OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.09.1997 - 15 A 2770/94
Fundstelle
openJur 2012, 132767
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 10 K 3730/93
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der -Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

I.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 130 b Satz 1 VwGO).

Gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt, zu deren Begründung er im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend trägt er vor: Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei nach wie vor die Frage, ob sein Beteiligungsrecht verletzt worden sei, indem, ohne ihn zu beteiligen, dem Rat der Stadt für die Sitzung vom 24. Juni 1993 eine Beschlußvorlage zugeleitet worden sei, nach der die Entscheidung der Deutschen Bahn, in im Bereich der Straße ein neues Frachtzentrum zu bauen, ausdrücklich begrüßt werde. Daß dieses Vorhaben an dieser Stelle nicht mehr verwirklicht werden solle, sei insoweit ohne Bedeutung.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

Die Klage ist zulässig.

Es handelt sich nicht um ein Kommunalverfassungsstreitverfahren, sondern um ein sonstiges Organstreitverfahren, weil die Beteiligten nicht als Kommunalorgane, sondern als Organe der Landschaftsverwaltung streiten. Die Stadt ist als kreisfreie Stadt nach § 8 Abs. 1 Satz 3 LG NW untere Landschaftsbehörde. Der Kläger ist ein gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 LG NW bei der unteren Landschaftsbehörde zu bildender Beirat. Allerdings sind auf sonstige Organstreitverfahren die für Kommunalverfassungsstreitverfahren entwickelten Grundsätze übertragbar.

Vgl. BVerwG, Beschluß vom 9. Oktober 1984 - 7 B 187/84 -, WwZ 1985, 112 (113); Redeker/von Oertzen/Redeker, Verwaltungsgerichtsordnung, 12, Aufl. 1997, § 43 Rdnr. 15.

Die Klage ist als Feststellungsklage i.S.d. § 43 VwGO (in einem Organstreitverfahren) statthaft.

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der (ehemalige) Oberstadtdirektor der Stadt verpflichtet war, vor der Zuleitung der von ihm gefertigten Beschlußvorlage für die Ratssitzung vom 24. Juni 1993 an den Rat den Kläger gemäß § 11 Abs. 2 LG NW zu beteiligen. Der Streit betrifft damit das Bestehen eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses. Auch Rechte und Verpflichtungen aus einem vergangenen Rechtsverhältnis können Gegenstand einer Feststellungsklage sein, wenn sich noch konkrete Auswirkungen ergeben können.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61, 164 (169); Redeker/von Oertzen/Redeker, Rdnr. 8.

Das damit angesprochene Feststellungsinteresse ist hier gegeben. Zwar wurde der Plan, ein Frachtzentrum der Deutschen Bahn im Bereich der Straße in zu errichten, inzwischen aufgegeben, so daß die unterbliebene Beteiligung des Klägers für dieses Projekt keine Bedeutung mehr erhalten kann. Der Kläger hat aber - unwidersprochen - vorgetragen, daß die Stadt es immer wieder versäumt, ihn bei der Standortsuche für Großvorhaben, die in realisiert werden sollen und Bezug zum Landschaftsschutz haben, rechtzeitig zu beteiligen. Danach besteht die Möglichkeit, daß die Stadt diese Verwaltungspraxis beibehält und daß ein gleiches oder ähnliches Rechtsverhältnis wie das hier im Streit befindliche neu entsteht. Für den Kläger ergibt sich daraus ein berechtigtes Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung zu erfahren, ob diese Verwaltungspraxis rechtmäßig ist.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 13. April 1989 - 3 C 11.86 -, BVerwGE 82, 7 (9); Redeker/von Oertzen/Redeker, a.a.O., Rdnr. 21.

Der Statthaftigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 VwGO entgegen. Ob es dem Kläger möglich gewesen wäre, die von ihm für erforderlich gehaltene Beteiligung im Wege der Leistungsklage geltend zu machen, kann offen bleiben. Selbst wenn man diese Möglichkeit unterstellt, würde der in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO normierte Subsidiaritätsgrundsatz hier nicht greifen, weil anerkannt ist, daß eine Feststellungsklage zulässigerweise anstelle einer Leistungsklage erhoben werden kann, wenn sie sich gegen eine öffentlichrechtliche Körperschaft oder Behörde richtet, Beklagte also, von denen angesichts ihrer verfassungsmäßig verankerten Bindung an Recht und Gesetz die Respektierung von Gerichtsurteilen auch ohne dahinterstehenden Vollstreckungsdruck erwartet werden darf.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1970 - VI C 8.69 -, BVerwGE 36, 179 (181 f.).

