VG Gießen, Urteil vom 06.08.1997 - 3 E 327/97
Fundstelle
openJur 2012, 21454
  • Rkr:
Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Gesamtkonferenz der T. - Schule in W. berechtigt ist, in ihrer Geschäftsordnung eine Regelung über die Möglichkeit zur Durchführung von geheimen Abstimmungen aufzunehmen.

Die Gesamtkonferenz der T.-Schule in W. beschloß am 07.06.1995, in ihre Geschäftsordnung die Bestimmung "Auf Antrag mindestens eines Viertels der Anwesenden ist geheim abzustimmen" aufzunehmen. Nachdem der Schulleiter diesen Beschluß beanstandet hatte, und die Gesamtkonferenz dieser Beanstandung nicht abgeholfen hatte, entschied das Staatliche Schulamt für den Lahn- Dill-Kreis am 20.07.1995, die Aufnahme einer solchen Bestimmung in die Geschäftsordnung der Gesamtkonferenz sei mit den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Anordnungen der Schulaufsichtsbehörde unvereinbar und daher aufzuheben.

Eine ausdrückliche Regelung, die eine geheime Abstimmungen zuließe, gebe es nicht. Bei Fehlen einer solchen gesetzlichen Regelung entspreche es jedoch dem Willen des Gesetzgebers, daß verwaltungsrechtliche Kollegialorgane offen abstimmen. Ein wesentlicher Nachteil derartiger Kollegialorgane bestehe darin, daß das Verantwortungsbewußtsein des einzelnen Mitgliedes insbesondere bei größerer Mitgliederzahl sinke. Es könne nicht angenommen werden, daß dieser natürliche Nachteil durch die Sicherung der Anonymität der Stimmenabgabe noch verstärkt werden solle.

Der Wille des Gesetzgebers, geheime Abstimmungen zu verhindern, sei zudem bei der Neufassung der aktuellen Konferenzordnung deutlich zum Ausdruck gekommen. Nach Einwänden verschiedener Seiten habe der Normgeber anläßlich der Änderung der Konferenzordnung im Juni 1993 die zuvor einschlägige Bestimmung des § 10 Abs. 4 der allgemeinen Konferenzordnung, nach der geheime Abstimmungen möglich waren, nicht übernommen. Das Hessische Kultusministerium habe in Erlassen vom 22.3.1994 und vom 8.3.1995 auf diese Rechtslage hingewiesen. Zwar sei in diesen Erlassen von der Schulkonferenz die Rede, die Regelung habe jedoch genauso für die Gesamtkonferenz zu gelten. Die Konferenzordnung sehe keine unterschiedlichen Regelungen vor. Bei der Schulkonferenz sei wegen des gemäß § 131 Abs. 5 Hessisches Schulgesetz erforderlichen Stichentscheides bei Stimmengleichheit die offene Abstimmung notwendig. Die Abstimmungssituation sei bei Schul- und Gesamtkonferenz vergleichbar. Hätte die geheime Abstimmung auch in der neuen Fassung zur Disposition der Mitglieder stehen sollen, hätte die alte Regelung beibehalten werden können und lediglich für Schulkonferenzen eine neue Regelung eingeführt werden müssen.

Der jetzige Vertreter der Gesamtkonferenz erhob in seiner Eigenschaft als Mitglied der Gesamtkonferenz am 10.11.1995 durch anwaltliches Schreiben hiergegen Widerspruch, der vom Regierungspräsidium Gießen mit Bescheid vom 25.01.1996 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Die daraufhin vom jetzigen Vertreter der Gesamtkonferenz in seiner Eigenschaft als deren Mitglied am 04.03.1996 bei dem Verwaltungsgericht Gießen erhobene Klage nahm er am 16.12.1996 zurück. Das Verfahren wurde durch Beschluß vom 16.12.1996 eingestellt (Az.: 3 E 336/96).

In ihrer Sitzung vom 04.12.1996 beschloß die Gesamtkonferenz der T.-Schule den Beschluß, die Rechtmäßigkeit einer Geschäftsordnungsregelung über die Möglichkeit zu geheimen Abstimmungen gerichtlich überprüfen zu lassen und beauftragte und bevollmächtigte ihren jetzigen Vertreter, Klage zu erheben und einen Anwalt mit der Klageerhebung zu beauftragen.

