OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.10.2003 - 17 U 210/02
Fundstelle
openJur 2012, 62238
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des LG Mannheim vom 31.5.2002 - 9 O 24/02 - im Kostenpunkt aufgehoben und i.Ü. wie folgt abgeändert:1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 25.1.2000 - 8 U 183/97 - wird für unzulässig erklärt, soweit die Beklagte mehr als 104.291,43 Euro nebst 11,75 % Zinsen aus 173.224,71 Euro vom 22.1.2002 bis 3.2.2002 und aus 104.291,43 Euro seit dem 4.2.2002 vollstreckt.2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.II. Die weiter gehenden Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurückgewiesen.III. Von den Kosten der ersten Instanz trägt der Kläger 23 % und die Beklagte 77 %. Von den Kosten der zweiten Instanz trägt der Kläger 19 % und die Beklagte 81 %.IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.V. Die Revision wird nicht zugelassen.VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 85.345,75 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil.

Der Kläger wurde durch Urteil des OLG Karlsruhe vom 25.1.2000 - 8 U 183/97 - verurteilt, an die Beklagte 898.811,66 DM nebst 11,75 % Zinsen aus 479.064,66 DM seit 23.7.1996 bis 9.11.1999 und aus 898.811,66 DM seit 10.11.1999 zu zahlen. Dieses Urteil wurde rechtskräftig, nachdem der BGH durch Beschluss vom 6.12.2000 die Revision des Klägers des vorliegenden Rechtsstreits nicht angenommen hat. Die Beklagte betreibt gegen den Kläger aus einem Teilbetrag i.H.v. 330.013,91 Euro die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Vollstreckungsabwehrklage. Er behauptet, die geschuldeten Leistungen durch Hinterlegung, Aufrechnung, Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts sowie Zahlung an das Finanzamt Mannheim-Neckarstadt bewirkt zu haben. Das LG gab der Klage statt, soweit die Beklagte über einen höheren Betrag als 111.400,81 Euro nebst Zinsen vollstreckt. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass hinsichtlich eines Teilbetrags von 429.252,50 Euro Erfüllung durch Hinterlegung eingetreten sei, da eine nicht auf Fahrlässigkeit beruhende Ungewissheit des Klägers über die Person des Gläubigers bestanden habe. Mit einem weiteren Betrag von 86.949,98 Euro habe der Kläger wirksam die Aufrechnung erklärt. Nach dem gerichtlichen Vergleich im einstweiligen Verfügungsverfahren der Parteien vom 30.9.1992 sollten die Kosten des Verfügungsverfahrens sowie die Kosten für die dort vereinbarte Stellung einer Bankbürgschaft der Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens folgen. Bei einer durchschnittlichen Kostenbelastung der Beklagten von 41,43 % errechnen sich von ihr zu tragende Bürgschaftskosten von 86.949,98 Euro. Schließlich habe der Kläger mit Erfüllungswirkung eine Zahlung von 45.411,43 Euro an das Finanzamt Mannheim-Neckarstadt geleistet. Nach § 48 EStG sei der Kläger verpflichtet gewesen, 15 % der von ihm durch Hinterlegung am 18.1.2002 erfüllten Hauptforderung an das Finanzamt abzuführen.

Mit der Berufung erstrebt der Kläger, dass die Zwangsvollstreckung hinsichtlich eines weiteren Teilbetrags von 23.521,85 Euro für unzulässig erklärt wird. Demgegenüber möchte die Beklagte mit ihrer Berufung erreichen, dass sie wegen eines weiteren Betrages von 61.823,90 Euro die Zwangsvollstreckung fortführen kann.