Nach der im Organstreitverfahren analog anzuwendenden Vorschrift des § 61 Nr. 2 VwGO

vgl. dazu HessVGH, Beschluß vom 28. April 1992 - 3 TG 647/92 -, NVwZ 1992, 904; Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1997, S. 151 ff.; Schoch, JUS 1987, 783 (785 f.); a.A. Schink, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht Nordrhein-Westfalen, 1989, Rdnr. 132; der bezogen auf den Beirat nach § 11 LG NW § 61 Nr. 1 VwGO für entsprechend anwendbar hält,

ist der Kläger auch beteiligtenfähig, weil ihm das hier geltend gemachte Beteiligungsrecht nach § 11 Abs. 2 LG NW zustehen kann.

Bei diesem Recht handelt es sich um eine wehrfähige Innenrechtsposition, so daß auch die für die Zulässigkeit der Feststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis zu bejahen ist.

Vgl. insoweit BVerwG, Beschluß vom 22. Dezember 1988 - 7 B 208.87 -, NVwZ 1989, 470; Beschluß vom 30. Juli 1990 - 7 B 71.89 -, NVwZ 1991, 470 (471); Urteil vom 29. Juni 1995 - 2 C 32.94 -, BVerwGE 99, 64 (65 f.), jeweils m.w.N.

Wehrfähig ist eine Innenrechtsposition, wenn sie dem Organ oder Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung, übertragen ist.

Vgl. Erichsen, a.a.O., S. 154; Schink, a.a.O.

Das ist hier der Fall. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LG NW genießen die bei der unteren Landschaftsbehörde gebildeten Beiräte Unabhängigkeit. Daraus folgt, daß sie auch u.a. ihr Beteiligungsrecht nach § 11 Abs. 2 LG NW unabhängig und damit eigenständig wahrnehmen.

Die Beklagte (allein) ist die richtige Klagegegnerin. Sie ist die Funktionsnachfolgerin des früheren Oberstadtdirektors der Stadt der nach Ansieht des Klägers als untere Landschaftsbehörde der (kreisfreien) Stadt verpflichtet gewesen sein soll, die Beschlußvorlage für die Ratssitzung vom 24. Juni 1993 nicht ohne vorherige Beteiligung des Klägers zu fertigen.

Vgl. auch HessVGH, a.a.O.; Schink,

a.a.O., Rdnr. 132.

Mit Rücksicht darauf, daß nur die Beklagte und nicht auch die Stadt richtige Klagegegnerin ist, hat der Senat das vom Verwaltungsgericht um die Stadt als weitere Beklagte erweiterte Passivrubrum von Amts wegen wieder geändert.

Für die Klage besteht schließlich auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger hat im Verhältnis zur Beklagten ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung. Eine gerichtliche Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage ist deshalb erforderlich, weil dieser Streit innerhalb der Landschaftsverwaltung mit behördlichen Mitteln nicht beigelegt werden kann. Es fehlt nämlich an einer gemeinsamen Entscheidungsspitze mit Weisungsbefugnis gegenüber beiden Beteiligten. Der Kläger ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LG NW unabhängig und unterliegt damit keinen Weisungen etwa der übergeordneten Landschaftsbehörden. Damit sind diese auch nicht in der Lage, den zwischen den Beteiligten bestehenden Streit im Wege der Aufsicht beizulegen.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 6. Oktober

1991 - 8 C 10.90 -, NJW 1992, 927;

HessVGH, a.a.O.

Die Klage ist aber nicht begründet.

Der ehemalige Oberstadtdirektor der Stadt hat das in § 11 Abs. 2 LG NW vorgesehene Beteiligungsrecht des Klägers nicht verletzt, als er die Beschlußvorlage für die Ratssitzung vom 24. Juni 1993 ohne Beteiligung des Klägers fertigte. Es bestand nämlich keine Verpflichtung, den Kläger zu beteiligen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LG NW sind die Landschaftsbeiräte vor allen wichtigen Entscheidungen und Maßnahmen der Behörde zu hören, bei der sie eingerichtet sind. Die hier allein streitgegenständliche Beschlußvorlage war keine Entscheidung, sondern, wie der Kläger in seinem Klageantrag formuliert hat, lediglich ein (Beschluß-)Vorschlag. Der - nicht im Streit stehende - Beschluß des Rates war keine Entscheidung der unteren Landschaftsbehörde. Abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen ist der Rat keine Behörde, sondern allein der Oberstadtdirektor (Oberbürgermeister[in]).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwG0 nicht vorliegen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.