LG Hamburg, Urteil vom 29.08.2008 - 324 O 24/08
Fundstelle
openJur 2009, 1264
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,-; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre)

zu unterlassen,

Fotos, die den Kläger zeigen, bis zum Eintritt von dessen Volljährigkeit zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen oder sonst zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen.

II. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist bezüglich der Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 100.000, bezüglich der Ziffer II. in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

und beschließt: Der Streitwert wird auf € 100.000,- festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um ein pauschales Verbot, Fotos, die den Kläger zeigen, zu veröffentlichen.

Der Kläger ist der minderjährige Sohn des bekannten Sportlers Franz B.. Die Beklagte verlegt unter anderem die Zeitschriften „n...W...“, „V...S..“ und „F... a....“.

In der Zeitschrift „n...W...“ vom 6. Januar 2007 (Ausgabe 2/2007) veröffentlichte die Beklagte unter der Überschrift „Franz B. – Nimmt er Heidi die Kinder weg?“ auf Seite 7 ein Foto, das den Kläger gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester zeigt, wobei das Gesicht des Klägers gepixelt dargestellt wurde. Auf die Abmahnung des Klägers gab die Beklagte am 16.Januar 2007 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, mit der sie sich verpflichtete, es zu unterlassen, dieses Foto erneut zu veröffentlichen.

In der Zeitschrift „V...S..“ vom 30. Mai 2007 (Ausgabe 23/2007) veröffentlichte die Beklagte auf Seite 4 unter der Überschrift „Neuer Job für Franz B. Lässt er seine süßen Kinder im Stich?“ ein Foto, das den Kläger unter anderem mit seiner Mutter und seiner Schwester zeigt. Auf die Abmahnung des Klägers gab die Beklagte am 12. Juni 2007 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, mit der sie sich verpflichtete, es zu unterlassen, dieses Foto erneut zu veröffentlichen.

In der Zeitschrift „F... a....“ vom 14.7.2007 folgte eine Veröffentlichung unter der Überschrift „Was andere Promis taten…“. Darin enthalten war ein Foto, das den Kläger auf dem Arm seines Vaters zeigt. Diesbezüglich verweigerte die Beklagte die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung, da das Foto einem offiziellen Ereignis, nämlich dem „K...C...“ in Bad G. entstamme.

In „n...W...“ vom 20. Oktober 2007 (Ausgabe 43/2007) veröffentlichte die Beklagte auf Seite 9 einen Artikel mit der Überschrift „Franz B. Erschütterndes Krebsdrama So gab er einer verzweifelten Mutter neuen Lebensmut!“, dem ein Foto des Klägers mit seinen Eltern beigefügt war. Dieses Foto entstand anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten der Eltern des Klägers im Hotel S.... Der Kläger forderte die Beklagte auf, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, mit der sie sich verpflichten sollte, zukünftig keine Fotos des Klägers mehr zu veröffentlichen. Die Beklagte verpflichtete sich daraufhin, das konkrete Foto des Klägers nicht mehr zu veröffentlichen. Die Forderung nach Abgabe einer weitergehenden Unterlassungsverpflichtungserklärung wies die Beklagte zurück.

Der Kläger trägt vor, er habe angesichts der hartnäckigen Missachtung seines Persönlichkeitsrechts durch die Beklagte Anspruch auf eine umfassende Unterlassungserklärung.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Zwangsmittel zu unterlassen, Fotos / Bilder von Kläger zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen und / oder sonst verbreiten bzw. verbreiten zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sämtliche der streitgegenständlichen Fotografien seien bei offiziellen Anlässen entstanden bzw. stellten solche dar, in denen bewusst mit den Kindern für die Kamera posiert worden sei. Es lägen keine Situationen der örtlichen Abgeschiedenheit vor.

Ein per „Allgemeinverfügung“ erlassenes vorbeugendes gerichtliches Bildnisverbot sei vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 13.11.2007 (Az. VI ZR 265/06 und VI ZR 269/06) nicht zu halten. Ob dem Betroffenen ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung kerngleicher Bilder zustehe, könne nicht im Voraus beurteilt werden. Für die Zulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung sei in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten am Schutz seiner Privatsphäre erforderlich. Eine solche Interessenabwägung könne nicht in Bezug auf Bildnisse vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt seien und bei denen offen sei, in welchem Kontext sie veröffentlicht würden. Dieses gelte auch in Bezug auf Kinder, da eine Bildnisveröffentlichung nicht grundsätzlich unzulässig sei. Die Pressefreiheit sei nicht gewahrt, wenn die Grenzen des Verbotsausspruchs erst im Vollstreckungsverfahren abgesteckt würden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus einer entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs.1 S.2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, §§ 22 f. KUG zu.

Die angegriffenen Veröffentlichungen verletzen den Kläger bei bestehender Wiederholungsgefahr rechtswidrig in seinem Recht am eigenen Bild.