Der Kläger vertritt die Auffassung, von dem an das Finanzamt Mannheim-Neckarstadt am 1.2.2002 abgeführten Betrag von 100.514,48 Euro komme einem weiteren Teilbetrag von 23.521,85 Euro Erfüllungswirkung zu. Der Abzugsbetrag errechne sich nicht nach der tatsächlich erbrachten Gegenleistung, sondern nach der Höhe des gesamten Rechnungsbetrages aus dem Urteil des OLG Karlsruhe. Danach habe er einen Restwerklohn von 459.555,10 Euro geschuldet. Hiervon habe er 15 %, d.h. 68.933,27 Euro, gem. § 48 Abs. 1 EStG an das Finanzamt abführen müssen. Dagegen könne die Beklagte nicht einwenden, nach § 48a EStG sei der Abzugsbetrag erst am 10. Tag nach Ablauf des Anmeldezeitraums fällig und an das für den Leistenden zuständige Finanzamt für Rechnung des Leistenden abzuführen. Hierbei handele es sich nur um eine Fälligkeitsbestimmung im Verhältnis zwischen dem Leistungsempfänger und dem Finanzamt. Er sei dementsprechend nicht gehindert gewesen, mit Erfüllungswirkung den an das Finanzamt abzuführenden Teil der Gegenleistung zeitlich vor der Erbringung der restlichen Gegenleistung zu zahlen.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des LG Mannheim vom 31.5.2002 wird dahin gehend abgeändert, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 25.1.2000 - 8 U 183/97 - für unzulässig erklärt wird, soweit die Beklagte mehr als 87.878,96 Euro nebst 11,75 % Zinsen aus 156.812,24 Euro vom 22.1.2002 bis 3.2.2002 und aus 87.878,96 Euro seit dem 4.2.2002 vollstreckt.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des LG Mannheim vom 31.5.2002 wird dahin gehend abgeändert, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 25.1.2000 - 8 U 183/97 - wegen eines weiteren Betrages i.H.v. 61.823,90 Euro nebst 11,75 % Zinsen hieraus seit dem 22.1.2002 für zulässig erklärt wird.

2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass auch der Teilbetrag von 45.411,43 Euro nicht mit Erfüllungswirkung an das Finanzamt Mannheim-Neckarstadt vom Kläger geleistet worden sei. Es sei schon fraglich, ob der zum 1.1.2002 in Kraft getretene § 48 EStG Bauleistungen erfasse, die bereits 10 Jahre zuvor erbracht worden seien. Jedenfalls habe der Kläger verspätet hinterlegt, weshalb der Zahlung an das Finanzamt keine Erfüllungswirkung zukomme. Der Beschluss des BGH vom 6.12.2001 sei dem Prozessvertreter des Klägers wenige Tage später zugegangen. Ab diesem Zeitpunkt habe er sich auf die Zahlung einstellen müssen. Stattdessen habe der Kläger die Hinterlegung sowie die Zahlung an das Finanzamt bis ins Jahr 2002 hinausgezögert, um Gegenpositionen aufzubauen. Fernmündlich habe i.Ü. das Finanzamt Mannheim-Neckarstadt bereits zugesagt, dass der Betrag von 45.411,43 Euro zurückgezahlt werde.

Weiterhin habe das LG sie i.H.v. 16.412,47 Euro zu Unrecht mit Avalkosten belastet. Die Prozessbürgschaft, die der Kläger nach Abschluss des Berufungsverfahrens gestellt habe, habe nichts mehr mit der Vereinbarung im Gerichtsvergleich vom 30.9.1992 zu tun. Diese Bürgschaft habe allein die Funktion erfüllt, die Zwangsvollstreckung abzuwenden. Demgegenüber sei es bei der im Vergleich des einstweiligen Verfügungsverfahrens vereinbarten Bürgschaft um eine Sicherung der Werklohnansprüche ohne Eintragung einer Vormerkung für eine Bauunternehmersicherungshypothek gegangen. Aus diesen Gründen könne der Kläger mit den während des Revisionsverfahrens vor dem BGH angefallenen Avalkosten nicht gegen die Werklohnforderung aufrechnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet, während die zulässige Berufung der Beklagten nur teilweise begründet ist.

