OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.08.2004 - 2 Ss 80/04
Fundstelle
openJur 2011, 120450
  • Rkr:

Zur Geschwindigkeitsbeschränkung für Mehrzweckfahrzeuge -z.B."Sprinter" auf Autobahnen: Maßgeblich für die Einordnung eines derartigen Fahrzeugs als PKW oder LKW im Sinne der StVO sind dessen konkrete Bauart und Einrichtung. Hierzu muss der Tatrichter Feststellungen treffen. Für die Frage, ob Mehrzweckfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen der Geschwindigkeitsbeschränkung des § 18 Abs. 5 Nr. 1 StVO unterliegen, hat die Eintragung in den Fahrzeugpapieren als "PKW geschlossen" keine Bedeutung.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 02.03.2004 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Freiburg zurückverwiesen.

Gründe

I. Dem Betroffenen wurde mit Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe - Zentrale Bußgeldstelle Bretten - vom 27.10.2003 vorgeworfen, er habe am 01.10.2003 um 11.05 Uhr auf der Bundesautobahn 5 von Karlsruhe Richtung Basel fahrend als Führer des LKW DB mit dem amtlichen Kennzeichen im Bereich km 746,0 bis km 783,0 die dort für Lastkraftwagen geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 80 km/h um 54 km/h überschritten. Gegen ihn wurden eine Geldbuße in Höhe von 275 EUR sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten festgesetzt.

Auf seinen Einspruch hin wurde der Betroffene durch Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 02.03.2004 freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

II. Das Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg.

Das Urteil des Amtsgerichts genügt den Anforderungen, die gemäß § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO an den Inhalt der Urteilsgründe zu stellen sind, in mehrfacher Hinsicht nicht:

a. Für den Inhalt der Urteilsgründe im Bußgeldverfahren gilt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren. Zwar unterliegen die Gründe des Urteils in Bußgeldsachen keinen hohen Anforderungen. Sie müssen jedoch so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht ihnen zur Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat (Göhler OWiG 13. Aufl. § 71 Rn. 42 m.w.N.).

Bei einem freisprechenden Urteil müssen die Gründe ergeben (§ 267 Abs. 5 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG), ob der Betroffene für nicht überführt angesehen wird oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat nicht als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann. Erforderlich ist zum mindesten ein klares und bestimmtes Auseinanderhalten der tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte. Es bedarf in tatsächlicher Beziehung einer deutlichen Bezeichnung derjenigen Tatsachen, welche das Gericht als nicht erwiesen erachtet, und in rechtlicher Beziehung einer Hervorhebung des Rechtsgrundes, welcher für die Entscheidung bestimmend gewesen ist (Löwe-Rosenberg-Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 267 Rn. 148 m.w.N.). Die Urteilsgründe müssen den im Bußgeldbescheid erhobenen Vorwurf unddie für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen, sowie anführen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen nicht erwiesen sind, und auf dieser Grundlage den Sachverhalt unter allen für die Entscheidung nach Sachlage vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten erschöpfend würdigen (Löwe-Rosenberg-Gollwitzer a.a.O.; vgl. auch Göhler a.a.O. § 71 Rn. 43). Das Urteil des Amtsgerichts wird diesen Anforderungen nicht gerecht, weil es zu der dem Betroffenen vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung keine Feststellungen - sei es in objektiver, sei es in subjektiver Hinsicht - enthält. Die Urteilsgründe beschränken sich unter I. auf die Feststellung, dass der Betroffene am 21.10.2003 Führer des Fahrzeugs Sprinter der Firma Daimler Chrysler mit dem amtlichen Kennzeichen war. Unter II.1. mit der Überschrift "Konkreter Tatvorwurf" führt das Amtsgericht den im Bußgeldbescheid erhobenen Vorwurf mit den dort festgesetzten Rechtsfolgen an. Zusätzlich wird angegeben, dass es sich bei dem geführten Fahrzeug um einen Mercedes-Benz Sprinter mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 4,6 t handele. Unter II.2. folgen mit der Überschrift "Einordnung des konkreten Tatvorwurfs in die allgemeine politische Diskussion um Tempolimits für Sprinter (Kombifahrzeuge)" versehene allgemeine - nicht auf den konkreten Fall bezogene und somit überflüssige - Ausführungen u.a. über die Beteiligung von "Sprinterfahrzeugen" an Verkehrsunfällen, die Verfahrensweise des Regierungspräsidiums Karlsruhe - Zentrale Bußgeldstelle Bretten - bei der Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen durch "Sprinterfahrzeuge", die Praxis der Polizei bei der Kontrolle derartiger Fahrzeuge und die Reaktion der von den Kontrollen betroffenen Kraftfahrzeugführer. Dem Urteil des Amtsgerichts kann somit nicht entnommen werden, von welchem Sachverhalt es bei seiner Entscheidung, den Betroffenen freizusprechen, ausgegangen ist.

Auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe gibt dafür nichts her. Das Urteil enthält in seinen weiteren Abschnitten keine Ausführungen, die einen Aufschluss darüber geben, welche Feststellungen das Amtsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat. Abschnitt III. der Urteilsgründe beschränkt sich auf eine nur pauschale Aufzählung von "Beweismitteln" unter Hinzufügung der Anmerkung, dass "die Feststellungen zum Sachverhalt - anders als die rechtliche Bewertung und die Zulässigkeit der angeordneten Sanktionen - unstrittig" seien, und enthält keine Erwägungen, die ergänzend als Feststellungen herangezogen werden könnten. Den Rechtsausführungen unter IV. der Urteilsgründe kann noch entnommen werden, dass das vom Betroffenen geführte Fahrzeug als "PKW geschlossen" zugelassen worden war.

b. Hinzu kommt, dass auch die Beweiswürdigung des Amtsgerichts mangelhaft ist:

Die Beweiswürdigung muss auch im Bußgeldverfahren so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung auf mögliche Rechtsfehler ermöglicht. Das Urteil muss daher in der Regel auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, wie sich der Betroffene eingelassen hat und ob das Gericht dieser Einlassung (und warum) folgt, oder ob und inwieweit es seine Einlassung für widerlegt hält (Göhler a.a.O. § 71 Rn. 43 m.w.N.). Das Amtsgericht hat sich wohl zu einer regelgerechten Beweiswürdigung nicht veranlasst gesehen, da es den - nicht mitgeteilten - Sachverhalt als "unstrittig" angesehen hat. Dem Strafverfahren und somit auch dem Verfahren in Bußgeldsachen ist der Begriff eines unstreitigen Sachverhaltes jedoch fremd. Das Gericht hat von Amts wegen die Wahrheit zu erforschen (§ 244 Abs. 2 StPO bzw. § 77 Abs. 1 OWiG). Die Formulierungen in der Beweiswürdigung des Amtsgerichts lassen besorgen, dass es sich dieser Pflicht zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht bewusst gewesen ist.

Es fehlen darüber hinaus auch die Wiedergabe und die Würdigung einer möglicherweise gegebenen Einlassung des Betroffenen.

