verlangen zu wollen, da ein solcher jederzeit aufhebbarer Beschluß dem Antragsteller keinerlei Sicherheit bietet.

Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung beruht demnach auf einer unzutreffenden Einschätzung und Bewältigung der durch ihre Planung für den Antragsteller hervorgerufenen Probleme. Der darin liegende Fehler im Abwägungsvorgang führt gemäß § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB zur Nichtigkeit des Bebauungsplans. Nach dieser Vorschrift sind Fehler im Bebauungsplan nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Fehlvorstellung der Antragsgegnerin betrifft die "äußere Seite" des Abwägungsvorgangs und stellt damit einen im Sinn des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB offensichtlichen Fehler dar. Der Fehler ist ferner auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen. Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, daß nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, daß der Gemeinderat ohne den Mangel zu einem anderen Abwägungsergebnis gekommen wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.1.1992 - 4 NB 22.90 -, NVwZ 1992, 662 und Beschl. v. 20.1.1992 - 4 B 71.90 -, NVwZ 1992, 663). Das ist hier der Fall. Die Antragsgegnerin hat sich mit den Einwendungen des Antragstellers eingehend beschäftigt. Sie hat ferner durch die Ausweisung eines Pflanzschutzstreifens versucht, seine Bedenken zu zerstreuen. Die Möglichkeit, daß die Antragsgegnerin bei einer richtigen Einschätzung der Problematik zugunsten des Antragstellers weitere Abstriche von ihrer Planung gemacht hätte, läßt sich daher nicht verneinen."

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1VwGO. Die Frage, ob § 1 Abs. 6 BauGB dem von der Bauleitplanung Betroffenen ein subjektives Recht auf gerechte Berücksichtigung seiner Interessen im Rahmen der Abwägung einräumt, besitzt grundsätzliche Bedeutung.