1. Das LG hat zutreffend entschieden, dass der Zahlung des Klägers vom 1.2.2002 an das Finanzamt Mannheim-Neckarstadt dem Grunde nach Erfüllungswirkung zukommt. Die hiergegen von der Beklagten erhobenen Einwände greifen nicht durch. Die Voraussetzungen des am 1.1.2002 eingeführten § 48 EStG über den Steuerabzug bei Bauleistungen liegen vor. Die Beklagte hat im Inland eine Bauleistung an den Kläger als Unternehmer i.S.d. § 2 des UStG erbracht, so dass von der Gegenleistung ein Steuerabzug i.H.v. 15 v.H. für Rechnung des Leistenden vorzunehmen ist. Nach § 52 Abs. 56 EStG ist § 48 EStG erstmals auf Gegenleistungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2001 erbracht werden. Diese Voraussetzung ist ebenfalls gegeben. Die Hinterlegung des Betrages von 429.252,50 Euro erfolgte am 18.1.2002 und am gleichen Tag erklärte der Beklagte die Aufrechnung mit einem Betrag von 132.660,15 Euro, der die Avalgebühren für die gestellten Bürgschaften betraf. Die zivilrechtliche Rückwirkung der Aufrechnung (§ 389 BGB) ist steuerrechtlich nicht maßgeblich. Vielmehr kommt es im Steuerrecht auf den Zeitpunkt der durch die Aufrechnungserklärung bewerteten Leistung und nicht auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage an (vgl. BFH v. 25.10.1994 - VIII R 79/91, FR 1995, 59 = NJW 1995, 1238 [1240]). Die Beklagte kann die Erfüllungswirkung der Zahlung an das Finanzamt auf ihre Werklohnforderung auch nicht mit der Begründung in Frage stellen, der Kläger hätte noch im Jahre 2001 leisten können. Es ist kein rechtlicher Anhaltspunkt erkennbar, dass deshalb der Zahlung an das Finanzamt die Erfüllungswirkung fehlen könnte. Für eine treuwidrige Zahlungsverzögerung, um den Steuerabzug vornehmen zu können, ist nichts ersichtlich. Im Hinblick auf die Forderungshöhe und den Klärungsbedarf hinsichtlich der Anspruchsberechtigung ist der Zeitraum zwischen der Entscheidung des BGH vom 6.12.2001 und der Hinterlegung am 18.1.2002 nicht ungewöhnlich lang. Im Übrigen ist auch kein Nachteil oder Rechtsverlust für die Beklagte durch den erfolgten pauschalen Steuerabzug erkennbar. Der abgeführte Betrag ist auf die von der Beklagten geschuldeten Steuern anzurechnen und bei Überzahlung zurückzuzahlen. Dies deckt sich mit dem eigenen Vorbringen der Beklagten, wonach vom Finanzamt fernmündlich bereits die Rückzahlung von 45.411,43 Euro, also dem Teilbetrag aus der Leistung des Klägers an das Finanzamt, dem das LG Erfüllungswirkung beigemessen hat, angekündigt worden sei.

Die Zahlung des Klägers an das Finanzamt hat i.H.v. 68.933,28 Euro Erfüllungswirkung und damit entspr. der Berufung des Klägers um einen um 23.521,85 Euro höheren Betrag, als vom LG angenommen wurde. Der Steuerabzugsbetrag ist von der gesamten Hauptforderung der Beklagten von 898.811,66 DM (= 459.555,10 Euro) vorzunehmen und nicht nur von dem hinterlegten Teilbetrag. Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass § 48a Abs. 1 EStG den Fälligkeitszeitpunkt des Abzugsbetrages im Verhältnis zwischen Bauherr und Finanzbehörde festlegt, aber nicht untersagt, dass bereits vor Fälligkeit an das Finanzamt geleistet wird, zumal die Zahlung ggü. dem Unternehmer Erfüllungswirkung hat und im vorliegenden Fall die Restwerklohnforderung der Beklagten im Verhältnis zum Kläger spätestens mit der Rechtskraft des Urteils im Vorprozess fällig wurde.