Das Amtsgericht führt ferner ohne jegliche nähere Darlegung an, dass die Feststellungen zum Sachverhalt auf "den Angaben des Zeugen , den Erklärungen des Vertreters der Verwaltungsbehörde, Herrn, den von diesem übergebenen Schriftstücken (Anlagen zum Hauptverhandlungsprotokoll) sowie dem übrigen Inhalt der Akte, auf den im Rahmen der mündlichen Verhandlung verwiesen wurde und der ausführlich besprochen wurde, sowie dem aktenkundlich in Augenschein genommenen Fahrzeug auf den Lichtbildern AS. 13 beruhen". Tatumstände, sei es zum Ort und zur Zeit, zur Art und zum Ausmaß der Verkehrsordnungswidrigkeit sowie zur subjektiven Tatseite können mit einer derartigen Aufzählung nicht belegt werden. Weder ist ersichtlich, wozu der Zeuge gehört wurde, noch, was der Vertreter der Verwaltungsbehörde zum konkreten Tatvorwurf hat bekunden können. Grundsätzlich unzulässig ist es zudem, pauschal auf Aktenteile - so auch das Sitzungsprotokoll - Bezug zu nehmen (Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 267 Rn. 2 m.w.N.); das Urteil muss aus sich heraus verständlich sein. Schließlich hat das Amtsgericht zwar in den Akten befindliche Lichtbilder des betreffenden Kraftfahrzeuges erwähnt, jedoch auf diese Aufnahmen nicht gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG verwiesen. Das Urteil muss die Bezugnahme deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck bringen; der Hinweis, die Abbildung sei in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden, genügt nicht (OLG Düsseldorf VRS 92, 417; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 238; Meyer-Goßner a.a.O. Rn. 8; LR-Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 267 Rn. 22).

Da dem Senat somit die Überprüfung des Urteils verwehrt ist, ist es nach § 79 Abs. 6 OWiG aufzuheben, und die Sache an das Amtsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

Sollte sich in der erneuten Hauptverhandlung der dem Betroffenen im Bußgeldbescheid zur Last gelegte Sachverhalt bestätigen, wäre entscheidend, ob es sich bei dem vom Betroffenen geführten Fahrzeug um einen LKW oder um einen PKW gehandelt hatte, er somit der Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO von 80 km/h auf Autobahnen unterworfen war oder nicht. Für diese Frage hat nach Auffassung des Senates die Eintragung der Fahrzeugart - hier als "PKW geschlossen" - in den Kfz-Papieren keine Bedeutung. Dem Amtsgericht, das der Zulassung des betreffenden Fahrzeugs als PKW eine rechtsgestaltende Wirkung dahingehend zugesprochen hat, das Fahrzeug im Straßenverkehr wie einen PKW im Sinne der StVO führen zu können, kann nicht zugestimmt werden. Dass für das betroffene Fahrzeug im Rahmen des Zulassungsverfahrens eine EG-Typ-Genehmigung - eine allgemeine Betriebserlaubnis nach der harmonisierten Betriebserlaubnisrichtlinie 70/156/EWG - als Fahrzeug der Klasse M1 und somit als PKW erteilt worden war, ist daher in diesem Zusammenhang ohne Belang.

Die StVO enthält trotz mehrfacher Verwendung der Begriffe "Lastkraftwagen" und "Personenkraftwagen" keine Definitionen dieser Fahrzeugarten. Derartige Definitionen ergeben sich auch nicht unmittelbar aus dem Sinn der einzelnen, diese Begriffe verwendenden Vorschriften der StVO. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird daher auf die Definition in § 4 Abs. 4 Nr. 3 PBefG abgestellt, wonach Lastkraftwagen Kraftfahrzeuge sind, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmt sind (vgl. BayObLGSt 1997, 69; OLG Hamm DAR 1976, 217; VRS 56, 127; OLG Düsseldorf NZV 1991, 483). Für Personenkraftwagen wird auf § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG, der diese als Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Führer) geeignet und bestimmt sind, definiert, zurückgegriffen. Zusätzlich wird § 23 Abs. 6 a (vormals § 23 Abs. 1 letzter Satz) StVZO, wonach Personenkraftwagen auch Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t sein können, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen, und die außer dem Führersitz Plätze für nicht mehr als acht Personen haben, herangezogen (vgl. BayObLG Beschluss vom 23.07.2003 - 1 ObOWi 219/03 - DAR 2003, 469; BayObLGSt 2001, 155; 1997, 69; OLG Hamm NZV 1997, 323; VRS 47, 469; OLG Stuttgart VRS 68, 303; OLG Braunschweig NZV 1994, 80; KG Berlin NZV 1992, 162; OLG Schleswig NZV 1991, 163). Der Bezeichnung eines Fahrzeuges bei der amtlichen Zulassung wird dabei keine Bedeutung beigemessen (vgl. BayObLG DAR 2003, 469; BayObLGSt 1997, 69; OLG Düsseldorf NZV 1991, 483;OLG Hamm NZV 1997, 323).