Die Klägerin hat über ihren anwaltlichen Bevollmächtigten am 07.03.1997 Klage erhoben.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Fehlen einer Regelung über geheime Abstimmungen in der Gesamtkonferenz eröffne ihr die Möglichkeit, in der Geschäftsordnung einen entsprechenden Passus aufzunehmen. Ein Verbot geheimer Abstimmungen ohne sachliche Gründe verstoße gegen das Demokratieprinzip. Es fehle jeglicher Beleg für die von der Beklagten vertretenen Annahme, ein wesentlicher Nachteil von Kollegialorganen bestehe in dem - durch geheime Abstimmungen noch zusätzlich - verminderten Verantwortungsbewußtsein des einzelnen Mitgliedes. Selbst wenn man der Auffassung sei, eine offene Abstimmung sei bei Beschlüssen der Schulkonferenz wegen des dort gemäß § 131 Abs. 5 Hessische Schulgesetz vorgesehenen Stichentscheides durch den Schulleiter erforderlich, lasse sich dies - mangels einer entsprechenden Regelung - nicht auf die Gesamtkonferenz übertragen. Zudem habe die Gesamtkonferenz im Gegensatz zur Schulkonferenz unter anderem über Personalfragen zu entscheiden, bei denen ein Bedürfnis für geheime Abstimmungen bestehe, da der Unterlegene oft ein Gefühl persönlicher Kränkung empfinde, was zu sachfremden Erwägungen bei den Mitgliedern der Gesamtkonferenz führe.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, daß die Klägerin berechtigt ist, die Regelung "Auf Antrag von mindestens einem Viertel der anwesenden Lehrkräfte ist geheim abzustimmen" per Beschluß in ihre Geschäftsordnung aufzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf seinen Vortrag im bisherigen Verfahren und vertieft die darin vorgetragene Argumentation.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte (1 Hefter) sowie auf die Gerichtsakte in dem Verfahren 3 E 336/96 Bezug genommen, die zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung gemacht wurden.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die als Klägerin auftretende Gesamtkonferenz der T.-Schule W. ist beteiligungsfähig im Sinne des § 61 VwGO. Die Gesamtkonferenz, die sich aus sämtlichen Lehrkräften der Schule zusammensetzt (§ 133 Abs. 2 Hessisches Schulgesetz vom 17.06.1992 (GVBl. I S. 233) - HSchG - besitzt als Organ der Schule zwar keine eigene Rechtspersönlichkeit und ist daher nicht gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1 VwGO beteiligungsfähig. Ihre Beteiligungsfähigkeit ergibt sich jedoch aus § 61 Abs. 1 Nr. 2 VwGO (vgl. zur Beteiligungsfähigkeit von schulrechtlichen Konferenzen: VG Berlin, Urteil vom 14.06.1984, Az.: 3 A 1255.83, SPE n.F. 370, Nr. 17; VG Bremen, Beschluß vom 02.09.1989, 3 V 358/88, SPE n.F. 370, Nr. 20; OVG Berlin, Beschluß vom 02.08.1989, Az.: 3 S 75.89, SPE n.F. 370, Nr. 21). Danach sind Vereinigungen beteiligungsfähig, soweit ihnen ein eigenes Recht zusteht. Die Vereinigung muß sich dabei auf ein eigenes, ihr objektiv zustehendes Recht berufen können. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Das von der Klägerin in Anspruch genommene Recht, sich nach eigenen Vorstellungen eine Geschäftsordnung zu geben, ist ihr durch § 136 HSchG i.V.m. § 32 Abs. 1 Konferenzordnung (KonfO) vom 29.06.1993 (ABl. S. 718) eingeräumt worden. Nach diesen Vorschriften werden Aufgaben, Bildung und Verfahren der Konferenzen durch eine Konferenzordnung geregelt (§ 136 HSchG), in der wiederum die Befugnis der Gesamtkonferenz festgelegt ist, sich unter Beachtung gewisser Einschränkungen eine Geschäftsordnung zu geben (§ 32 Abs. 1 KonfO).

Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO statthaft.

