OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.06.2004 - 2 W 22/04
Fundstelle
openJur 2012, 25198
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2004 aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Der Wert der Beschwer wird auf EUR 1.536,-- festgesetzt.

Gründe

Am 15. Dezember 1995 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über Gewerberäume im 10. Obergeschoss des Hauses … in O1. Die Klägerin machte von ihrem Optionsrecht Gebrauch und verlängerte den Vertrag bis zum 31. Januar 2006.

Die Klägerin ist inzwischen die einzige verbliebene Mieterin in diesem Haus. Am 02. Dezember 2003 brachte die Beklagte folgenden Aushang an:

Die Benutzung der Aufzüge ist nur noch während der Geschäftszeiten (Montag bis Freitag) von 8.00 – 19.00 Uhr) gestattet.

In § 9 des Mietvertrages vom 15. Dezember 1995 heißt es:

„Wenn und solange ein Aufzugswärter im Hause nicht anwesend ist, kann der Vermieter den Fahrstuhl außer Betrieb setzen“.

Die Klägerin hat behauptet, dass ein Mitarbeiter der Beklagten ihr mitgeteilt habe, dass bezüglich der Aufzüge eine Zeitschaltuhr eingebaut werden solle und dass der Fahrstuhl außerhalb der Geschäftszeiten stillgelegt werden solle.

Mit Schreiben vom 02. Dezember 2003 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Aufzüge weiter 24 Stunden pro Tag zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte gab eine entsprechende Erklärung nicht ab. Deshalb beantragte die Klägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Mit Beschluss vom 15.12.2003 (Bl. 38 d.A.) erließ das Landgericht antragsgemäß eine einstweilige Verfügung und verbot der Beklagten, die von ihr betriebenen Aufzüge in dem Gewerbeobjekt …, O1 außerhalb der Zeiten von Montag bis Freitag außer Betrieb zu setzen.

Nachdem die einstweilige Verfügung der Beklagten zugestellt worden war, hat die Beklagte den beanstandeten Aushang entfernt, jedoch mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2003 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch am 21. Januar 2004 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Demgemäß war vom Landgericht nur noch gemäß § 91 a ZPO über die Kosten zu entscheiden. Mit Beschluss vom 21. Januar 2004 hat das Landgericht die Verfahrenskosten der Klägerin auferlegt. Gegen den ihr am 11. Februar 2004 zugestellten Beschluss (Bl. 71 d. A.) hat die Klägerin mit bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 25. Februar 2004 (Bl. 77 d. A.) sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass, nachdem die einstweilige Verfügung erlassen worden war, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen waren. Sie ist der Ansicht, dass vorliegend ein Verfügungsanspruch aufgrund Mietvertrages (§ 535 BGB) gegeben sei, gleichfalls liege ein Verfügungsgrund (§ 862 BGB) vor. Sie meint, es könne dahingestellt bleiben, ob sie unmittelbaren Besitz an den Fahrstühlen habe oder ob sie lediglich Mitbesitz habe. In beiden Fällen sei die Androhung, den Fahrstuhl von Freitagabend 19.00 Uhr bis Montag früh 8.00 Uhr abzustellen sowie an den Abenden zwischen 19.00 Uhr abends und 8.00 Uhr morgens eine verbotene Eigenmacht gemäß § 858 BGB.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2004 abzuändern und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klägerin habe keinen unmittelbaren Besitz an den Fahrstühlen. Vielmehr liege allenfalls Mitbesitz vor, auf diesen finde § 862 keine Anwendung. Im Übrigen meint sie, dass weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund auf Seiten der Klägerin gegeben sei.

Schließlich meint sie, dass der Aushang vom 02.12.2003 wegen des § 9 des Mietvertrages erforderlich gewesen sei. Aufgrund der Verkehrssicherungspflicht habe sie darauf hinweisen müssen. Sie bestreitet, dass einer ihrer Mitarbeiter erklärt habe, mittels Zeitschaltuhr sei beabsichtigt gewesen, den Fahrstuhl von montags bis freitags ab 19.00 Uhr bis 8.00 Uhr abzustellen.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1, § 567 ZPO zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die Notfrist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO wurde gewahrt. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung am 21. Januar 2004 den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, war gemäß § 91 a ZPO nur noch über die Kosten zu entscheiden.

Die einstweilige Verfügung vom 15. Dezember 2003 war mit zutreffender Begründung erlassen worden. Der Senat sieht in Übereinstimmung mit dem Landgericht den Verfügungsanspruch gemäß § 535 Abs. 1 BGB als gegeben an. Bei einem Hochhaus, insbesondere wie hier bei Anmietung von Büros im 10. Stockwerk, ist der Vermieter verpflichtet, die Fahrstühle rund um die Uhr während sämtlicher Tage sowohl Werktage als auch Sonn- und Feiertage in Betrieb zu halten. Bereits bei Gebäuden mit mehr als vier Stockwerken ist zwingend der Einbau eines Fahrstuhls vorgeschrieben. Wenn, wie hier, Büroräume im 10. Stockwerk angemietet worden sind, dann muss sichergestellt sein, dass der Mieter jederzeit Zugang zu diesen Räumen mittels Fahrstühlen erhält, auch zu Nachtzeiten, auch an Sonn- und Feiertagen.

Dem steht § 9 des Mietvertrages nicht entgegen, weil ansonsten es im Belieben des Vermieters, hier der Beklagten, stünde, wann der Aufzug in Funktion gesetzt wird und wann er stillgelegt wird. Diese Bestimmung würde dann aber zu Sinn und Zweck des gesamten Mietvertrages in Widerspruch stehen und wäre demzufolge unwirksam.

Bereits der Aushang stellt seinem Wortlaut nach eine Besitzstörung dar, hier sogar eine Besitzentziehung für die Zeit täglich von 19.00 Uhr abends bis 8.00 Uhr morgens sowie an Samstagen, Sonntagen und Sonn- und Feiertagen. Darin ist deshalb ein Verfügungsgrund zu sehen (§ 862 BGB).

Ob die Beklagte beabsichtigt hatte, wofür vieles spricht, nachdem sämtliche Mieter ausgezogen waren und nur noch die Klägerin Räume im 10. Obergeschoss angemietet hat, außerhalb der Zeiten des Aushangs durch eine Zeitschaltuhr die Aufzüge außer Funktion zu setzen, kann dahingestellt bleiben, denn allein der Aushang berechtigte die Klägerin, wie geschehen, die einstweilige Verfügung zu beantragen. Nachdem die Beklagte entgegen der Aufforderung vor Erlass der einstweiligen Verfügung, die von der Klägerin erbetene Unterlassungserklärung nicht abgegeben hatte, war der einzige Weg, die drohende zeitweilige Abschaltung der Lifte zu unterbinden, die Beantragung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung.

Der Entscheidung steht auch der in BGHZ 62, 243 (250) entschiedene Fall nicht entgegen. Dort heißt es sogar wörtlich „Unter Mitbesitzender kommen dagegen Besitzschutzansprüche an sich in Betracht“ (BGHZ a.a.O. S. 250). Hier handelt es sich um ein Hochhaus mit mehr als 10 Stockwerken, wobei die Klägerin alleinige Mieterin der Räume im 10. Stockwerk ist.

Wenn die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung nicht übereinstimmend für erledigt erklärt hätten, wäre der Widerspruch der Beklagten gegen die einstweilige Verfügung zurückgewiesen worden. Demzufolge waren die Kosten vorliegend der Beklagten insgesamt aufzuerlegen.

Der Wert der Beschwer entspricht dem Interesse der Klägerin am Obsiegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 a.