1. Bei den streitgegenständlichen Veröffentlichungen handelt es sich um Bildnisse des Klägers im Sinne des § 22 Satz 1 KUG. Gemäß § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden. Dass der auf den streitgegenständlichen Fotos abgebildete Kläger bzw. dessen Eltern eine solche Einwilligung erteilt hätten, trägt auch die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht vor.

Eine Einwilligung war auch nicht gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG entbehrlich. Dies gilt auch für den Fall, dass der Vater des Klägers als „absolute Person der Zeitgeschichte“ und der Kläger als dessen „Begleiter“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 1 BvR 758/97 vom 26.04.2001, Absatz-Nr. 24, www.bverfg.de) anzusehen sein sollten. Den Veröffentlichungen standen jedenfalls überwiegende Interessen des Klägers im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG entgegen. Kinder bedürfen eines besonderen Schutzes, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen (vgl. BVerfGE 24, 119, 144; 57, 361 383). Dieses Schutzbedürfnis besteht auch und gerade hinsichtlich der Gefahren, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern ausgehen. Deren Persönlichkeitsentfaltung kann dadurch empfindlicher gestört werden als diejenige von Erwachsenen. Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, muss deswegen umfassender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen (BVerfG, 1 BvR 653/96 vom 15.12.1999, Absatz-Nr. 81, www.bverfg.de). Besonderen Schutz genießen insoweit Augenblicke spezifischer elterlicher Hinwendung (BVerfG, a.a.O., Abs. 83). Die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, wodurch im Falle der angegriffenen Veröffentlichungen das insoweit bestehende besondere Schutzbedürfnis des Klägers überwogen worden sein sollte. Insbesondere ist nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger im Pflichtenkreis seines Vaters (vgl. BGH, VI ZR 217/03 vom 09.03.2004, www.juris.de) aufgetreten wäre.

2. Diese Veröffentlichungen begründen auch bezüglich weiterer bisher nicht veröffentlichter Bilder eine Begehungsgefahr. Hierzu hat das Hanseatische Oberlandesgericht im Verfahren der einstweiligen Verfügung betreffend die auch hier streitgegenständlichen Bildnisse (Urteil vom 24. Juni 2008, Az. 7 U 38/08, vorangehend 324 O 1040/07) ausgeführt:

a) Wie der Senat bereits in früheren Entscheidungen vergleichbarer Fälle (insbesondere 7 U 46/95 und 7 U 177/95) festgestellt hat, lässt das Verhalten eines Verlegers, der in kurzen Abständen mehrere unberechtigte Fotoveröffentlichungen einer Person vornimmt und anschließend jeweils auf Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung bezüglich des veröffentlichten Fotos abgibt, erwarten, dass auch künftig die Veröffentlichung derartiger Bilder erfolgen wird. Diese Handlungsweise zeigt, dass konkrete Verbote und Unterlassungsverpflichtungen nicht geeignet sind, dem Betroffenen einen konkreten Schutz vor Bildnisveröffentlichungen für die Zukunft zu gewähren. Die weitere Begehungsgefahr manifestiert sich in den bisherigen offensichtlich vorsätzlichen Veröffentlichungshandlungen und rechtfertigt ein weitergehendes generelles Bildverbot.

b) Ein solches generelles Verbot stellt im vorliegenden Fall keine unzulässige Einschränkung der Pressefreiheit dar, wie dies der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.11.2007 (a.a.O.) im Fall einer erwachsenen Sportlerin angenommen hat.
Die jener Entscheidung zugrunde liegende Sachlage weist nämlich wesentliche Unterschiede zu dem hier zu entscheidenden Sachverhalt auf.
Während Klägerin jenes Rechtsstreits eine Erwachsene war, handelt es sich bei dem hiesigen Antragsteller um ein Kind.
Für den Bildnisschutz von Kindern (§§ 22, 23 KUG) ist deren besondere Schutzbedürftigkeit zu beachten, wie in dem angefochtenen Urteil (dort Ziffer I.1. der Entscheidungsgründe) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ausgeführt wird. Das erkennende Gericht hat bereits in Entscheidungen aus den Jahren 1995 und 1996 (3 U 216/94, Urteil vom 12.1.1995; 7 U 46/95, Urteil vom 31.10.1995, 7 U 177/95, Urteil vom 25.6.1996), die sich sämtlich auf Abbildungen von Kindern bezogen, generelle Verbote mit lediglich klarstellenden Einschränkungen für begründet gehalten. Das Bedürfnis eines Minderjährigen nach einem generalisierenden Verbot zwecks effektiven Rechtsschutzes ist nunmehr erst recht als gewichtig anzusehen, nachdem das Bundesverfassungsgericht insbesondere mit den beiden Entscheidungen vom 31.3.2000 (NJW 2000, 2191ff) die Schutzbedürftigkeit des Kindes hervorgehoben und die so genannten Begleiterrechtsprechung für Fälle der Begleitung einer „absoluten Person der Zeitgeschichte“ für die Kinder prominenter Erwachsener im Hinblick auf § 23 Abs.2 KUG als nicht angemessen bezeichnet hat. Danach ist die Veröffentlichung von Fotos, die Kinder in Begleitung prominenter Eltern abbilden, nur dann zulässig, wenn diese die Eltern bei öffentlichen Auftritten begleiten und damit gleichsam der Öffentlichkeit präsentiert werden. Damit sind die Möglichkeiten einer einwilligungsfreien zulässigen Bildberichterstattung über Kinder prominenter Eltern äußert beschränkt.