Die von der Klägerin begehrte Feststellung, in die Geschäftsordnung eine Regelung über die Durchführung von geheimen Abstimmungen aufnehmen zu können, betrifft das Bestehen und Ausmaß von Rechten und Pflichten innerhalb von Schulmitwirkungsorganen. Bei solchen Streitigkeiten richtet sich der Rechtsschutz nach den von der Rechtsprechung für Organstreitigkeiten entwickelten Grundsätzen (OVG Münster, Beschl.v.16.03.1979 Az: V B 87/89). Die gebotene Klageart in diesem Zusammenhang ist grundsätzlich die allgemeine Feststellungsklage (siehe den Nachweis der Rechtsprechung bei Kopp, VwGO, 11. Aufl., § 43 Rdnr. 10; Redeker/von Oertzen, VwGO, 10. Aufl., § 43 Rdnr. 12).

Die Klage dient der Feststellung des Bestehens bzw. Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Unter einem Rechtsverhältnis sind die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm des öffentlichen Rechts sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder Sache zu verstehen. Hierzu zählen auch einzelne, sich aus einem umfassenden Rechtsverhältnis ergebende Berechtigungen. (Kopp, VwGO a.a.O., § 43 Rdnr. 12 m.w.N.). Das Recht, in die Geschäftsordnung eine Regelung über die Durchführung von geheimen Abstimmungen aufnehmen zu können, dessen Feststellung die Klägerin begehrt, und das von dem Beklagten in Abrede gestellt wird, stellt eine solche Berechtigung dar.

Die Klägerin hat hinreichend schlüssig eine Verletzung eigener Rechte dargestellt. Das der Klägerin durch § 136 HSchG i.V.m. § 32 Abs. 1 KonfO eingeräumte Recht, sich eine Geschäftsordnung zu geben, steht ihr nur in ihrer Gesamtheit zu und kann daher nicht von einzelnen Mitgliedern in Anspruch genommen werden (Siehe OVG Lüneburg, Beschluß vom 31.03.1976, Az.: V OVG B 18/76, SPE I A VIII, S. 11, Staupe, Klagebefugnis von Schulgremien im Schulverfassungsstreit, RdBJ 1978, S. 188 (190); Papier, Die verwaltungsrechtliche Organklage, DÖV 1980, S. 292 (297)).

Das gemäß § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung ist ebenfalls gegeben. Da der Schulleiter der T.-Schule sowie der Beklagte die Aufnahme einer Bestimmung über die Möglichkeit zur geheimen Abstimmung bereits in der Vergangenheit mit den ihnen zur Verfügung stehenden aufsichtsrechtlichen Mitteln verhindert haben, kann angesichts der auch im laufenden Verfahren von der Beklagten zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung davon ausgegangen werden, daß der Klägerin die Aufnahme der begehrten Regelung in die Geschäftsordnung ohne eine entsprechende Feststellung verwehrt bleibt.

Die Klage ist zulässigerweise gegen den Beklagten gerichtet. Für die Feststellungsklage fehlt es an einer Vorschrift über den richtigen Klagegegner. Hierüber entscheidet der Kläger nach seiner Interessenlage, und zwar danach, wem gegenüber er ein Interesse an der begehrten Feststellung zu haben glaubt (siehe den Nachweis der Rechtsprechung bei Kopp, a.a.O. § 43 Rdnr. 16; Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 43 Rdnr. 10). Der Beklagte hat in Ausübung seines ihm nach § 89 Abs. 1 S. 3 HSchG eingeräumten Aufsichtsrechts über Beschlüsse der Konferenzen mit Verfügung vom 20.07.1995 die Aufnahme der von der Klägerin begehrten Regelung in die Geschäftsordnung bereits einmal verhindert. Dadurch hat er hinreichenden Anlaß gegeben, die Klage gegen ihn zu richten.

Die Klärung der streitgegenständlichen Frage kann auch nicht durch eine nach § 43 Abs. 2 VwGO vorrangig zu erhebende Gestaltungs- oder Leistungsklage erreicht werden. Die in dieser Frage am 07.06. und 12.06.1995 erfolgten Beanstandungen durch den Schulleiter der T.-Schule und die nachfolgende Verfügung des Beklagten vom 20.07.1995, mit der die bereits mehrheitlich beschlossene Regelung aufgehoben wurde, stellen keine Verwaltungsakte dar. Ihnen fehlt die für einen Verwaltungsakt gemäß § 35 HVwVfG notwendige Außenwirkung. Sie ergingen im Rahmen eines körperschaftsinternen Streits, bei dem begrifflich das Ergehen einer Maßnahme mit Außenwirkung ausgeschlossen ist (vgl. VG Berlin, Urt.v.14.06.1984, SPE n.F., 370 Nr. 17).