2. Der Kläger konnte nicht wirksam mit anteiligen Avalkosten für die Prozessbürgschaft der C.-Bank M. vom 24.2.2000 über 1,2 Mio. DM, abgelöst durch eine weitere Prozessbürgschaft dieser Bank über den gleichen Betrag vom 15.3.2000, i.H.v. 32.100 DM aufrechnen. Insoweit steht dem Kläger kein aufrechenbarer Anspruch gegen die Beklagte zu und ihre Berufung hat Erfolg. Die Parteien hatten im Vergleich des einstweiligen Verfügungsverfahrens am 30.9.1992 wegen der Eintragung einer Vormerkung für eine Bauunternehmersicherungshypothek vereinbart, dass der Kläger eine uneingeschränkte Bürgschaft über 2,2 Mio. DM stellt. Die Kosten für die Bürgschaft sollten nach § 3 des Vergleichs der Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens folgen. Diese Regelung findet auf die nach Erlass des Berufungsurteils vom Beklagten gestellten Prozessbürgschaften vom 24.2./15.3.2000 keine Anwendung. Die ursprüngliche Bürgschaft diente als Sicherheit für den behaupteten Vergütungsanspruch der Beklagten und ersetzte die gesetzlich vorgesehene Eintragung einer Sicherungshypothek des Bauunternehmers gem. § 648 BGB bzw. im einstweiligen Verfügungsverfahren zunächst die Eintragung einer entspr. Vormerkung. Auf diese Bürgschaft bezog sich der Vergleich vom 30.9.1992 einschl. der dort getroffenen Kostenentscheidung. Demgegenüber handelt es sich bei den Prozessbürgschaften vom 24.2./15.3.2000 um Sicherheitsleistungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil des OLG Karlsruhe vom 25.1.2000. Auch Sinn und Zweck der Kostenregelung in dem Vergleich spricht dagegen, die Beklagte mit den anteiligen Avalkosten ab dem 24.2.2000 zu belasten. Im einstweiligen Verfügungsverfahren war völlig offen, in welcher Höhe der Beklagten noch Restwerklohn zusteht. Dementsprechend macht es Sinn, die Beklagte an den Bürgschaftskosten zu beteiligen, soweit sich im Hauptsacheverfahren über die Vergütung herausstellen sollte, dass eine überhöhte Sicherheit verlangt wurde. Diese Situation bestand nach Erlass des Berufungsurteils nicht mehr. Vielmehr kam es nunmehr dem Kläger darauf an, dass die Vollstreckung bis zur Rechtskraft des Urteils hinausgeschoben wird. Insoweit lag keine Unsicherheit mehr vor, sondern es war gerichtlich ausgesprochen worden, dass vom Kläger i.H.v. 1,2 Mio. DM Sicherheit zu leisten ist, um die Vollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil abzuwenden. Ob eine entspr. Sicherheit gestellt wird, entscheidet aber allein der Schuldner, so dass er auch die Kosten hierfür tragen muss.

Die Avalkosten für den Zeitraum vom 24.2.2000 bis 6.12.2001 - für die Zeit danach hat auch das LG die Aufrechnung nicht anerkannt - belaufen sich entspr. der unstreitigen Aufstellung des Klägers auf 32.100 DM (= 16.412,47 Euro). In dieser Höhe greift die Aufrechnung des Klägers nicht durch und die Zwangsvollstreckung ist zulässig.

III. Ausgehend von der zutreffenden Abrechnung des LG (vgl. S. 13-14 und 16 des Urteils) ergibt sich vor Berücksichtigung der Zahlung an das Finanzamt eine Restforderung der Beklagten i.H.v. 173.224,71 Euro nebst 11,75 % Zinsen hieraus seit 22.1.2002. Abzüglich der allein auf die Hauptforderung geleisteten Zahlung an das Finanzamt, der i.H.v. 68.933,28 Euro Erfüllungswirkung zukommt, verbleibt eine Hauptforderung von 104.291,43 Euro nebst 11,75 % Zinsen aus 173.224,71 Euro vom 22.1.2002 bis 3.2.2002 und aus 104.291,43 Euro seit dem 4.2.2002.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe gem. § 543 Abs. 2 ZPO vorliegt.

Dr. Müller-Christmann Hefermehl Horn

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