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Für die Einordnung eines Fahrzeuges als Personenkraftwagen bzw. Lastkraftwagen im Sinne der StVO ist auf dessen konkrete Bauart und Einrichtung abzustellen. Die im Rahmen des Zulassungsverfahrens nach der StVZO ausgestellten Fahrzeugpapiere - die Betriebserlaubnis (§§ 19 ff. StVZO), der Fahrzeugbrief (§ 25 StVZO) und der Fahrzeugschein (§ 24 StVZO) - haben keinen Regelungscharakter hinsichtlich der generellen straßenverkehrsrechtlichen Einordnung eines Fahrzeuges im Sinne der StVO. Ihre Feststellungswirkung beschränkt sich darauf, dass ein Fahrzeug betriebssicher ist und am Straßenverkehr teilnehmen darf.

Die Betriebserlaubnis ist für zulassungspflichtige Fahrzeuge im Sinne des § 18 Abs. 1 StVZO Voraussetzung dafür, dass diese auf öffentlichen Straßen überhaupt in Betrieb genommen werden können. Mit ihr wird die Anerkennung der Vorschriftsmäßigkeit und somit die Betriebssicherheit eines Fahrzeuges bescheinigt (Hentschel Straßenverkehrsrecht 37. Aufl. § 19 StVZO Rn 2). Eine darüber hinausgehende Wirkung hat sie nicht. Dies gilt auch, wie noch auszuführen sein wird, für die Europäische Betriebserlaubnis.

Der Fahrzeugbrief dient der Sicherung des Eigentums und anderer Rechte an dem Fahrzeug (Hentschel a.a.O. § 25 StVZO Rn. 2). Seine Einführung erfolgte durch die Verordnung über den Kraftfahrzeugverkehr vom 11.04.1934 (RGBl. 1934, 303), wobei er nach der Ausführungsanweisung zur Reichs-Straßenverkehrsordnung vom 29.09.1934 (RGBl. 1934, 869, 874) Handhaben zur Sicherung des Eigentums an Kraftfahrzeugen schaffen und statistische Unterlagen für Maßnahmen der Wirtschafts- und Verkehrspolitik liefern sollte (vgl. BGH WM 1982, 213 m.w.N.; BGHZ 10, 122; 18, 110; BGH LM Nr. 8 zu § 267 StGB). Eine Regelungsfunktion dahingehend, dass die in ihm enthaltenen Eintragungen über die Art eines Fahrzeuges maßgebend für die Einhaltung der Bestimmungen der StVO sein sollten, war ihm vom Verordnungsgeber somit nicht beigelegt worden. Eine derartige Regelungsfunktion ist dementsprechend auch nicht den Vorschriften in der StVZO über den Fahrzeugbrief zu entnehmen. Der Fahrzeugbrief ist im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger (§§ 18 ff. StVZO) gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 StVZO bei der Stellung des Antrags auf Zuteilung des amtlichen Kennzeichens vorzulegen. Bei einem Fahrzeug einer allgemein zugelassenen Gattung (Typ) hat der berechtigte Hersteller (Inhaber der allgemeinen Betriebserlaubnis) den Fahrzeugbrief auszufüllen und dabei die Angaben und somit auch die Bauart des Fahrzeuges einzutragen (§ 20 Abs. 3 StVZO; siehe auch Richtlinie zum Fahrzeugbrief vom 20.06.1972 VkBl. 1972, 354 sowie Richtlinie zur Ausfüllung von Fahrzeugbriefvordrucken aufgrund einer Übereinstimmungsbescheinigung für eine EG-Typgenehmigung vom 21.05.1999 VkBl. 1999, 402). Der für die Ausfüllung des Briefes Verantwortliche hat zwar die Richtigkeit der Angaben über die Beschaffenheit des Fahrzeugs und dessen Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ zu bescheinigen, eine Überprüfung dieser Angaben durch die Zulassungsstelle ist nicht jedoch nicht vorgesehen. Hinzu kommt, dass der im Fahrzeugbrief beschriebene und der tatsächliche Zustand eines Fahrzeuges bereits am Tag nach der Ausstellung überholt und unrichtig geworden sein kann (vgl. BGHZ 18, 110, 116).