Die Klage ist auch wirksam durch den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin erhoben worden. Für beteiligungsfähige Vereinigungen im Sinne des § 61 Abs. 1 Nr. 2 VwGO handeln gemäß § 62 Abs 3 VwGO deren gesetzliche Vertreter, Vorstände oder besonders Beauftragte. Eine Vertretungsbefugnis der Gesamtkonferenz ist gesetzlich nicht geregelt. Um ihre gerichtlich verfolgbaren Rechte geltend zu machen, muß daher die Gesamtkonferenz ihre Vertretung selber durch Beschluß festlegen [vgl. VG Bremen, Beschluß v. 02.09.1988,a.a.O; Staupe, Klagebefugnis von Schulgremien im Schulverfassungsstreit, RdBJ 1978, S. 188 (192)]. Dieses ist ausweislich des Protokolls der Sitzung der Gesamtkonferenz vom 04.12.1996 (Bl. 9,11 d. Gerichtsakte) mit der Maßgabe geschehen, daß das zum Vertreter bestimmte Mitglied der Gesamtkonferenz Klaus Kirdorf berechtigt ist, einen Anwalt zu beauftragen.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin ist gemäß § 136 HSchG i.V.m. § 32 Abs. 1 KonfO berechtigt, die Regelung "Auf Antrag von mindestens einem Viertel der anwesenden Lehrkräfte ist geheim abzustimmen" in ihre Geschäftsordnung aufzunehmen. Nach diesen Vorschriften werden Aufgaben, Bildung und Verfahren der Konferenzen durch eine Konferenzordnung geregelt (§ 136 HSchG), in der wiederum die Befugnis der Gesamtkonferenz enthalten ist, sich in Ergänzung der Konferenzordnung und unter Beachtung der Abs. 2 bis 5 eine Geschäftsordnung geben (§ 32 Abs.1 KonfO).

Inhalt der insoweit eingeräumten Geschäftsordnungsautonomie ist das Recht der Gesamtkonferenz, ihre "Geschäfte zu ordnen", d.h. Vorschriften über ihre innere Organisation sowie über den Ablauf der Meinungs- und Willensbildung zu beschließen. Diese Geschäftsordnungsautonomie beinhaltet das Recht zur eigenverantwortlicher Gestaltung des Verfahrensablaufes und ist nur in dreifacher Hinsicht begrenzt: Zum einen ergibt sich aus der in § 136 HSchG enthaltenen Zweckbestimmung, daß die Geschäftsordnung nur solche Regelungen enthalten darf, die sich mit Aufgaben, Bildung und Verfahren der Gesamtkonferenz befassen. Zum anderen verdeutlicht der in § 32 Abs. 1 KonfO enthaltene Hinweis, die Geschäftsordnung stehe "in Ergänzung" zur Konferenzordnung, daß die Geschäftsordnung nicht von der Konferenzordnung abweichen darf. Schließlich stößt die Geschäftsordnungsautonomie dort an ihre Grenzen, wo ein Verstoß gegen höherrangiges Recht oder Prinzipien vorliegt.

Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist eine Geschäftsordnungsregelung, die geheime Abstimmungen ermöglicht, rechtmäßig. Eine solche Bestimmung umfaßt einen zulässigen Regelungsgegenstand, denn sie befaßt sich mit dem Kernbereich des Verfahrensablaufs innerhalb der Gesamtkonferenz.