Des weiteren unterscheidet sich die vom Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 13.11.2007 entschiedene Fallgestaltung von der hiesigen darin, dass die Betroffene jenes Rechtsstreits als frühere Leistungssportlerin bei sportlichen Veranstaltungen und aus anderen Anlässen häufig in das Licht der Öffentlichkeit geraten war, während im vorliegenden Fall nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller als minderjähriger Sohn von Franz B. etwa durch die Freigabe von ihn zeigenden Fotos oder die Teilnahme bei offiziellen Anlässen der Öffentlichkeit präsentiert worden wäre.
Eine derartige bewusste Hinwendung zur Öffentlichkeit ist auch bei den vom Antragsteller in diesem Verfahren beanstandeten Fotos, die die Antragsgegnerin so genannten öffentlichen Anlässen zuordnet, nicht zu erkennen. Auf dem als Anlage K1 vorgelegten Foto scheinen die Eltern des Antragstellers zwar freundlich lächelnd für einen Fotografen zu posieren, unbekannt ist jedoch, bei welchem Anlass, zu welchen Zweck und von wem das Bild aufgenommen wurde.
Auch bezüglich der als Anlagen K4 und K7 eingereichten Fotos ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass sich die abgebildete Personen und insbesondere der Antragsteller der Öffentlichkeit präsentiert hätten.

In Bezug auf den Antragsteller ist somit festzuhalten, dass unter dem Einfluss der genanten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Einschränkung seines Bildrechtsschutzes – trotz des hohen Bekanntheitsgrades seiner Eltern – auf wenige Ausnahmen beschränkt ist, so dass die Veröffentlichung von ihn zeigenden Abbildungen nur in seltenen Ausnahmefällen als rechtmäßig hinzunehmen sein wird.
Hier liegt der wesentliche Unterschied zu der vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.11.2007 entschiedenen Fallgestaltung. Während nämlich im Falle einer erwachsenen Prominenten jeweils nach Gegenstand der Abbildung und Begleittext im einzelnen offen abzuwägen ist, ob persönlichkeitsrechtliche Interessen überwiegen, kann bei der auch bezüglich der Abbildung Minderjähriger vorzunehmenden Abwägung von vornherein davon ausgegangen werden, dass Abbildungen nur im Ausnahmefall, nämlich bei Einwilligung oder öffentlicher Präsentation durch die Eltern, gezeigt werden dürfen.
Diese Beschränkungen der Ausnahmen auf wenige Fallkonstellationen rechtfertigt es, dem Antragsteller als Minderjährigem einen generellen Unterlassungsanspruch zuzusprechen, da es dessen Rechtsschutz aushöhlen würde, wenn ihm in Fällen wiederholter hartnäckiger Rechtsverstöße nur die Möglichkeit bliebe, bei weiteren Rechtsverletzungen durch nachfolgende Unterlassungsanträge seinem Bildnisrecht gleichsam „hinterherzulaufen“.
Dabei unterliegt dieses Gebot der immanenten Beschränkung, dass es jedenfalls nicht für Fälle von Veröffentlichungen gilt, in die die Eltern ihre Einwilligung erteilt haben oder für Bildnisse, die den Antragsteller bei offiziellen Anlässen gemeinsam mit seinen Eltern zeigt. Ob die Voraussetzungen dieser Beschränkung vorliegen, ist im Vorfeld einer künftigen Veröffentlichung durch die Antragsgegnerin und gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren unschwer festzustellen.
Da sich das ausgesprochene generelle Verbot – wie ausgeführt – auf das im Kindesalter des Antragstellers begründete Schutzbedürfnis stützt, ist es in zeitlicher Hinsicht auf die Dauer seiner Minderjährigkeit beschränkt. Der Klarstellung halber ist der Tenor mit einer entsprechenden Maßgabe versehen worden. Eine teilweise Zurückweisung des Antrags ist damit nicht verbunden, da die Klarstellung lediglich eine dem Verbot bereits immanente Beschränkung zum Ausdruck bringt.

Diese Ausführungen, denen sich die Kammer anschließt, gelten uneingeschränkt auch für das vorliegend zu entscheidende Hauptsacheverfahren. Insoweit wird auf die vorstehenden Erwägungen Bezug genommen.

II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 709 S.1, 2 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 3 ZPO.