Die Vorschriften der StVZO über den Fahrzeugschein schreiben ihm, was die in ihm aufgeführte Art des Fahrzeugs betrifft, ebenfalls keinen Regelungscharakter zu. Sein Zweck ist es, die Zulassung (Erteilung der Betriebserlaubnis und des amtlichen Kennzeichens) des darin bezeichneten Fahrzeugs (vgl. BVerwG VRS 64, 239; JZ 1978, 234; BFHE 1987, 94) für eine näher bezeichnete Person (vgl. BGHSt 22, 201; BayObLG NJW 1980, 1057; OLG Hamburg NJW 1966, 1827; BVerwG Beschluss vom 14.03.1979 - 7 B 53/79; OVG Rheinland-Pfalz NZV 1991, 406) auszuweisen; er dient hingegen nicht dazu, die Richtigkeit der in ihm enthaltenen Angaben zu öffentlichem Glauben zu bezeugen (vgl. BGHSt 20, 186). Er wird aufgrund der Betriebserlaubnis oder der EG-Typ-Genehmigung und nach Zuteilung des Kennzeichens von der Zulassungsstelle ausgefertigt und ausgehändigt (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StVZO). Es handelt sich um einen Auszug aus dem Fahrzeugbrief, wobei er die wichtigsten technischen Angaben, die der Betriebserlaubnis zu Grunde liegen, enthält (OLG Celle VRS 74, 459). Eine Überprüfung dieser Daten durch die Zulassungsstelle, wie bereits angeführt, ist nicht vorgeschrieben. Auch beim Fahrzeugschein können der in ihm beschriebene und der tatsächliche Zustand eine Fahrzeuges bereits kurz nach der Zulassung auseinanderfallen.

Die Bezeichnung der Bauart eines Fahrzeuges in den Fahrzeugpapieren ist daher generell weder dazu gedacht noch dazu geeignet, über die Maßgeblichkeit von Vorschriften der StVO zu bestimmen.

Leitgedanke für den Erlass der StVO war die Verhinderung von Verkehrsunfällen (VkBl. 1970, 797). Dem Regelungszweck der StVO kann nur dadurch Rechnung getragen werden, dass für die Einordnung eines Fahrzeuges im Sinne der Verordnung auf dessen konkrete Bauart und Einrichtung abgestellt wird. Denn für die Beherrschung eines Fahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr sind neben den persönlichen Fähigkeiten des Fahrzeugführers die Eigenschaften des Fahrzeuges und dessen Ladung relevant. § 4 Abs. 4 PBefG stellt somit eine gesetzliche straßenverkehrsrechtliche Definition der Fahrzeugarten Personenkraftwagen, Kraftomnibus und Lastkraftwagen dar, die auch für den Geltungsbereich der StVO sinnvoll ist. Als ergänzende Vorschrift ist für Kombinationskraftwagen - mangels Regelung im PBefG - auf § 23 Abs. 6 a StVZO, bei dem es sich ebenfalls um eine - zwar nicht gesetzliche - straßenverkehrsrechtliche Regelung handelt, heranzuziehen. Diese Vorschrift über die Bezeichnung bestimmter Kombinationskraftwagen als Personenkraftwagen hat der Verordnungsgeber bei Harmonisierung der Betriebserlaubnisrechtslinie 70/156/EWG durch die 20. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (VkBl. 1995, 3) bewusst aufrechterhalten, ihr wurde lediglich innerhalb des § 23 StVZO ein anderer Absatz zugewiesen. § 23 Abs. 6 a StVZO kommt ein über das reine Zulassungsrecht hinausgehender Definitionscharakter zu.