Die Möglichkeit zur Durchführung von geheimen Abstimmungen ist auch mit den Bestimmungen der Konferenzordnung und des Hessischen Schulgesetzes vereinbar. Weder die ausdrücklich zu beachtenden § 32 Abs. 2 bis 5 KonfO noch die sonstigen Bestimmungen des Hessischen Schulgesetzes und der Konferenzordnung verbieten geheime Abstimmungen. Ein solches Verbot ergibt sich auch nicht aus der Systematik oder der Entstehungsgeschichte der Konferenzordnung

Dabei kann offenbleiben, ob sich aus der Systematik der Konferenzordnung ein Verbot der Durchführung von geheimen Abstimmungen für Schulkonferenzen ergibt. Es ist schon zweifelhaft, ob die in den §§ 136 Abs. 5 S. 6 HSchG, 11 Abs. 2 S. 2 KonfO enthaltene Regelung über die Durchführung eines Stichentscheides bei Stimmengleichheit zwingend offene Abstimmungen gebietet. Diesen Vorschriften kann nur entnommen werden, daß im Fall eines notwendig werdenden Stichentscheides die Stimme des Vorsitzenden der Schulkonferenz erkennbar sein muß. Ob eine geschäftsordnungsrechtliche Regelung des Abstimmungsverlaufes unzulässig wäre, welche die Offenlegung der Stimme des Vorsitzenden bei gleichzeitiger Anonymität der sonstigen Stimmen ermöglichen würde, erscheint indes offen.

Diese Frage braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden werden, denn selbst ein Verbot von geheimen Abstimmungen bei Schulkonferenzen ließe sich auf die Gesamtkonferenz nicht übertragen. Bei Abstimmungen der Gesamtkonferenz gilt im Gegensatz zur Schulkonferenz gemäß § 26 Abs. 3 S.3 KonfO der Antrag bei Stimmengleichheit als abgelehnt. Daher entfällt bei der Gesamtkonferenz die möglicherweise für die Schulkonferenz gegebene Notwendigkeit, die Stimme des Vorsitzenden offenzulegen.

Die Unzulässigkeit geheimer Abstimmungen bei Gesamtkonferenzen ergibt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der jetzigen Konferenzordnung.

Zwar wurde bei der Neufassung der Konferenzordnung im Juni 1993 die zuvor einschlägige Bestimmung des § 10 Abs. 4 KonfO a.F. vom 22.06.1983 (ABl. S. 443) “Auf Verlangen von einem Viertel der anwesenden Stimmberechtigten ist geheim abzustimmen” nicht in die neue Konferenzordnung übernommen. Hieraus läßt sich jedoch kein eindeutiger Wille des Gesetzgebers ableiten, geheime Abstimmungen in Gesamtkonferenzen schlechthin unmöglich zu machen. Aus der nicht erfolgten Übernahme dieser Vorschrift kann allenfalls auf die Absicht des Gesetzgebers geschlossen werden, die vorherige Rechtslage, in der eine Minderheit von einem Viertel der Lehrkräfte in jedem Fall eine geheime Abstimmung erzwingen konnte, nicht beizubehalten.

Selbst wenn jedoch eine solche Absicht bestanden haben sollte, würde eine entsprechende Zulassung geheimer Abstimmungen durch die Geschäftsordnung ihr nicht widersprechen. Im Unterscheid zur vorherigen Rechtslage darf in der Gesamtkonferenz nur dann geheim abgestimmt werden, wenn dies die Geschäftsordnung ausdrücklich erlaubt.

Hiernach steht es dem Gremium frei, eine entsprechende Geschäftsordnungsregelung zu verabschieden oder dies zu unterlassen. Auch wäre es ihm rechtlich möglich, eine solche Vorschrift durch Beschluß gänzlich aus dem Regelungswerk zu entfernen oder die Voraussetzungen für die Einführung einer geheimen Abstimmung neu zu formulieren.