Nach alldem hätte das Urteil des Amtsgerichts auch deswegen keinen Bestand haben können, weil sich nach den bisherigen Feststellungen zu dem betreffenden Fahrzeug nicht abschließend beurteilen lässt, ob es als Personenkraftwagen, als Lastkraftwagen oder als Kraftomnibus anzusehen ist. Nach den Ausführungen des Amtsgerichts handelte es sich um einen "Sprinter" des Herstellers Daimler Chrysler, ein Kombifahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 4,6 t. Weder mit der Bezeichnung als "Kombifahrzeug" noch mit der Benennung als "Sprinter" ist das Fahrzeug hinreichend beschrieben. Die Baureihe "Sprinter" des Herstellers Mercedes-Benz umfasst eine umfangreiche Palette von Fahrzeugen verschiedenster Bauart u.a. zum reinen Personentransport - dabei auch mit Bestuhlungen von mehr als neun Sitzen - oder zum reinen Gütertransport. Das Amtsgericht wird daher in der neuen Verhandlung nähere Feststellungen zur Bauart und zur Ausstattung des vom Betroffenen gesteuerten Fahrzeugs zu treffen haben.

Zwar ist - wie dargelegt - die bei der Zulassung des betreffenden Fahrzeugs erfolgte Bezeichnung als PKW für dessen Einordnung als PKW im Sinne der StVO ohne Belang. Der Senat sieht sich jedoch zur Klarstellung dazu veranlasst, über die Reichweite der Betriebserlaubnisrichtlinie 70/156/EWG - harmonisiert durch die 20. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 09.12.1994 (VkBl. 1995, 3) für Fahrzeuge der Klasse M1 (PKW) - auszuführen: Der Vorrang dieser EWG-Richtlinie, soweit bereits eine Harmonisierung erfolgt ist, erstreckt sich entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht auf das gesamtenationale Zulassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Die Richtlinie 70/156/EWG vom 06.02.1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger dient, worauf bereits ihre Bezeichnung hinweist, der Harmonisierung nur eines Teils des Zulassungsverfahrens, nämlich der Erteilung der Betriebserlaubnis. Hinsichtlich der eigentlichen Zulassung (Zuteilung des Kennzeichens, Fahrzeugpapiere, Zulassungsverfahren und Fahrzeugregister) steht eine Harmonisierung noch aus (so auch Jagow DAR 1992, 453). Wie sich aus der Begründung der Richtlinie ergibt, waren für ihren Erlass wirtschaftliche Gründe maßgeblich; es sollten Hemmnisse für die Errichtung und das reibungslose Funktionieren des gemeinsamen Marktes verringert oder sogar beseitigt werden. Zu diesem Zweck wurde das Institut der Europäischen Betriebserlaubnis (EWG- bzw. EG-Typgenehmigung) geschaffen. Anstelle in jedem Mitgliedsstaat einzuholender nationaler Typgenehmigungen - in Deutschland die allgemeine Betriebserlaubnis (§ 20 StVZO), die das Kraftfahrtbundesamt erteilt - sollte eine einzige EG-Typgenehmigung - erteilt von der Genehmigungsbehörde eines einzigen Mitgliedsstaates nach den harmonisierten EG-Bestimmungen - ausreichen. Zwar wird in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie vorgeschrieben, dass die Mitgliedsstaaten die Zulassung, den Verkauf, die Inbetriebnahme oder die Benutzung eines neuen, mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehenen Fahrzeugs nicht aus Gründen seiner Bau- oder Wirkungsweise verweigern oder verbieten dürfen, so dass nach Erteilung einer EG-Typgenehmigung durch einen Mitgliedsstaat ein Anspruch auf Zulassung eines Fahrzeuges in jedem der Mitgliedsstaaten besteht. Wie diese Zulassung national zu erfolgen hat, schreibt die Richtlinie hingegen nicht vor. Die Ausgestaltung des von der Erteilung der allgemeinen Betriebserlaubnis zu unterscheidenden eigentlichen Zulassungsverfahrens bleibt nach wie vor dem einzelnen Mitgliedsstaat vorbehalten. Es gibt daher keinen Vorrang Europäischen Gemeinschaftsrechts, der die Anwendung des § 23 Abs. 6 a StVZO, der die Bezeichnung eines sogenannten Kombinationsfahrzeugs bei der Zuteilung des amtlichen Kennzeichens regelt, verbieten würde.