Die begehrte Regelung über die Durchführung von geheimen Abstimmungen verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht oder sonstige allgemeine Prinzipien. Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des VG Berlin (VG Berlin, Urteil vom 25.10.1972, NJW 1973, S. 1148) vorträgt, geheime Abstimmungen stünden in Widerspruch zu allgemeinen Verfahrensgrundsätzen von verwaltungsrechtlichen Kollegialorganen, kann dem nicht gefolgt werden. Es ist nicht belegbar, daß in einem Beschlußorgan mit größerer Mitgliederzahl das Verantwortungsbewußtsein des einzelnen Mitglieds sinkt. Genauso wenig gibt es einen Erfahrungssatz, wonach die Anonymität, die eine geheime Abstimmung gewährleistet, diese Verantwortungslosigkeit noch erhöht. Im übrigen ist insbesondere keinerlei Auseinandersetzung mit der Frage erkennbar, inwieweit der vom VG Berlin entschiedene Fall von Abstimmungen der Vergabekommission der Filmförderungsanstalt in Berlin über die Gewährung von Förderungshilfen mit der Situation von schulrechtlichen Mitwirkungsorganen vergleichbar ist. Eine solche Auseinandersetzung wäre aber unentbehrlich gewesen, da sich offensichtlich die Gremien sowohl hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, als auch ihrer Aufgaben wesentlich unterscheiden. Während die Vergabekommission aus von verschiedenen Interessenverbänden benannten Mitgliedern besteht und über Anträge auf Förderungshilfen bei der Herstellung und des Absatzes von Filmen entscheidet (vgl. § 8 Abs. 2, 3,4 Filmförderungsgesetz), besteht die Gesamtkonferenz aus sämtlichen Lehrkräften einer Schule und beschließt über die pädagogische und fachliche Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule (vgl. § 133 Abs. 1 und 2 HSchG). Daß die Gesamtkonferenz den wesentlichen Nachteil eines sinkenden Verantwortungsbewußtseins ihrer Mitglieder aufweist, ist angesichts der ihr eingeräumten Kompetenz, über wesentliche Fragen der Tätigkeit ihrer Mitglieder zu entscheiden (vgl. den Aufgabenkatalog in § 133 Abs. 1 S. 2 HSchG), keineswegs offensichtlich oder ohne weiteres nachvollziehbar.

Gleiches gilt für den von der Beklagten behaupteten Zusammenhang zwischen sinkendem Verantwortungsbewußtsein der Mitglieder der Gesamtkonferenz und der Durchführung geheimer Abstimmungen. Geheime Abstimmungen dienen in erster Linie der Sicherung der Unabhängigkeit der Stimmabgabe (vgl. allgemein: Pieroth, Offene oder geheime Wahlen und Abstimmungen?, JuS 1991, S. 89 ff.). Sie eröffnen dem Einzelnen insbesondere in einem hierarchisch organisierten Umfeld die Möglichkeit, ohne Rücksichtnahme auf die bestehende Über - und Unterordnung sowie persönliche Beziehungen allein an der Sachfrage orientierte Entscheidungen zu treffen. In dieser Funktion erscheinen sie eher dazu geeignet, das Verantwortungsbewußtsein des Einzelnen zu stärken. Inwieweit dieser Vorteil bei Gesamtkonferenzen nicht zum Tragen kommt oder gegenüber gleichzeitig entstehenden überwiegenden Nachteilen zu vernachlässigen ist, bedarf einer detaillierten Begründung, die vorliegend nicht ersichtlich ist. Das Fehlen einer konkreten Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von geheimen Abstimmungen bei schulrechtlichen Konferenzen ist umso weniger nachvollziehbar, als die Möglichkeit zur Durchführung von geheimen Abstimmungen bis zur Neufassung der Konferenzordnung im Jahr 1993 der geltenden Rechtslage entsprach, und insofern ausreichend Gelegenheit bestand, konkrete Erfahrungen zu sammeln. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang vorträgt, anläßlich der Neufassung der Konferenzordnung seien im Beteiligungsverfahren von verschiedenen Seiten Bedenken gegen eine Fortführung der Möglichkeit geheimer Abstimmungen geäußert worden, ist dies mangels weiterer Konkretisierung und wegen fehlender Belege zu unsubstantiiert, um Berücksichtigung zu finden.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß geheime Abstimmungen immer dann verboten sind, wenn sie nicht in Gesetzen oder Verordnungen ausdrücklich vorgesehen sind. So ist beispielsweise bei Abstimmungen von hochschulrechtlichen Kollegialorganen anerkannt, daß zwar bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift in der Regel offen abzustimmen ist, abweichendes jedoch - so wie im vorliegenden Fall - in der Geschäftsordnung bestimmt werden kann (vgl. Pieroth, a.a.O., S. 97).

Als unterliegender Teil hat der Beklagte gemäß § 154 Abs.1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.11, 711 Zivilprozeßordnung.