Das Amtsgericht hat den Freispruch des Betroffenen in einer Hilfserwägung zusätzlich mit dem Vorliegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums begründet. Hierzu hat es angeführt, dass "selbst für den Fall, dass man einen Vorrang nationalen Rechts vor entgegenstehendem EG-Recht annähme und eine Legalisierungswirkung ablehnte, ein beachtlicher Irrtum im normativen Bereich vorläge. Angesichts der Komplexität der Rechtsfragen spreche alles dafür, hier - bei Verneinung des Vorranges der EG-Typ-Richtlinie - einen beachtlichen Erlaubnistatbestandsirrtum analog § 16 StGB anzunehmen, bei dem allein das Vorhandensein eines Irrtums ungeachtet seiner Vermeidbarkeit bereits den Tatbestand entfallen lasse". "Doppelt" hilfsweise hat das Amtsgericht noch erwogen, dass, "wenn man jedoch einen bloßen Verbotsirrtum nach § 17 StGB bejahe, dieser doch in den vorliegenden Fällen unvermeidbar sei".

Diese Ausführungen veranlassen den Senat zu folgenden Hinweisen: Das Amtsgericht hat sich bei Annahme oder Ablehnung eines (vermeidbaren) Verbotsirrtums oder Tatbestandsirrtums in den Urteilsfeststellungen zum Sachverhalt näher zu äußern, damit dem Rechtsbeschwerdegericht insoweit eine rechtliche Nachprüfung möglich ist (Göhler a.a.O. § 11 Rn. 34). Hier lassen die Urteilsgründe, die zur subjektiven Tatseite schweigen, nicht erkennen, ob bei dem Betroffenen - eine Tatbegehung unterstellt - überhaupt eine wie auch immer geartete (vermeidbare) Fehlvorstellung vorhanden war. Das Urteil enthält nur allgemeine Erwägungen - insbesondere zur Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums -, ohne sich jedoch mit einer konkreten Fallgestaltung auseinander zu setzen.

Sollte die neue Hauptverhandlung ergeben, dass der Betroffene irrtümlich das Tatfahrzeug als PKW eingeordnet hat und deshalb davon ausgegangen ist, auf Autobahnen nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung des § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO gebunden zu sein, dann wären die Regeln über den Verbotsirrtum gemäß § 11 Abs. 2 OWiG anzuwenden. Hat der Betroffene nämlich bei Tatbegehung Kenntnis aller zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Umstände gehabt und sich "nur" über die rechtliche Bewertung des von ihm geführten Fahrzeugs geirrt, kann es sich um einen Verbotsirrtum handeln, der den Vorsatz unberührt lässt (vgl. BayObLG DAR 2003, 469; OLG Düsseldorf VM 1960, 18; Göhler a.a.O. § 11 Rn. 6 - 8; KK-Rengier OWiG 2. Aufl. § 11 Rn. 111). Für den vom Amtsgericht in erster Linie angenommenen Erlaubnistatbestandsirrtum sieht der Senat keinen Anhalt. Ein derartiger Irrtum liegt vor, wenn der Täter irrig Umstände für gegeben hält, die im Falle ihres wirklichen Gegebenseins die Tat rechtfertigen würden (vgl. Wessels, Strafrecht Allgemeiner Teil 25. Aufl. Rn. 470 m.w.N.). Dass sich der Betroffene über die sachlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes geirrt haben könnte, liegt fern.